Zusammenfassung
Das wohl naheliegendste Themengebiet zur Fragen von Gerechtigkeit und Gesundheit ist die Verteilung von Ressourcen im Gesundheitswesen. Jede Gesellschaft hat heute Regeln dafür aufgestellt und ein entsprechendes System entwickelt, wie Ressourcen für das Gesundheitswesen generiert und für welche Zwecke diese verwendet werden sollen. Die gesellschaftliche Diskussion darüber, wie mit der Frage nach Gesundheit und Krankheit im Kontext knapper Ressourcen umzugehen sei, wird zum Teil äußrst kontrovers geführt. Dies wird in der Debatte um den Vorschlag des US-amerikanischen Präsidenten Barack Obama zur Einführung einer allgemein verpflichtenden Krankenversicherung in den USA gegenwärtig besonders plakativ deutlich.
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
So strukturiert Siep in seiner Einleitung zum von Ach und Quante herausgegebenen Buch zum Hirntod und Organverpflanzung die moralischen Fragen in vier Gruppen: i) Lebendspende, ii) Totenspende und damit die mit dem Hirntod aufgeworfenen Fragen, iii) Sonderfälle wie die Transplantation von Hirngewebe abgetriebener Embryonen, und schließlich iv) die Gefahren einer Kommerzialisierung (Siep 1997, 13). Auf die Sonderfälle wird im Folgenden nicht eingegangen, da sie im Diskurs auf den Philippinen keine Relevanz haben, insbesondere weil jede Abtreibung illegal ist und daher kein Zugang zu abgetriebenen Embryonen vorhanden ist. Zu einer Diskussion dieser Sonderfälle siehe Körtner 2004, 127ff.
Wobei die Dialysekosten in den Philippinen mit umgerechnet rund 10.000 Euro (540.000 bis 792.000 Pesos) für Behandlung und Medikation pro Patient und Jahr im Vergleich zum europäischen Maßstab tief sind, betragen hier doch die Kosten ein Vielfaches davon (CHD Bulletin 2009).
„In 2007 alone PhilHealth has paid some P413 million for 180,000 dialysis treatments nationwide.“ (Basa 2008)
„Sixty-eight of 79 became small-scale entrepreneurs postdonation.“ (Manauis et al. 2008, 2103). Am ehesten sind damit selbständige Verkäufer in so genanten Sari-Sari-Stores, Kleinstläden auf wenigen Quadratmeter, die alles für den Tagesbedarf in Kleinportionen verkaufen, gemeint. Padilla (2009, 22) weist darauf hin, dass keine Daten über die langfristige sozioökonomische Lage der Spender vorliegt.
Die philippinische Bioethikerin Alora legitimiert in ihrem Studentenhandbuch das Privileg der Reichen eine Niere zu bekommen mit folgendem Argument: „The ability to pay the costs of the transplant and the expensive antirejection medication determine success and concequently access. The wealthy have a greater chance of success than the less well to do. In justice they are not equal to the poor. The wealthy should be given the organs.“ (Alora 2006, 59)
Eine ähnliche Zusammenstellung traditionell überlieferter Heilmethoden wurde in einer Datenbank des Institutes für Pharmakognosie der Universität Wien vorgenommen (Saukel/ Kubelka 1994).
Vgl. für Österreich www.schamanismus-akademie.com (abgerufen am 30.10.2009). Hinweise finden sich auch bei Aldridge (2002, 55) und Lussi (2002, 80).
Für die Philippinen vgl. Gaston und Abaquin (in Gómez/Yu-Soliven 2002), für Österreich vgl. Körtner 2009, Krug 2009.
Siehe die vom Philippine Overseas Employment Administration (POEA) für 2007 veröffentlichten Zahlen, nach denen täglich 2.952 Menschen täglich die Philippinen verließen, http://www.poea.gov.ph/stats/stats2007.pdf (abgerufen am 30.10.2009).
Auch heute noch ist es ein gängiges Ritual, dass die Präsidentin auf ihren Reisen aktiv versucht philippinische Arbeitskräfte im Ausland unterzubringen, wie man beispielsweise dem folgenden Artikeltitel des Philippine Daily Inquirer entnehmen kann: „Arroyo in Dubai job hunt; OFWs warned“ (13.4.2009).
