1 Einleitung

Das Kerngeschäft der Immobilienprojektentwicklung besteht in der Anpassung von nicht mehr zeitgemäßen immobiliaren Ressourcen an neue Bedarfe an den Immobilienflächen und -investmentmärkten (Graaskamp 1992). Diese Bedarfe von Immobiliennutzern und Investoren wandeln sich vor dem Hintergrund tiefgreifender Veränderungen in Technologie, Wirtschaft und Gesellschaft. Im Ergebnis verändern sich die Immobiliennachfrage und die Anforderungen an die Bau- und Immobilienwirtschaft, was sich auf die Strukturen und Geschäftsmodelle des immobilienwirtschaftlichen Wertschöpfungssystems auswirkt (Pfnür 2019). Aufgrund der Notwendigkeit, unbekannte zukünftige Nachfragen, Risiken und Unsicherheiten als wesentliche Elemente im Geschäftsmodell zu berücksichtigen (Schulte und Bone-Winkel 2002; Isaac et al. 2016), müssen sich insbesondere die Immobilienprojektentwickler strategisch anpassen, um den Wandel zu antizipieren und aktiv zu gestalten sowie wettbewerbsfähig zu bleiben (Bone-Winkel und Pitschke 2005). Nach Rattanaprichavej (2014) haben dynamische Unternehmensumweltveränderungen, die Urbanisierung und die sich ändernden Lebensstile und Trends die Immobilienprojektentwicklung komplexer und unsicherer denn je gemacht.

In ihrer empirischen Studie zeigen Pfnür und Wagner (2020), dass das immobilienwirtschaftliche Wertschöpfungssystem, ausgehend von den Megatrends sozio-demografischer Wandel, Globalisierung, Urbanisierung, Digitalisierung und einem verstärkt umweltorientierten Handeln, am Anfang eines gerade beginnenden Strukturwandels steht. Diese auch als immobilienwirtschaftliche Transformation bezeichnete Entwicklung ist somit eine Anpassung der immobilienwirtschaftlichen Akteure an die in der Unternehmensumwelt wirkenden Veränderungen. Diese verläuft zeitlich in Trajektorien, die die immobilienwirtschaftlichen Akteure nicht alle zugleich, sondern in einer zeitlichen Abfolge erfasst. Während die Ergebnisse der Studie zeigen, dass vielen Akteuren die immobilienwirtschaftliche Transformation noch bevorsteht, sind die Projektentwickler bereits jetzt in deutlichem Umfang betroffen. Sie zeigen nicht nur die größte Betroffenheit, sondern auch die stärkste Bereitschaft, ihre Geschäftsmodelle sowie Produkte und Dienstleistungen anzupassen. Auch weitere Forschungsergebnisse zeigen, dass Projektentwickler wesentliche Veränderungen bereits wahrnehmen und das Bewusstsein entwickelt haben, darauf reagieren zu müssen (z. B. Rajakallio et al. 2017; Yderfält und Roxenhall 2017; Zighan et al. 2018), ohne dass ihre Rolle in der immobilienwirtschaftlichen Transformation geklärt oder der tatsächliche strategische Handlungsbedarf identifiziert ist. Dabei hängt die Rolle des Projektentwicklers neben den allgemeinen soziokulturellen, technologischen, politisch-rechtlichen und ökonomischen Umweltveränderungen und wirkenden Trends maßgeblich von den Veränderungen der aufgabenspezifischen Unternehmensumwelt ab (Müller-Stewens und Lechner 2016). Diese ist durch die Netzwerke und Interaktionen und damit von den wechselseitigen Einflüssen der Akteure innerhalb des Wertschöpfungssystems geprägt (Diller und Lorch 1984), die in ihren Wirkungszusammenhängen bisher nicht untersucht wurden.

Daher verfolgt dieser Forschungsbeitrag das Ziel, die Wirkungsverläufe der Umweltveränderungen von Projektentwicklern in der immobilienwirtschaftlichen Transformation zu untersuchen sowie die relevanten Einflüsse und die daraus resultierenden strategischen Anpassungsoptionen von Projektentwicklern zu bestimmen. Dazu werden die zwei folgenden Forschungsfragen untersucht:

  1. 1.

    Wie wirken die wechselseitigen Einflüsse der Akteure in der immobilienwirtschaftlichen Transformation auf den Projektentwickler?

  2. 2.

    Welche derzeit wirkenden Veränderungen haben für die Projektentwicklung einen handlungsrelevanten Einfluss und welche strategischen Anpassungsoptionen ergeben sich daraus für die Projektentwickler?

Zur Beantwortung der Forschungsfragen nutzt der Artikel einen zweistufigen methodischen Ansatz. Um die wirkenden Veränderungen der Projektentwickler in der immobilienwirtschaftlichen Transformation zu analysieren, gilt es, (1.) die Umweltveränderungen mit ihren Wirkungsverläufen sowie (2.) die konkret wirkenden Einflüsse und daraus resultierenden Anpassungen in den Blick zu nehmen. Um die strategischen Handlungsoptionen für Projektentwickler aufzeigen zu können (Forschungsfrage 2), müssen zunächst die Wirkungsverläufe der wechselseitigen Einflüsse untersucht werden (Forschungsfrage 1). Dabei bedingen die Wirkungsverläufe in der immobilienwirtschaftlichen Transformation die handlungsrelevanten Einflüsse und resultierenden Anpassungsoptionen der Projektentwickler. Auch das Wissen, von welchen Akteuren bedeutende Einflüsse ausgehen, ist für den zweiten Analyseschritt relevant. Über die wechselseitigen Einflüsse der Akteure wirken neue Anforderungen auf die Projektentwickler, die allerdings für strategische Anpassungen nicht gleichermaßen handlungsrelevant sind. Zur Identifikation der tatsächlich handlungsrelevanten Einflüsse mit dem daraus resultierenden strategischen Handlungsbedarf braucht es qualitative Einschätzungen immobilienwirtschaftlicher Entscheidungsträger. Die Untersuchung der wechselseitigen Einflüsse erfolgt mithilfe einer Netzwerkanalyse (Kap. 3), um anschließend die handlungsrelevanten Einflüsse und strategischen Anpassungsoptionen mithilfe von Stakeholder-Interviews ableiten zu können (Kap. 4). Die Abb. 1 zeigt den gewählten Forschungsaufbau des vorliegenden Artikels.

Abb. 1
figure 1

Forschungsaufbau des vorliegenden Artikels

Grundsätzlich bilden kombinierte methodische Ansätze eine effektive Möglichkeit, um eine breitere und vollständigere Sicht auf ein Problem in der Managementforschung zu erhalten und der Komplexität von Organisationsphänomenen gerecht zu werden (Bazeley 2015; Molina-Azorin et al. 2017). Im vorliegenden Artikel dient der zweistufige Ansatz sowohl einem komplementären und verdichtenden Zweck, indem die Erkenntnisse der quantitativen Methode tiefergehend mit den Ergebnissen der qualitativen Methode ausgearbeitet werden, als auch einem erweiternden Zweck, indem die Breite und das Spektrum der Untersuchung durch die qualitative Stakeholder-Befragung erweitert wird (Greene et al. 1989).

Im Folgenden wird ein Literaturüberblick zur Analyse der Unternehmensumwelt von Immobilienprojektentwicklern gegeben. Der Abschn. 2.1 fokussiert Umweltveränderungen in ihren Wirkungsverläufen, während der Abschn. 2.2 in der Literatur diskutierte Einflüsse und Anpassungsoptionen beleuchtet.

2 Literaturüberblick

2.1 Umweltveränderungen, Unternehmensanpassungen und immobilienwirtschaftliche Transformation

Langfristige und dynamische Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft setzen Geschäftsmodelle ganzer Branchen unter Anpassungsdruck (von der Gracht et al. 2010), bieten aber gleichzeitig ein Marktwachstumspotenzial und Möglichkeiten, Geschäftsmodelle strategisch weiterzuentwickeln (Veugelers et al. 2010). So existieren zahlreiche Studien im Kontext der Geschäftsmodellforschung, die gut belegen, dass strategische Managemententscheidungen durch Veränderungsprozesse in der Umwelt beeinflusst werden (Brown und Eisenhardt 1998). Unternehmen müssen ihre Geschäftsmodelle und die damit verbundenen Produkte und Dienstleistungen sowie Prozesse und Unternehmensstrukturen an veränderte Bedingungen in der Unternehmensumwelt anpassen (Buliga et al. 2016). In der Geschäftsmodellforschung hat sich für den Wandel von Strategien und Geschäftsmodellen als Reaktion auf grundlegende Umweltveränderungen der Begriff Transformation etabliert (Kotter 1995; Matt et al. 2015). Allerdings ermittelten Berghaus und Back (2016), dass branchenübergreifend viele Unternehmen die Transformation lediglich intuitiv managen, anstatt die Anpassungen strategisch zu planen.

Für die immobilienwirtschaftliche Transformation entwickelten Pfnür und Wagner (2018) einen theoretischen Handlungsrahmen, der in Abb. 2 dargestellt ist. In ihrer empirischen Studie zeigen Pfnür und Wagner (2020), dass sich immobilienwirtschaftliche Unternehmen über drei Wirkungsmechanismen an in der Unternehmensumwelt wirkende Veränderungen anpassen. Zunächst wirken langfristige Veränderungen, ausgelöst durch Megatrends in der globalen Umwelt (1. Mechanismus). Diese werden handlungsrelevant durch zahlreiche Strukturwandeltreiber in der Interaktionsumwelt, die strategische Anpassungen von Geschäftsmodellen, Produkten und Dienstleistungen sowie Strukturen und Prozessen erfordern. So entsteht ein Anpassungsdruck durch allgemeine Umweltveränderungen, auf den die immobilienwirtschaftlichen Akteure mit Anpassungsstrategien reagieren (2. Mechanismus). Zusätzlich wird die Notwendigkeit für strategische Anpassungen durch wechselseitige Interaktionen zwischen den Unternehmen innerhalb des immobilienwirtschaftlichen Wertschöpfungssystems noch verstärkt. Durch das Handeln einzelner Unternehmen bzw. Akteure als Reaktion auf die Umweltveränderungen verändert sich wiederum die aufgabenspezifische Umwelt anderer Akteure (Diller und Lorch 1984). Dadurch entsteht ein weiterer Wirkungszusammenhang durch die Interaktion der unterschiedlichen Akteure in einem Wertschöpfungssystem (3. Mechanismus). Die unmittelbare aufgabenspezifische Unternehmensumwelt ist dabei durch die Bezugsgruppen bzw. Anspruchsgruppen (Stakeholder) von Unternehmen geprägt (Freeman 2010; Müller-Stewens und Lechner 2016). Nach Pfnür (2011) lassen sich die wesentlichen immobilienwirtschaftlichen Akteursgruppen, die durch Interaktionen auf den Projektentwickler wirken, in die (gewerblichen) Immobiliennutzer, die Investoren, Banken und Asset Manager sowie Produzenten und Dienstleister wie Architekten, Bauunternehmen und Facility Manager untergliedern.

