Zusammenfassung
Es hat unseren Begriff von ästhetischer Moderne grundlegend verändert, dass die kulturhistorischen Disziplinen deren Anfänge nicht mehr an der Wende zum 20. Jahrhundert, sondern an jenem krisenhaften Umbruch des ausgehenden 18. Jahrhunderts situieren, den Reinhart Koselleck als eine von Beschleunigungsprozessen geprägte Sattelzeit und Michel Foucault als Umorganisation des statischen Raummodells der Repräsentation in die zeitlich verfasste moderne Episteme beschrieben haben.2 Modemität artikuliert sich demnach nicht erst in der selbstbewussten Modemeprogrammatik und Innovationsrhetorik einer sich als traditionslos gerierenden Avantgarde, sondem kann gerade in ihrer problematischen Genese in einer Zeit des Übergangs als tieferliegende Grammatik von krisenhafter Problemstellung und reflexiver Aufarbeitung in den Blick genommen werden. Die Modemediagnose hätte somit der diskursiven Konstellation eines Umbruchs auch jenseits des Autorselbstverständnisses zu gelten, ohne dem Ideologem einer permanenten Selbstüberbietung, der Proklamatorik einer Modeme als „ständiges Erzeugen von Anderssein” unkritisch zu folgen.3
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Referenzen
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Schneider, S.M. (2002). Klassizismus und Romantik — zwei Konfigurationen der einen ästhetischen Moderne. Konzeptuelle ÜBerlegungen und neuere Forschungsperspektiven. In: Pfotenhauer, H. (eds) Jahrbuch der Jean-Paul-Gesellschaft. Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger Weimar, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02858-7_5
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