Zusammenfassung
Neue Anforderungen der Märkte und die Ermöglichungspotenziale neuer Technologien lenken die Aufmerksamkeit auf alte Phänomene, nämlich Netzwerke und Communities. Beide Begriffe werden von Autoren mit sehr unterschiedlichen Erklärungsabsichten eher unscharf und teilweise überlappend verwendet. So wie der Community Begriff in den Managementwissenschaften gemeint zu sein scheint, nämlich als Zusammenschluss von Menschen zur Erfüllung gemeinsamer Zwecke, weist er viele Gemeinsamkeiten mit dem Netzwerkbegriff auf, da beide Formen temporär, evolutionär und zumindest teilweise virtuell gedacht werden. Wenn der gemeinsame Zweck, wie in Wissensnetzwerken, zudem die Bildung und der Austausch von Wissen ist, lassen sich weitere Gemeinsamkeiten erkennen. Soziologisch gesehen hingegen sind Communities von Netzwerken zu unterscheiden: Sie bilden so etwas wie Wurzeln (Heimat), beruhen auf sozialer Bindung und verfolgen nicht notwendig dis-tinkte gemeinsame Zwecke. Aus soziologischer Perspektive ist das Neue an virtuellen Verbindungen, dass Communities aus den Fesseln physischer Nähe, wie sie etwa in Dorfgemeinschaften besteht, befreit werden und neue Formen der Nähe zwischen Personen gleicher Interessen, gleichen Geschmacks, gleicher Sprache (im Sinne von Denkmustern) ermöglicht werden. Netzwerke wären demgegenüber eine ökonomisch bestimmte (?) Form der dynamischen Erfüllung wechselnder Zwecke. Da die Managementwissenschaften vorschlagen, Communities in eben diesem Sinne für Unternehmenszwecke zu „benutzen“, halte ich die Gleichsetzung von Wissensnetzwerken mit Communities, die sich um Wissensinteressen bilden, für gerechtfertigt, umso mehr als wohl jedes Netzwerk auch soziale Bindungen ausprägt und letztere in Communities wegen deren Temporalisierung immer fluider werden, wie im folgenden Zitat angedeutet:
„The horizontal bonds among people performing the same job or speaking the same language in different parts of the world will strengthen. Common interests, experiences and pursuits rather than proximity will bind those communities together.“2
Vor dem Hintergrund unscharfer Begriffsverwendungen lassen sich, meiner Beobachtung nach, folgende Gemeinsamkeiten erkennen:
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Communities bzw. Netzwerke, sind eine in mehrfacher Hinsicht hybride Form, sozialer Interaktion, die Menschen entwickeln, um einen gemeinsamen Zweck zu verfolgen;
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dabei spielen IKT in der Verbindung der Beteiligten aktuell eine große Rolle, da diese sich in der Regel nicht zur selben Zeit am selben Ort aufhalten;
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Communities sind durch den Austausch von Informationen gekennzeichnet. Vor diesem Hintergrund kann sowohl individuelles als auch kollektives Wissen generiert werden.
An diesem letzten Merkmal knüpft der Beitrag an, in dem er folgenden Fragen nachgeht:
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Wie kann eine für die Entstehung von Wissen notwendige Atmosphäre der Freiwilligkeit und Offenheit bewahrt und dennoch ein Mindestmaß an Struktur bereitgestellt und ein Zielbereich angestrebt werden?
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Welche Rollen spielen Kernmitglieder und Gründer in Wissensnetzwerken?
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Verändern sich Netzwerke im Zeitablauf nach bestimmten Mustern?
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Wenn ja: Welche Erscheinungen deuten darauf hin, dass ein Netz sich einem Bifurkationspunkt nähert, an dem es entweder zerfällt oder stärker institutionalisiert wird und damit in die Nähe strukturkonservativer Organisationsformen rückt?
Netzwerke und Communities werden idealtypisch als evolutionäre Gebilde verstanden, in denen gemeinsame Zwecke über den Zeitraum ihres Bestehens ständig neu entstehen. Dem steht die empirische Beobachtung gegenüber, dass die Herausbildung einer gemeinsamen Zielsetzung und eines Mindestmaßes an gleich bleibenden Verhaltensmustern eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg dieser Formen darstellt. Erfolg sei hier einerseits als überleben, andererseits als Erfüllung von Mitarbeiterwartungen definiert. Daher stellt sich die Frage, wie sich solche gleich bleibenden Muster (Strukturen) bilden, wessen Inputs dabei dominieren, wenn das Ergebnis auch als überintentional zu betrachten ist, und wie diese Strukturen disponibel gehalten werden können.
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Schneider, U. (2003). Die Institutionalisierungsproblematik in Wissensnetzwerken. In: Graggober, M., Ortner, J., Sammer, M. (eds) Wissensnetzwerke. Deutscher Universitätsverlag. https://doi.org/10.1007/978-3-322-81529-3_3
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