1 Einleitung

Auch in erfolgreichen Coachingprozessen stehen Coaches oft vor Herausforderungen und müssen mit eigenen Zweifeln und Dilemmata umgehen (de Haan 2008b, 2008a). So berichten Coaches beispielsweise häufig darüber, dass sie sich unsicher fühlen oder Angst haben, ihrer Rolle als Coach nicht gerecht zu werden (Graßmann et al. 2019a; Schermuly 2014). Sowohl Novizen als auch erfahrene Coaches berichten diese Erfahrungen (Graßmann et al. 2019a; Graßmann und Schermuly 2018). Daher verwundert es nicht, dass Coaches ihre Arbeit als komplex, unvorhersehbar, anspruchsvoll oder auch emotional aufgeladen empfinden (Hodge 2016).

Sich wissenschaftlich mit Herausforderungen im Coaching auseinanderzusetzen trägt zur weiteren Professionalisierung von Coaching und zur Abgrenzung von anderen anspruchsvollen personalen Dienstleistungen bei (s. auch Roundtable der Coachingverbände 2015). Ein besseres Verständnis über Herausforderungen im Coaching unterstützt aber auch die Coaches selbst: Über Herausforderungen in der eigenen Arbeit zu sprechen kann befreiend wirken und dazu führen, die eigenen automatischen Reaktionen und sich selbst besser zu verstehen (Stiles 1987).

Obwohl Coaches oft Herausforderungen im Coaching zu erleben scheinen, bleibt offen weshalb manche Klienten als herausfordernder als andere empfunden werden. Darüber hinaus gibt es noch immer wenig Wissen darüber, wie Coaches mit Herausforderungen im Coaching umgehen (Kilburg 2002; Schermuly und Graßmann 2019). Ziel der vorliegenden Studie ist es daher, die Herausforderungen mit Klienten zu explorieren und erfolgreiche Strategien zum Umgang mit diesen Klienten zu erfahren. Wir befragen daher Coaches in einer Online-Befragung nach ihren herausforderndsten Klienten im Coaching, warum diese als herausfordernd erlebt wurden sowie welche Strategien sie zur Bewältigung eingesetzt haben. Die Ergebnisse der Studie können Coaches in ihrer Reflexion unterstützen, warum sie bestimmte Klienten als herausfordernder als andere erleben und Ideen zu entwickeln, wie sie mit ihnen umgehen können. Für den Umgang mit Herausforderungen im Coaching könnte Supervision ein wertvolles Reflexionsinstrument sein (Grant 2012; Graßmann und Schermuly 2018; Müller et al. 2020). Supervision kann alternative Perspektiven eröffnen und Coaches darin unterstützen, auch bei schwierigen Fällen heikle Themen anzusprechen (Kotte 2018; Passmore und McGoldrick 2009). Daher ist ein weiteres Ziel der Studie zu untersuchen, ob Coaches Supervision als Unterstützungsinstrument bei der Wahl geeigneter Strategien betrachten.

2 Herausforderungen und Strategien im Coaching

2.1 Herausfordernde Klienten im Coaching

Coaches können nicht nur positive, sondern auch negative Auswirkungen im Coaching erleben, wie beispielsweise Unsicherheit, Angst der Rolle als Coach nicht gerecht zu werden oder Frustration darüber, dass die Probleme des Klienten nicht gelöst werden konnten (Schermuly 2014). Es existieren dabei sowohl Belege für negative Effekte für Coaches (Graßmann et al. 2019a; Schermuly 2014; Diller et al. 2020a, 2020b), als auch für Klienten (Graßmann und Schermuly 2016; Schermuly et al. 2014) und auch für Organisationen (Oellerich 2016). Damit reiht sich Coaching in eine größere Evidenzbasis anderer dyadischer Professionen ein, wie dem Mentoring oder der Psychotherapie (s. Schermuly und Graßmann 2019). Zudem gibt es erste Studien, die einen Zusammenhang zwischen Klienten und Coaches beim Erleben von negativen Effekten aufzeigen (Graßmann et al. 2019a; Graßmann und Schermuly 2018). Dies lässt sich zum Teil dadurch erklären, dass Coaches sich in Folge von negativen Effekten bei ihren Klienten selbst weniger kompetent als Coach fühlen (Graßmann et al. 2019a). Nichtsdestoweniger bleibt offen, wann Coaches bestimmte Klienten als besonders herausfordernd empfinden und wann dies weniger der Fall ist. Wir gehen daher der folgenden Frage nach:

Forschungsfrage 1

Warum nehmen Coaches manche Klienten als herausfordernder als andere wahr?

