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Wozu braucht man einen Aufklärer in der Restauration? Über Euripides in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

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Rezeption des antiken Dramas auf der Bühne und in der Literatur
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Zusammenfassung

Der Auftakt war bereits wenig verheißungsvoll. Das Hoftheater in Weimar studierte auf Veranlassung Goethes Euripides’ Ion in der Bearbeitung von August Wilhelm Schlegel1 ein. Die Premiere am 2. Januar 1802 geriet zum Fiasko. Goethe mußte aus seiner Loge heraus das Publikum zur Ordnung rufen: „Man lache nicht“. Eine vernichtende Kritik Böttigers im Journal des Luxus und der Moden konnte er nur mit Mühe verhindern2. Daß sich das Publikum in Weimar nicht für Euripides begeisterte, setzte gleichsam die Serie der Mißerfolge fort, die der Tragiker bereits zu Lebzeiten zu bewältigen hatte3. Und zugleich steht die Weimarer Aufführung symbolisch für das geringe Interesse, das Euripides bis weit in die zweite Hälfte des 19. Jhdts. entgegengebracht wurde. Wenn antike Dramen inszeniert wurden, so stand Sophokles im Vordergrund. Insbesondere seine thebanischen Stücke, Antigone, König Ödipus und Ödipus auf Kolonos, wurden rezipiert. Als repräsentativ hierfür darf die berühmte und epochemachende Produktion der Antigone in Potsdam 1841 gelten. Auf Betreiben des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. kam es dafür zu einer Zusammenarbeit von Böckh4, Tieck und Mendelssohn-Bartholdy5. Diese Antigone war in den folgenden Dezennien auf den deutschen Bühnen ebenso erfolgreich6, wie ein analoges Projekt mit Euripides’ Medea (1843) ohne nachhaltige Wirkung blieb7.

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Notizen

  1. Dazu U. Petersen, Goethe und Euripides. Untersuchungen zur Euripides- Rezeption in der Goethezeit, Heidelberg 1974, 106–116.

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  2. Siehe H. Flashar, Inszenierung der Antike. Das griechische Drama auf der Bühne der Neuzeit 1585–1990, München 1991, 52.

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  3. Dazu R. Kannicht, „Zum Corpus Euripideum“, in: LENAIKA, Festschrift Carl Werner Müller, Stuttgart/Leipzig 1996, 21–31.

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  4. Zu Böckh siehe zuletzt E. Vogt, „Das Werk August Böckhs als Herausforderung für unsere Zeit“, in: Humboldt-Universität zu Berlin, Öffentliche Vorlesungen, Heft 93, 1998, 7–21.

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  5. Dazu insgesamt Flashar (wie Anm. 2) 67–74; vgl. auch G. Lohse, „Antikes Drama und modernes Theater. Zu Hellmut Flashars ,Inszenierung der Antike‘“, GGA 250, 1998, 65–103, hier 76–82.

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  6. Siehe insgesamt O. Franke, Euripides bei den deutschen Dramatikern des achtzehnten Jahrhunderts, Leipzig 1929.

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  7. Siehe insgesamt A. Patzer, „Sokrates in der Tragödie“, WJA, N. F. 22, 1998, 34–45.

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  8. Siehe dazu Glenn W. Most, „Schlegel, Schlegel und die Geburt eines Tragödieparadigmas“, Poetica 25, 1993,155–175.

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  9. Bd. 1 der Historischen und kritischen Versuche über das klassische Altertum, Neustrelitz 1797, abgedruckt (und danach im folgenden zitiert) bei P. Hankamer (Hrsg.), Fr. Schlegel, Über das Studium … Godesberg 1947.

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  10. Siehe dazu H. Flashar, Wilhelm von Humboldt und die griechische Literatur, in: B. Schlerath (Hrsg.), Wilhelm von Humboldt. Vortragszyklus zum 150. Geburtstag, Berlin/New York 1986, 82–100, hier 85/86.

