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›Prinz Friedrich von Homburg. Ein Schauspiel‹ oder die Ästhetik der Verklärung

  • Chapter
Kleist-Jahrbuch 2002
  • 108 Accesses

Zusammenfassung

Am 13. Dezember 2001 wurde vor der National Gallery in Washington Frank Stellas Skulptur ›Prinz Friedrich von Homburg. Ein Schauspiel‹ eingeweiht. Trotz ihres Umfangs (9,40 x 11,90 x 10,40 Meter) und ihres Gewichts von nahezu neun Tonnen wirkt die Skulptur transparent und leicht und scheint über dem Boden zu schweben. Nur an sieben Stellen berühren verankerte Stahlseile und diagonal emporragende Stahlgerüste den Grund, die Konturen eines polygonalen Raumes bestimmend, innerhalb dessen ein rötliches, sowie weiße und graue Einzelelemente in der Schwebe gehalten werden. Jede dieser einzelnen Formen scheint aus zunächst planen Oberflächen entwickelt, die durch Einschnitte, Krümmungen und Biegungen so gestaltet sind, daß sie mit ihrer konvexen wie mit der konkaven Seite den Raum mit zunehmender Differenzierung und Komplexität bestimmen. Die Skulptur als Ganzes enthält durch Material, Form und Farbe klar voneinander abgehobene Elemente, die — nicht durchgängig miteinander verbunden, sondern nur an Stellen strategischer Artikulation im Raum suspendiert gleich den Gliedmaßen eines Körpers — die Möglichkeit von Bewegungen einzelner Teile sowie des Ensembles anzudeuten scheinen. Führt man den Vergleich weiter, so übernehmen die Stütz- und Aufhängungselemente der Stahlseile und Gerüste die Funktion eines Skeletts, das die gerundeten, plastischen Elemente aus Glasfaser, Kohlefaser und Aluminium stützt und trägt, während diese spiralförmig aus dem eckig definierten Raum hervortreten.

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Literatur

  1. Siehe auch Wolf Kittler, Die Revolution der Revolution oder Was gilt es in dem Kriege, den Kleists Prinz von Homburg kämpft. In: Heinrich von Kleist. Kriegsfall — Rechtsfall — Sündenfall, hg. von Gerhard Neumann, Freiburg/Brsg. 1994, S. 61–83. Zwar stellt Kittler auch den engen Bezug zu Kleists Schrift ›Was gilt es in diesem Kriege‹ her, doch löst er die Frage nach Homburgs Ruhmsucht folgendermaßen auf: »Wie aber soll man es verstehen, wenn man gleichzeitig aufgefordert wird, alle Leidenschaften im Kampf zu aktivieren, und dennoch nicht für den eigenen Ruhm zu kämpfen? Denn schließlich war und ist die Ruhmsucht eines der entscheidenden Motive des Soldaten, und natürlich ist sie eine Leidenschaft. Das ist der Konflikt, den Kleists Schauspiel zu lösen sucht. Er führt zu einem Paradox, das der Kurfürst im Verlauf des Stücks in zwei verschiedenen Fassungen formuliert: Die erste besagt, daß der Prinz als ›Sieger in der Schlacht bei Fehrbellin‹ zu feiern und gleichzeitig vor ein Kriegsgericht zu stellen sei, von dem man weiß, daß es nach dem Gesetz verpflichtet ist, auf den Tod des Angeklagten zu erkennen. Die zweite und abschließende Paradoxic aber besteht darin, daß der Prinz erst dann begnadigt werden kann, wenn er das Urteil des Kriegsgerichts vollständig internalisiert, und das heißt noch einmal in seinem eigenen Namen gesprochen, ja sogar geschrieben hat« (S. 71).

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  2. Ganz anders interpretiert Bianca Theisen den Rahmen des Stücks, indem sie Traum mit Fiktion gleichsetzt: »Kleists Drama nimmt so am Ende die zirkuläre Struktur des Traumarguments als Gesamtstruktur wieder auf und wendet sie auf sich selbst an. Homburgs Zweifel an der Wirklichkeit beantwortet Kottwitz mit der Gewißheit des Traums, das Stück schließt damit an seinen Anfang wieder an und überantwortet die für Homburg unmögliche Unterscheidung zwischen Wirklichkeit und Traum den Zuschauern oder Lesern. Ist das Stück Fiktion oder Nicht-Fiktion, Traum oder Wirklichkeit, wenn nach Kottwitz’ Traumhypothese gleich zum Aufbruch zu weiteren siegreichen Schlachten gegen die Feinde Brandenburgs aufgerufen wird? Das wird ungewiß, denn das Stück trägt das skeptische Traumargument in eine doppelte Rahmung ein: Während der Beginn eines Theaterstücks ja schon für den Zuschauer durch den sich öffnenden Vorhang gerahmt ist und dadurch das, was dann folgt, als fiktiv markiert wird, verdoppelt Kleist hier die Fiktion, indem er mit einer Fiktion in der Fiktion einsetzt — dem mit der (fiktiven) Wirklichkeit zusammenfallenden Traumtableau. Indem das Ende das Tableau des Anfangs wiederaufgreift und als »Ein Traum, was sonst« benennt, werden die im Stück skeptizistisch durchgespielten Gewißheiten und Ungewißheiten auf eine metakommunikative Ebene verschoben; auf dieser durch die doppelte Rahmung gesetzten pragmatischen Ebene werden die Zuschauer oder Leser des Stücks auf den Ungewißheitsindex festgelegt, der wie bei Traum oder Ohnmacht mit dem Übergang von einer Wirklichkeitsebene zu einer anderen verbunden ist.« Bianca Theisen, Der Bewunderer des Shakespeare. Kleists Skeptizismus. In: KJb 1999, S. 87–108, Zitat auf S. 104 f.

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  3. Frank Stella, ›Die holländische Savanne‹, sechste und letzte der Charles Eliot Norton-Vorlesungen. Vgl. Frank Stella, Working Space. The Charles Eliot Norton Lectures 1983–84, Cambridge (MA) und London 1986, S. 126–167. Zitiert nach: The Writings of Frank Stella, hg. von Franz-Joachim Verspohl, Jena und Köln 2001, S. 145.

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Günter Blamberger

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von Mücke, D. (2002). ›Prinz Friedrich von Homburg. Ein Schauspiel‹ oder die Ästhetik der Verklärung. In: Blamberger, G. (eds) Kleist-Jahrbuch 2002. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02896-9_7

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-02896-9_7

  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

  • Print ISBN: 978-3-476-01930-1

  • Online ISBN: 978-3-476-02896-9

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