1 Problemstellung und Zielsetzung

LM-Discounter stehen immer mehr im Fokus von institutionellen Investoren. Eines der auffälligeren Beispiele für diese Aussage ist die Übernahme von 80 ALDI-Märkten durch die Allianz-Versicherung.Footnote 1 Dabei beträgt die Gesamtanzahl dieses Betriebs- und Immobilientyps in Deutschland ca 16.000 (vgl. EHI 2013). Die flächendeckende Verbreitung dieser in einfacher Bauweise errichteten Objekte schließt auch Standorte im ländlichen Raum ein. Bei einer durchschnittlichen wirtschaftlichen Lebensdauer von im Mittel 10–15 Jahren ergeben sich danach vielfach kaum Perspektiven für eine Nachnutzung.

Das Investitionsinteresse ist also nicht sofort ersichtlich, vielmehr erschließt es sich erst nach Betrachtung des Stellenwertes von Handelsimmobilien für deren Hauptnutzer. So benötigt der stationäre Handel die Flächen als Betriebsmittel. Damit ist eine unmittelbare, kausale Beziehung zwischen dieser Objekteigenschaft und dem Umsatz des sie nutzenden Unternehmens gegeben, die je nach Branche und Betriebsform quantitativ sogar Proportionalität beinhalten kann. Dies gilt insbesondere für den Lebensmittelhandel. Dieser zeichnet sich hinsichtlich der raum-zeitlichen Konstanz der Umsatzgenerierung zusätzlich dadurch aus, dass die von ihm angebotenen Waren zum periodischen Bedarf zählen. Damit ist eine kontinuierliche und unelastische Nachfrage zu erwarten. Sind die Flächen nicht im Besitz des Handelsunternehmens, dann drückt demnach eine Vereinbarung über einen für sie zu zahlenden Mietzins zugleich auch eine Erwartung des an diesem Standort nachhaltig zu erzielenden Umsatzes aus.

Ein weiterer Grund für das Investitionsinteresse liegt in der zeitlichen Bindungsdauer des Handels an den Standort. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Handel die Flächen „nackt“ mietet. Für die Etablierung und Erhaltung seiner Leistungsbereitschaft ist dann zusätzlich eine selbst zu finanzierende Möblierung notwendig. Außerdem müssen neben den absatzseitigen Verkaufs- und Parkflächen auch betriebsintern (Inhouse-Logistik)-Flächen vorgehalten werden. Diese Investitionen bedingen zusammen mit den geringen Margen speziell im Lebensmittelhandel eine Tendenz zur langfristigen Bindung an den Standort.

In ihrem Bestreben, langfristige, risikoarme Investitionen zu tätigen, kommt den institutionellen Anlegern insbesondere die Anbieterstruktur der LM-Discounter entgegen. So setzt diese Betriebsform auf Kostenminimierung. Bei den angesprochenen geringen Absatzmargen besteht eine wesentliche Gewinnquelle in der Ausnutzung der economies of scale in der Warenbeschaffung. Dies führt zu einem Konzentrationsgrad (dem höchsten im gesamten Handel), nicht nur bei Discountern (5 UnternehmensgruppenFootnote 2 haben ca. 85 % Marktanteil), sondern generell im LM-Handel. Man kann also den als Mieter auftretenden Unternehmen eine hohe Bonität unterstellen (vgl. Altenschmidt und Steinert 2007, S. 225).

Damit ergibt sich, dass Investitionen in LM-Discount-Immobilien nicht so sehr die Immobilie selbst, sondern die nachhaltig zu erwartende Miete im Blick haben. Für eine zu treffende Investitionsentscheidung in LM-Discountimmobilien ist also zentral, inwiefern die für den Standort getroffene Umsatzeinschätzung – und damit auch die mögliche Mietzahlung – realistisch ist. Da die gezahlte Miete dann als Kapitalrückfluss für den Investor gilt, wird im Folgenden die Miete als die zu erklärende Größe behandelt. Für die Erklärung wird dann zum einen der am Standort zu erzielende Umsatz herangezogen, zum anderen weitere Einflussgrößen, welche insbesondere auch die Stellung des Mieters im Wettbewerb berücksichtigen.

Formalisiert man die bisherigen Überlegungen, dann ergibt sich: Die Miete (M) ist vom Umsatz (U) abhängig

$$ M=f\left( U \right) $$
(1)

Für LM-Discounter wird der Mietwertanteil mit 3,0 bis 4,0 % vom Umsatz angegeben (vgl. HypZert 2013, S. 74). Der Umsatz (U) selbst ist abhängig von der Angebots(A)- und Nachfrage(N)-Situation am jeweiligen Mikro-, Meso- und Makrostandort. Dabei wird die Mietfläche wegen ihrer starken Beziehung zur Leistungsbereitschaft des Unternehmens hier zunächst als Angebotsmerkmal betrachtet.

$$ U=g\left( N,\text{ }A \right) $$
(2)

Die im Handel üblicherweise rein standortorientierte Betrachtungsweise greift jedoch zu kurz, da gerade in dem oligopolisierten LM-Markt der konkrete Mieter (Betriebsform und Unternehmen) (MIE) Einfluss auf den Umsatz nimmt.

$$U=g\left( N,\text{ }A,\text{ }MIE \right)$$
(2‘)

Führt man nun für die Zuordnung der Einflussgrößen die immobilienspezifische Betrachtungsweise ein, so ist die Mietfläche jetzt als Objektmerkmal (O) zu betrachten. Unter entsprechender Integration des Umsatzes können dann folgende übergeordneten Kategorien zur Erklärung des Mietpreises einer von einem LM-Discounter genutzten Handelsimmobilie postuliert werden:

$$ M=f\left( g\left( N,A,MIE \right),O \right) $$
(3)

Die Beziehung (3) umschreibt damit das Hauptziel des Beitrags:

Erklärung und Prognose des Mietpreises von LM-Discountern unter Einbeziehung der

  • standortabhängigen Angebots- und Nachfragevariablen

  • sowie der Berücksichtigung mieter- sowie objektspezifischer Merkmale.