Abb. 2
figure 2

Theoretischer Handlungsrahmen und Wirkungsmechanismen der immobilienwirtschaftlichen Transformation. (Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Pfnür und Wagner (2018))

In der Studie von Pfnür und Wagner (2020) unbeantwortet bleibt allerdings die Frage, wie diese wechselseitigen Interaktionen zwischen den immobilienwirtschaftlichen Akteuren und damit der Wirkungsmechanismus 3 methodisch abgebildet und gemessen werden können. Damit analysiert der vorliegende Artikel die Wirkungsverläufe der Unternehmensumweltveränderungen auf der rechten Seite der Abb. 2 und vernachlässigt die bereits gezeigten Zusammenhänge in den ausgegrauten Bereichen. Dann ließe sich aufzeigen, welche einzelnen Akteure von den wechselseitigen Interaktionen stark oder kaum betroffen sind und welche daraus resultierende Rolle sich innerhalb der immobilienwirtschaftlichen Transformation für die einzelnen Akteure ergibt. Die Studienergebnisse von Pfnür und Wagner (2020) legen nahe, dass die wesentliche Trajektorie der immobilienwirtschaftlichen Transformation beim Nutzer beginnt und über den Projektentwickler in den Kernbereich der Immobilienwirtschaft hineingetragen wird. Ob sich diese These bestätigt, hängt maßgeblich von den wechselseitigen Einflüssen und damit dem Netzwerk der Akteure untereinander ab. Im vorliegenden Beitrag wird deshalb zunächst der dritte Wirkungsmechanismus der immobilienwirtschaftlichen Transformation und damit das Beziehungsgeflecht der Akteure innerhalb der Immobilienwirtschaft mithilfe einer Netzwerkanalyse untersucht (Kap. 3).

2.2 Wirkende Einflüsse und strategische Anpassungen bei Immobilienprojektentwicklern

Während in der Unternehmenspraxis wachsende und komplexere Anforderungen sowie ein Wandel des Immobilienprojektentwicklungsgeschäfts gesehen werden (Wüst und Stegers 2017; Rajakallio et al. 2017), ist die wissenschaftliche Studienlage zu wirkenden Einflüssen und strategischen Anpassungen rar. Dabei sind die wirkenden Einflüsse vielseitig. Vermehrt stellen die veränderten Anforderungen und Nachfragen der Kunden, die zunehmende Umweltdynamik, eine verstärkte Konzentration auf den Lebenszyklus von Gebäuden sowie neue Technologien die traditionellen Geschäftsmodelle in der Bau- und Immobilienwirtschaft infrage (Rajakallio et al. 2017). Nach Reents (2013) entstehen vor allem durch die sich stark verändernden Nutzeranforderungen gepaart mit Eigentumsreduktion von Immobilien und Ausgründungen von Immobilienabteilungen der gewerblichen Immobiliennutzer neue Anforderungen an die Immobilienwirtschaft. Bone-Winkel (2001) beschrieb die Notwendigkeit für Projektentwickler, sich an die neuen sowie wachsenden Anforderungen der Immobiliennutzer anzupassen. Yderfält und Roxenhall (2017) zeigen durch eine Fallstudie, dass immobilienwirtschaftliche Akteure verstärkt Anforderungen sowie Erfahrungen der Immobiliennutzer ins Zentrum der Aktivitäten und Wertschöpfung stellen sollten. Bereits Graaskamp (1992) argumentierte, dass der Cash-Flow, auf dem alle Annahmen für die Kapitalbeschaffung zum Bau der Immobilien beruhen, mit einem Kunden beginnt, die Bau- und Immobilienwirtschaft aber weniger für Kundenforschung und Produktentwicklung sensibilisiert ist. Zwar argumentierten auch Wurtzebach et al. (1995) und Schulte und Bone-Winkel (2002), dass die Nutzer, als Nachfrager der Immobilie, einen starken Einfluss auf das Immobilienentwicklungsprojekt ausüben, da ihre Bedürfnisse und Anforderungen entscheidend für den Erfolg des Projekts sind. Allerdings vernachlässigen nach Chen et al. (2018) vor allem Projektentwickler bisher insbesondere die individuellen Bedürfnisse von Immobiliennutzern und fokussieren sich zu sehr rein auf die Rendite. In diesem Kontext zeigt Harrer (2016), dass frühzeitige Einbindungen der späteren Nutzer zur Erfüllung der Nutzeranforderungen positive Auswirkungen auf die Leerstandsquote und den Immobilienwert haben.

Gornostaeva et al. (2017) und Zighan et al. (2018) erörtern, dass in Immobilienentwicklungsprojekten die Bedeutung zusätzlicher Dienstleistungen steigt, um Wettbewerbsfähigkeit und Rentabilität zu garantieren. Die Folge ist eine Verlagerung vom reinen Entwickeln und Veräußern eines physischen Produktes hin zu integrierten Dienstleistungen zur Befriedigung von Kundenbedürfnissen (Dainty et al. 2001; Leiringer und Bröchner 2010). Managementorientiert wird die Integration von Dienstleistungen neben der steigenden Nachfrage der Kunden mit höheren Margen und stabileren, weniger konjunkturanfälligen Erträgen im Vergleich zu Produkten sowie einem Wettbewerbsvorteil begründet (Oliva und Kallenberg 2003; Lay und Erceg 2013). Dieser Wettbewerbsvorteil durch Dienstleistungen wird auch durch eine netzwerkbasierte Sichtweise erklärt, bei der die Zusammenarbeit und Partnerschaften mit anderen Organisationen einen nachhaltigeren Wettbewerbsvorteil schaffen (Eloranta und Turunen 2015). So wird eine engere Verbindung und Zusammenarbeit, bspw. durch strategische Partnerschaften zwischen den beteiligten Akteuren über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg, oft als Strategie zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Bauindustrie beschrieben (Meyer und Pfnür 2015; Berg et al. 2021). Zumindest für britische große Bauunternehmen beschreiben Cacciatori und Jacobides (2005) vertikale Integrationsstrategien der Akteure mit der Entstehung von „all-in-one“-Märkten als Reaktion auf veränderte Umweltanforderungen, allerdings ohne die Berücksichtigung von Projektentwicklern. Bryson und Lombardi (2009) zeigen allgemein, dass proaktive Projektentwickler mit strategischen Anpassungen als Reaktion auf die Veränderungen in ihrer Unternehmensumwelt einen First-Mover-Vorteil und damit Marktpotenziale und Wettbewerbsvorteile generieren. Die First-Mover-Potenziale werden in aktueller Literatur vor allem im Hinblick auf zahlreiche Unternehmensumweltveränderungen im Kontext der Digitalisierung und der Anwendung digitaler Technologien und Geschäftsmodelle diskutiert (Baum 2017; Saiz und Salazar 2017; Ullah et al. 2021).

Diese Studien zeigen einzelne strategische Anpassungen für Projektentwickler, die sich nach vier wesentlichen Bereichen clustern lassen. So scheint die Bedeutung zu steigen, (1.) die Geschäftstätigkeiten enger an den Anforderungen der Kunden auszurichten sowie (2.) Produkte und Dienstleistungen anzupassen. Damit einher geht, (3.) dienstleistungsorientierter und ganzheitlicher im Sinne einer horizontalen und vertikalen Integration zu agieren. Auch scheinen (4.) strategische Einflüsse und Anpassungsoptionen durch die Digitalisierung bzw. digitale Technologien von Bedeutung zu sein. Allerdings lassen die Studien den Gesamtkontext struktureller Veränderungen in der Immobilienwirtschaft vermissen. Daher werden im weiteren Verlauf des Artikels die handlungsrelevanten Einflüsse und daraus resultierende strategische Anpassungsoptionen im Kontext der immobilienwirtschaftlichen Transformation analysiert (Kap. 4).

3 Wechselseitige Einflüsse der Akteure und Rolle der Projektentwickler in der immobilienwirtschaftlichen Transformation

3.1 Methodisches Vorgehen bei der Netzwerkanalyse

Im Folgenden werden die Graphentheorie und die Soziale Netzwerkanalyse (SNA) angewandt, um die auf den Projektentwickler wechselseitigen Einflüsse der Akteure innerhalb der immobilienwirtschaftlichen Transformation empirisch zu messen. Für diesen Zweck bildet die Netzwerkanalyse eine geeignete Forschungsmethode, da sie darauf abzielt, Strukturen sowie Beziehungen und Interaktionen zwischen Akteuren zu verstehen und damit tiefere Einblicke in zu analysierende Systeme ermöglicht (Newman 2003; Grunspan et al. 2014). Ziel von Netzwerkanalysen ist es, die Veränderungen von Strukturen über das Handeln und Verhalten von Akteuren bei der Zusammenarbeit zu erklären (Carrington et al. 2005; Jansen 2006). Mithilfe der Netzwerkanalyse lassen sich die Umweltveränderungen mit ihren Wirkungsverläufen auf die Immobilienprojektentwickler (Wirkungsmechanismus 3) analysieren und die Forschungsfrage 1 kann beantwortet werden.

Ein soziales Netzwerk ist eine Anzahl von Akteuren (z. B. Einzelpersonen, Gruppen und Organisationen), die als Knoten dargestellt werden. Die zwischen ihnen definierten Beziehungen werden als Kanten modelliert (Wasserman und Faust 1994). Im vorliegenden Setting bilden die immobilienwirtschaftlichen Akteure die Knoten, die über Interaktionen und wechselseitige Einflüsse (Kanten) miteinander verbunden sind. So stellt das modellierte soziale Netzwerk die Wechselwirkungen der immobilienwirtschaftlichen Akteure dar.

Neben der graphentheoretischen Repräsentation existieren im Kontext der SNA zahlreiche Analyseverfahren und Maßzahlen zur Bestimmung der Interaktionen und des gegenseitigen Einflusses innerhalb von Netzwerken, die sich nach Netzwerkstruktur (z. B. Dichte, Konnektivität, Hierarchie), Bindungsinhalt und Bindungseigenschaften (z. B. Stärke und Schwäche der Kanten) sowie Akteursattribute (z. B. Zentralität) systematisieren lassen (Schröpfer et al. 2017). Diese Maße sind in dem Sinne nützlich, dass sie Einblicke in die Rolle, Verhaltensweisen und Interaktionen der Knoten und damit der Akteure im Netzwerk geben (Tabassum et al. 2018). Vor allem die Zentralitätsmaße dienen dazu, zu verstehen, wie sich die Position eines Knotens innerhalb der Gesamtstruktur des Netzwerks darstellt, und hilft daher, die Schlüsselakteure im Netzwerk zu identifizieren (Tabassum et al. 2018).

3.1.1 Datenerhebung

Für die Datenerhebung wurden 249 Entscheidungsträger aller wesentlichen immobilienwirtschaftlichen Akteure befragt, die sowohl anhand ihrer Funktionsbeschreibung mit strategischen Aufgaben und/oder der Weiterentwicklung des Geschäftsmodells in den großen deutschen immobilienwirtschaftlichen Unternehmen oder auch als Meinungsbildner in einschlägigen Managementzeitschriften oder Konferenzen einen besonderen Einfluss auf die Veränderungsprozesse in der Immobilienwirtschaft haben. Die Befragung wurde mittels computergestützter Telefoninterviews auf der Grundlage eines strukturierten Fragebogens durchgeführt. Die Befragten beantworteten überwiegend geschlossene Fragen unter Verwendung einer sechsstufigen Likert-Skala mit „1 = stimme voll zu“ und „6 = stimme überhaupt nicht zu“. Die Antworten „weiß ich nicht“ und „möchte ich nicht beantworten“ waren ebenfalls möglich.

