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Part of the book series: Wissenschaftstheorie Wissenschaft und Philosophie ((WWP,volume 37))

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Zusammenfassung

Ich möchte im zweiten Teil dieses Buches die unifikationistische Leitidee von Einheit und Einfachheit der Welt präzisieren, auf ihre Tragfähigkeit überprüfen und die Konsequenzen aufzeigen, die sich für unser Bild von der Welt — und nicht zuletzt von uns selbst — ergeben, wenn wir den Unifikationismus akzeptieren. Stellen wir diesen als leitenden Gedanken jeglicher wissenschaftlicher Praxis voran, so machen wir uns damit nicht zwangsläufig zu Verfechtern eines seelenlosen Materialismus. Die Welt und der Mensch werden nicht zu kalkulierbaren, manipulierbaren Maschinen, die keine Rätsel und Wunder mehr bereithalten. Genau dies möchte ich im folgenden durch die Exposition der Allgemeinen Systemtheorie begründen.

Die Welt und das Leben sind Eins. Ich bin meine Welt.

— Ludwig Wittgenstein (1918)

Wir können das Erkennen als die soziale Rechtfertigung von Meinungen verstehen, wir brauchen es daher nicht als die Genauigkeit von Darstellungen aufzufassen. Setzen wir Kommunikation, das Gespräch zwischen Personen, für Konfrontation, das Gegenüberstellen von Personen- und Sachverhalten, so können wir uns des Spiegels der Natur entledigen. (…)

Betrachtet man die Erkenntnis nicht als das Bemühen, die Natur abzubilden, sondern als abhängig von der Gesprächspraxis und von sozialem Umgang, so wird man hoffentlich keine Metapraxis mehr ins Auge fassen, die eine Kritik aller möglichen Formen sozialer Praxis liefert.

— Richard Rorty (1979)

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Referenzen

  1. In meiner Kritik an der dogmatischen Konzeption von Philosophie als einer Wissenschaft, die die letzten unerschütterlichen Fundamente alles Handelns und Denkens legt, stimme ich weitgehend mit Rorty (1979) und (1989) überein (s.u.). Auch Albert (1968), S. 8 ff. verwirft die Vorstellung von Philosophie als alles begründender Fundamentaldisziplin, bleibt aber in den Popperschen rationalistischen Dogmen gefangen (s.u.). Kritik am Dogmatismus bleibt nötig, solange uns die Transzendentalphilosophie, wenn auch in verschiedenem Gewände, absolute Gewißheiten bzw. fundamentale Einsichten verspricht, so etwa in der Transzendentalpragmatik von Apel und Habermas (z.B. Habermas (1968), S. 240; Habermas (1971), Habermas (1973) im Anhang zu Habermas (1968), S. 410, 413; Apel (1973), S. 62, Apel (1976), S. 155 ff.), in der konstruktiven Theorie der Erlanger Schule (z.B. Kamiah und Lorenzen (1967), S. 11 ff., Lorenzen und Schwemmer (1973), S. 14 ff.; Übersicht in Kirchgässner (1989)), ja selbst in der rationalistischen Wissenschaftstheorie, sofern sie etwa Bedingungen der Möglichkeit von Wahrheitsapproximation formuliert oder Gültigkeitsansprüche von Aussagen zu legitimieren sucht (z.B. Popper (1935), Popper (1963), S. 240 ff., Nagel (1961) und Albert (1968), S. 35; vgl. hierzu Kap. 1.2.1).

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  2. Ausführliche Kritiken des Versuchs von Proponenten der Transzendentalpragmatik, partikuläre Interessen einem universellen Vernunfttribunal zu unterstellen (z.B. Habermas (1968), S. 240) und zu diesem Zweck die “Bedingungen möglicher Kommunikation” (Habermas (1971), S. 110; ähnlich Apel (1973), S. 62; verwandte Zielsetzungen verfolgt die Erlanger Schule, z.B. Kamlah und Lorenzen (1967), S. 15) zu formulieren, finden sich in Marten (1988), S. 89 ff. und in Rorty (1989), S. 313 ff. und 318 ff.

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  3. Wir partizipieren als selbstreflexive Beobachter aktiv an der Welt und greifen wirksam in die Welt ein. An diese Partizipation des selbstreflexiven Beobachters läßt sich ein interessantes, dem Gödelschen Beweis verwandtes, prinzipielles Argument gegen einen strikten Determinismus in unserer erfahrbaren Welt anknüpfen. Vgl. hierzu Kap. 7 und 8.