2.2 Strategien für den Umgang mit herausfordernden Klienten

Insbesondere zum Umgang mit herausfordernden Klienten existiert nur wenig empirische Evidenz. Bisherige Forschung fokussierte sich oft auf generelle Faktoren im Handlungsbereich der Coaches und Klienten, wie zum Beispiel der Beziehungsqualität (z. B. Graßmann et al. 2020). Dieser „Common Factors“-Ansatz stammt ursprünglich aus der Psychotherapie und hat dort große Anerkennung erhalten (Messer und Wampold 2002; Rosenzweig 1936). Dieser Ansatz beruht auf der Annahme, dass allgemeine Faktoren, die über alle Coachingansätze und -methoden zu finden sind, wie beispielsweise die Beziehungsqualität, Coachingergebnisse besser erklären können als bestimmte Coachingtechniken und Interventionen (de Haan und Duckworth 2012). Dieser Ansatz hat allerdings den Nachteil, dass keine spezifischen Strategien vorgeschlagen werden (Sexton und Ridley 2004), die Coaches direkt in ihrer Arbeit anwenden können. Es gibt aber auch qualitative Studien, die Strategien im Umgang mit kritischen Momenten im Coaching untersuchen (z. B. de Haan 2008). Kritische Momente bezeichnen hierbei alle angespannten oder bedeutenden Momente im Coaching, bei denen Coaches zunächst nicht genau wussten was sie tun sollten (de Haan 2008). Hierzu zählt beispielsweise den Klienten richtig zu verstehen oder das Coaching zu vertiefen (de Haan 2008). Als hilfreiche Strategien um mit diesen Momenten umzugehen wurden unter anderem das Zusammenfassen und Spiegeln, Feedback sowie Selbstoffenbarung berichtet (de Haan 2008b). Diller et al. (2020a) haben sich erfolgreiche und nicht erfolgreiche Strategien im Umgang mit Coaching-Klienten angesehen, die hohe narzisstische, machiavellistische und psychopathische Ausprägungen aufweisen. Die am meisten genannten erfolgreichen Strategien waren Klarheit und Transparenz bei narzisstischen und machiavellistischen Klienten; für psychopathische Klienten wurden keine erfolgreichen Strategien genannt. Zudem zeigte sich, dass viele genannte erfolgreiche Strategien ebenso auch als nicht erfolgreiche Strategien genannt wurden (Diller et al. 2020a). Um mehr Licht darauf zu werfen, wie Coaches mit Klienten umgehen, die sie als herausfordernd empfinden, untersucht diese Studie die Frage:

Forschungsfrage 2

Welche Strategien nutzen Coaches im Umgang mit herausfordernden Klienten?