Für die Netzwerkanalyse sind drei bislang nicht berücksichtigte Fragen aus der empirischen Studie von Pfnür und Wagner (2020) relevant. Zunächst wurden die Befragten gebeten, sich als immobilienwirtschaftlichen Akteur einzuordnen. Mit Frage 11 wurde erhoben, wie stark die Veränderungen innerhalb des eigenen Unternehmens auf die jeweiligen anderen Akteure wirken. Frage 12 befasste sich mit dem umgekehrten Einfluss innerhalb der Unternehmensbeziehungen und Interdependenzen und fragte, wie sehr die Einflüsse der anderen Akteure auf das eigene Unternehmen wirken. Der Fragebogen mit den entsprechenden Fragen befindet sich in Anhang A.

3.1.2 Netzwerkaufbau und kalkulierte Maßzahlen

Die abgefragten Einflüsse der immobilienwirtschaftlichen Akteure bilden die in die Netzwerkanalyse eingehenden Daten, die mithilfe einer Matrixstruktur in einer sogenannten Soziomatrix erfasst werden (Grunspan et al. 2014). Mithilfe der Antworten auf Frage 11 und 12 des strukturierten Fragebogens wird der Einfluss von Akteur i auf Akteur j mithilfe von Mittelwerten berechnet. Dabei fließen sowohl die Einschätzungen des Akteurs i als auch des Akteurs j in die Berechnung ein. Die errechneten Mittelwerte drücken die Stärke des Einflusses von Akteur i auf Akteur j aus, wobei aufgrund der gewählten Likert-Skala ein geringerer Mittelwert einen stärkeren Einfluss zum Ausdruck bringt. Die wechselseitigen Einflüsse werden zwischen einem aktiven Einfluss, der ausdrückt, inwieweit ein Akteur auf die anderen Akteure wirkt, und einen passiven Einfluss, der aufzeigt, inwieweit ein Akteur von den Einflüssen eines anderen Akteures betroffen ist, unterschieden. Auf Basis dieser erstellten Matrixstruktur lassen sich die Graphen der Netzwerkanalyse und damit die Netzwerkstruktur modellieren (Scott 1988), die im Ergebnisabschnitt dargestellt sind (Abb. 4).

In der vorliegenden Netzwerkanalyse werden neben der Netzwerkdichte und Stärke der Einflüsse vor allem Zentralitätsmaße genutzt, um zu untersuchen, welcher Akteur zentraler, vernetzter und damit in der immobilienwirtschaftlichen Transformation in Bezug auf die wirkenden Einflüsse aus den gegenseitigen Interaktionen bedeutsam ist (Hanneman und Riddle 2005). Dabei existieren für Zentralität mehrere Maßzahlen, die darauf abzielen, die „Wichtigkeit“ oder den „Einfluss“ eines bestimmten Knotens bzw. eines Akteurs innerhalb eines Netzwerks zu quantifizieren (Borgatti 2005; Everett und Borgatti 2005). Im Folgenden werden Netzwerkdichte sowie die Zentralitätsmaßzahlen Degree-Zentralität, Closeness-Zentralität, Betweenness-Zentralität, Eigenvektor-Zentralität, Page Rank und Clustering-Koeffizient herangezogen. Die Maßzahlen werden in Tab. 1 jeweils genauer definiert und mittels ihrer Berechnungsformeln dargestellt. Alle Berechnungen sind normiert, um sie vergleichen zu können.

Tab. 1 Kalkulierte Maßzahlen, deren Definition und Formeln

Diese Zentralitätsmaße bestimmen die relative Bedeutung eines Akteurs innerhalb des Netzwerks und zeigen seine Macht (Tabassum et al. 2018). Stärkere Zentralitätsmaße werden mit mächtigeren Akteuren im Netzwerk assoziiert, da ihre zentrale Position ihnen mehrere Vorteile bietet, wie z. B. einen leichteren und schnelleren Zugang zu anderen Akteuren im Netzwerk (nützlich für den Zugriff auf Ressourcen wie z. B. Informationen) und die Fähigkeit, Kontrolle über den Einfluss zwischen den anderen Akteuren auszuüben (Freeman 1978). Alle Modellierungen und Berechnungen der Netzwerkanalyse wurden mit der open-source Software Gephie durchgeführt.

3.2 Darstellung der Ergebnisse der Netzwerkanalyse

Zur ersten Veranschaulichung der wechselseitigen Beeinflussungen der immobilienwirtschaftlichen Akteure in der immobilienwirtschaftlichen Transformation zeigt die Abb. 3 eine kalkulierte Aktiv-Passiv-Matrix. Hierzu wurden für jeden Akteur alle Mittelwerte des ausgehenden Einflusses zu einem Aktiv-Score addiert, der ausdrückt, inwieweit der Akteur i alle anderen Akteure beeinflusst. Die Addition aller Mittelwerte der Einflüsse auf den Akteur j wurde als Passiv-Score herbeigezogen, der zum Ausdruck bringt, wie stark ein Akteur durch die Einflüsse der anderen Akteure betroffen ist. So unterscheiden die vier Quadranten die immobilienwirtschaftlichen Akteure jeweils nach ihrem Einfluss auf andere Akteure (Aktiv-Score) sowie nach ihrer Betroffenheit in der immobilienwirtschaftlichen Transformation durch die anderen Akteure (Passiv-Score). Aufgrund der gewählten Likert-Skala bedeutet ein geringerer Score einen stärkeren Einfluss. Demnach zeigen sich Akteure, die im oberen rechten Quadranten zu finden sind, in der immobilienwirtschaftlichen Transformation sowohl stark beeinflussend als auch voll betroffen von den wechselseitigen Einflüssen. Akteure unten links sind hingegen wenig beeinflussend und wenig betroffen.

Abb. 3
figure 3

Aktiv-Passiv-Matrix der immobilienwirtschaftlichen Akteure in der Transformation

Im Ergebnis zeigt sich allein der Nutzer als stark beeinflussender, aber wenig betroffener Akteur. Vor allem der Projektentwickler, aber auch die Investoren und Asset Manager, sind sowohl stark beeinflussend als auch voll betroffen im immobilienwirtschaftlichen Strukturwandel. Dabei ist der Projektentwickler insgesamt der am stärksten betroffene Akteur, während gleichzeitig von ihm ein starker Einfluss ausgeht. Alle weiteren immobilienwirtschaftlichen Akteure zeigen sich in der immobilienwirtschaftlichen Transformation insgesamt wenig beeinflussend. Bauunternehmer, Banken und Stadtplaner sind dabei auch kaum betroffen. Vor allem die Passivität und geringe Betroffenheit der Stadtplaner scheint vor dem Hintergrund zahlreicher auf Städte wirkenden Trends, die neue städtebauliche Konzepte zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit erfordern, überraschend. Allerdings könnte ein geringer Stichprobenanteil der Stadtplaner hier auch zu Verzerrungen führen.

In den anschließend modellierten Graphen (Abb. 4) entspricht die Anzahl der Knoten der Anzahl der befragten immobilienwirtschaftlichen Akteure und weist daher die feste Anzahl zehn auf. Eine Kante wurde modelliert, wenn der Mittelwert des Einflusses < 3,0 betrug, da es sich dann um einen bedeutenden Einfluss handelt.Footnote 1 Damit liegt ein gerichtetes Netzwerk vor, da der Einfluss von Akteur i auf den Akteur j nicht zwangsläufig bedeutet, dass Akteur j auch i beeinflusst, wenngleich der Einfluss auch zweiseitig sein kann (Grunspan et al. 2014). So ergeben sich zwei Wirkungsrichtungen der Einflüsse: Der aktive Einfluss drückt aus, ob und wie stark ein Akteur einen anderen Akteur beeinflusst (linker Graph). Dabei wird die Einschätzung beider Akteure berücksichtigt (Abschn. 3.1.2). Der passive Einfluss zeigt auf, inwieweit ein Akteur durch einen anderen Akteur betroffen ist (rechter Graph), wobei erneut alle Einschätzungen der beiden Akteursgruppen berücksichtigt werden. Die Knoten- und Schriftgröße spiegelt jeweils die Höhe des Einflusses wider. Im linken Graph sind Akteure groß dargestellt, die in der immobilienwirtschaftlichen Transformation stark beeinflussend auf andere Akteure wirken. Im rechten Graph sind betroffene Akteure groß dargestellt, sodass kleingeschriebene Akteure weniger Einflüssen ausgesetzt sind als großgeschriebene Akteure. Neben der Richtung stellen die Pfeile die Stärke des Einflusses zwischen zwei Akteuren dar. Je stärker der Einfluss von Akteur i auf Akteur j, desto dicker wird der Pfeil zwischen i und j. Das auf diese Weise aufgebaute Netzwerk stellt den dritten Wirkungsmechanismus der immobilienwirtschaftlichen Transformation dar und liefert über die Aktiv-Passiv-Matrix hinaus ein Bild, welcher Akteur von welchen Akteuren durch die Interaktionen beeinflusst wird.

Abb. 4
figure 4

Modellierte Graphen der Netzwerkanalyse

Die grafische Darstellung zeigt, dass Immobiliennutzer sowie Projektentwickler im Zentrum der wechselseitigen Einflüsse der Akteure in der immobilienwirtschaftlichen Transformation stehen. Von ihnen gehen die meisten und stärksten Einflüsse aus, wenngleich sich die Wirkungsrichtungen unterscheiden. Ein Vergleich des Graphen in Abhängigkeit der aktiven Einflüsse (links) mit dem der passiven Einflüsse (rechts) zeigt, dass vom Nutzer die häufigsten und stärksten Einflüsse ausgehen, während der Projektentwickler den meisten Einflüssen von anderen immobilienwirtschaftlichen Akteuren ausgesetzt ist.

Die in den Graphen bereits erkennbare zentrale und bedeutende Rolle sowie die starken Einflüsse der Nutzer und Projektentwickler in der immobilienwirtschaftlichen Transformation werden durch die Ergebnisse der Maßzahlen in Tab. 2 bestätigt.

Tab. 2 Kalkulierte Maßzahlen der Netzwerkanalyse

Die Degree-Zentralität zeigt Projektentwickler (12), Investoren (10) und Nutzer (7) als die Akteure mit dem stärksten Einfluss in der immobilienwirtschaftlichen Transformation. Dabei haben die Nutzer als einziger Akteur ausschließlich aktive Einflüsse (Out-Degree: 7), während sich Projektentwickler und Investoren sowohl stark betroffen (In-Degree) als auch beeinflussend (Out-Degree) zeigen.

Durch die Ergebnisse der Closeness-Zentralität, die angibt mit welcher Anzahl von Pfaden ein Akteur mit allen anderen verbunden ist, wird deutlich, dass die Nutzer (0,82) und Projektentwickler (0,80) die zentralen Akteure der immobilienwirtschaftlichen Transformation sind. Sie haben über das gesamte Netzwerk die ausgeprägteste Nähe zu allen anderen Akteuren. Die Investoren zeigen sich mit dem dritthöchsten Wert (0,73) weniger zentral, sondern weisen eher innerhalb der eigenen Akteursgruppe Wirkungszusammenhänge auf, was durch den aufgrund der geringen Gesamtnetzwerkgröße vorsichtig zu interpretierenden Clustering-Koeffizienten unterstützt wird.