Mit Erreichen dieses Ziels eröffnet sich gleichzeitig die Möglichkeit, potenziellen Investoren in diese Handelsimmobilienklasse eine Überprüfung ihrer Investitionsentscheidung im Rahmen ihrer Risikoabschätzung zu gestatten. Damit ergibt sich als zweites Ziel des Beitrags:

Diskussion der Möglichkeit der Überprüfung von Investitionsentscheidungen in LM-Discountimmobilien auf der Grundlage der Prognose der zukünftig zu erwartenden Miete sowie der möglichen Veränderung der sie beeinflussenden Variablen.

Um diese Ziele zu erreichen, werden zunächst auf Basis eigener Vorarbeiten in Verbindung mit einem Literaturüberblick empirisch zu prüfende Hypothesen aufgestellt und mögliche Einflussdimensionen identifziert. Danach erfolgt die hypothesengeleitete Informationsgewinnung von Variablen, welche diese Dimensionen beschreiben. Die Informationsverarbeitung beinhaltet drei Schritte: Mit Hilfe einer schrittweisen Regression wird aus den als relevant erachteten metrisch skalierten Einflussvariablen eine Teilmenge mit signifikantem Erklärungswert für die Miete bestimmt. Die nachfolgend eingesetzte Hauptkomponentenanalyse soll unter ihnen bestehende Strukturen aufdecken, deren mathematische Entsprechung (sogenannte Komponenten) linear unabhängig sind, also als (Erklärungs-) Dimensionen aufgefasst werden können. Wird dann eine erneute Regression mit Einschluss weiterer nominal erfasster Variablen zur Erklärung des Mietpreises durchgeführt, kann der Erklärungswert dieser Dimensionen bestimmt und somit eine Aussage über die Gültigkeit der aufgestellten Hypothesen getroffen werden. Unter Berücksichtigung der Signifikanz dieses Modells sowie möglicher Einschränkungen erfolgt eine Bewertung des geleisteten wissenschaftlichen Beitrags sowie der Eignung für die praktische Anwendbarkeit im Rahmen von Investitionsentscheidungen.

2 Literaturüberblick und zentrale Hypothesen

In bisherigen wissenschaftlichen Beiträgen zur Erklärung des Mietzinses bzw. des Kaufpreises von Handelsimmobilien erfolgt die Herleitung schwerpunktmäßig auf der Grundlage von Angebotskennzeichen des mietenden Handels sowie dem Nachfragepotenzial als Erklärung für den zu erzielenden Umsatz am Immobilienstandort (vgl. Tab. 2). Der am meisten untersuchte Immobilientyp ist das Shopping Center und dies für den angloamerikanischen Raum. Eine Ausnahme in mehrfacher Hinsicht bildet der Beitrag von Jeong und Kim 2011 mit der Untersuchung von Einzelhandelsimmobilien in einer 1 A-Lage in Seoul. Dieser berücksichtigt auch Mietvertragscharakteristika und wendet als Analysemethodik jene des vorliegenden Beitrags an.

Inwieweit sind Erkenntnisse anderer Handelsimmobilientypen auf die vorliegende Aufgabenstellung übertragbar? Dies beantwortet Striebich 2009 für Shopping Center-Untersuchungen positiv. Er weist nach, dass die in Beziehung (3) postulierte Abhängigkeit der Mietpreisfestsetzung von der Umsatzerwartung sowie den mieter- und objektspezifischen Merkmalen ebenfalls gültig ist. Sie wird lediglich erweitert durch die Managementaufgabe des SC-Betreibers, mit der Auswahl des Mieters auch den Gesamterfolg des Centers zu erhöhen.

Die damit mögliche Diskussion der Literaturbeiträge wird im Sinn der Aufgabenstellung so strukturiert, dass das Augenmerk auf die verwendeten Einflussvariablen zur Erklärung des Mietpreises sowie auf das Aggregationsniveau ihrer Erfassung gelegt wird. Für eine Vergleichbarkeit der Beiträge werden dabei folgende Zuordnungen von Variablen zu den in Beziehung (3) verwendeten übergeordneten Erklärungskategorien verwendet (vgl. Tab. 1)

Tab. 1 Erklärungskategorien und mögliche Operationalisierungen. (Quelle: Eigene Darstellung)
Tab. 2 Übersicht der wichtigsten Beiträge zur Mietpreisschätzung von Handelsimmobilien. (Quelle: Eigene Darstellung)

Alle Beiträge verwenden standortspezifische Variablen, die Angebots- und/oder Nachfrageaspekte abbilden und den Umsatz und damit indirekt die Miete schätzen (vgl. Beziehung (2)). Alle Autoren verwenden auch objektspezifische Variablen und nähern sich damit der postulierten Beziehung (3) an. Lediglich ein Beitrag (Jeong und Kim 2011) bezieht bereits – in einer sehr standardisierten Form – mieterspezifische Variablen mit ein.

