Vom Nutzen der Historie: Die Nationalisierung der Biographie für junge Leserinnen

Zusammenfassung

Mit diesem Büchlein hat der Verfasser [Karstädt] der reiferen weiblichen Jugend eine wertvolle Gabe dargeboten. In kurzen packenden Erzählungen entwirft er ein Bild jener Tage tiefster Erniedrigung und höchster patriotischer Begeisterung, und hinein in dieses Milieu stellt er jene Frauenbilder, die leidend, helfend, ermunternd durch das Wort und Tat als Heldinnen jener Zeit vor 100 Jahren allen deutschen Mädchen reiferen Alters bekannt, beliebt und wert sein sollen. Möge das anspruchslose Büchlein in viele Hände gelangen; es ist eine kurze, schlichte, ergreifende Predigt von Pflicht, Treue und Vaterlandsliebe für unsere Mädchen.²

So urteilte ein anonymer Rezensent über Otto Karstädts Heldenmädchen und -Frauen aus großer Zeit (1813) (1911). Das Wissen von Mädchen über die Vergangenheit, besonders die ‚vaterländische‘ Geschichte, gewann in der Kaiserzeit in verschiedenen Konjunkturen an Bedeutung; besonders „Vaterlandsliebe“ war eine Tugend, die nun auch bei jungen Leserinnen gefördert werden sollte. Einen Höhepunkt in dieser Entwicklung bildeten die Feiern des 100. Jahrestages der Völkerschlacht bei Leipzig im Jahre 1913, in deren Kontext auch Karstädts Buch erschien. Bereits vor dem deutsch-französischen Krieg wurde geschichtserzählende Literatur für junge Leserinnen publiziert, doch nach der Reichseinigung und besonders seit dem sogenannten Kaisererlaß Wilhelms IL (1889) trat die vaterländische Geschichte in den biographischen Erzählungen in den Vordergrund.

Ich danke Gisela Wilkending, Gabriele von Glasenapp und Arne Scheuermann sowie Birgit Neumann und Sylvia Reinecke für wertvolle Hinweise und Anregungen.