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  4. Wenn man für alles eine Begründung verlangt und glaubt, auf diese Weise zu letzten Gründen (Letztbegründungen) zu kommen, so wird man unvermeidlich mit dem “Münchhausen-Trilemma” (Albert (1968), S. 11 ff.) konfrontiert, entweder in einen infiniten Regreß oder einen logischen Zirkel zu geraten oder — was als einzig akzeptable Alternative bleibt — das Begründungsverfahren an einem bestimmten Punkt abzubrechen. Soll der Punkt, bei dem man stehen bleibt, aber alles andere begründen, so geht das nur “indem man ihn als archimedischen Punkt der Erkenntnis deklariert.” (Albert (1968), S. 14), also bei einem Dogma Zuflucht sucht.

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  5. Dieser Terminus möge bitte nicht mißverstanden werden. Wenn hier von “Beobachter” gesprochen wird, so soll damit kein rein passives, abbildendes “transzendentales Subjekt” impliziert werden. Es wird vielmehr überhaupt keine Aussage über das “transzendentale Subjekt” gemacht.

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  6. Einige dem Konstruktivismus nahestehende Theoretiker, vor allem Maturana und Varela, drücken sich sehr mißverständlich aus, was den “Beobachter” betrifft. Sie differenzieren nicht zwischen dem transzendenten “letzten” Beobachter und einem weltimmanenten Beobachter, über den wir wissenschaftlich fundierte Aussagen machen können und geraten daher ungewollt in einen logischen Zirkel, in dem sich der Beobachter auf wundersam Münchhausensche Weise selbst erklärt (zur Kritik an dieser “self-explanatory theory” vgl. auch Roth (1987) sowie Roth and Schwegler (1990)). Maturana konzipiert den Beobachter von vorneherein als ein “autopoietisches”, lebendes System (siehe hierzu Kap.5) und leitet aus Erkenntnissen über die Organisation solcher Systeme Aussagen über den Beobachter ab, setzt diesen empi-rischen Beobachter aber mit dem transzendenten Beobachter gleich: “Der Beobachter kann ein System beschreiben, welches ein System hervorbringt, das beschreiben kann, also einen Beobachter. … der Beobachter erklärt den Beobachter.” Maturana (1970), S. 64. Daraus ergeben sich einige problematische Äußerungen bezüglich des “kognitiven Bereiches” (Maturana spricht auch von “Interaktionsbereich”) des Beobachters, der angeblich nicht die ganze Welt umfaßt, mit anderen Worten: Maturana behauptet — z.B. im letzten Satz des folgenden Zitates — nur ein Teil der Welt sei uns als Beobachtern zugänglich: “Die Nische wird durch die Klassen von Interaktionen definiert, in die ein Organismus eintreten kann. Die Umwelt wird durch die Klassen von Interaktionen definiert, in die der Beobachter eintreten kann, und die er als Kontext für seine Interaktionen mit dem beobachteten Organismus auffaßt. Der Beobachter betrachtet Organismus und Umwelt gleichzeitig, er betrachtet jenen Teil der Umwelt als die Nische des Organismus, den er als in dessen Interaktionsbereich liegend beobachtet. … Nische und Umwelt überschneiden sich … nur in dem Maße, in dem Beobachter … und der Organismus vergleichbare Organisationen besitzen. Aber auch in diesem Falle gibt es immer Teile der Umwelt, für die keinerlei Möglichkeit einer Überschneidung mit dem Interaktionsbereich des Organismus besteht, und es gibt Teile der Nische, für die keinerlei Möglichkeit einer Überschneidung mit dem Interaktionsbereich des Beobachters besteht.” Maturana (1970), S. 36/37. Der letzte Satz ist offensichtlich unhaltbar, wenn mit “Beobachter” der transzendente Beobachter gemeint ist, dessen Interaktionsbereich, wenn man so will, eben per definitionem die ganze Welt ist. Die “Teile der Nische”, die nicht im Interaktionsbereich des Beobachters liegen, sind nicht von dieser Welt und wir können nicht einmal über ihre Existenz sinnvoll reden. Ähnlich mißverständliche Aussagen in Maturana (1970), S. 72, 78 f., Maturana und Varela (1975), S. 194. Schon Uexküll (1922; zit.n. 1980) drückt sich ähnlich aus: “Wie sieht die Natur sich selber? … Sie sieht sich mit zahllosen verschiedenen Augen an, von denen jedes im Mittelpunkt einer anderen Welt steht. Jede Welt wird durch den Horizont vollkommen abgeschlossen, und in jeder Welt ist das Gesehene auch das einzig Sichtbare.” (S. 186). Auch Uexküll betont, der Beobachter könne die Welt nur aus seiner Perspektive betrachten (S. 183, 201), nicht aus der Perspektive anderer Subjekte (anderer Organismen). Er übersieht dabei, wie Maturana, daß diese anderen Perspektiven in unserer Welt nicht vorkommen, von “anderen Perspektiven” anderer Subjekte zu reden, sofern man weltkonstituierende Subjekte meint, ist rein spekulativ. Meint man mit “Subjekten” aber Gegenstände unserer Welt, so sind uns deren Perspektiven zugänglich, unser Horizont schließt alle Horizonte ein! Wir können die Welt zwar nicht mit den Augen einer Maus sehen, wir können in unserer Welt aber erforschen, wie Mäuse wahrnehmen und ihr Verhalten steuern.