Die hier nicht aufgeführten Untersuchungen von Klein ( 2014), Segerer und Klein (2012) erweitern das bislang etablierte Spektrum der Einflussvariaben um zwei für LM-Discounter typische Besonderheiten: Die Standortrestriktion aus dem Nachfragedruck am teilmarktübergreifenden Immobilienmarkt sowie die oligopole Angebotsstruktur. Segerer und Klein 2012 weisen in ihrem Beitrag zur Makrostandortwahl von LM-Discountern nach, dass LM-Discounter in ihrer Standortwahl in Märkten mit hohem Nachfragedruck für den Immobilienmarkt, welcher anhand von Angebotsmieten für Wohnimmobilienpreisen gemessen wird, restringiert sind. Diesen Effekt gilt es auch in dem vorhandenen Modell mit abzubilden, wobei von einem positiven Zusammenhang von Wohnimmobilienpreisen und der am Makrostandort vorhandenen Nachfrage am Immobilienmarkt ausgegangen wird. Auf der Angebotsseite ist vor allem zu berücksichtigen, dass wenige LM-Discountanbieter den Markt dominieren und sich in ihrer Leistungsfähigkeit deutlich unterscheiden. Dies zeigt ein Vergleich der Flächenproduktivitäten einzelner Filialen der wichtigsten Marktteilnehmer in Tab. 3.

Tab. 3 Wichtige Kennzahlen einzelner LM-Discounterunternehmen. (Quelle: Eigene Bearbeitung nach EHI 2012a, b, c)

Für die Erklärung des Mietpreises ist somit zu erwarten, dass unterschiedliche Anbieter an ein und demselben Standort aufgrund der unterschiedlichen Attraktivität ihrer „Marke“ beim Konsumenten signifikant unterschiedliche Umsätze erzielen. In Mietvertragsverhandlungen werden die Anbieter zu Mietinteressenten und ihre unterschiedliche Mietzahlfähigkeit ein Erklärungsmerkmal.

Die für das Modell relevanten Variablen sowie deren Wirkungsrichtung auf den LM-Discounter-Mietpreis sind in Abb. 1 in der Übersicht dargestellt (vgl. auch Gl. (3)). Die Zuordnung zu übergeordneten Erklärungskategorien erfolgt im Sinne der Aufgabenstellung unter Beachtung der Immobilienperspektive, auch wenn diese für manche Variablen nicht eindeutig erscheint. Die unterschiedlichen Betrachtungsmaßstäbe der in der Immobilie ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeit mit Einfluss auf den Mietpreis sind angegeben.

Abb. 1
figure 1

Determinanten des Mietpreises von LM-Discountern. (Quelle: Eigene Darstellung)

Auf Basis der theoretischen Überlegungen sowie der bisherigen empirischen Ergebnisse wird die Miethöhe von LM-Discountern durch Standort- (N, A), Mieter- (MIE) und Objektmerkmale (O) determiniert. Im Rahmen des Beitrags sind deshalb folgende drei zentrale Hypothesen zu prüfen:

H1:

Standortspezifische Merkmale haben einen signifikanten Einfluss auf den Mietpreis von LM-Discountern

H2:

Mieterspezifische Merkmale haben einen signifikanten Einfluss auf den Mietpreis von LM-Discountern

H3:

Objektspezifische Merkmale haben einen signifikanten Einfluss auf den Mietpreis von LM-Discountern

3 Methodik

Die allgemeinen Überlegungen haben zu folgendem Ansatz geführt:

$$M=f\left( N,A,MIE,O \right)$$
(3‘)

Für seine Überprüfung eignet sich, wie in den bisher vorliegenden Untersuchungen, die Regressionsmethode, da sie eine möglichst einfach nachvollziehbare und reproduzierbare Schätzmethodik generiert. Ihr liegt die Annahme zugrunde, dass keine linearen Abhängigkeiten zwischen den erklärenden Variablen vorliegen. Auf Basis inhaltlicher Überlegungen, insbesondere zum Bestandteil des Umsatzes als Makrogröße zur Erklärung des Mietpreises (Beziehung (3)) sowie der bisherigen empirischen Ergebnisse ist jedoch nicht von einer linearen Unabhängigkeit der einzelnen Variablen auszugehen.

Des Rosiers et al. 2005 berücksichtigen diesen Umstand in Form eines Attraktivitätsindexes, welcher unter Anwendung eines Huff-Modells aus Variablen der Nachfrage- und der Angebotsseite den potenziellen Umsatz des jeweiligen Shopping Centers abbildet.Footnote 3 Dieser Ansatz hat jedoch den Nachteil, dass er einen bereits vordefinierten Zusammenhang aus Nachfrage- und Angebotsvariablen unter Einbeziehung der Verkaufsfläche verwendet. Der Einfluss einzelner Variablen ist somit nicht messbar, sondern stellt eine aggregierte Nachfrage-Angebotsvariable dar. Gleichzeitig gestaltet sich die Interpretation eines solchen Indexes als schwierig, da die Änderung eines Inputwertes keine lineare Beziehung zum Indexwert aufweist. Aus diesen Gründen wird deshalb dem Ansatz von Jeong und Kim 2011 gefolgt, welche zur Erklärung und Prognose des Kaufpreises von Handelsimmobilien mit der Anwendung einer schrittweisen Regression, einer Faktorenanalyse und einer darauf aufbauenden Regression nach der Einschlussmethode einen dreistufigen Untersuchungsansatz verfolgen. Dieses Vorgehen hat den Vorteil, dass der schrittweise Ansatz es ermöglicht, die wichtigsten Determinanten der LM-Discountermiete zu identifizieren und somit eine praxisorientierte Methodik zur Mietpreisprognose zur Verfügung zu stellen. Die Anwendung einer explorativen Faktorenanalyse bietet darüber hinaus die Möglichkeit, das Wirkungsgefüge der einzelnen – metrischen – Erklärungsvariablen durch die Berechnung von unabhängigen Faktoren abzubilden. Somit wird einerseits der Gegebenheit Rechnung getragen, dass innerhalb der erklärenden Variablen Abhängigkeiten bestehen, welche für die metrischen erklärenden Variablen durch die Bildung unabhängiger Faktoren mathematisch eliminiert werden. Andererseits lässt dieses Vorgehen eine Prüfung des in Abb. 1 postulierten Gesamtmodells und somit der zu prüfenden Hypothesen zu, da im letzten Schritt die berechneten Faktorwerte sowie alle übrigen nominalen Variablen in einer Regression nach der Einschlussmethode getestet werden. Das methodische Vorgehen ist in Abb. 2 in der Übersicht dargestellt.