2.3 Die Rolle von Supervision in der Wahl von Strategien

Welche Rolle kontextuelle Faktoren wie beispielsweise organisationale Rahmenbedingungen oder die Kultur im Coaching spielen ist noch weitgehend ungeklärt (Bozer und Delegach 2019). Auch die Wahl und der Erfolg von Strategien im Umgang mit herausfordernden Klienten kann vom Kontext abhängen (Diller et al. 2020a, 2020c), in dem sich Klienten und Coaches bewegen. Hierfür untersucht diese Studie die Rolle von Supervision als einen kontextuellen Faktor, der außerhalb des herausfordernden Coachings mit dem Klienten selbst liegt. Supervision beschreibt die formelle professionelle Unterstützung der Coaches durch Supervidierende, die die professionelle Arbeitsweise und die Qualität des Coachings unterstützen sollen (Bachkirova et al. 2011). Supervision scheint für Coaches auch ein gutes Mittel zu sein, um trotz hoher psychischer Belastung eine hohe Zufriedenheit mit der Arbeit als Coach aufrechtzuerhalten (Müller et al. 2020). Auch in emotional schwierigen Situationen mit Klienten nutzen Coaches Supervision (Cox und Bachkirova 2007). Diller et al. (2020a) sehen zudem Supervision als wichtige Reflexionsmethode, um besser mit Klienten umgehen zu können, die hohe narzisstische, machiavellistische und psychopathische Ausprägungen besitzen. Daher überrascht es nicht, dass Coaches Supervision vor allem bei schwierigen Fällen als nützlich einschätzen (Grant 2012). Coaches benötigen die Möglichkeit, Themen mit Kollegen in einer nicht verurteilenden Atmosphäre zu besprechen (Gray 2011) und Supervision ist das vorherrschende Mittel für die professionelle Entwicklung als Coach und Reflexion der eigenen Praxis (Passmore und McGoldrick 2009). So berichten Coaches beispielsweise, dass sie durch Supervision ihre Selbstwirksamkeit und Ausdauer erhöht haben (Passmore und McGoldrick 2009) sowie neue Einsichten und Perspektiven entwickelt haben (Grant 2012). Diese Studie untersucht daher, inwiefern Supervision Coaches darin unterstützt, geeignete Strategien für den Umgang mit herausfordernden Klienten einzusetzen:

Forschungsfrage 3

Welche Rolle spielt Supervision in der Wahl von Strategien für den Umgang mit herausfordernden Klienten?

3 Methoden

3.1 Vorgehen

Die Coaches wurden über den Kooperationspartner XING Coaches + Trainer via E‑Mail mit einem Link zur Studie rekrutiert. Nach einer Einverständniserklärung erhielten die Coaches Fragen zu ihren demografischen Daten und Inanspruchnahme von Supervision. Daraufhin folgte eine Fallbeschreibung, in der sie einen Klienten beschreiben sollten, den sie als besonders herausfordernd/schwierig wahrgenommen hatten. Darauf folgten quantitative Fragen zu den Herausforderungen mit diesen Klienten. In einem nächsten Schritt sollten die Coaches erst qualitativ und dann quantitativ beschreiben, welche Strategien mit diesem Klienten erfolgreich waren. Nach Abschluss des Fragebogens erhielten die teilnehmenden Coaches die Einladung zu einer weiteren Befragung (Diller et al. 2020a), die nicht Teil dieser Studie ist. Als Dankeschön für die Teilnahme erhielten die Coaches eine Kurzbeschreibung der Ergebnisse der vorliegenden Studie.

3.2 Stichprobe

Es nahmen 99 Coaches an der Befragung teil. Im Durchschnitt waren die Coaches 53,62 (SD = 11,91) Jahre alt und die Mehrheit war weiblich (62,6 %). Als höchsten Bildungsabschluss verfügte die meisten Coaches über ein abgeschlossenes Hochschulstudium (64,6 %), eine abgeschlossene Berufsausbildung (15,2 %) oder ein abgeschlossenes Doktoratsstudium (10,1 %). Die Mehrheit der Coaches (84,8 %) hat eine oder mehrere Coachingausbildungen absolviert. Die Coaches gaben im Durchschnitt über 372 Klienten (SD = 1182; Median = 100) in ihrer Karriere an. Die meisten Coaches (78,8 %) berichteten, dass sie Supervision als Teil ihrer Arbeit als Coach nutzen.

