Zusammenfassung
Der Begriff der Inklusion ist, zumindest in systemtheoretischen Zusammenhängen, kein neuer Begriff. Vielmehr findet er bereits bei Talcott Parsons Verwendung (1978, S. 177 ff). Eine Nachzeichnung der Karriere des Inklusionsbegriffs zeigt, dass Niklas Luhmann selbst seit Mitte der 1970er Jahre mehr oder weniger durchgängig, wenngleich mit zum Teil wechselnder Ausrichtung, den Begriff in sein Theoriegebäude eingebaut hat (vgl. Göbel/Schmidt 1998). Eine gewisse Prominenz erlangt der Begriff gleichwohl erst Mitte der 1990er Jahre im Zusammenhang mit einer differenztheoretischen Erweiterung. Luhmann (1995, S. 241, 1997, S. 621) hebt in seinen späteren Arbeiten hervor, dass es Inklusion nur gibt, wenn auch Exklusion möglich ist, dass also der Begriff der Inklusion nur Sinn macht, wenn er von etwas anderem zugleich unterschieden wird, wobei sich diese andere Seite der Unterscheidung mit Hilfe einer weiteren Operation ebenfalls bezeichnen lässt, und zwar als Exklusion. Die Aufmerksamkeit, die diese Begriffsfassung gegenwärtig findet, dürfte vor allem darin begründet sein, dass von verschiedenen Seiten, nicht zuletzt von Luhmann selbst, der Exklusionsbegriff zur Beschreibung sozialer Ungleichheitsverhältnisse herangezogen wird. Das theoretische Gewicht, das man dem Exklusionsbegriff derzeit beimisst, liegt somit vor allem darin begründet, dass sich der Theorie sozialer Systeme damit der Zugang zu einem zuvor verschlossenen oder wenig beachteten Forschungsfeld eröffnet. Die Systemtheorie entdeckt mit der Verwendung der Unterscheidung von Inklusion und Exklusion, so wird zumindest vermutet, endlich auch die Marginalisierten, Ausgeschlossenen und Ausgegrenzten -und damit die leibhaftigen Menschen (vgl. Esser 2000, S. 254).
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Kneer, G. (2003). Politische Inklusion korporativer Personen. In: Hellmann, KU., Fischer, K., Bluhm, H. (eds) Das System der Politik. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-80403-7_12
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