Die inhaltliche Erklärung für dieses Vorgehen greift noch einmal die eingangs belegte duale Funktion der Objektmerkmale einerseits als Kennzeichen der Immobilie, andererseits als Schlüsselgrößen für den mit dieser Immobilie zu erzielenden Umsatz auf. Da insbesondere für den LM-Discounter der immobilienspezifische Mietpreis funktional vom Umsatz abhängt, hier aber als Kennzahl für die Investitionseigenschaften der Immobilie erklärt werden soll, ist es notwendig, eine saubere Zuordnung der Einflussgrößen in die ausgewiesenen Kategorien Nachfrage, Angebot, Mietereigenschaften und Objektmerkmale zu treffen.

Abb. 2
figure 2

Modellkonfiguration zur Mietpreisanalyse. (Quelle: Eigene Darstellung)

Demnach wird in einem ersten Schritt durch die Anwendung einer schrittweisen Regression versucht, diejenigen Variablen herauszufinden, deren Linearkombination mit der geringsten Anzahl unabhängiger Variablen die beste Schätzung des Mietpreises liefert (vgl. Urban und Mayerl 2011, S. 112).

Im Schritt 2 werden die metrisch und intervall-skalierten Einflussvariablen mittels explorativer Faktorenanalyse neuen, nicht vorgegebenen Erklärungsdimensionen zugeordnet und überprüft, ob diese sich im Sinn der gewählten Kategorien Nachfrage, Angebot, Mietereigenschaften und Objektmerkmale interpretieren lassen.

Falls dies möglich ist, bleibt noch zu prüfen, welchen Einfluss diese Kategorien auf die Erklärung des Mietpreises ausüben. Hierzu werden in Schritt 3 neben den in Schritt 1 ausgewählten Variablen auch weitere, nominal skalierte Variablen in einer Regression nach der Einschlussmethode berücksichtigt.

Als Gesamtergebnis wird der Wirkungszusammenhang der einzelnen Variablen abgebildet. Vor der Schätzung der Modelle gilt es jedoch, mit Hilfe deskriptiver Statistiken einen ersten Überblick über die Datengrundlage zu geben und mittels Korrelationsanalyse univariate Zusammenhänge innerhalb der metrischen Variablen zu identifizieren.

4 Daten

4.1 Deskriptive Statistiken

Zur Schätzung des Mietpreises von LM-Discountern an einem bestimmten Standort sowie zur Prüfung des in Abb. 1 aufgeführten Wirkungszusammenhangs stehen insgesamt Mietvertragsdaten für 83 Objekte eines institutionellen InvestorsFootnote 4 zur Verfügung. Knapp über 70 % der Standorte liegen hierbei in Gemeinden mit 25.000 Einwohnern oder weniger und lediglich ca. 7 % der Standorte befinden sich in Großstädten mit über 250.000 Einwohnern, wobei die Verteilung auf die Neuen und Alten Bundesländer 31 zu 69 %, also gemessen an der Einwohnerzahl einem leichten Überhang der Neuen Bundesländer entspricht. Unterschieden nach SiedlungstypenFootnote 5, welche für eine differenzierte Angebots- und Nachfragestruktur stehen, sind immerhin 9,6 % der Objekte in einer Kernstadt, 47,0 % im Verdichteten Umland und jeweils 21,7 % im Ländlichen Umland bzw. Ländlichen Raum zu finden. Dies entspricht für das Verdichtete Umland in etwa dem Bevölkerungsanteil dieses Siedlungstyps. Das Ländliche Umland und der Ländliche Raum sind – gemessen am Bevölkerungsanteil dieses Siedlungstyps – überrepräsentiert, die Kernstädte hingegen unterrepräsentiert. Entsprechend dem theoretisch aufgestellten Wirkungszusammenhang zwischen Nachfrage, Angebot, Mieter und Objekt auf der einen und Miete in €/m² auf der anderen Seite gilt es im Folgenden unter Berücksichtigung der einzelnen Ebenen der Standortanalyse – Makro-, Meso-, und Mikroebene – die im Datensatz vorhandene Heterogenität abzubilden. Zur Quantifizierung dieses Wirkungszusammenhanges werden die in Abb. 1 skizzierten Variablen, wie in Tab. 4 dargestellt, operationalisiert. Die Verteilung der einzelnen Variablen im Hinblick auf Minimum, Maximum, Mittelwert, Standardabweichung und Schiefe bzw. Häufigkeiten für die nominal codierten Variablen werden in Tab. 5 dargestellt.

Tab. 4 Übersicht zur Definition und Messung der einzelnen Variablen. (Quelle: Eigene Darstellung)
Tab. 5 Übersicht zur deskriptiven Statistik (Kürzel und Maßeinheiten vgl. Tab. 4). (Quelle: Eigene Darstellung)

4.2 Korrelationen

Die bisherigen Überlegungen lassen eine mehr oder weniger starke Korrelation innerhalb der erklärenden Variablen erwarten. Die in Tab. 6 dargestellten Korrelationswerte zwischen den metrischen und intervall-skalierten Variablen bestätigen diese Vermutung.

Tab. 6 Korrelationsmatrix der metrischen Variablen. (Quelle: Eigene Berechnung)

Demnach sind mittelstarke bis starke Abhängigkeiten innerhalb der einzelnen Merkmalskategorien Nachfrage, Angebot und Objekt zu erkennen. Darüber hinaus gibt es auch Zusammenhänge zwischen den Kategorien Angebot und Nachfrage, hingegen scheinen die Objektmerkmale weitgehend unabhängig von Angebot und Nachfrage zu sein.

