Zusammenfassung
An einer Stelle sagt Horkheimer: »Die Philosophen im 19. Jahrhundert, Hegel und Nietzsche, haben geschrieben: Gott ist tot. Wahr ist vielmehr, daß der Gedanke gestorben ist.« Kritik und unabhängiges Denken haben historisch ausgespielt. Die »Fortsetzung der Emanzipation, ihre Verallgemeinerung in einer Gesellschaft des Überflusses, die den Einzelnen und seine geistige Fähigkeit bewahrt, ist mißlungen«. »Der Geist, der übrigbleibt, ist Instrument«1, der von den herrschenden Mächten okkupierte Gedanke. Der freie Gedanke vermag seinen Untergang eben noch zu bezeichnen: die Differenz zwischen Einzelnem und Allgemeinem blitzt noch einmal auf, ehe sie von dem Dunkel des Allgemeinen, der elektrisch beleuchteten Verfinsterung verschluckt ist. Nietzsche, vor hundert Jahren, hatte, was als Funken verglimmt, als Fackel in der Hand, die grell das Terrain belichtete und den Schein bis in die Abgründe trieb. Der Gedanke hatte Klüfte zu ermessen und darüber die Brückenkon-struktionen, die vortäuschten, sie wären schon das ausgleichende Terrain. Dieses hat erst die naturbeherrschende Ratio bereitet, indem sie die Klüfte auszementierte und die letzten Löcher verstopfte. Nietzsche brachte Licht in die Konstruktionsgeheimnisse der Sinn-Brücken: die Wahrheiten, um sie als nützliche Irrtümer, Fälschungen im Dienst des Machtwillens zu denunzieren.
In memoriam Herbert Marcuse
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Anmerkungen
Max Horkheimer, Notizen 1950 bis 1969, hrsg. von Werner Brede, Frankfurt am Main 1974, S. 73.
Stefan George, Der siebente Ring, Godesberg 1949, S. 12 (Nietzsche).
Erich F. Podach, Friedrich Nietzsches Werke des Zusammenbruchs, Heidelberg 1961, S. 430 (Anhang).
Friedrich Nietzsche, Werke in drei Bänden, hrsg. von Karl Schlechta, München 21960 (im folgenden: SA), Bd. 2, S. 1152 (Ecce homo).
Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung, Amsterdam 1947, S. 141.
Karl Kraus, Die letzten Tage der Menschheit, Wien 1919, S. 544 (V. Akt, 39. Szene).
Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, Berlin 1956ff., Bd. 19, S. 226.
Vgl. Herbert Marcuse, Zur Stellung des Denkens heute; in: Zeugnisse. Theodor W. Adorno zum 60. Geburtstag, hrsg. von Max Horkheimer, Frankfurt am Main 1963, S. 45–49.
Vgl. Theodor W. Adorno, Resignation; in: Theodor W. Adorno zum Gedächtnis, hrsg. von Hermann Schweppenhäuser, Frankfurt am Main 1971, S. 9–13.
Ivo Frenzel, Friedrich Nietzsche in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Reinbek bei Hamburg 1983, S. 131.
Rights and permissions
Copyright information
© 2001 Springer-Verlag GmbH Deutschland
About this chapter
Cite this chapter
Schweppenhäuser, H. (2001). Nietzsche — Eingedenken der Natur im Subjekt. In: Nietzsche im Exil. Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger Weimar, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02785-6_14
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-02785-6_14
Publisher Name: Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger Weimar, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-7400-1157-4
Online ISBN: 978-3-476-02785-6
eBook Packages: J.B. Metzler Humanities (German Language)