Alle weiteren Akteure zeigen sich in den gegenseitigen Einflüssen sehr auf ihre jeweiligen Akteursgruppen bezogen und dementsprechend mit wenigen Verbindungen in andere hinein. Dies ist bereits in den modellierten Graphen zu erkennen und wird auch durch die Zentralitätsmaßzahlen deutlich. Darüber hinaus ist die Dichte des Netzwerks mit 0,34 als gering einzuschätzen.Footnote 2 Damit zeigt sich in der Transformation insgesamt eine geringe Vernetzung der Immobilienwirtschaft. Dieser Umstand mag den unterschiedlichen Geschäftsmodellen der verschiedenen Akteursgruppen geschuldet sein. Vor dem Hintergrund des Wandels einer ganzen Branche ist die geringe Vernetzung durch wirkende Interaktionen allerdings eher überraschend. Dies scheint auf ein nicht integriertes Wertschöpfungssystem hinzuweisen, innerhalb dessen die einzelnen Akteure sehr in einem funktionalen „Silodenken“ agieren.

Tatsächlich vernetzt ist die Immobilienwirtschaft erst durch den Projektentwickler. Das zeigen die Ergebnisse der Betweenness-Zentralität (31,33) als Maß für die Anzahl der kürzesten Wege, die durch einen Knoten führen. Der Projektentwickler ist der Akteur, durch den die meisten kürzesten Pfade und damit Interaktionen verlaufen. Damit sorgt er nicht nur für eine Vernetzung anderer Akteure und immobilienwirtschaftlicher Leistungen, sondern managt auch die wirkenden Einflüsse zwischen den Akteuren. Die Eigenvektor-Zentralität von 1,0 (Page Rank 0,19) zeigt, dass der Projektentwickler nicht nur die stärkste, sondern auch die bedeutendste Vernetzung aufweist, da er mit allen anderen zentralen und bedeutenden Akteuren direkt verbunden ist.

Was bisherige Ergebnisse vermuten ließen, bestätigt sich hier: Tiefgreifende Veränderungen werden durch den Nutzer in die Immobilienwirtschaft getragen, der innerhalb des Wertschöpfungssystems aber für keinerlei Vernetzung sorgt und damit Leistungen weder steuert noch koordiniert. Diese zentrale Rolle als Mittelsmann nimmt der Projektentwickler ein, über den die Transformation zu den immobilienwirtschaftlichen Akteuren getragen wird. Außer auf die Akteure während des Betriebs (Facility & Property- sowie Asset Manager) verlaufen alle Einflüsse vom Nutzer über den Projektentwickler auf die anderen Akteure. Im zeitlichen Verlauf gerät der Projektentwickler durch die wirkenden Einflüsse als erster immobilienwirtschaftlicher Akteur strategisch unter Anpassungsdruck und beeinflusst daraufhin mit seinen strategischen Entscheidungen wiederum andere Akteure an den Immobilienkapitalmärkten sowie den Immobiliendienstleistungen entlang der immobilienwirtschaftlichen Wertschöpfung. Dieser Einfluss der Projektentwickler wirkt über die Erstellungsphase hinaus auch auf Facility & Property Manager und damit Akteure der Betriebsphase.

3.3 Implikationen aus den Ergebnissen der Netzwerkanalyse für den Projektentwickler

Bereits Bone-Winkel et al. (2015) beschreiben den Projektentwickler als Motor und damit als zentralen und treibenden Akteur in der Immobilienwirtschaft. Aus dieser nun auch empirisch gezeigten zentralen sowie gleichermaßen betroffenen und beeinflussenden Rolle des Projektentwicklers in der immobilienwirtschaftlichen Transformation ergeben sich neben notwendigen Anpassungen an die wirkenden Einflüsse in der Unternehmensumwelt ebenso strategische Anpassungsoptionen, um die Transformation zu managen.

Für Akteure, die sich innerhalb einer Branche als Erstes anpassen und am schnellsten auf Unternehmensumweltveränderungen reagieren, entstehen Marktwachstumspotenziale, da sie ihre aufgabenspezifische Umwelt zumindest begrenzt durch eigene unternehmerische Entscheidungen und Handlungen beeinflussen und mitgestalten können (Jacobides und Winter 2005). So scheint eine Vernetzung der gesamten immobilienwirtschaftlichen Wertschöpfung stärker in den Fokus von Projektentwicklung zu rücken. Auch weil die Einflüsse vom Nutzer deutlich stärker wirken als die Einflüsse von den Kapitalmärkten. Für den Projektentwickler zeigt sich hier ein Paradigmenwechsel, zukünftig die Geschäftstätigkeiten enger an den Nutzeranforderungen auszurichten. Aus der zentralen Rolle mit der Nähe zum Nutzer könnten sich Anpassungen daraus ergeben, nicht nur auf die vom Nutzer ausgehenden Einflüsse und Veränderungen zu reagieren, sondern die gesamte immobilienwirtschaftliche Wertschöpfung aktiv zu gestalten. Vor allem da sich die Baukonzerne während der Erstellungsphase sowie die Facility & Property Manager und Asset Manager als Akteure des Immobilienmanagements vergleichsweise passiv zeigen.

Für den Projektentwickler scheinen auch Anpassungsoptionen aus einem bisher nicht integrierten Wertschöpfungssystem zu entstehen. Vor allem zwischen den Akteuren der Erstellungsphase und dem Betrieb zeigen sich keinerlei Vernetzungen und damit eine Lücke immobilienwirtschaftlicher Wertschöpfungsstufen, die sich vom Projektentwickler im Hinblick auf eine ganzheitliche immobilienwirtschaftliche Wertschöpfung schließen ließe. Hiermit würden Marktpotenziale aus einer vertikalen Geschäftsfelderweiterung als strategische Anpassungsoption einhergehen.

Darüber hinaus ergeben sich aus den Ergebnissen der Netzwerkanalyse Hinweise darauf, dass der Projektentwickler in einer prädestinierten Rolle ist, seine Marktmacht auszubauen und gleichzeitig die in der immobilienwirtschaftlichen Transformation benötigten Innovationen voranzutreiben. Als zentraler Netzwerkakteur ist der Projektentwickler mit anderen bedeutenden Akteuren vernetzt, die explizites und implizites Wissen sowie Ressourcen beisteuern, sodass er die wechselseitigen Interaktionen und Einflüsse steuern und kontrollieren kann (Mehra et al. 2006; Yderfält und Roxenhall 2017). Zudem ist ein zentraler Akteur unabhängiger als weniger zentrierte Akteure. Da Innovationsforschung nachweist, dass die Netzwerkdichte Innovationen positiv beeinflusst (Ahuja 2000; Roxenhall 2013), zeigt sich in der vorliegenden Analyse aufgrund der geringen Netzwerkdichte des Wertschöpfungssystems nicht nur ein potenzieller Grund für den vergleichsweise geringen Innovationsgrad der Immobilienwirtschaft als Ganzes, sondern auch, dass der Projektentwickler aufgrund seiner Rolle von der zentralen Vernetzung mit starken Einflüssen gegenüber einem sonst lose geknüpften Netzwerk profitieren kann, um immobilienwirtschaftliche Innovationen hervorzubringen (Rost 2011).

3.4 Ableitung des noch offenen Forschungsbedarfs

Die Ergebnisse der quantitativen Netzwerkanalyse zeigen, wie der dritte Wirkungsmechanismus, resultierend aus den wechselseitigen Einflüssen der Akteure, in der unmittelbaren Unternehmensumwelt von Immobilienprojektentwicklern verläuft. So vervollständigen sie das Bild, mit welchen Wirkungsmechanismen die immobilienwirtschaftliche Transformation auf die Projektentwickler wirkt. Damit bildet sie den ersten Analyseschritt der Umweltveränderungen (siehe Abb. 1 und Abschn. 2.1). Es zeigt sich einerseits, welche Akteure durch Interaktionen den Immobilienprojektentwickler beeinflussen und die unmittelbare Unternehmensumwelt verändern. So wird deutlich, dass insbesondere Veränderungen beim Nutzer auf Projektentwickler wirken. Dieses Wissen ist für die weitere Analyse bedeutend. Anderseits lassen sich erste potenzielle strategische Anpassungen für Projektentwickler in der immobilienwirtschaftlichen Transformation erkennen. Offen bleiben allerdings die Fragen, welche Anforderungen und konkreten Einflüsse in der aufgabenspezifischen Unternehmensumwelt von Projektentwicklern wirken und ob sie von den Entscheidungsträgern als handlungsrelevant wahrgenommen werden. Auch, ob und wie die resultierenden strategischen Anpassungsoptionen verfolgt werden, lässt sich mithilfe der Netzwerkanalyse nicht identifizieren.

Es wird deutlich, dass zu einer ganzheitlichen Analyse der wirkenden Umweltveränderungen sowie resultierender Anpassungsoptionen ein zweiter Analyseschritt notwendig wird. Erst durch den Einbezug der Einschätzungen und Erfahrungen immobilienwirtschaftlicher Entscheidungsträger lässt sich bewerten und bestimmen, welche wirkenden Einflüsse tatsächlich handlungsrelevant sind und welche strategischen Anpassungen aus den Umweltveränderungen resultieren. Hier soll der zweite methodische Analyseansatz mit den qualitativen Interviews ein tiefergehendes Verständnis der Zusammenhänge und Hintergründe der Entwicklungen bzw. der Perspektiven der verschiedenen immobilienwirtschaftlichen Akteure auf die wirkenden Veränderungsprozesse mit ihren Bedeutungen auf den Immobilienprojektentwickler liefern.

Gegenstand der Interviews sind, über die Erkenntnisse der Netzwerkanalyse hinaus, die Ergebnisse der Literaturrecherche (Abschn. 2.2). Auch eine bereits veröffentlichte quantitative Studie über die Auswirkungen der Transformation auf immobilienwirtschaftliche Geschäftsmodelle (Pfnür und Wagner 2020) liefert Erkenntnisse, aus denen sich forschungsleitende Propositionen für die Experteninterviews ableiten lassen. Dabei liefern die in Abschn. 2.2 aus dem Literaturüberblick heraus gebildeten Cluster eine Systematisierung der Propositionen. Die Tab. 3 zeigt die forschungsleitenden Propositionen systematisiert nach den vier Clustern.

Tab. 3 Forschungsleitende Propositionen

Diese aufgezeigten Veränderungen und möglichen Anpassungen werden im weiteren Verlauf mit Projektentwicklern und ihren unmittelbaren Interaktionspartnern mithilfe qualitativer Experteninterviews diskutiert (Kap. 4).