4.3 Ergebnisse

4.3.1 Schritt 1: Schrittweise Regression zur Mietpreisschätzung

Es wird eine Multiple Regression mit schrittweiser Aufnahme bzw. schrittweisem Ausschluss von erklärenden Variablen (F-Wert von 0,05 bzw. 0,10) angewendet. Im Hinblick auf die Gesamtanpassung weist das Modell mit 8 erklärenden Variablen eine sehr gute Anpassung auf ( = 0,588; korr = 0,543; vgl. Tab. 7). Mit einem Signifikanzwert von 0,036 im Breusch-Pagan-Test ist jedoch nicht von Homoskedastizität der Residuen auszugehen. Deshalb wurde dieses Modell auch nochmals mit Heteroskedastizität robusten White-Schätzern berechnet, wobei der Einfluss der im schrittweisen Modell als signifikant eingestuften Variablen bestätigt werden konnte.Footnote 6

Tab. 7 Ergebnisse der schrittweisen Regression. (Quelle: Eigene Berechnungen unter Verwendung von SPSS Version 20)

Unter den acht als signifikant aufgenommenen Variablen sind solche aus den Kategorien Nachfrage (N), Angebot (A), Mieter (MIE) und Objekt (O) vertreten. Damit ist ein erster Beleg für die Gültigkeit der Hypothesen H1 bis H3 erbracht. Weiterhin sind die in Tab. 4 getroffenen Annahmen zur Wirkungsrichtung der ausgewählten Variablen zu überprüfen.

Die Variablen PKW-Frequenz (PKW_FRE), Bevölkerungswachstum (BEV_W), Einwohnerpotenzial in fußläufiger Entfernung (POT_1_KM), ANBIETER_5,Footnote 7 und Mietvertragslaufzeit (GESAMT) weisen in diesem Erklärungszusammenhang die in Abb. 1 postulierte positive Einflussrichtung auf. Darüber hinaus geht von einem intermodalen Wettbewerb am oder in direkter Nähe des Standortes (INTER) ebenfalls ein positiver Effekt aus, der auf Kopplungseffekte zwischen interformalen Konkurrenten zurückzuführen ist. Der positive Effekt der Variable ANBIETER_2 ist dagegen aus theoretischer Sicht nicht zu erwarten. Anders ausgedrückt: Die für diesen Anbieter innerhalb der Stichprobe beobachtete Miethöhe übersteigt diejenige deutlich, welche sich aus den aggregierten Umsätzen des Anbieters ableiten lässt. Das Objektmerkmal des zeitgemäßen Flächenzuschnitts (ZEIT) ist als ordinale Variable aus der metrisch-skalierten Variablen Mietfläche (MF) abgeleitet. Durch ihre Auswahl im Regressionsansatz wird ihr Einfluss auf die Erklärung des Mietpreises höher gewichtet als jener der Mietfläche (MF). Die negative Richtung stimmt mit Beobachtungen der Mietpreisdegression bei zunehmender Mietfläche überein, zeigt aber auch, dass dieser Zusammenhang bei diesem Immobilientyp nicht linear, sondern stufenweise erfolgt.

Die BETA-Werte zeigen, dass sich die Variablen in ihrer Einflussstärke kaum voneinander unterscheiden. Mit dem zeitgemäßen Flächenzuschnitt (ZEIT) und der Mietvertragslaufzeit (GESAMT) sind es jedoch zwei objektspezifische Merkmale, welche die höchsten standardisieren Werte aufweisen, wenngleich ihr Einfluss nur unwesentlich stärker ist als derjenige des ANBIETER_5 oder der Einwohner im Nahbereich (POT_1_KM).

4.3.2 Schritt 2 Faktorenanalyse

Die bisherige Einordnung in die Kategorien N, A, MIE, O hat die mehrschichtige Bedeutung der Einflussvariablen im Kontext des Handels (Umsatz) sowie der Immobilie (Mietpreis) deutlich werden lassen. Es wäre also eine Zuordnung zu neuen, voneinander linear unabhängigen Erklärungsdimensionen anzustreben, welche bis zu einem gewissen Grad diese Mehrdeutigkeit auflöst und zur Erklärung des Mietpreises herangezogen wird. Hierzu ist mit allen metrisch skalierten Variablen der Abb. 1 eine explorative Faktorenanalyse durchgeführt worden.

Tab. 8 Faktorladungen nach Rotation. (Quelle: Eigene Darstellung)

Ihre Anpassungsgüte ist mit einem KMO-Wert von 0,609 als „mittelmäßig“ zu bezeichnen (vgl. Backhaus et al. 2006, S. 276). Hinsichtlich der Identifizierung „latenter“ Hintergrundfaktoren – auf Basis eines Eigenwertes größer als der Wert eins – werden fünf Faktoren identifiziert, welche 72,4 % der Gesamtvarianz erklären. Die Faktoren als neue Erklärungsdimensionen sind wie folgt zu interpretieren (kursiv: Bezeichnung des Faktors) (vgl. Abb. 3 und Tab. 8):

  • Standortzukunft: Mit Ausnahme der Bevölkerungsdichte (BEV_D) und des relativen Pendlersaldo (PEN_REL) – mit einer Faktorladung von − 0,495 für LM-Discounter knapp unterhalb des betragsmäßigen Grenzwerts von 0,5 für zu berücksichtigende Variablen– laden alle Variablen der Makronachfrageebene signifikant auf diesen Faktor und charakterisieren somit einen Standort im Hinblick auf seine wirtschaftliche Attraktivität und positiven Zukunftsaussichten. Die Vorzeichen der Faktorladungen mit einer positiven Korrelation beschreiben hierbei eine hohe Standortattraktivität bzw. seine wirtschaftliche Attraktivität. Darüber hinaus besteht ein signifikanter Zusammenhang dieses Faktors mit der vorhandenen LM-Discounterverkaufsfläche im Einzugsgebiet von 10 km (DIS_10_KM).