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  7. Auch die Unterscheidung zwischen Selbst und Nicht-Selbst wird, soweit wir wissen, kognitiv konstruiert und hängt mit der Unterscheidung “Dingwelt” — “Körperwelt” zusammen. Vgl. hierzu z.B. Gehlen (1940), S. 165 ff. oder Roth (1984), S. 237 ff., S. 249. Zum Konstruktivismus siehe auch Kap.7.

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  8. Neurath (1934), S. 349 ff. Vgl. hierzu auch die Diskussion von Quines Sprachholismus in Kap. 1.2: “Where it makes sense to apply ‘true’ is to a sentence couched in the terms of a given theory and seen from within the theory, complete with its posited reality.” Quine (1960), S. 24.

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  9. So könnte der Korrespondenztheoretiker etwa dem “advocatus diaboli” zu beweisen versuchen, daß dessen Gehirn fehlgeschaltet sei und nur dasjenige des Korrespondenztheoretikers adäquat funktioniere. Eddington (1929) weist diese Möglichkeit sehr schön zurück: “If the brain contains a physical basis for the nonsense that it thinks, this must be some kind of configuration of the entities of physics … It is as though when my brain says 7 times 8 are 56 its machinery is manufacturing sugar, but when it says 7 times 8 are 65 the machinery has gone wrong and produced chalk. But who says the machinery has gone wrong? As a physical machine the brain has acted according to the unbreakable laws of physics; so why stigmatise its action?” (S. 345)

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  10. Neurath (1934), S. 352 ff.

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  11. Vgl. etwa die zusammenfassende Darstellung in Tarski (1977), S. 247 ff.

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  12. Siehe z.B. Tarski (1977), S. 246, Popper (1963), S. 223 ff., Popper (1984), S. 321 ff. Putnam (1978), S. 29 macht aber deutlich, daß der Tarskische Wahrheitsbegriff invariant gegenüber Korrespondenz-oder Kohärenztheorie ist.

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  13. Rorty (1989), S. 29 ff. hebt zurecht hervor, daß sich die “Falschheit” der Korrespondenztheorie durch die Konsenstheorie nicht “beweisen” läßt. Konsenstheorie ist eine Einladung zur Toleranz in der Philosophie, keine neue Doktrin philosophischen Dogmatismus. Die von Habermas vorgestellte Konsenstheorie (Habermas (1971), S. 124 ff.; Habermas (1973) in (1968), S. 385 ff.) bleibt hingegen transzendentalphilosophischen Vorstellungen verhaftet und mutet sich sogar zu, zwischen “wahrem” und “falschem” Konsens zu differenzieren (Habermas (1971), S. 122, 134 ff.).

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  14. Da “Konvention” sich von lat. “convenire” (zusammenkommen) ableitet, wir aber, um Konsens bezüg-lich solcher Aussagen zu erzielen, nicht mehr zusammenkommen müssen, da wir bereits “zusammen-stehen”, könnten wir statt “Konvention per Akzeptanz” einfach “Kon-Stanz” sagen, was aber ungewollt die Assoziation von Statischem mit sich bringt.

