Zusammenfassung
Seit den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts gewin it im intellektuellen und politischen Leben der USA eine Strömung an Präsenz, die man als Kommunitarismus bezeichnet. Sie stammt aus dem akademischen Bereich, verbindet Autoren unterschiedlicher Disziplinen und stellt einen thematischen Ansatz dar, der ein komplexes Bündel von Theorien vergleichbar macht. Dieser Ansatz liegt auf bemerkenswerte Weise quer zur herkömmlichen politischen Links-Rechts-Schematisierung. Er verbindet genaue Beobachtung der sozialen Realität mit einer theoretisch reflektierten Zeitdiagnose. Und er stellt nichts geringeres dar als einen Versuch, die politische Philosophie neu zu rekonstruieren. Das Motto liefert das 1982 publizierte Buch von William M. Sullivan „Reconstructing Public Philosophy“2. Dieses die Fundamente des Verständnisses von Politik betreffende Bemühen führte zu einer breiten akademischen Debatte zwischen libeialen und kommunitären Autoren, deren zunächst eher kontroverser Charakter sich in der laufenden zweiten Phase der Debatte zugunsten der Einsicht m die gemeinsame Grundlage eines bürgerschaftlichen politischen Selbstverständnisses eher zu relativieren scheint.3 Der Kommunitarismus erfuhr mittlerweile eine Popularisierung, wozu der Soziologe Amitai Etzioni viel beiträgt.4 Es gibt ein Programm, laufende Positionspapiere, eine Vierteljahresschrift. Dieser popularisierte Kommunitarismus versteht sich als eine soziale Bewegung, deren Sichtweise, Hauptthemen und Zielrichtungen von so manchen Politikern aufgenommen werden. Auch im ¡deutschen Bereich zeigt sich eine unübersehbare Wirkung - wenn schon nicht als soziale Bewegung, so doch vom akademischen bis hin zum parteien- und berufspolitischen Bereich. Kein Zweifel: Kommunitarismus wird immer wieder zum Thema akademischer Veranstaltungen und Tagungen. Und über die Parteigienzen hinweg gewinnen kommunitaristische Leitmotive und das entsprechende Vokabular an Präsenz und Gewicht.5
Diesem Beitrag liegen Überlegungen zugrunde, die ich erstmals in einem Vortrag auf dem Jahrestreffen der Görres Gesellschaft an der Universität Passau im Jahr 1997 vorstellte.
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Literatur
Sullivan, William M., Reconstructing Public Philosophy, Berkeley/Los Angeles/London, 1982.
Sandel, Michael J., Liberalism and the Limits of Justice, Cambridge, 1982, 2. Aufl., 1998.
Taylor, Charles, Das Unbehagen an der Moderne, Frankfurt a.M., 1995 (zuerst englisch 1991), Kap. 1, Dreierlei Unbehagen.
Taylor, Charles, Quellen des Selbst. Die Entstehung der neuzeitliehen Identität, Frankfurt a.M., 1996 (deutsch zuerst 1994, englisch zuerst 1989).
Taylor, Charles, Negative Freiheit? Zur Kritik des neuzeitlichen Individualismus, Frankfurt a.M., 1992 (deutsch zuerst 1988).
Tönnies, Ferdinand, Gemeinschaft und Gesellschaft. Grundbegriffe der reinen Soziologie, 3. Nachdruck der Ausgabe, Darmstadt, 1963, 1972, S. 3–5 (zuerst 1887).
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© 2004 VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
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Weiβ, U. (2004). Die kommunitaristische Rekonstruktion des Politischen. Politiktheoretische Anmerkungen zu einer aktuellen Tendenz. In: Oberreuter, H., Steinkamm, A.A., Seller, HF. (eds) Weltpolitik im 21. Jahrhundert. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80549-2_6
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