  • Frequenz: Bevölkerungsdichte (BEV_D), fußläufiges Einwohnerpotenzial (POT_1_KM) und PKW-Frequenz (PKW_FREQUENZ) sind zwar auf unterschiedlichen Maßstabsebenen – Makro- vs. Mikrostandortbedingungen – verortet, beschreiben jedoch grundsätzlich die Nachfragefrequenz. Mit einer höheren Bevölkerungsdichte in der Standortgemeinde gehen i.d. R auch eine höhere Bevölkerungsdichte im direkten Standortumfeld sowie eine höhere PKW-Frequenz einher. Beides sind wesentliche Standortwahl-Gründe eines LM-Discounters auf der neuesten Stufe der Betriebsformentwicklung.

  • Wettbewerb: Die Verkaufsflächendichte für LM-Discounter (DIS_10_KM), Supermärkte (SUP_10_KM) und Lebensmittel allgemein (LM_10_KM) weisen signifikante Ladungen auf diesen Faktor auf. Dies spiegelt den Wettbewerb am Makrostandort wider. Die „doppelt“ signifikante Ladung der LM-Discounter-Verkaufsflächendichte (DIS_10_KM) spiegelt in diesem Zusammenhang lediglich das in der Realität zu beobachtende Zusammenspiel aus Angebot und Nachfrage wider.

  • Baualter: Das Gebäudealter (ALTER) und die Restlaufzeit (REST) des Mietvertrags weisen jeweils signifikante Ladungen auf diesen objektspezifischen Faktor auf, wobei sich die Interpretation des Faktors aus der jeweiligen Zusammenhangsrichtung – positiv für Restlaufzeit (REST) und negativ für Gebäudealter (ALTER) – ergibt.

  • Vertragsdauer: Trivialerweise steigt mit zunehmender Gesamtlaufzeit (GESAMT) eines Vertrags auch die Wahrscheinlichkeit einer hohen Restlaufzeit (REST) des Vertrags. Dieses Zusammenspiel lässt sich für das Modell der LM-Discounter anhand des Faktors Vertragsdauer zusammenfassen.

4.3.3 Schritt 3 Regression nach der Einschlussmethode

Formalisiert man das Ergebnis des Schrittes 2, dann erhält man folgende Beziehung:

$$ M={{f}_{1}}\left( SZ,FQ,WB,BA,VD \right) $$
(4)

SZ=Standortzukunft

FQ=Frequenz

WB=Wettbewerb

BA=Baualter

VD=Vertragsdauer

Abb. 3
figure 3

Ergebnisse der Faktorenanalyse (Schritt 2) sowie der Regression nach der Einschlussmethode (Schritt 3) in der schematischen Übersicht. (Quelle: Eigene Darstellung)

Beziehung (4) ist Grundlage für die Regression nach der Einschlussmethode, wobei die in Abb. 1 enthaltenen nominal und ordinal skalierten Variablen noch aufgenommen werden. Damit lässt sich der Erklärungsbeitrag dieser neuen Erklärungsdimensionen für die Mietpreisschätzung von LM-Discounter bestimmen (vgl. Abb. 3).

Die Gesamtgüte dieses Modells weist mit einem Wert von 0,569 für das korrigierte R² eine in etwa vergleichbare Anpassung wie die schrittweise Regression auf. In Anbetracht der Informationsverdichtung durch die Faktorenanalyse ist dies als ein sehr gutes Ergebnis für die Gesamtanpassung beider Modelle zu betrachten, zumal zusätzlich mit einem Signifikanzwert von 0,250 beim Breusch-Pagan-Test die Nullhypothese, dass keine Heteroskedastizität vorliegt, nicht abgelehnt werden kann. Die VIF-Werte von maximal knapp unter dem Wert 5 lassen das Vorliegen einer leichten Multikollinearität vermuten, liegen aber deutlich unter dem kritischen Wert von 10 (vgl. Brosius 2008, S. 569).

Hinsichtlich der Koeffizienten lässt sich aus Abb. 3 entnehmen, dass die Faktoren Frequenz und Vertragsdauer einen signifikant positiven Einfluss auf die Erklärung des Mietpreises (MIETE_DIS) haben. Der positive Einfluss des Faktors Frequenz ist erwartungsgemäß, da innerhalb der Faktorenanalyse die eine hohe Nachfrage abbildenden Variablen Bevölkerungsdichte (BEV_D), Pkw-Frequenz (PKW_FRE) und fußläufiges Nachfragepotenzial (POT_1_KM) signifikant auf diesen Faktor laden. Folglich wird durch den Faktor Frequenz ein erhöhtes Umsatzpotenzial eines Standortes und somit ein erhöhtes Mietpreispotenzial wiedergegeben. Der signifikant positive Einfluss des Faktors Vertragsdauer bestätigt den theoretisch postulierten Zusammenhang zwischen einem attraktiven Handelsstandort mit hohen Umsatzerlöserwartungen und einer möglichst langfristigen Nutzung durch die Handelsunternehmen. Die drei übrigen Faktoren – Standortzukunft, Wettbewerb und Baualter – weisen keinen signifikanten Einfluss auf.

Innerhalb der binär codierten Einflussvariablen wirkt der interformale Wettbewerb (INTER) – analog zur schrittweisen Regression – positiv auf den Mietertrag (MIETE_DIS). Auf Mieterseite (MIE) haben – wie bereits im schrittweisen Modell – ANBIETER_2 und ANBIETER_5 positiven Einfluss auf den Mietpreis. Folglich ist zu erwarten, dass diese Unternehmen an vergleichbaren Standorten einen höheren Umsatz generieren. Auf Objektseite (O) ist es ein zeitgemäßer Verkaufsflächenzuschnitt (ZEIT), der – analog zur schrittweisen Regression – einen signifikant negativen Einfluss auf den Mietpreis von LM-Discountern (MIETE_DIS) ausübt.

