Zusammenfassung
Um 1800 tritt ein noch stark veränderliches Bild von ‚der Renaissance‘ neben die klassisch-romantisch dichotomisierte Rede von Antike und Mittelalter. Goethes ausgeprägtes Interesse an kulturgeschichtli¬chen Phänomenen, die Michelet und Burckhardt eine bis zwei Generationen später als Epochenkonzept fassen, wurde in der Forschung im Vergleich mit dem von den Romantikern programmatisch vorange¬triebenen Historisierungsprozeß immer wieder als naive Strategie der Identitätssicherung, als reiner Versuch einer ahistorischen Spiegelung im Dienste genialer Selbststilisierung präsentiert. Demge¬genüber arbeitet die vorliegende Untersuchung eine biographisch-autobiographisch orientierte Linie zunehmender Historisierung in Goethes Renaissance-Rezeption heraus, die von den Dramen Egmont und Torquato Tasso über die kunst- und wissenschaftsgeschichtlichen Studien zu den Viten Cellinis und Cardanos (Geschichte der Farbenlehre) zu Dichtung und Wahrheiten. Hier zeigt sich, daß sich gerade der identifikatorische Impetus der Goetheschen Beschäftigung mit Renaissance-Biographien an der Wahrnehmung von Alteritätsmomenten bricht. Goethes Gespür für die Fremdheit der studierten Renaissance-Konzepte von Kunst, Wissenschaft und genialer Selbstauffassung zieht das Bedürfnis nach historisch-hermeneutischer Kontextualisierung nach sich und mündet in die Neukonzipierung der eigenen fragmentarisierten Autobiographie auf historischer Basis.
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Selbstrezension (2000). Angelika Jacobs: Goethe und die Renaissance. Studien zum Konnex von historischem Be-wußtsein und ästhetischer Identitätskonstruktion. München 1997, 439 S.. In: Keller, W. (eds) Goethe-Jahrbuch. Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger Weimar, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02710-8_50
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-02710-8_50
Publisher Name: Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger Weimar, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-7400-1120-8
Online ISBN: 978-3-476-02710-8
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