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  12. A.W. Schlegel, Geschichte der klassischen Literatur, bzw. Vorlesungen über dramatische Kunst und Literatur. Erster Teil (in: Kritische Schriften und Briefe, hrsg. von E. Lohner, Bd. 3 u. Bd. 5, Stuttgart 1964 u. 1966).

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  13. Zum Verhältnis zwischen den Brüdern siehe Most passim. Vgl. auch E. Behler, „A. W. Schlegel and the Nineteenth Century Damnatio of Euripides“, GRBS 27, 1986, 335–367.

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  14. Dazu A. Heinrichs, „The Last of the Detractors: Friedrich Nietzsche‘s Condemnation of Euripides“, GRBS 27, 1986, 369–397, besonders 371. Henrichs weist zugleich den Einfluß von A. W. Schlegel auf Nietzsche nach.

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  15. Vgl. etwa Henrichs loc. cit. (wie Anm. 31), weitere Stimmen bei W.M. Calder III., „Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff. Sospitator Euripidis“, GRBS 27, 1986, 409–430. Siehe ferner A.N. Michelini, Euripides and the Tragic Tradition, Madison 1987, 3–10.

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  16. T. Mommsen, Römische Geschichte, Bd. 2. Drittes Buch, DTV 1976, 437 (= Bd. 1, 911 der 9. Aufl. 1902/ 6. Aufl. 1874; entspricht im Text der 2. Aufl. 1856).

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  17. Eine vollständige Sammlung liegt m. W. nicht vor, genannt seien e. g. Friedrich Stägers Übersetzungen von Hekabe und Phönizierinnen (Halle 1827), Chr. M. Wielands der Helena (Zürich 1805). Zu Sophokles siehe W. Schildknecht, Deutscher Sophokles: Beiträge zur Geschichte der Tragödie in Deutschland, Würzburg 1935;

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  18. H. Frey, Deutscher Sophokles, Winterthur 1964.

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  19. Siehe dazu oben passim. Siehe ferner G. Schmoll May, Tradition im Umbruch. Zur Sophokles-Rezeption im deutschen Vormärz, New York, Bern etc. 1989.

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  20. Schmoll May (wie Anm. 46) 65. J.M.R. Lenz, „Anmerkungen über das Theater“ (1774), zitiert nach Benno von Wiese (Hrsg.), Deutsche Dramaturgie vom Barock bis zur Klassik, Tübingen 1967, 64.

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  21. Siehe dazu H. Patzer, „Die dramatische Handlung der Sieben Gegen Theben“, HSCP 63, 1958, 97–119.

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  22. Schmoll May (wie Anm. 46) 64. Siehe ferner W. Schadewaldt, „Schillers Braut von Messina“, in: Hellas und Hesperien, Bd. 2, Zürich; Stuttgart 1970, 144–166.

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  23. F. Grillparzer, „Über das Fatum“, in: Sämtliche Werke, Fünfte Ausgabe, hrsg. u. eingel. v. August Sauer, Stuttgart o. J. (1893), Bd. 15, 94–101,

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  24. hier zitiert nach K. Hammer (Hrsg.), Dramaturgische Schriften des 19. Jahrhunderts, Bd. 1, Berlin 1987, 259–264.

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  25. Siehe die verschiedenen Ansätze bei M.J. O’Brien (Hrsg.), Twentieth-Century Interpretations of Oedipus Rex. A Collection of Critical Essays, Englewood Cliffs 1968:

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  26. vgl. ferner W. Burkert, Oedipus, Oracles, and Meaning. — From Sophocles to Umberto Eco, The Samuel James Stubbs Lecture Series, Toronto 1991. In Deutschland ist seit etwa 15 Jahren die Bedeutung des Charakters wieder prononciert vertreten worden, so besonders von A. Schmitt, „Menschliches Fehlen und tragisches Scheitern. Zur Handlungsmotivation im Sophokleischen König Ödipus“, RhM 131, 1988, 8–30, und E. Lefèvre, „Die Unfähigkeit, sich zu erkennen: Unzeitgemäße Bemerkungen zu Sophokles’ Oidipus Tyrannos“, WJA, N.F. 13, 1987, 37–58; eine Gegenposition bezieht B. Manuwald, „Oidipus und Adrastos. Bemerkungen zur neueren Diskussion um die Schuldfrage in Sophokles’ König Oidipus“, RhM 135, 1992, 1–43.