4 Relevante Einflüsse und Anpassungsoptionen der Projektentwickler in der immobilienwirtschaftlichen Transformation

4.1 Methodisches Vorgehen bei der Stakeholder-Befragung und den Interviewauswertungen

Der zweite methodische Ansatz untersucht, welche Einflüsse in der immobilienwirtschaftlichen Transformation für Projektentwickler von strategischer Handlungsrelevanz sind sowie welche Anpassungsoptionen daraus resultieren, um die zweite Forschungsfrage zu beantworten. Die bisherigen Ausführungen zeigen, dass in der immobilienwirtschaftlichen Transformation wesentliche Veränderungen für Projektentwickler aus der Unternehmensumwelt resultieren. So benötigt der Projektentwickler eine systematische Auseinandersetzung mit den sich dort verändernden Anforderungen, um durch eine rechtzeitige Erkennung strategisch darauf reagieren zu können (Cacciatori und Jacobides 2005; Rajakallio et al. 2017). In der strategischen Managementforschung gilt die Stakeholder-Theorie als ein Ansatz der Unternehmensumweltanalyse, um daraus Unternehmensanpassungen abzuleiten (Harrison et al. 2010). Der Projektentwickler muss die entstehenden, veränderten Anforderungen in der aufgabenspezifischen Umwelt kennen und verstehen, um seine zukünftigen Geschäftsaktivitäten darauf ausrichten zu können. Immobilienwirtschaftliche Entscheidungsträger aller Stakeholder helfen dem Projektentwickler mit ihrem Wissen und ihrer Beurteilung bei dem strategischen Entscheidungsproblem, welche Einflüsse handlungsrelevant und welche Anpassungen zukünftig notwendig oder erfolgsversprechend sind.

Daher werden auf Basis der bisherigen Erkenntnisse zu den Wirkungsverläufen der Umweltveränderungen sowohl mit Projektentwicklern als auch ihren Interaktionspartnern in der aufgabenspezifischen Unternehmensumwelt qualitative Experteninterviews geführt. Dabei werden die vier identifizierten Cluster für strategische Anpassungen (Abschn. 3.4) mit den Stakeholdern kritisch diskutiert, um einerseits zu ermitteln, welche Einflüsse tatsächlich handlungsrelevant sind und um anderseits entsprechende Handlungsempfehlungen abzuleiten. Der qualitative Ansatz wurde gewählt, um die Einschätzungen und Erfahrungen immobilienwirtschaftlicher Entscheidungsträger in die Umweltanalyse einfließen zu lassen. Die qualitativen Interviews ermöglichen die Beleuchtung der Zusammenhänge und die Bewertung wirkender Einflüsse sowie der Gründe und Motivationen für strategische Anpassungen und sorgen damit für ein tiefergehendes Verständnis aktueller Veränderungen.

4.1.1 Datenerhebung

Es wurden 28 Experteninterviews mit Stakeholdern der Projektentwickler geführt. Das Interview ist ein praktikables Instrument zur Erfassung von Daten zu einem vielschichtigen Thema und generiert tiefer gehende und detaillierte Informationen (Silverman 2013), auch in einem hier breit angelegten Untersuchungsdesign der Unternehmensumwelt von Projektentwicklern. Es wurden halbstrukturierte Interviews basierend auf Interviewleitfäden geführt. Halbstrukturierte Interviews sind fokussiert, dennoch flexibel, und erlauben dem Forscher, die Perspektiven und Standpunkte der Befragten zu erfassen, während der Interviewer weiterhin die Diskussion leitet (Eriksson und Kovalainen 2015). Für jede bereits in Abschn. 2.1 definierte Stakeholder-Gruppe wurde ein entsprechender Interviewleitfaden entwickelt. Über die immobilienwirtschaftlichen Akteursgruppen hinaus wurden kommunale Entscheidungsträger der städtebaulichen Planung befragt.Footnote 3

Interviewt wurden Entscheidungsträger der oberen Managementebene, welche aufgrund ihrer Position mit Aufgaben strategischer Unternehmensentwicklung betraut sind. Hierzu zählen Vorstandsmitglied, Geschäftsführung, Bereichsleitung, Niederlassungsleitung und Prokurist. Bei den gewerblichen Immobiliennutzern bildeten Verantwortliche des betrieblichen Immobilienmanagements die Interviewpartner. Je immobilienwirtschaftlichem Akteur wurden die 100 größten Unternehmen recherchiert, aus denen anhand der Position potenzielle Interviewpartner identifiziert wurden. Aus 51 zufällig ausgewählten Interviewanfragen ergaben sich 28 tatsächlich geführte Interviews. Es wurden zehn Projektentwickler, sechs gewerbliche Immobiliennutzer, fünf Immobilieninvestoren (zwei institutionelle Anleger, zwei Asset Manager, eine Bank), fünf Produzenten und Dienstleister (zwei Architekten, ein Baukonzern, zwei Facility & Property Manager) sowie zwei kommunale Entscheidungsträger (Stadtplanung und Stadtentwicklung) interviewt. Tab. B.1 in Anhang B zeigt eine Übersicht über die befragten Entscheidungsträger. Um eine hohe Qualität der Interviews zu gewährleisten, wurde der Interviewleitfaden inklusive eines erklärenden Anschreibens an die Interviewteilnehmer verschickt. Die Interviews dauerten zwischen 31 und 63 min, im Durchschnitt 51 min.

4.1.2 Konzeption der Interviewleitfäden

Innerhalb der Interviews wurden die Stakeholder mit den in Abschn. 3.4 dargestellten Propositionen konfrontiert und aufgefordert, diese kritisch zu diskutieren. Zusätzlich wurden die Erfahrungen und Einschätzungen der Interviewpartner durch tiefergehende Fragen zu den Propositionsinhalten ermittelt. Offene Fragen dienten dem Erkenntnisgewinn veränderter Anforderungen mit handlungsrelevantem Einfluss auf Projektentwickler. Darüber hinaus umfassten die Leitfäden Fragen nach entsprechenden Handlungsempfehlungen für strategische Anpassungen von Projektentwicklern (Morse 1994). Durch die auf die Stakeholder-Gruppen angepassten Interviewleitfäden wurden nicht alle Interviewpartner mit allen Propositionen und Fragen konfrontiert. Die Proposition neuer Finanzierungsprodukte rund um Crowd-investing richtete sich bspw. nur an Projektentwickler und Investoren, während die Dienstleister und Produzenten bspw. nicht zur Standortüberprüfung, dafür aber zu Kapazitätsengpässen der Bauindustrie und Baupreisentwicklung befragt wurden.

Die durch die Stakeholder-Interviews als relevant identifizierten Einflüsse und strategischen Anpassungsoptionen wurden mithilfe der in der Geschäftsmodellliteratur definierten Elemente eines Geschäftsmodells als Ausgangspunkt für strategische Anpassungen strukturiert (Holzmann 2015). Tab. 4 zeigt die Struktur, nach der die strategischen Einflüsse sowie strategische Anpassungsoptionen den vier wesentlichen Geschäftsmodellelementen zugeordnet werden können. Nach diesen Elementen wiederum lassen sich die Cluster der Propositionen einsortieren, mit denen die Projektentwicklung strategische Anpassungen variieren kann.

Tab. 4 Strukturierung der qualitativen Analyse mithilfe von Geschäftsmodellelementen

4.1.3 Datenauswertung durch qualitative Inhaltsanalyse

Die Auswertung der aufgezeichneten und transkribierten Interviews erfolgte mit einer qualitativen Inhaltsanalyse (Mayring 2016). Das Zentrum bildete ein Kategoriensystem, dem die Auswertung folgte (Schreier 2014). Die Geschäftsmodellelemente stellten die Oberkategorien dar. Da der halbstrukturierte Fragebogen im Wesentlichen auf den Propositionen basierte, ergaben sich bei der vorliegenden Analyse die wirkenden Veränderungen und Einflüsse als Kategorien 1. Ordnung in erster Linie deduktiv aus den Interviewleitfadenfragen, aber auch teilweise induktiv aus dem Material heraus. Auf Grundlage des so entwickelten und erprobten Kategoriensystems wurden mithilfe der Software MAXQDA2018 entsprechende Textstellen (Codings) aus den transkribierten Interviews entnommen und Stakeholder-übergreifend den Kategorien zugeordnet. Im Rahmen der qualitativen Inhaltsanalyse sind 927 Codings zu 29 Kategorien entstanden. Aus diesen 29 Kategorien ließen sich 12 wesentliche strategische Einflüsse auf Projektentwickler als Themen 2. Ordnung identifizieren. Die Identifikation erfolgte durch die Berücksichtigung der Coding-Anzahl, im Wesentlichen aber durch die Einschätzung der befragten Experten. Es handelte sich somit um eine inhaltlich-strukturierte Inhaltsanalyse, auch wenn das Kategoriensystem nicht ausschließlich theoriegeleitet war (Steigleder 2008). Aus den relevanten Einflüssen ließen sich vier Dimensionen des Handlungsbedarfs für Geschäftsmodellanpassungen schlussfolgern (siehe Tab. 5, rechte Spalte), zu denen anschließend mithilfe der Interviewergebnisse Handlungsempfehlungen abgeleitet wurden.

Tab. 5 Datenstruktur: Oberkategorien, Kategorien, Themen sowie Dimensionen des Handlungsbedarfs für Geschäftsmodellanpassungen

Da die Aussagen der Interviewteilnehmer zu den Propositionen an geeigneten Stellen auch in „Zustimmung“, „teilweise Zustimmung“ und „Ablehnung“ eingruppiert wurden, sind auch evaluative Kategorien enthalten (Kuckartz 2012). Zur Objektivierbarkeit der Ergebnisse wurde die qualitative Inhaltsanalyse von zwei unabhängigen Personen durchgeführt, deren Ergebnisse miteinander verglichen wurden. Als Gütekriterium wurde die Intercoder-Reliabilität gewählt, die den Grad der Übereinstimmung zwischen den Codierungen angibt. Dabei wurde der allgemein akzeptierte Schwellenwert von 0,70 (Krippendorff 2004) übertroffen, sodass die Ergebnisse als robust eingestuft werden können. Darüber hinaus wurden alle Ergebnisse in Fokusgruppengesprächen kritisch reflektiert, um sie in ihrer praktischen Bedeutung einordnen und interpretieren zu können (Morgan 1996; Lamnek und Krell 2016).

4.2 Darstellung der Ergebnisse aus den Stakeholder-Interviews

Die folgenden Ergebnisse zeigen die aus den Stakeholder-Interviews gewonnene Bewertung der zuvor empirisch ermittelten Einflüsse im Hinblick auf ihre Handlungsrelevanz sowie abgeleitete Handlungsbedarfe für Geschäftsmodellanpassungen von Projektentwicklern. In Tab. 5 ist die durch Oberkategorien, Kategorien sowie aus dem Material extrahierten Themen gewonnene Datenstruktur dargestellt. Auch wenn die jeweilige Anzahl der Codings (Zahlen in der dritten Spalte) mit Vorsicht zu interpretieren ist, da nach einzelnen Einflüssen expliziter gefragt wurde als nach anderen, lassen die Zahlen Indizien für bedeutende Einflüsse erkennen. Im Wesentlichen ergeben sich die Themen aus den qualitativen Einschätzungen der Stakeholder. Die Tab. 5 zeigt darüber hinaus die abgeleiteten Dimensionen des Handlungsbedarfs für Geschäftsmodellanpassungen.