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  15. Rorty (1979) setzt sich auf S. 283 ff. mit dieser “unreinen Sprachphilosophie” auseinander, wie sie bei-spielsweise von M. Dummett propagiert wird. Statt transzendentale Fundamente unseres Denkens zu suchen, soll Philosophie, Dummets Ansatz zufolge, die Wurzeln der Bedeutungen unserer Begriffe zu Tage fördern. Auch diese linguistisch gewendete Transzendentalphilosophie kann aber den angeblich fundamentalen (absoluten) Charakter ihrer Einsichten nicht legitimieren und fällt den gleichen Einwänden zum Opfer wie jede Transzendentalphilosophie. Ihr bleibt nur die Wahl zwischen der Scylla, Unumstrittenes zu begründen und der Charybdis, in arroganter Selbstgefälligkeit jeden Irrtum bezüglich der eigenen Position auszuschließen, allen Opponenten aber das Urteilsvermögen abzusprechen.

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  16. Vgl. etwa Knorr-Cetina (1984), Watzlawick (1986), Schmidt (1987). Näheres zum Konstruktivismus in Kap. 1.2 und Kap. 7.

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  17. Eine axiomatisierte formale Darstellung der Allgemeinen Systemtheorie, die in Einzelheiten noch korrekturbedürftig und an die gängige Schreibweise anzugleichen ist — die überarbeitete Version wird in einer eigenständigen Abhandlung erscheinen —, habe ich bereits im Anhang zu Schlosser (1990) gegeben.

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  18. Vgl. Whitehead (1925, 1929). Auf die Bedeutung Whiteheads für systemtheoretische Überlegungen hat Cobb (1981) hingewiesen, der auch einige interessante Parallelen zwischen zeitgenössischen Theorien (Böhm, Prigogine) und Whiteheadschen Positionen aufzeigt.

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  19. Sofern von einer Systemtheorie nicht vorgegeben wird, welche Gegenstände bzw. Prozesse als Systeme in ihrem Sinn zu betrachten sind, handelt es sich genaugenommen um keine Theorie, sondern um ein theoretisches Modell (vgl. Lenk (1975), S. 251 f. und Lenk (1978), S. 244 ff.), das seinen empirischen Gehalt jeweils erst durch Interpretationen bekommt.

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  20. Ich möchte noch einmal betonen: Das wissenschaftliche Interesse an Erklärung und am Verstehen von Zusammenhängen ist nicht unser einziges und selten unser vordringliches Interesse in der Welt. Nur mit diesem spezifischen Interesse setze ich mich hier auseinander.

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  21. Die Vereinheitlichung der Wissenschaften aus systemtheoretischer (nicht mehr methodologisch wissenschaftstheoretischer) Perspektive wird bereits von Lenk (1975), S. 257 und Lenk (1978) angepeilt: “Das systemtheoretische Denken und die ihm entsprechenden Ansätze können ein neues wissenschaftstheoretisches Paradigma und Programm und sogar noch umfassender eine metawissenschaftliche und philosophische Perspektive begründen.” (Lenk (1978), S. 255). Vgl. hierzu auch Schwegler (1992).

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  22. Rorty (1979), S. 390.

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  23. Schon J.H. Lambert (1708–1777), der den Systembegriff im 18. Jahrhundert in die philosophische Diskussion einführte, unterschied zwischen gedanklichen Systemen (“Systeme durch die Kräfte des Verstan-des”) und gegenständlichen Systemen (“Systeme durch die Kräfte des Willens” und “Systeme durch mechanische Kräfte”), verstand aber unter gedanklichen Systemen lediglich Klassifikationssysteme (z.B. das Linnésche Systema naturae), während ich hier sogar Begriffe als Systeme bezeichnen möchte. Zu Lambert vgl. Seiffert in Seiffert und Jantsch (1989), S. 329 f. und Krauch (1989), S. 339. Einen Überblick über verschiedene Systemdefinitionen gibt Kür (1969), S. 283 ff.

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Schlosser, G. (1993). Philosophische Vorbemerkungen. In: Einheit der Welt und Einheitswissenschaft. Wissenschaftstheorie Wissenschaft und Philosophie, vol 37. Vieweg+Teubner Verlag. https://doi.org/10.1007/978-3-322-90910-7_4

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