3.3 Messmethoden

Herausfordernde Klienten im Coaching

Die Coaches wurden gebeten, an den Klienten oder die Klientin im Coaching zu denken, den sie bisher am herausforderndsten/schwierigsten im Coaching erlebten. In Anlehnung an das Vorgehen von Diller et al., (2020a) hatten die Coaches in einem offenen Textfeld zunächst die Möglichkeit zu beschreiben, welche Schwierigkeiten sie hatten. Danach bewerteten die Coaches auf einer 10-stufigen Likertskala von 1 (ganz und gar nicht) bis 10 (voll und ganz) quantitativ inwiefern bestimmte Ursachen für diese Klienten zutrafen. Die Herausforderungen wurden auf Basis der Coachingliteratur und gemeinsam mit vier erfahrenen Coaches entwickelt (s. auch Diller et al. 2020a; für ein ähnliches Vorgehen). Sie wurden eingeführt durch „Das Coaching war herausfordernd/schwierig für mich, weil mein/e Klient/in …“ und lauten wie folgt: „wenig Problembewusstsein hatte“, „falsche Erwartungen bezüglich des Coachings besaß“, „nur wenig Sympathie für mich hatte“, „kein konkretes Coachingziel hatte“, „mir wichtige Informationen vorenthalten hat“, „nur wenig motiviert war“, „bereits vor dem Coaching psychisch erkrankt war“, „narzisstische Tendenzen hatte“, „machiavellistische Tendenzen hatte“ und „psychopathische Tendenzen hatte“. Die drei letztgenannten Items wurden hinzugefügt, da aktuelle Forschung darauf hinweist, dass auch Narzissmus, Machiavellismus und Psychopathie im Coaching vorkommen können (Diller et al. 2020a, 2020c; Schiemann und Jonas 2020). Die quantitativen Kategorien wurden für die Analysen verwendet, sodass alle Coaches die Möglichkeit hatten, die möglichen Gründe für herausfordernde Coachingprozesse einzuschätzen. Dies ermöglichte die Exploration der Häufigkeiten auf Basis aller befragten Coaches, da sie auch Coaches einschätzten, die diese Gründe nicht von sich aus in den qualitativen Fragen nannten.

Erfolgreiche Strategien für den Umgang mit herausfordernden Klienten

In Anlehnung an das Vorgehen von Diller et al. (2020a) haben wir die Coaches zunächst in einem offenen Textfeld darum gebeten, die Strategien zu beschreiben, die sie erfolgreich für den Umgang mit den herausfordernden Klienten eingesetzt haben. Dies hatte den Vorteil, dass Coaches sich in den spezifischen Coachingprozess hineindenken konnten, um die nachfolgenden Fragen leichter beantworten zu können. Darüber hinaus können mit diesem Vorgehen weitere Strategien identifiziert werden, die in den nachfolgenden Kategorien nicht aufgeführt wurden. Danach haben die Coaches quantitativ eingeschätzt, ob sie die nachfolgenden Strategien erfolgreich eingesetzt haben: direkte Fragen, zirkuläre Fragen, Empathie, Konfrontation, dem Klienten mehr Raum geben, Feedback, Spiegeln, W‑Fragen, Reframing, Pausen aushalten, Humor, Auf Positives fokussieren, Reflektion, Hausübungen, Selbstoffenbarung, Vertrag vereinbaren, Zielsetzung, Allianz-Bildung, Wertschätzung, Vertrauen aufbauen/verstärken sowie Transparenz. Die Strategien wurden ebenfalls gemeinsam mit vier erfahrenen Coaches zusammengesetzt und wurden bereits in anderen Coaching-Studien erfolgreich verwendet (z. B. Diller et al. 2020a).

Supervision

Die Coaches gaben bei der Abfrage der demografischen Daten zudem an, ob sie Supervision in ihrer Arbeit als Coach nutzen (0 = keine Supervision; 1 = Supervision).