In den folgenden Abschnitten werden die wesentlichen Ergebnisse zu den vier abgeleiteten Dimensionen des Handlungsbedarfs für Geschäftsmodellanpassungen dargestellt. Dabei werden die Ausführungen jeweils um eine tabellarische Darstellung mit ausgewählten illustrativen und repräsentativen Expertenaussagen ergänzt.

4.2.1 Nutzen- und Werteversprechen vermehrt am Immobiliennutzer ausrichten

Für zwei Drittel der Interviewteilnehmer wirken vor allem veränderte Nutzeranforderungen auf Geschäftsmodelle der Projektentwicklung. Diese liegen im Wesentlichen in steigenden Flexibilitäts- und Qualitätsanforderungen der Flächennutzung, welche für 81 % bzw. 62 % aller Interviewteilnehmer spürbar sind. Acht der zehn interviewten Projektentwickler sehen diese Anforderungen mit strategischem Einfluss auf das eigene Geschäftsmodell. Auch wenn nicht alle Experten der Beurteilung vollumfänglich folgen, sehen die meisten Interviewpartner in der Ausrichtung des Nutzen- und Werteversprechens am Nutzer als Zielkunde notwendige strategische Anpassungen. Auch Investoren teilen diese Einschätzung.

Eine weitere zentrale Nutzeranforderung ist die Flexibilität in der Flächenbereitstellung. Ein Grund hierfür liegt in der steigenden Unsicherheit über den zukünftigen Flächenbedarf der Nutzer. Die Experteninterviews zeigen, dass die Bedeutung kurzfristiger Mietverträge sowie flexibel mietbarer Flächen, aber auch flexibel und kurzfristig anpassbarer Flächenkonzepte wächst. Einige Nutzer geben an, nur noch drei- bis fünfjährige Mietvertragslaufzeiten zu unterschreiben. Für diese Flexibilität sind einige sogar bereit, Mehrkosten zu tragen. Neben dieser zeitlichen Flexibilität nennen Nutzer verstärkt den Bedarf, flexible Flächen an- und abmieten zu können. So achten sie verstärkt auf flexible Anmietungsmöglichkeiten im Gebäude. Auch Investoren bestätigen die steigende Nachfrage nach flexiblen Flächen und kürzeren Mietvertragslaufzeiten. Diesen Nutzeranforderungen stehen die Anforderungen des Kapitalmarktes nach Vermietungssicherheiten und langen Mietvertragslaufzeiten gegenüber.

Gleichzeitig steigen die Anforderungen der Nutzer an qualitativ hochwertige Flächenausstattungen, die den neuen Arbeitsweisen gerecht werden. Vor allem in den Bestandsgebäuden entsteht ein großer Umbau- und Modernisierungsbedarf (Tab. 6).

Tab. 6 Expertenaussagen zur Dimension Nutzen- und Werteversprechen

In den Interviews wird deutlich, dass die veränderten Nutzeranforderungen strategischen Einfluss auf Projektentwickler nehmen und traditionelle Geschäftsmodelle der Immobilienprojektentwicklung verändern, die häufig noch auf die Vermarktung langfristiger Mietverträge und den kurzfristigen Verkauf der Immobilie ausgelegt sind. Wenn der Nutzer verstärkt den Endkunden des immobilienwirtschaftlichen Wertschöpfungssystems bildet, gilt es für Projektentwickler aus seiner Vernetzung und seiner Nähe zum Nutzer heraus, vermehrt neue Nutzen- und Werteversprechen für Immobiliennutzer zu entwickeln. Die Ergebnisse zeigen, dass diese in einer flexiblen Flächenbereitstellung mit qualitativ hochwertigen Flächenkonzepten liegen.

4.2.2 Bereitstellung ganzheitlicher Dienstleistungen und Nutzerintegration

In den Stakeholder-Interviews zeigt sich, dass Nutzer aufgrund ihrer veränderten Anforderungen aktiv nach integrierten Lösungen der Flächenbereitstellung mit ganzheitlichen Dienstleistungen suchen. Nutzer fragen nach Partnern, die ihnen eine ganzheitliche Flächenbereitstellung oder zumindest eine Umgestaltung der aktuellen Flächen auf die Anforderungen neuer Arbeitswelten und veränderter Produktionsbedingungen bieten. Dies gilt insbesondere für große deutsche Unternehmen an ihren traditionellen Standorten außerhalb von Innenstadtlagen. Klassische Projektentwickler sehen hier geringe Investorennachfragen sowie Single-Tenant-Risiken. Gleichwohl sehen einzelne Projektentwickler Geschäftsmodellansätze in gemischt genutzten Industrieparks und Co-Produktion-Konzepten, da mehrere und unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten Risikostreuung zulassen. Dies benötigt integrierte Immobilienlösungen unter Berücksichtigung des gesamten Lebenszyklus. Auch bleibt eine Abhängigkeit von ausstrahlenden Ankermieten, was wiederum eine enge Anbindung und Berücksichtigung von Nutzeranforderungen erfordert.

Allgemein wird in einer Leistungsbündelung Potenzial gesehen, um die Anforderungen der Nutzer bestmöglich zu erfüllen. Während ein Großteil der Nutzer sowie Produzenten und Dienstleister in der Bereitstellung der integrierten Lösungen und ganzheitlichen Dienstleistungen in Form enger kooperativer Zusammenarbeit zwischen Anbietern und Nutzern Potenziale und sogar Notwendigkeiten sehen, ist das Meinungsbild der Projektentwickler und Investoren deutlich unentschlossener. 40 % der Projektentwickler stimmen diesen Potenzialen nur teilweise zu, 20 % lehnen sie ab. Investoren kommen zu ähnlichen Einschätzungen. Dennoch sehen 40 % der interviewten Projektentwickler und Investoren hier Potenziale. Diese liegen für Projektentwickler neben Sicherheiten während der Erstellungsphase und der zusätzlichen Margen durch Dienstleistungen vor allem in den Möglichkeiten, von Nutzeranforderungen zu lernen und Immobilien oder sogar das eigene Geschäftsmodell weiterzuentwickeln.

Auch einem lebenszyklusorientierten Projektentwicklungsansatz mit einer vertikalen Integration in den Betrieb werden Wettbewerbsvorteile sowie gesteigerte Wertschöpfungspotenziale zugeschrieben. Hier werden auch beispielhaft die Erfolge von Flexible-Office-Space-Anbietern genannt. Einige Projektentwickler sehen Potenziale darin, selbst als Betreiber zu agieren. Damit würden vermehrt Space-as-a-Service-Modelle in den Fokus von Immobilienprojektentwicklung rücken. Schon aktuell beinhaltet das Projektentwicklergeschäft vermehrt den gesamten Immobilienlebenszyklus und damit auch die Nutzungsphase, was von einigen befragten Nutzern positiv bewertet wird (Tab. 7).

Tab. 7 Expertenaussagen zur Dimension Bereitstellung ganzheitlicher Dienstleistungen

Diese gesehenen Potenziale werden allerdings nicht von allen Experten geteilt. Einzelne Projektentwickler sehen die weltweiten Rahmenverträge der Investoren mit Gebäudebetreibern als Hemmnis, hier eigene Geschäftsmodellansätze zu entwickeln, was von einzelnen Investoren bestätigt wird. Auch zwei Nutzer sehen die Bewirtschaftung beim Nutzer oder weltweit agierenden Partnern, um externe Abhängigkeiten zu vermeiden oder Leistungen selbst zu bündeln. Ein weiteres Gegenargument bildet das notwendige zusätzliche Know-how, das Projektentwickler für Dienstleistungen vor allem rund um das Betreiben vorhalten müssten.

Dennoch deuten die Ergebnisse hier ein entstehendes Wertschöpfungspotenzial für Projektentwickler an, Geschäftsmodelle verstärkt mit flexiblen und ganzheitlichen Lösungen für Flächenbereitstellungen zu entwickeln. Projektentwickler scheinen bei der Entwicklung dieser Lösungen von den in der Netzwerkanalyse gezeigten Wirkungsverläufen und der Nähe zum Nutzer sowie bisherigen Interaktionen mit Immobiliennutzern zu profitieren. Laut Interviewaussagen können Projektentwickler in einer kooperativen Zusammenarbeit mit Immobiliennutzern lernen, die Anforderungen und individuellen Bedarfe zu verstehen. In einer Kooperation treffen die Anforderungen des Nutzers auf die Erfahrung und das Wissen des Projektentwicklers. Dies liefert Ansatzpunkte, bestehende Lösungen zu optimieren oder auch neue Ideen und damit Innovationen zu entwickeln.

4.2.3 Integration immobilienwirtschaftlicher Wertschöpfungsstufen

Die Experteninterviews zeigen auch für die Immobilienwirtschaft eine wachsende Notwendigkeit, dem Kunden mehr aus einer Hand anzubieten. Dies erfordert neben ganzheitlichen Dienstleistungen eine Integration immobilienwirtschaftlicher Wertschöpfungsstufen, um Nutzeranforderungen und -bedürfnisse zu adressieren. So stimmen 74 % der Interviewten einer steigenden Bedeutung der Integration von Wertschöpfungsstufen zu. Damit steigt die Bedeutung, verschiedene Wertschöpfungsaktivitäten über den gesamten Immobilienlebenszyklus zu integrieren. Lediglich ein Projektentwickler und ein Investor teilen diese Einschätzung nicht. Mehr als die Hälfte der interviewten Projektentwickler verfolgt nach eigener Aussage mit ihren Geschäftstätigkeiten bereits einen lebenszyklusorientierten Ansatz oder besitzt zumindest einen verstärkten Integrationsansatz in die Nutzungsphase.

Auch wenn die wachsende Bedeutung ganzheitlicher und hybrider Leistungen von der Mehrheit der Interviewpartner beschrieben wird, zeigen die Ergebnisse, dass vertikale Geschäftsfelderweiterung und die Bündelung aller immobilienwirtschaftlichen Kompetenzen im eigenen Unternehmen von Projektentwicklern aufgrund der damit einhergehenden Risiken auch kritisch gesehen werden. Auch wird deutlich, dass Projektentwickler, die den großen deutschen Unternehmen als Immobiliennutzer ganzheitliche Lösungen für deren Immobilienportfolios bieten wollen, überregional oder sogar international ausgerichtet sein müssen, um die notwendige Ganzheitlichkeit und Professionalität bereitstellen zu können. Bisher ist die Immobilienprojektentwicklung eher von kleinteiligen Strukturen mit hohen lokalen Marktkenntnissen geprägt, auf die es schnell und flexibel zu reagieren galt, was Projektentwickler als hinreichende Erfolgsbedingung identifizieren (Tab. 8).

Tab. 8 Expertenaussagen zur Dimension Integration immobilienwirtschaftlicher Wertschöpfungsstufen

In der Konsequenz wächst die Bedeutung kooperativer und partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit anderen Akteuren über parallele und nachgelagerte immobilienwirtschaftliche Wertschöpfungsstufen hinweg, um Kompetenzen und Leistungen für einen gesteigerten Kundennutzen zu bündeln. Im Zusammenhang mit den Netzwerkanalyseergebnissen zeigt sich das Wertschöpfungspotenzial für den Projektentwickler, als zentraler Akteur von Unternehmensnetzwerken zu agieren, um Kundenbindung und Kundenzufriedenheit zu steigern sowie Informations- und Effizienzverluste zu vermeiden.