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  27. Zum folgenden grundsätzlich M. Landfester, Humanismus und Gesellschaft im 19. Jahrhundert, Darmstadt 1988.

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  28. W. von Humboldt, „Über den Charakter der Griechen, die idealische und historische Ansicht desselben“, in: Werke in fünf Bänden, hrsg. von A. Flitner u. K. Giel, Bd. 2, Schriften zur Altertumskunde und Ästhetik, Darmstadt 31979, 65- 72, Zitat 65.

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  29. F. Varnhagen von Ense, Europäische Zeitenwende. Tagebücher 1835–1860, München 1960, 73; hier zitiert nach Landfester (wie Anm. 57) 106.

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  30. G.W.F. Hegel, Vorlesungen über die Ästhetik III (Werke in zwanzig Bänden, hrsgg. von E. Moldenhauer und K.M. Michel, Bd. 15), Frankfurt 1970, 485–7.

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  31. G.W.F. Hegel, „Über einige charakteristische Unterschiede der alten Dichter“ (1788), in: I. Geliert (Hrsg.), G.F.W. Hegel, Frühe Studien und Entwürfe 1787- 1800, Berlin 1991, 15–18, dort 17: „Überhaupt sieht man es allen Werken der Alten sogleich an, daß sie sich ruhig dem Gang ihrer Vorstellungen überließen und ohne Rücksicht auf ein Publikum ihre Werke verfertigten“ — ein ,engagiertes Theater‘ ist damit nicht denkbar.

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  32. Siehe dazu Schmoll May (wie Anm. 46) 2/3. Freilich ist Heines Position in Die romantische Schule (1832) durchaus differenziert, da er Schlegels Technik der Euripides-Schelte kritisiert. (Siehe H. Heine, Die romantische Schule, Kritische Ausgabe, Stuttgart 1976, 68/69).

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  33. Siehe dazu etwa W. Burkert, „Die Absurdität und das Ende der Tragödie“, Antike und Abendland 20, 1974, 97–109.

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  34. Siehe dazu E.-R. Schwinge, Goethe und die Poesie der Griechen, Abhandlungen der Mainzer Akad. 1986, Nr. 5.

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  35. Zur Geschichte des Fragmentesammelns siehe A. C. Dionisotti, „On fragments in classical scholarship“, in: G.W. Most (Hrsg.), Collecting Fragments — Fragmente Sammeln, Göttingen 1997, 1–33;

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  36. R. Kassel, „Fragmente und ihre Sammler“, in: H. Hofmann, A. Harder (Hrsgg.), Fragmenta dramatica, Göttingen 1991, 243–53.

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  37. Vgl. dazu F. Rauber, „The fragment as romantic form“, Modem Language Quarterly 30, 1969.

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  38. Dazu S. Radt, „Sophokles in seinen Fragmenten“, in: J. de Romilly (Hrsg.), Sophocle, Entretiens Hardt sur l’antiquité classique, Tome 29, Vandoeuvres- Genève 1982, 185–231, hier 223/4.

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  39. In diesem Sinn E.-R. Schwinge, „Einleitung“, in: Ders. (Hrsg.), Euripides, Darmstadt 1968, p.VII-XVIII, hier XIV.

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  40. A.W. Verrall, Euripides the Rationalist, Cambridge 1895. Daß diese Sicht problematisch ist, unterstreicht E.R. Dodds, „Euripides the Irrationalist“, CR 43, 1929, 97–104.

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Hose, M. (2001). Wozu braucht man einen Aufklärer in der Restauration? Über Euripides in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In: Zimmermann, B. (eds) Rezeption des antiken Dramas auf der Bühne und in der Literatur. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02840-2_8

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