4 Ergebnisse

4.1 Herausfordernde Klienten im Coaching

Tab. 1 zeigt, warum Coaches Klienten im Coaching für herausfordernd hielten. Die häufigsten Ursachen waren Klienten mit wenig Problembewusstsein (86,9 %), falschen Erwartungen bezüglich des Coachings (83,8 %) oder einem unkonkreten Coachingziel (82,8 %). Coaches berichteten zudem, dass ihre als herausfordernden Klienten narzisstische (79,8 %), machiavellistische (63,6 %) oder auch psychopathische Tendenzen (59,6 %) hatten. Mehr als die Hälfte der Coaches (55,6 %) gab an, dass ihre Klienten bereits vor dem Coaching psychisch erkrankt waren. Um gemeinsame Faktoren der möglichen Ursachen für Schwierigkeiten zu identifizieren, führten wir im nächsten Schritt eine explorative Faktorenanalyse durch. Für die Faktorenanalyse wurden minimale Residuen für die Extraktion, oblimine Rotation und Parallelanalyse für die Anzahl der Faktoren gewählt. Die Ergebnisse zeigen zwei Faktoren (s. Tab. 2). Der erste Faktor trägt die Bezeichnung „geringe Motivation“, da er unter anderem geringe Motivation und Problemwahrnehmung sowie falsche Erwartungen und ein unkonkretes Coachingziel als Ursachen für herausfordernde Klienten beinhaltet. Der zweite Faktor trägt die Bezeichnung „psychische Auffälligkeiten“, da er vorhergehende psychische Störungen und Tendenzen zu Persönlichkeitsstörungen umfasst. Die beiden Faktoren „geringe Motivation“ und „psychische Auffälligkeiten“ hängen in geringem Maße miteinander zusammen, r = 0,24. Die Daten passen sehr gut zu einem Modell mit diesen zwei Faktoren, \(\chi 2\)(26) = 29,9, p = 0,27, TLI = 0,95, RMSEA = 0,04, RMSEA 90 % CI [0,00; 0,07]. Zudem gaben 70,9 % der befragten Coaches an um welche psychische Störung es sich ihrer Meinung nach bei ihren Klienten handelt (s. Tab. 3). Die Coaches, die zuvor eine psychische Störung angegeben hatten, nannten am häufigsten eine Depression (45,5 %). Coaches gaben auch Persönlichkeitsstörungen (14,5 %) an, hiervon spezifizierten sie insbesondere Narzissmus (9,1 %) und Borderline (3,6 %). Coaches nannten seltener Abhängigkeit (7,3 %) oder Burnout (5,4 %).

Tab. 1 Wahrgenommene Ursachen für schwierige Klienten
Tab. 2 Faktorenanalyse zu den wahrgenommenen Ursachen für schwierige Klienten
Tab. 3 Häufigkeiten der von Coaches wahrgenommenen psychischen Störungen bei ihren als schwierig erlebten Klienten

4.2 Erfolgreiche Strategien für den Umgang mit herausfordernden Klienten

Die befragten Coaches gaben im Durchschnitt 8,16 (SD = 4,20) verschiedene Strategien im Umgang mit den von ihnen als herausfordernd erlebten Klienten an. Die verwendeten Strategien sind in Tab. 4 abgebildet. Die befragten Coaches verwendeten am häufigsten Vertrauensaufbau (68,7 %), Empathie (63,6 %) und Wertschätzung (61,6 %). Danach folgten Spiegeln (53,5 %), Humor (48,5 %) und Positives fokussieren (47,5 %). Seltener wurden Selbstoffenbarung (22,2 %), Vertrag vereinbaren (16,2 %) und Allianz-Bildung (12,1 %) genannt. Aus den offenen Angaben zu erfolgreichen Strategien im Umgang mit herausfordernden Klienten konnten wir zudem den Coachingabbruch als weitere Strategie ableiten (11,1 %). Hierunter fallen ebenso Antworten, die zeigen, dass Klienten in die Psychotherapie vermittelt wurden.

Tab. 4 Häufigkeiten der verwendeten Strategien im Umgang mit schwierigen Klienten

4.3 Die Rolle von Supervision bei der Wahl von Strategien

Coaches, die angegeben haben, Supervision als Teil ihrer Arbeit als Coach zu nutzen, berichteten signifikant mehr Strategien, M = 8,73 (SD = 4,37), als Coaches, die keine Supervision nutzen, M = 6,05 (SD = 2,65), U = 536, Cohen’s d = 0,66, p = 0,015. Korrigiert man das Signifikanzniveau aufgrund der Vielzahl der Einzeltests durch die Bonferroni-Holm-Korrektur (Holm 1979) bei der Testung der spezifischen Strategien, lässt sich nur bei Humor ein Unterschied feststellen. Coaches in der Supervisionsgruppe geben dabei öfter an, Humor als Strategie einzusetzen, als Coaches, die keine Supervision verwenden, korrigiertes p = 0,06, p = 0,003. Aufgrund der offenen Angaben zu Coachingabbrüchen, untersuchten wir zudem, ob sich Coaches mit und ohne Supervision in der Häufigkeit von Abbrüchen unterscheiden. Wir verwendeten den Exakten Tests nach Fisher wegen der geringen Anzahl der genannten Coachingabbrüche und fanden keinen signifikanten Unterschied zwischen Coaches mit Supervision (10,3 %) und ohne Supervision (14,3 %), Fisher’s exakter Test = 1,48, p = 0,70.