4.2.4 Digitale Technologien als Schlüsselressourcen für ganzheitliche Dienstleistungen und Integration von Wertschöpfungsstufen

Sehr breit nach der Anwendung digitaler Technologien gefragt, sehen die Akteure eher Optimierungspotenziale bei bestehenden Prozessen als bei neuen Geschäftsmodellansätzen. Deutlich zeigt sich eine Unsicherheit der Entscheidungsträger im Hinblick auf den Einsatz und die weitere Entwicklung digitaler Technologien mit ihren strategischen Einflüssen.

Auch wenn viel über die Anwendungen digitaler Technologien insbesondere im Zusammenhang mit Smart Buildings gesprochen wird, zeigt sich diese Unsicherheit hier verstärkt. Vor allem, welche Daten und Anwendungen in welcher Lebenszyklusphase für welchen Akteur tatsächlich einen Nutzen generieren, ist (noch) unklar. Insgesamt zeigt sich, dass, obwohl der Innovationsdruck auf die Immobilienwirtschaft wächst, die Akteure und vor allem die Projektentwickler wenig Bereitschaft zeigen, die möglichen Risiken digitaler Geschäftsmodellinnovationen einzugehen. Auch wenn einzelne Technologien, wie bspw. die Nutzung digitaler Datenräume und Dokumentenmanagementsysteme, Augmented und Virtual Reality oder das Internet der Dinge, durchaus an Aufmerksamkeit gewinnen, fehlt vor allem im Kontext von Smart Buildings der Use Case: Für die Akteure in der Erstellungsphase ist die Entwicklung von Smart Buildings mit Investitionskosten, aufzubauendem Know-how sowie möglichen Risiken verbunden, während Akteure aus der Nutzungsphase selbst mögliche Optimierungspotenziale noch nicht entwickelt haben und daher kaum erhöhte Zahlungsbereitschaften für smarte Gebäudeinnovationen aufweisen. So verhindern (noch) Silodenken und technische Insellösungen die breite Anwendung und damit den strategischen Einfluss auf die Projektentwickler.

Obwohl auch Building Information Modeling (BIM) als digitale Arbeitsmethode zumindest in der Projektentwicklung nicht weit verbreitet ist, wird hier mehrheitlich ein strategischer Einfluss gesehen. Die Interviewpartner stimmen zu 73 % der Aussage zu, dass BIM zu einer integrierten Wertschöpfung und einem ganzheitlichen Kundennutzen beiträgt. Für einige interviewte Projektentwickler und Investoren ließe sich der durch BIM entstehende digitale Gebäudezwilling als Grundlage für das Management der Immobilie nutzen. Investoren sehen vor allem geringere Informationsverluste und verbesserte Schnittstellen bei der Übergabe von der Erstellungsphase in den Betrieb, aber auch bei regelmäßigen Flächenumnutzungen aufgrund kürzerer Nutzungszyklen vermehrt die Notwendigkeit von Echtzeitinformationen über das Gebäude. Von einem Dienstleister wird die Konzentration auf die Planungs- und Erstellungsphase von BIM kritisch gesehen, da für einen ganzheitlichen Kundennutzen die Berücksichtigung im Betrieb fehlt. In der Nutzungsphase wird das Potenzial von BIM am größten eingeschätzt (Tab. 9).

Tab. 9 Expertenaussagen zur Dimension Digitale Technologien

Für den klassischen Projektentwickler übersteigen die mit BIM verbundenen Kosten häufig den Nutzen, da sich ein erheblicher Mehrwert von BIM erst während der Gebäudenutzung zeigt. Allerdings sind gewerbliche Immobiliennutzer bereit, die durch BIM entstehenden Mehrkosten zu tragen, um die Informations- und Effizienzverluste zwischen dem Planen und Bauen sowie dem Betrieb zu vermeiden. Hier entstehen Vermarktungsmöglichkeiten des digitalen Gebäudezwillings für den Projektentwickler oder zumindest Potenziale, das Nutzenversprechen gegenüber Nutzern sowie Investoren zu erhöhen. In den Interviews zeigt sich auch die Einschätzung, dass in absehbarer Zeit von Investoren und Nutzern ein digitaler Gebäudezwilling standardmäßig erwartet wird. Hierfür fehlen aber noch einheitliche Standards. So bilden die bestehende kleinteilige Struktur des immobilienwirtschaftlichen Wertschöpfungssystems sowie fehlendes Personal und Know-how Hürden für den Einsatz eines ganzheitlichen digitalen Gebäudezwillings.

4.3 Handlungsempfehlungen und Implikationen für die Unternehmenspraxis

Durch die Ergebnisse der Experteninterviews lässt sich aufzeigen, welche der zahlreichen und viel diskutierten Unternehmensumweltveränderungen und Einflüsse für Immobilienprojektentwickler handlungsrelevant sind und welche strategischen Anpassungsoptionen daraus resultieren. Aus den wesentlichen Ergebnissen lassen sich Handlungsempfehlungen ableiten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine strategische Unternehmensanpassung nicht nur von extern wirkenden Einflüssen, sondern auch von hier vernachlässigten internen Fähigkeiten und Ressourcen abhängig ist. So lässt sich vermuten, dass Wertschöpfungsaktivitäten und Geschäftsmodellansätze der Projektentwickler divers bleiben, wenngleich sich eine klare Tendenz für den Wandel von Strategien und Geschäftsmodellen zeigt.

In der immobilienwirtschaftlichen Transformation wird ein Anpassungspfad der Immobilienprojektentwickler erkennbar: Kurzfristig gilt es, mit flexiblen und qualitativ hochwertigen Nutzungskonzepten sowie mit gesteigerten Revitalisierungskompetenzen die Nutzerbedarfe in den Vordergrund zu stellen. Mittelfristig werden wachsende Serviceorientierung und integrierte Lösungen über den Immobilienlebenszyklus wesentliche Anpassungsoptionen bilden, sodass langfristig einige Projektentwickler vermehrt eigene Space-as-a-Service-Modelle entwickeln. In Übereinstimmung mit Yderfält und Roxenhall (2017) zeigen die Ergebnisse, dass auf dem Weg dorthin in Kooperationen mit Nutzern für Projektentwickler Potenziale liegen, User-Innovation- oder Co-Creation-Konzepte anzuwenden und damit die eigene Produkt- und Geschäftsmodellinnovation voranzutreiben. Einzelne Projektentwickler befinden sich bereits auf diesem Anpassungspfad.

Zudem zeichnet sich, wie in anderen Branchen auch, eine Serviceorientierung und Leistungsbündelung durch die Integration von Wertschöpfungsstufen ab. Der vorliegende Artikel zeigt auf, dass Projektentwickler mit ihrer zentralen Vernetzung nicht nur die wesentliche Bindung des Wertschöpfungssystems zu Nutzern darstellen, sondern auch Marktpotenziale in einer vertikalen Geschäftsfelderweiterung sehen. Die Leistungsbündelung wird durch die interviewten Entscheidungsträger allerdings auch kritisch bewertet. Gewerbliche Immobiliennutzer und Investoren befürchten Abhängigkeiten und Kontrollverluste. Projektentwickler selbst sehen Risiken darin, entsprechendes Know-how erst einmal aufbauen zu müssen, und fürchten den Verlust ihrer kleinteiligen, schnellen und flexiblen Strukturen. Wertschöpfungspartnerschaften und Netzwerke mit anderen Akteuren, um die Leistungserstellung als zentrale Organisation ganzheitlich zu koordinieren und zu verantworten, wie Meyer und Pfnür (2015) sie beschreiben, könnten Lösungen liefern, handlungsschnelle Strukturen zu bewahren und dem gewerblichen Immobiliennutzer dennoch ganzheitliche Lösungen anzubieten. Diese Ansätze gehen über bislang gesehene und punktuell umgesetzte Kooperationen mit anderen Akteuren hinaus.

Aufgrund der geäußerten Unsicherheiten bezüglich digitaler Technologien sehen vor allem Projektentwickler in einer abwartenden Haltung ein geringeres Risiko, als bei einem vorschnellen Einsatz möglicherweise Verluste von Marktpotenzialen einzugehen. Dies ist durchaus überraschend, schließlich bilden in anderen Branchen datengetriebene Servicemodelle die Grundlage einer optimierten, transparenten Leistungserbringung. In der Immobilienwirtschaft bleiben Potenziale für endkundenorientierte Geschäftsprozesse über die gesamte Wertschöpfungskette und die Steigerung der Nutzerzufriedenheit noch ungenutzt. Allerdings sehen die Experten in BIM und dem digitalen Gebäudezwilling einen Beitrag für eine integrierte immobilienwirtschaftliche Wertschöpfungskette. So kann BIM für den Projektentwickler eine informationstechnische Umgebung bieten, um mithilfe des digitalen Zwillings Informationsineffizienzen zu vermeiden und spätere Wertschöpfungspotenziale in der Nutzungsphase zu gewährleisten. Die reine Anwendung von BIM ist dabei nicht ausreichend. Vielmehr braucht der Projektentwickler Ansätze, den digitalen Gebäudezwilling an die Akteure im Immobilienmanagement und -betrieb zu vermarkten, oder konkrete Anwendungsfälle für eine vertikale Geschäftsfelderweiterung. Allerdings unterstützen die Ergebnisse bisherige Erkenntnisse, dass aktuell bestehende Unsicherheiten und fehlendes Wissen in Kombination mit existierenden Hemmnissen dazu führen, dass Digitalisierungspotenziale außer Acht gelassen werden (Berghaus et al. 2018).

Die Tab. 10 zeigt abschließend die aus den handlungsrelevanten Einflüssen resultierenden Anpassungsoptionen und Handlungsempfehlungen für Projektentwickler.

Tab. 10 Identifizierte Anpassungsoptionen und Handlungsempfehlungen für Immobilienprojektentwickler

5 Zusammenfassung der Ergebnisse, Limitationen und Forschungsausblick

Der vorliegende Artikel verfolgt mit einem zweistufigen Ansatz den Zweck, aufzuzeigen, wie die immobilienwirtschaftliche Transformation mit ihren Veränderungen auf die Projektentwickler wirkt und welche strategischen Anpassungsoptionen sich daraus für sie ergeben. Dazu liefert eine Netzwerkanalyse einen für immobilienwirtschaftliche Forschung innovativen methodischen Ansatz, um die wechselseitigen Einflüsse der immobilienwirtschaftlichen Akteure und den Verlauf der Transformation quantitativ abzubilden und so die Forschungsfrage 1 zu beantworten. Darüber hinaus werden mithilfe von Stakeholder-Interviews relevante strategische Einflüsse auf Projektentwickler sowie der daraus resultierende Handlungsbedarf für Geschäftsmodellanpassungen identifiziert (Forschungsfrage 2). Vor dem Hintergrund unterschiedlicher Stärken und Schwächen der einzelnen methodischen Ansätze ermöglicht der zweistufige Ansatz eine ganzheitlichere und valide Analyse der Projektentwickler in der immobilienwirtschaftlichen Transformation.

