Zusammenfassung
Es scheint mir, daß wir an dem Punkt angelangt sind, an dem sich der Leser die Frage stellen und vielleicht auch beantworten kann, ob die Annahme, daß die Menschheit an die Grenzen der Herrschaft gestoßen ist, glaubwürdig ist oder nicht. Er sollte aus eigener Sicht, aufgrund eigener Erfahrungen und mit Anwendung eigener Phantasie versuchen, sich vorzustellen, ob eine neue Herrschaftsstruktur mit noch engerer Machtbandbreite überhaupt möglich und funktionsfähig wäre, also eine politische Struktur, in der den Herrschenden wesentlich weniger Macht- und Gewaltmittel zur Verfügung stünden, als heute den Parteien und Verbänden in dem pluralistisch-demokratischen Parteienstaat. Auf welche Weise könnte in ihr die neue Herrschaftsgruppe noch die Billigung oder zumindest Duldung ihrer Entscheidungen erzwingen, die sie aufgrund ihrer Macht, also ohne oder gegen den Willen der Bürger träfe? Mit welchen Mitteln könnte sie noch ihre Handlungs- und Verhaltensweisen, ihre willkürlichen politischen Maßstäbe und Moralkriterien durchsetzen, die der Bürger nicht billigte oder gar als unhaltbar empfände? Welche Täuschungsmethoden könnte sie noch erfolgreich anwenden, wenn die freie Presse und die noch unabhängiger gewordenen Massenmedien nicht mitmachten? Wie könnte sie verhindern, daß sich die politischen Auseinandersetzungen zwischen der etablierten Macht und den verschiedensten Gesellschaftsgruppen noch mehr auf die Straße verlagern, wenn sich heute schon Wasserwerfer, Tränengas, Schlagstöcke und Gummigeschosse als immer unwirksamer erweisen, deren Anwendung darüber hinaus zumindest die immer zahlreicheren Betroffenen als illegitim empfinden. Es darf nicht übersehen werden, daß immer mehr der Gewalt an sich abgeneigte Bürgergruppen zum Mittel des öffentlichen Protestes greifen, wie etwa die Bauern, die Fernfahrer, die Lehrer, die Ärzte u.a., ja daß sogar die Gewerkschaft der Polizei bereits mit einer Demonstration gedroht hat. Welche Machtmittel stünden dann überhaupt einer mit noch engerer Machtbandbreite ausgestatteten neuen Herrschaftsgruppe zur Verfügung?
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Langer, J. (1988). Kleine Zwischenbilanz. In: Grenzen der Herrschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93571-7_15
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-93571-7_15
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-531-11903-8
Online ISBN: 978-3-322-93571-7
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