Zusammenfassung
Rul Gunzenhäuser (1933–2018) spielt eine wichtige, bislang kaum beachtete Rolle in der Gruppe um Max Bense und in der Entwicklung der mathematischen Geisteswissenschaften. Seine Kooperationen mit Bense, Helmut Kreuzer und Theo Lutz sowie seine Rolle als Vermittler zwischen Mathematik, Informatik und den Geisteswissenschaften sind Gegenstand dieses Beitrags. Gunzenhäuser unterstützt 1959 Lutz bei der Generierung der „Stochastischen Texte“ und vermittelt diese an Bense. Für Benses „Theorie der Texte“ (1962) erschließt er G.D. Birkhoffs mathematische Theorie eines ästhetischen Maßes. Gemeinsam mit Kreuzer gibt er den Band „Mathematik und Dichtung“ (1965) heraus und begründet 1970 die „Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik (LiLi)“. Gunzenhäuser steht exemplarisch für die kybernetisch grundierten, informatisch modellierten und quantitativ operierenden Geisteswissenschaften der 1950er und 1960er Jahre.
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Notes
- 1.
Dieser Beitrag entstand im Rahmen des DFG-geförderten Forschungsprojekts „Quantitative Literaturwissenschaft“, das am Institut für Literaturwissenschaft und am Stuttgart Research Centre for Text Studies der Universität Stuttgart angesiedelt ist. Büscher/Herrmann/Hoffmann 2004 weisen Gunzenhäuser früh einen prominenten Platz im Kontext der Stuttgarter Schule zu.
- 2.
Nietzsche: Die fröhliche Wissenschaft, § 246, zit. nach Gunzenhäuser 1962, S. 5.
- 3.
Bernhart im Gespräch mit Gunzenhäuser, 10. Dezember 2015. Der Verfasser dankt Brigitte Gunzenhäuser für die Publikationserlaubnis.
- 4.
Zu Begrifflichkeit und Selbstverständnis der Stuttgarter Schule bzw. Stuttgarter Gruppe vgl. Döhl [1997].
- 5.
Bense/Döhl 1972, S. 165.
- 6.
- 7.
Bernhart im Gespräch mit Gunzenhäuser, 10. Dezember 2015.
- 8.
Bense an Gunzenhäuser, 10. Oktober 1958. Der Verfasser dankt der Erbengemeinschaft Max Bense für die Publikationserlaubnis.
- 9.
Bernhart im Gespräch mit Gunzenhäuser, 10. Dezember 2015.
- 10.
Vgl. den „Lebenslauf“ in Gunzenhäuser 1962, S. 165.
- 11.
- 12.
Gunzenhäuser 1962, S. 25–30. Vgl. die ausführliche Bibliografie zu Birkhoffs mathematischer Ästhetik in Gunzenhäuser 1975, S. 207 f.
- 13.
Zu Birkhoffs Theorie des ästhetischen Maßes und Gunzenhäusers Adaption vgl. auch den Beitrag von Claus-Michael Schlesinger in diesem Band.
- 14.
Shannon/Weaver 1998.
- 15.
Bense 1960, S. 30.
- 16.
Bense 1962, S. 39–58, bes. 41–45.
- 17.
Bense 1938.
- 18.
Bense 1965a, S. 317–332.
- 19.
Ebd., S. 10.
- 20.
Bense 1965b.
- 21.
Bernhart im Gespräch mit Gunzenhäuser, 10. Dezember 2015.
- 22.
Ebd.
- 23.
Gunzenhäuser 1988.
- 24.
Bernhart im Gespräch mit Gunzenhäuser, 10. Dezember 2015.
- 25.
- 26.
Bernhart im Gespräch mit Gunzenhäuser, 10. Dezember 2015.
- 27.
- 28.
Weitere Aufschlüsse sind aus dem Nachlass von Theo Lutz zu erwarten, der Anfang 2019 vom Deutschen Literaturarchiv (DLA) Marbach übernommen wurde.
- 29.
Gunzenhäuser an Lutz, 21. Juli 1959. Interpunktion wie im Original.
- 30.
Ebd.
- 31.
Ebd. Satzgrammatik wie im Original. Mit der „Stuttgarter Anlage“ ist die Zuse Z 22 der Technischen Hochschule Stuttgart gemeint.
- 32.
Zwei mit einem sogenannten Schnelldrucker angefertigte Ausdrucke des computergenerierten Textes mit dem Incipit „Nicht jeder Blick ist nah“, ebenso das in Fortran geschriebene Computerprogramm befinden sich im Nachlass Theo Lutz, DLA Marbach. Ein weiterer Ausdruck befindet sich im Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) Karlsruhe. Eine PHP-Version des Programms von Lutz realisierte Auer 2005.
- 33.
Lutz 1959 (Nachdruck Lutz 2004); Gunzenhäuser 1960. Vgl. auch den zusammenfassenden Rückblick auf die Experimente mit stochastischen Texten von Gunzenhäuser 1963. Es ist anzumerken, dass es sich bei den unter dem Titel in der Pluralform Stochastische Texte veröffentlichten Texten um unterschiedliche Auszüge aus ein und demselben Text mit dem Incipit „Nicht jeder Blick ist nah“ handelt. Ungekürzt und in voller Länge wurde dieser Text bislang noch nicht veröffentlicht.
- 34.
electronus 1960.
- 35.
L[ohberg] 1961.
- 36.
Wenige Jahre älter sind die computergenerierten Love Letters von Christopher Strachey . Vgl. Strachey 1954.
- 37.
Gunzenhäuser 1968.
- 38.
- 39.
- 40.
Schnelle/Engelien 1968.