Insbesondere die Ergebnisse der Netzwerkanalyse stellen den Projektentwickler als zentralen Akteur in der immobilienwirtschaftlichen Transformation dar. Dabei zeigt er sich durch die wirkenden Interaktionen nicht nur stark betroffen, was die Notwendigkeit von Geschäftsmodellanpassungen sowie veränderter Produkte und Dienstleistungen erfordert, sondern auch stark veränderungsindizierend. Mit seiner Nähe zum gewerblichen Immobiliennutzer ist es insbesondere der Projektentwickler, der die maßgeblich durch den Nutzer ausgelösten und getriebenen Veränderungsprozesse in das Wertschöpfungssystem der Immobilienwirtschaft trägt, die wirkenden Einflüsse zwischen den Akteuren managt und somit die immobilienwirtschaftliche Wertschöpfungskette beeinflusst. In einer aktiven Gestaltung der Wertschöpfungskette liegen Marktpotenziale einer vertikalen Geschäftsfelderweiterung sowie als Innovationstreiber. Deutlich wird hier auch die bedeutende Rolle der Projektentwickler bei der Integration immobilienwirtschaftlicher Wertschöpfungsstufen und des gesamten Wertschöpfungssystems.

Noch ist der Projektentwickler eher auf die Vernetzung von immobilienwirtschaftlichen Leistungen in der Erstellungsphase und den Kapitalmärkten und damit auf das klassische Projektentwicklergeschäftsmodell ausgerichtet. Allerdings deuten die Ergebnisse beider Analysen darauf hin, dass aufgrund der wirkenden Einflüsse in der Unternehmensumwelt und der starken Betroffenheitssituation ein Festhalten an klassischen, rein renditeorientierten und kurzfristigen Projektentwicklertätigkeiten kaum mehr ausreichend scheint. Bislang wurden in der noch eher auf Kosten und die Erstellungsphase orientierten Projektentwicklerbranche (Horta et al. 2013) ganzheitliche Dienstleistungen als vermeidbare Kosten denn als Wertschöpfungspotenzial gesehen (Baines et al. 2009). Dies scheint sich in der immobilienwirtschaftlichen Transformation zu ändern, da einerseits der Druck auf Immobilienprojektentwickler wächst und anderseits bei Nutzern und Investoren die Erwartungshaltung und Zahlungsbereitschaft für immobilienwirtschaftliche Innovationen und Serviceorientierung wachsen, wie die Stakeholder-Befragung deutlich macht. Vor allem durch die veränderten Nutzeranforderungen bilden ganzheitliche Dienstleistungen bedeutende strategische Anpassungen und Wettbewerbsvorteile für Projektentwickler. Auch wenn bspw. Graaskamp (1992) bereits vor vielen Jahren die Nutzerorientierung thematisierte, gewinnt diese vor dem Hintergrund aktuell tiefgreifender Veränderungsprozesse in Wirtschaft und Gesellschaft in der Unternehmenspraxis besonders an Bedeutung. Vornehmlich die Optimierung der Flexibilität in den Bereitstellungs- und Nutzungskonzepten scheint zum kritischen Erfolgsfaktor für Immobilienprodukte zu werden und verändert die strategische Ausrichtung des Projektentwicklergeschäfts. Um auf die Anforderungen der gewerblichen Nutzer zu reagieren, zeigt sich die gesamte Bau- und Immobilienwirtschaft gefordert, Leistungen zu bündeln und lebenszyklusorientiert Wertschöpfungsstufen zu integrieren. Aus der identifizierten Rolle des Projektentwicklers in der immobilienwirtschaftlichen Transformation ergeben sich als strategische Anpassungsoptionen einerseits, innovative Flächenkonzepte und -bereitstellung zu forcieren. Anderseits liegen strategische Anpassungen in den Möglichkeiten, als Systemführer eines immobilienwirtschaftlichen Ökosystems für Unternehmen die steigende Integration von Wertschöpfungsstufen zu organisieren und sich bietende Marktpotenziale zu nutzen. Vor allem mit BIM und dem digitalen Gebäudezwilling ließe sich beides effizient gestalten und digital abbilden. Die Ergebnisse zeigen, dass vor allem der Projektentwickler gefragt ist, das „Silodenken“ zu überwinden und stärker vernetzte Wertschöpfungsaktivitäten umzusetzen, anstatt im traditionellen Geschäftsmodell zu verharren. So zeigt sich das zunehmende Wachstum rund um Service-Geschäftsmodelle auch für die Immobilienwirtschaft.

Dass die hier diskutieren Anpassungsoptionen bisher nicht in voller Tiefe in der Praxis zur Anwendung kommen, wird auch mit den damit verbundenen Risiken für Projektentwickler zusammenhängen. Der traditionelle Projektentwickler trägt das Marktrisiko in Bezug auf die Miethöhe und das Renditeniveau. In der Regel sind seine Aktivitäten darauf ausgerichtet, die Akkumulation zusätzlicher Risiken zu minimieren, indem er die technischen, betrieblichen und Lebenszyklus-Risiken auf seine Subunternehmer oder die Akteure während der Nutzungsphase überträgt. So gehen mit der Entwicklung hin zu einem lebenszyklusorientierten Projektentwickler, der seinen Kunden integrierte Lösungen anbietet, nicht nur Marktpotenziale, sondern auch neue Risiken einher. Vor allem da integrierte Dienstleistungen die Stakeholder-Anforderungen und damit die Komplexität von Immobilienprojektentwicklungen erhöhen. Allerdings zeigt sich sowohl in den Ergebnissen der Netzwerkanalyse als auch in den Stakeholder-Interviews, dass diese Risiken zwar von Einzelnen befürchtet, in der Verharrung traditioneller Geschäftstätigkeiten in der immobilienwirtschaftlichen Transformation allerdings höhere Risiken liegen werden.

Den Ergebnissen zufolge gestaltet der Projektentwickler als zentral betroffener immobilienwirtschaftlicher Akteur nicht nur den weiteren Verlauf der immobilienwirtschaftlichen Transformation, sondern stellt auch die Weichen für eine ganzheitliche immobilienwirtschaftliche Wertschöpfung und immobilienwirtschaftliche Innovationen. Vor allem die Stakeholder-Befragung zeigt, dass integrierte Lösungen, ganzheitliche Kooperationsmodelle oder auch ein lebenszyklusübergreifendes BIM mit dem digitalen Gebäudezwilling zwar dringend benötigt werden, der klassische Projektentwickler in seinem traditionellen Trader-Development-Geschäftsmodell aufgrund der Kurzfristigkeit aber nicht unmittelbar von der Umsetzung und Implementierung immobilienwirtschaftlicher Innovationen profitieren wird. Für eine erfolgreiche immobilienwirtschaftliche Transformation ist damit entscheidend, ob Projektentwickler die sich durchaus bietenden Potenziale nutzen und die Rolle als ganzheitlicher Lösungsanbieter und Systemführer integrierter Wertschöpfungsstufen annehmen werden.

Die wesentliche Limitation der Netzwerkanalyse liegt in der zeitpunktbezogenen Datenerhebung, sodass möglicherweise über den Zeitverlauf ergebende Wechselbeziehungen zwischen Struktur und strategischem Handeln der immobilienwirtschaftlichen Akteure oder wesentliche Einflüsse der Corona-Pandemie nicht berücksichtigt werden können. Auch der verfolgte qualitative Forschungsansatz hat Stärken und Schwächen (Silverman 2013). Während er einerseits ermöglicht, die Einflüsse und Anpassungen in der immobilienwirtschaftlichen Transformation als neuen Forschungsbereich in ihren Wirkungsverläufen aus der Perspektive der handelnden Akteure tiefergehend zu verstehen (Greener 2008), argumentiert Silverman (2013), dass qualitative Forschungsansätze teilweise kontextuelle Befindlichkeiten außer Acht lassen und sich mehr auf Bedeutungen und Erfahrungen konzentrieren. Diese Erfahrungen und Einschätzungen können sich unterscheiden. Da kein Fallstudiendesign gewählt werden konnte, sondern die Experten anhand ihrer Positionsbeschreibung in ihren Unternehmen ausgewählt wurden und die Expertenanzahl über die Akteursgruppen aufgrund von Erreichbarkeit und Interviewabsagen nicht gleichverteilt ist, könnte es hier zu möglichen Verzerrungen in den Ergebnissen kommen. Es gibt jedoch keine statistische Aussage darüber, wie gut oder schlecht die Stichprobe die Grundgesamtheit repräsentiert, wenn die Verfügbarkeit der Befragten die Chancen der Auswahl beeinflusst (Fowler Jr 2013). Dennoch sind die gewonnenen Ergebnisse grundsätzlich lediglich bedingt verallgemeinerbar (Choy 2014), auch wenn die erklärten Einschätzungen und Erfahrungen in diesem Forschungsdesign als Vorteile gegenüber breiten Befragungen überwiegen. Um die Rolle der Projektentwickler sowie die wesentlichen Einflüsse und Anpassungsstrategien in der immobilienwirtschaftlichen Transformation zu analysieren, wurde eine holistische Betrachtungsweise gewählt. Diese ermöglicht zwar ein ganzheitliches Bild der wirkenden Veränderungen in der Unternehmensumwelt von Projektentwicklern, sorgt aber teilweise für eine geringere Detaillierungstiefe im Hinblick auf konkrete Anpassungsstrategien. Zumal die Entwicklung konkreter Anpassungsstrategien auch von einer Unternehmensanalyse der eigenen Strukturen, der Unternehmenskultur, der Kernkompetenzen oder auch der Innovationsfähigkeit abhängig ist, die im vorliegenden Artikel nicht verfolgt wurde.

Weitere Forschung sollte sich der Entwicklung von theoretischen und praktischen Modellen widmen, um konkretere Optionen für die in diesem Beitrag aufgedeckten Potenziale der integrierten Lösungen durch Projektentwicklung mit Berücksichtigung der sich wandelnden Nutzeranforderungen aufzuzeigen. Hierfür gilt es, im Detail konkrete Anpassungsstrategien zu identifizieren und zu entwickeln. Dafür wäre es interessant, mithilfe eines eigenen Forschungsdesigns zu analysieren, mittels welcher Anpassungsstrategien Immobilienprojektentwickler in den vergangenen Jahren erfolgreich einen Unternehmenswandel vollzogen haben. Fragen, welche Leistungen fremdbezogen werden (Outsourcing), wie sich Unternehmens- oder Konzernstrukturen oder konkrete Arbeitsweisen optimieren lassen oder auch wie die flexible und smarte Immobilie der Zukunft aussieht, die ganzheitlich dynamische und individuelle Nutzeranforderungen erfüllt, sind noch nicht ausreichend erforscht. Konkret könnte weitere Forschung aufgreifen, welche Potenziale und Herausforderungen mit Dienstleistungen rund um Flächenbereitstellung und eigenen Space-as-a-Service-Konzepten für Projektentwickler einhergehen. Um die Integration immobilienwirtschaftlicher Wertschöpfungsstufen oder auch den Mehrwert beim Einsatz von BIM und die konkreten Geschäftsmodellansätze basierend auf dem digitalen Gebäudezwilling zu analysieren, bieten sich Ansätze der Begleitforschung in Fallstudien an. Dafür liefern die Analysen und Ergebnisse erste wichtige Erkenntnisse für Wissenschaft und Praxis, worauf weitere Forschung aufbauen kann und woraus Immobilienprojektentwickler strategische Anpassungen entwickeln können.