Dauerhaft wird laut POEA dadurch definiert, dass der Aufenthaltstitel nicht abhängig vom Arbeitsvertrag ist. Neben diesen beiden Kategorien wird in den Schätzungen der POEA eine dritte Kategorie der ‚irregulären ‘Auslandsfilipinos aufgeführt (POEA 2007, 42ff.).
„Rare is the Filipino family nowadays that has none of its members living abroad. We have long become a nation of emigrants.“ (David 2004, 108) Diese Einschätzung steht in einer Spannung zur Angabe von Yang/Martinez (2006, 82), wonach nur 6% aller Haushalte ein Mitglied im Ausland haben.
Siehe beispielsweise den Bericht der BBC vom 19.7.2004 (http://news.bbc.co.uk/2/hi/middle_east/3904053.stm (abgerufen am 30.10.2009) oder die Erläuterungen von Abinales/ Amoroso (2005, 299f.).
Wie sich die Krankenpflege im europäischen Kontext zu einem weiblichen Beruf entwickelt hat, ja ‚gemacht ‘wurde, zeigt Claudia Bischoff (1994) in ihrer Studie über die Entwicklung der Frauenrolle in der Krankenpflege.
Choy (2003, 70) errechnet, dass 1971 der Gehalt einer Krankenpflegerin in den USA zwölfmal so hoch war wie derjenige in den Philippinen. So wird auch klar, was bis heute gilt, dass der mit Abstand wichtigste Grund für die Migration die Gehaltsdisparität ist.
Choy 2003, 74ff. Status ist in den Philippinen nicht so sehr ein Attribut von Indiviuen als eines von Familien. Der Ethnologe Landa F. Jocano bringt es auf den Punkt: „All personal consideration come second to those of family interest.“ Jocano 1998, 61f.) Die westliche Vorstellung des Einzelnen, welcher sich seinen Platz in der Gesellschaft sucht, trifft auf die Philippinen, wenn dann nur sehr bedingt zu. Viel eher entscheidet die Familie für den Einzelnen: „The family is the Filipino society. The family chooses for the individual his own function and role“ (Andres/Ilada-Andres 1987, 43). über die Bedeutung von Ehre geben wiederum die von Nuqui und Panao gesammelten Migrationsgeschichten Auskunft, indem sie unter anderem veranschaulichen, wie eine erfolglose Rückkehr aus dem Ausland zu einem Gesichtsverlust führen kann (Nuqui/Panao 2008).
Der von Choy angefügte Rekrutierungsslogan findet sich verschiedentlich (stets mit Referenz zu Choy), aber immer in einer — eigentlich noch einprägsameren — Formulierung als Your Cap is Your Passport (Brush/ Sochalski 2007, 39; Kingma 2006, 23).
„By 1967, the Philippines became the world’s top sending country of nurses to the United States, ending decades of numerical domination by European and North American (?) countries. In 1967, Filipino nurses received the highest number of U.S. nursing licenses among foreign-trained nurses, followed by Canadian and then British nurses.“ (Choy 2003, 98)
Eine Einschätzung, die sich bis heute hält; vgl. Abinales und Amoroso (2005, 299): „Little wonder that the state calls OFWs the nation’s ‚heroes ‘and accords them small courtesies such as dedicated immigration counters at the country’s international airports.“
Brush und Sochalski (2007, 38) beschreiben die vielschichtigen Migrationsströme in Detail: „The internation movement of workers is anything but linear, however. Many countries both send and receive health workers [...] For example, Canada supplies the United States as it recruits from South Africa, which recruits from Cuba. Australia and New Zealand supply the United Kingdom while they recruit from the Pacific Island states that recruit from Burma and China.“ Zudem wechseln die migrierenden Pfleger oft das Land, jedoch nur in eine Richtung. 40% von den in Großbritannien beschäftigten philippinischen Pflegekräften waren zuvor im Nahen Osten oder anderen Ländern Südostasiens beschäftigt (Kingma 2006, 13). Der umgekehrte Fall, d.h. dass Filipino zuerst in Großbritannien und dann im Nahen Osten arbeiten, ist dagegen äußert selten.
In der zweiten Hälfte der 90er Jahre haben dagegen deutlich mehr Pfleger die Prüfung gemacht und bestanden als emigriert sind (Brush/ Sochalski 2007, 41; POEA 2006, 42).