- 41.
Nake 1968.
- 42.
Knödel 1968, S. III.
- 43.
- 44.
Von der Wertschätzung Knödels und Gunzenhäusers als Motoren der Stuttgarter Informatik zeugt die Benennung zweier Hörsäle nach diesen beiden Persönlichkeiten am Institut für Visualisierung und Interaktive Systeme der Universität Stuttgart: Es gibt dort den Walter-Knödel- und den Rul-Gunzenhäuser-Hörsaal.
- 45.
Ausdruck dafür, dass Kreuzer und Gunzenhäuser die Arbeit der Aachener Gruppe aufmerksam verfolgt haben, ist der Beitrag von Fucks/Lauter 1965 in Mathematik und Dichtung.
- 46.
Weitere wichtige Aufschlüsse sind aus dem Nachlass Gunzenhäusers zu erwarten, der sich derzeit in einem Prozess der Formierung befindet. Erste, vor allem auf Literatur bezogene Teile des Nachlasses wurden Anfang 2019 vom DLA Marbach übernommen. Weitere Teile des Nachlasses befinden sich im Universitätsarchiv der Universität Stuttgart.
Literatur
Unveröffentlichte Quellen
Max Bense an Rul Gunzenhäuser, 10. Oktober 1958. Nachlass Rul Gunzenhäuser, Privatbesitz.
Bernhart, Toni im Gespräch mit Rul Gunzenhäuser am 10. Dezember 2015 am Institut für Visualisierung und Interaktive Systeme der Universität Stuttgart. 1 h 37 min. Tonaufzeichnung, Archiv des Verfassers.
Rul Gunzenhäuser an Theo Lutz, 21. Juli 1959. Nachlass Theo Lutz, DLA Marbach.
Krumeich, Jens: Fritz Martini. Ein literaturwissenschaftlicher Autor vor und nach 1945. Zulassungsarbeit zur ersten Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien im Fach Deutsch. Universität Stuttgart 2017.
Veröffentlichte Quellen
Auer, Johannes: Lutzen (2005), https://auer.netzliteratur.net/0_lutz/lutz_original.html (21.02.2019).
Bense, Max: Quantenmechanik und Daseinsrelativität. Köln-Kalk 1938.
Bense, Max: Programmierung des Schönen. Allgemeine Texttheorie und Textästhetik. Baden-Baden/Krefeld 1960.
Bense, Max: Theorie der Texte. Eine Einführung in neuere Auffassungen und Methoden. Köln/Berlin 1962.
Bense, Max: Aesthetica. Einführung in die neue Aesthetik. Baden-Baden 1965a.
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Bense, Max/Döhl, Reinhard: zur lage [1964]. In: Eugen Gomringer (Hg.): konkrete poesie. deutschsprachige autoren. anthologie. Stuttgart 1972, S. 165f.
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electronus [Pseudonym für Lutz, Theo]: und kein engel ist schön. In: ja und nein. Unabhängige Zeitschrift der Jungen Generation 3/12 (1960), S. 3.
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Geisenhanslüke, Achim/Müller, Oliver: Linguistik als Gegendiskurs? Die Siegener ‚Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik‘. In: Ulrike Haß/Christoph König (Hg.): Literaturwissenschaft und Linguistik von 1960 bis heute. Göttingen 2003, S. 87–105.
Gunzenhäuser, Rul: Über ein Programm zur Erzeugung stochastisch-logistischer Texte. In: Grundlagenstudien aus Kybernetik und Geisteswissenschaft 1 (1960), S. 127 f.
Gunzenhäuser, Rul: Ästhetisches Maß und ästhetische Information. Einführung in die Theorie G.D. Birkhoffs und die Redundanztheorie ästhetischer Prozesse. [Abweichender Titel auf dem Titelblatt: Die ästhetische Theorie G.D. Birkhoffs. Versuch einer kritischen Darstellung und Erweiterung im Rahmen eines informationstheoretischen Modells für ästhetische Prozesse]. Als Manuskript gedruckt. Quickborn bei Hamburg 1962.
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Gunzenhäuser, Rul: Abteilung Dialogsysteme. In: Fakultät Informatik der Universität Stuttgart (Hg.): Festschrift zur Gründung der Fakultät Informatik. Stuttgart 1988, S. 115–128.
Haß, Ulrike/König, Christoph (Hg.): Literaturwissenschaft und Linguistik von 1960 bis heute. Göttingen 2003.
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Kreuzer, Helmut/Gunzenhäuser, Rul (Hg.): Mathematik und Dichtung. Versuche zur Frage einer exakten Literaturwissenschaft. München 1965.
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Lutz, Theo: Stochastische Texte [1959]. In: Barbara Büscher/Hans-Christian Herrmann/Christoph Hoffmann (Hg.): Ästhetik als Programm. Max Bense/Daten und Streuungen. Berlin 2004, S. 164–169.
Nake, F.: Erzeugung ästhetischer Objekte mit Rechenanlagen. In: Rul Gunzenhäuser (Hg.): Nicht-numerische Informationsverarbeitung. Beiträge zur Behandlung nicht-numerischer Probleme mit Hilfe von Digitalrechenanlagen. Wien 1968, S. 456–472.
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Strachey, Christopher: The „Thinking“ Machine. In: Encounter. A Monthly Review of Literature, the Arts, and Politics 13 (1954), S. 25–31.
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Bernhart, T. (2019). Rul Gunzenhäuser und die Stuttgarter Schule der mathematischen Geisteswissenschaften. In: Albrecht, A., Bonitz, M., Skowronski, A., Zittel, C. (eds) Max Bense. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04753-3_13
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