Formalisiert man das Ergebnis von Stufe 3, so lässt sich der Mietpreis für LM-Discountimmobilien mit der Beziehung (4‘) wie folgt beschreiben:

$$M={{f}_{1}}\left( FQ,VD,MI{{E}_{1}},{{O}_{1}} \right)$$
(4‘)

FQ=Frequenz

VD=Vertragsdauer

MIE 1 =Mietzahlungsfähigkeit bestimmter Anbieter

O 1 =Größendimension der Immobilie

Inhaltlich rückt man nun stärker von der reinen Ableitung der Miete als %-Anteil des Umsatzes ab, wie sie bislang in der Handelsimmobilienwirtschaft dominant ist. Vielmehr weist die Einbeziehung der neuen Erklärungsdimensionen bei der Mietpreisbestimmung viel stärker auf die Eignung der Immobilie für die Betriebsform „LM-Discounter“ hin. Neben einer nachhaltigen Kundenfrequenz ist vor allem die zur Verfügung stehende wirtschaftliche Betriebsdauer bestimmend für den Mietpreis. Ergänzend kommen hinzu die Mietzahlungsfähigkeit der Mietinteressenten sowie die Berücksichtigung der Objektgröße (negatives Vorzeichen).

5 Diskussion der Ergebnisse

5.1 Zentrale Thesen

Die Ergebnisse der schrittweisen Regression und der Regression nach der Einschlussmethode zeigen, dass alle drei zentralen Hypothesen nicht abgelehnt werden können. Der Mietpreis von LM-Discountern ist somit nicht nur eine Frage des Immobilienstandortes, sondern wird auch signifikant von einzelnen Anbietern und Objektmerkmalen determiniert.

An diesem Punkt stellt sich insbesondere für das objektspezifische Merkmal der Gesamtlaufzeit eines Mietvertrages (GESAMT) die Frage, wie dieses „statistische“ Ergebnis inhaltlich zu interpretieren ist. D.h.: Stellt die Gesamtlaufzeit ein rein objektspezifisches Merkmal dar oder ist sie vielmehr ein Indikator für die Umsatzerwartung, welche einem Standort seitens der Handelsunternehmen langfristig zugemessen wird. Die Korrelations- und Faktorenanalyse haben bereits gezeigt, dass zwischen Mietvertragsmerkmalen und anderen metrischen Variablen keine signifikanten Abhängigkeiten bestehen. Diese Unabhängigkeitsannahme der Mietvertragslaufzeit (GESAMT) gilt es darüber hinaus für die nominalen Merkmale zu überprüfen. Aufgrund der Ablehnung der Normalverteilungsannahme für die Variable GESAMT wird hierzu der nichtparametrische Mann-Withney-U-Test Footnote 8 angewandt. Die Testergebnisse in Tab. 9 zeigen, dass die Mietvertragslaufzeit signifikant vom Anbieter abhängt (vgl. Anhang). Diese auf dem Niveau von 0,05 signifikante Abhängigkeit ergibt sich für alle fünf Anbieter (ANBIETER_*). Bei den übrigen Variablen der Nachfrage-, Angebots- und Objektseite weist lediglich der intraformale Wettbewerb (INTRA) einen signifikanten Zusammenhang mit der Mietvertragslaufzeit auf, jedoch lediglich auf dem 0,10-Signifikanzniveau.

Die Mietvertragsdauer (GESAMT) darf in diesem Zusammenhang jedoch nicht nur als ein Mietvertragscharakteristikum in Zeiteinheiten aufgefasst werden, sondern auch und vor allem als ein monetärer Indikator für die strategische Expansionsausrichtung eines Unternehmens. Längere Mietverträge suggerieren eine starke Marktstellung eines Anbieters, also die Notwendigkeit der Sicherung der derzeitigen Marktstellung und somit von Standorten, kürzere Mietverträge suggerieren dagegen eine schwächere Marktstellung, also die Notwendigkeit der Marktanteilsgewinnung.

Tab. 9 Ergebnisse des Mann-Whitney-U-Signifikanztests. (Quelle: Eigene Darstellung)

5.2 Bedeutung des Modells für die Mietzinsableitung

Die Faktorenanalyse (Schritt 2) und die Regression nach der Einschlussmethode (Schritt 3) ermöglichen es, den Wirkungszusammenhang der erklärenden Variablen untereinander sowie der erklärenden Variablen und der Zielvariablen abzubilden. Sie erschließen dabei eine völlig neue Interpretationsperspektive, welche sich von der bisherigen, stark umsatzabhängigen löst und stärker die immobilienwirtschaftlichen Zusammenhänge verdeutlicht. Zur Mietpreisprognose sind sie jedoch ungeeignet, da die einzelnen Faktoren und Faktorwerte auf Basis der jeweiligen Grundgesamtheit fallweise „neu“ zu schätzen sind. Die schrittweise Regression dagegen hat gezeigt, dass mit einer relativ geringen Anzahl von Variablen – bezogen auf die erklärte Varianz – die Ableitung eines mit LM-Discounter am Markt erzielbaren Mietpreises möglich ist. In diesem Zusammenhang ist die Analyse des Schätzfehlers ε von entscheidender Relevanz. Aufgrund des ubiquitären Auftretens der LM-Discounter muss überprüft werden, inwieweit das Schätzmodell für Standortgemeinden aller Größenklassen geeignet ist. Deshalb werden in Abb. 4 die Residuen für das Modell nach Einwohnerklassen differenziert dargestellt.