So vermeldete es der Philippine Daily Inquirer am 21.5.2009.
„The pattern for Philippine nurses, however, is different. They seem to go abroad and bring their families as soon as they are settled, including parents and siblings. Philippine nurses tend not to return to their native country. There has been no campaign on the part of the Filipino government to encourage return migration — quite the opposite, in fact. The Philippine government has put a greater focus on establishing protective government offices in countries where there are large communities of Filipino migrant workers. The emphasis is servicing their exported workers in the destination countries rather than encouraging them to return to the Philippines.“ (Kingma 2006, 203) Ob Rückmigration stattfindet, hängt auch an den politischen Möglichkeiten und dem Willen der Regierung, welche solche Migrationsbewegungen fördern oder entgegenwirken kann.
Grundgüter [primary goods] sind die „various social conditions and all-puropse means that are generally necessary to enable citizens adequately to develop and fully exercise their two moral powers, and to pursue their determinate conceptions of the good (...) Primary goods are things needed and required by personas seen in the light of the political conception of persons, as citizens who are fully cooperating members of society, and not merely as human beings apart from any normative conception.“ (Rawls 2001, 57)
Dieses Minimum an Gesundheitsversorgung darf nicht so groß werden, dass es andere vitalen Bereiche der Gesellschaft finanziell gefährden würde wie eine aktive Arbeiterschaft und die Erziehung der Kinder (Rawls 2001, 173).
So erhofft man sich in vielen westlichen Ländern durch den Import von Pflegepersonal das Gerechtigkeitsdefizit, das darin besteht, keine als adäquat erachtete Gesundheitsversorgung zur Verfügung stellen zu können, Abhilfe zu schaffen. Als Beispiel sei hier der Artikel von De Guzman im Vue Weekly genannt: Nursing Shortage: Can the Philippines solve the growing Nursing Crisis in Alberta? (24.4.2008)
Solche übereinkünfte sind selten. Eine Ausnahme stellt die zwischen der britischen Gesundheitsvorsorge National Health Service und der philippinischen POEA bestehende übereinkunft dar, welche zum Ziel hat, dass die Rekrutierung transparent verläuft und Missbrauch verhindert wird. Dies verhindert den Einsatz der zuweilen zwielichtigen Recruiting-Agenturen, welche häufig hohe Gebühren verlangen und teilweise irreführende Angaben zur Beschäftigung im Ausland machen (Bach 2006, 21).
Als zwei weitere, aber sicherlich weniger wichtiger gesundheitliche Risiken, die insbesondere schwer abzuschätzen sind, sind Lebensmittelinfektionen in Folge steigender Temperaturen und allergische Erkrankungen zu nennen. Darüber hinaus werden in vielen Studien auch weitere Folgen des Klimawandels benannt, die keine direkten Folgen für die Gesundheit des Menschen haben, die aber nichtsdestotrotz das (kulturelle) Leben der Menschen nachhaltig verändern werden. Hierbei wird insbesondere eine Veränderung der Vegetation in den Alpen und der Rückgang der Artenvielfalt genannt (vgl. WWF 2007).
Vgl. hierzu die ethischen überlegungen des Projekts Klimawandel und Gerechtigkeit, in dem das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, das Institut für Gesellschaftspolitik an der Hochschule für Philosophie München, das Bischöfliche Hilfswerk Misereor und die Münchener Rück Stiftung Vom Wissen zum Handeln zusammenarbeiten (Reder/ Schroeder 2008; Wallacher et al. 2009).
Vgl. die von Louis/Hess skizzierten Elemente eines solchen Lernprozesses, die sie unter folgendem Titel zusammengefasst haben: „Promoting awareness and action on climate change within global health efforts: a collaborative learning initiative“ (vgl. St. Louis/ Hess 2008, 533ff.).
Author information
Authors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2010 Springer-Verlag/Wien
About this chapter
Cite this chapter
Inthorn, J., Kaelin, L., Reder, M. (2010). Österreich und Philippinen: Interkulturelle Praxisfelder. In: Gesundheit und Gerechtigkeit. Schriftenreihe Ethik und Recht in der Medizin, vol 4. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-211-88918-3_3
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-211-88918-3_3
Publisher Name: Springer, Vienna
Print ISBN: 978-3-211-88917-6
Online ISBN: 978-3-211-88918-3
eBook Packages: Medicine (German Language)