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Widerstand: Eugen Gerstenmaier 1906–1986

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Reden, die die Republik bewegten
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Zusammenfassung

Es gibt einige wenige bestimmende Leitmotive in Eugen Gerstenmaiers Leben: Die Erfahrungen, die er, der deutsche Patriot, im Widerstand gegen Hitler sammelte, die Erlebnisse des Theologen im Kampf der Bekennenden Kirche gegen die „Deutschen Christen“, und drittens: die Außenpolitik. — Hinzugefügt werden darf, weil das Persönlichkeitsbild sonst nicht vollständig wäre: Der Jagd gehörte seine Passion; er war ein gewaltiger Nimrod. — Mit Freuden hätte er auf das Amt des zweiten Mannes im Staat — das er länger wahrnahm als alle Vorgänger und Nachfolger — verzichtet, wenn er dafür Außenminister geworden wäre. Es sollte nicht so sein; Adenauer nahm erst einmal selber, ganz selbstverständlich, dieses Amt für sich in Anspruch, und als er es an Heinrich von Brentano abtrat, wusste er, dass er sich auf die Gefolgsschaftstreue dieses ihm ergebenen Politikers unbedingt verlassen konnte. Mit dem „widerborstigen Schwaben“ (Carlo Schmid), dem es weder an Selbstbewusstsein noch an Mannesmut vor Königsthronen mangelte, hatte er sowieso nicht allzuviel im Sinn und wusste ihn auf dem Präsidentenstuhl, abseits von der Regierungsmacht, gut aufgehoben. Dass es Gerstenmaier nie vergönnt war, die Wahrnehmung der zwischenstaatlichen Beziehungen verantwortlich zu leiten und das, in den Augen der Öffentlichkeit wenigstens, internationalen Flair aufweisende Amt des Außenministers auszuüben, hat ihn zeitlebens gekränkt. Ist dies der Grund dafür, dass seine Grundstimmung oft verdrießlich, gar unwirsch war? Dabei hätte er die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Amtsführung sicher besessen: nach dem Studium als „Spätberufener“ und den rasch absolvierten Examina konnte er, bis zu seiner Verhaftung im Jahre 1944, im Dienst des kirchlichen Außenamtes eine Fülle von internationalen Kontakten knüpfen und kannte sich im diplomatischen Handwerk gut aus. Sein Schicksal aber und seine Aktivitäten „mit Bibel und Pistole“, wie er sie später bezeichnete, führten ihn wegen Hoch- und Landesverrats nach dem gescheiterten Umsturzversuch des 20. Juli 1944 vor den „Volksgerichtshof“ des Deutschen Reiches, wo er, dank einer todesmutig-geschickten Verteidigung, die ihn in den Augen des wahrhaft furchtbaren Roland Freisler als „weltfremden Kirchenmenschen“ erscheinen ließ, mit der milden Zuchthausstrafe von sieben Jahren davonkam; aber auch gegen ihn war wie gegen Moltke, Delp und die anderen die Todesstrafe beantragt worden. Nach dem Krieg nahm er sich mit der ihm eigenen Tatkraft und Energie der Notleidenden, aber auch der Verfolgten des Naziregimes an, und so lag es nahe, daß die CDU/CSU-Fraktion des Bundestages Gerstenmaier bei der ersten Lesung des Israel-Abkommens beauftragte, den Standpunkt der Fraktion vorzutragen (vgl. den dieser Einführung folgenden Text der Rede). Das deutsche Volk, sagte er, dürfe den Satz von der Kollektivschuld aller Deutschen ablehnen; aber der Satz von der Kollektivunschuld könne nicht aufgestellt werden. Um die politische und moralische Verurteilung Deutschlands zu überwinden — später schrieb er, „wir waren immer noch, sieben Jahre nach der Kapitulation, die räudigen Hunde der Weltgeschichte“ —, bedürfe es der Dokumentation einer neuen Gesinnung. Von diesem Ort aus müsse dieser erste Vertrag der Bundesrepublik mit Israel beurteilt werden.

Vmb des willen/so ergreiffet den Harnisch Gottes/auff das jr/Wenn das böse stündlin kompt/widerstand thun/vnd alles wol ausrichten/vnd das Feld behalten/möget

Epheser 6,13, Übersetzung Luthers.

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Horst Ferdinand

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© 2002 Leske + Budrich, Opladen

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Ferdinand, H. (2002). Widerstand: Eugen Gerstenmaier 1906–1986. In: Ferdinand, H. (eds) Reden, die die Republik bewegten. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97558-4_7

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