Abb. 4
figure 4

Residuen des schrittweisen Modells nach Einwohnerklassen. (Quelle: Eigene Darstellung)

Abbildung 4 zeigt, dass die unstandardisierten Residuen der Schätzung für LM-Discounter in etwa zwischen − 2,00 und 2,00 €/m² liegen, wobei die Hälfte der geschätzten Werte innerhalb des Box-Plots – mit Ausnahme der Bevölkerungskategorie von 25.000 bis 50.000, bei der es bis zu − 1,50 €/m² sind – betragsmäßig nur um etwa 1,00 €/m² abweichen. Die Schätzungen für drei Objekte, welche durch das Kreissymbol gekennzeichnet sind, weisen betragsmäßige Abweichungen in Höhe von etwa 2,50 €/m² auf.Footnote 9 Grundsätzlich sind somit die im schrittweisen Regressionsmodell ermittelten Koeffizienten zur Ableitung eines Mietpreises für einen bestimmten LM-Discount-Anbieter an einem bestimmten Standort geeignet. Die Monatsmiete in €/m² für einen LM-Discounter an einem Standort lässt sich somit unter Anwendung folgender Gleichung ableiten:

$$MIETE\_DIS=5,512+0,039*BEV\_W+0,146{{\left( 10 \right)}^{-}}^{3}*POT\_1\_KM+0,145*PKW\_FRE+0,796*INTER+0,893*ANBIETER\_2+2,115*ANBIETER\_5+0,288*GESAMT1,180*ZEIT$$

5.3 Gültigkeit der Ergebnisse

Die Ergebnisse gilt es im Hinblick auf ihre generelle Gültigkeit anhand folgender Aspekte zu diskutieren:

  • Stichprobenumfang: Die Stichprobe repräsentiert mit einer Anzahl von n = 83 knapp über 0,5 % aller LM-Discounter in Deutschland (vgl. EHI 2013). Die Stichprobe bildet jedoch einzelne BBSR-Raumtypen ab und entspricht somit in ihrer Struktur in etwa der bundesrepublikanischen Handelslandschaft im LM-Einzelhandel.

  • Stichprobenzusammensetzung: Der oligopole LM-Discountermarkt zeichnet sich durch fünf bundesweit agierende Unternehmen aus, welche allesamt im Datensatz vertreten sind. Jedoch zeigt sich für die Stichprobe, dass ANBIETER_1 mit knapp über 50 % Anteil im Vergleich zur bundesdeutschen Verteilung deutlich überrepräsentiert ist. Um diesen Effekt zu dämpfen, wurde diese Kategorie im Modell als Referenzkategorie verwendet.

  • Zeitliche Datendivergenz: Ein für immobilienwirtschaftliche Untersuchungen typisches Problem stellt die zeitliche Divergenz der zur Verfügung stehenden Daten und des Mietvertragsabschlusses dar. Grund hierfür ist, wie auch in diesem Fall, dass viele erklärende Variablen zu dem Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses nicht zur Verfügung stehen und somit auf aktuelle Daten zurückgegriffen wird. Auf Nachfrageseite dürfte dieses Vorgehen wenig kritisch sein, da sich diese im relevanten Zeitraum von ca. 4 bis 6 Jahren (Mietvertragsabschluss hauptsächlich in den Jahren 2006 bis 2008 und statistische Daten größtenteils aus den Jahren 2012 bzw. 2013) nicht allzu stark verändern. Kritischer ist dagegen die Angebotsseite zu betrachten, da diese innerhalb eines Zeitraums von ca. 4 bis 6 Jahren i.d. R einem deutlichen Wandel unterliegt.

6 Implikationen für die Immobilienwirtschaft

Aus wissenschaftlicher Sicht haben die Analysen gezeigt, dass die Höhe des Mietpreises von LM-Discountern nicht alleine von den Mikro- und Makrostandortbedingungen, sondern auch durch den entsprechenden Mieter und objektspezifische Merkmale bestimmt wird. Die konkrete Nachfragesituation vor Ort – vorrangig: fußläufiges Nachfragepotenzial, PKW-Frequenz; nachrangig: Wettbewerbssituation – determiniert hierbei genauso die Höhe des Mietpreises wie die Mietvertragsdauer. Letztere ist jedoch als Indikator für die Expansionsstrategie eines Handelsunternehmens zu interpretieren.

Aus Sicht der Immobilienpraxis bieten die Ergebnisse der schrittweisen Regression einen anwendungsorientierten Ansatz zur Abschätzung des Mietpreises. Diese Regressionsgleichung ermöglicht es, einen marktnahen Mietpreis für einen LM-Discounter an einem beliebigen Standort in Deutschland abzuschätzen. Dies ist vor allem für Investitions- oder Desinvestitionsentscheidungen institutioneller Investoren entscheidend. Die explorative Faktorenanalyse in Verbindung mit der Regression nach der Einschlussmethode ermöglicht hingegen die über deskriptive und prüfende Statistik nicht zu identifizierenden Wirkungszusammenhänge einzelner Variablen aufzudecken. Diese Ergebnisse liefern entscheidenden Input für Ratingmodelle zur Investitionsentscheidung, da die berechneten Faktoren – statistisch gesehen – unabhängig voneinander sind und auf diese Weise Redundanzen aufgedeckt werden können.

Insgesamt stellt der Beitrag die erste wissenschaftliche Untersuchung im deutschsprachigen Raum dar, welche sich auf Vertragsmieten im LM-Einzelhandel stützen kann. Die Modelle zur Mietpreisanalyse leisten somit einen fundamentalen Beitrag, um die Transparenz in diesen bis dato durch die restriktive Informationspolitik der LM-Discounterunternehmen geprägten Markt zu steigern und bilden somit die Basis für eine objektive Bewertung von Investitionen in LM-Discounter.

Und sie zeigen auch eine Möglichkeit, die bisher dominierende umsatzbasierte Perspektive durch eine für diesen Handelsimmobilientyp geeignete Betrachtungsweise zu ergänzen.