5 Diskussion

Diese Studie explorierte die Fragen welche Klienten Coaches als herausfordernd erleben, welche Strategien sie für den Umgang mit diesen einsetzen und welche Rolle Supervision in der Wahl von Strategien spielt. Die Ergebnisse zeigen, dass Coaches ihre Klienten vor allem dann als herausfordernd erleben, wenn sie wenig Problembewusstsein hatten, falsche Erwartungen bezüglich des Coachings besaßen oder kein konkretes Coachingziel hatten. Für den Umgang mit herausfordernden Klienten nutzen Coaches eine Vielzahl an Strategien, vor allem aber Vertrauensaufbau, Empathie und Wertschätzung. Coaches, die Supervision nutzen, setzen insgesamt mehr Strategien ein.

5.1 Theoretische Implikationen

Geringe Motivation als Herausforderung

Die Coaches benannten bei den Herausforderungen vor allem Ursachen, die auf geringe Motivation ihrer Klienten hindeuten. Dieses Ergebnis passt sehr gut zu vorhergehender Forschung, die die Motivation des Klienten als einen der großen Einflussfaktoren für Coachingerfolg bestätigt hat (Bozer und Jones 2018). Forschung konnte auch zeigen, dass geringe Motivation des Klienten mit mehr negativen Effekten für Klienten (Graßmann und Schermuly 2016) und mehr Coachingabbrüchen (Schermuly 2018) einhergehen. Geringe Motivation scheint sich unseren Ergebnissen zufolge auch darauf auszuwirken, dass Coaches diese Klienten als besonders herausfordernd erleben, was erklären könnte warum sie auch selbst negative Effekte für sich selbst durch Coaching erleben (Graßmann et al. 2019a; Schermuly 2014).

Am häufigsten wurden wenig Problembewusstsein, falsche Erwartungen und ein unkonkretes Coachingziel als Herausforderungen im Coaching benannt. Hierbei handelt es sich um häufige Phänomene im Coaching und es erscheint interessant, dass sie dennoch als Gründe für besonders herausfordernde Coachingprozesse angesehen werden. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass Coaches diese typischen Herausforderungen im speziellen Fall nicht vollständig bewältigen konnten oder besondere Anstrengung dafür benötigten. Warum typische Aufgaben im Coaching, wie die Konkretisierung von Coachingzielen, in manchen Fällen nicht ausreichend oder nur mit Anstrengung gelingt, verbleibt unklar. Interessant ist, dass die drei am häufigsten genannten Gründe – Problembewusstsein, falsche Erwartungen und Zielunklarheit – typischerweise bereits am Anfang des Coachingprozesses bearbeitet oder zumindest angesprochen werden. Dies legt die Vermutung nahe, dass herausfordernde Prozesse sich bereits zu Beginn zeigen könnten. Weitere Forschung ist notwendig, um einen zeitlichen Verlauf abbilden zu können. Dies würde die rechtzeitige Auswahl von geeigneten Strategien deutlich erleichtern.

Psychische Auffälligkeiten als Herausforderung

Neben den wahrgenommenen Ursachen, die mit geringer Motivation der Klienten einhergehen, zeigen sich psychische Auffälligkeiten als weiterer Faktor. Mehr als die Hälfte der Coaches berichtete, dass ihre herausfordernden Klienten bereits vor dem Coaching eine psychische Störung besaßen. Im Vergleich dazu liegt die 12-Monats-Prävalenz diagnostizierter psychischer Störungen in Deutschland bei 27,8 % (Jacobi et al. 2014). Psychische Auffälligkeiten als Grund für herausfordernde Coachingprozesse scheint demnach ein anderes Erlebnis zu sein als wenn Coaches mit wenig motivierten Klienten zusammenarbeiten. Dies kann beispielsweise mit den erhöhten Anforderungen für Coaches einhergehen, da sie die psychischen Auffälligkeiten zunächst erkennen müssen und ihren Einfluss auf den Coachingprozess und ihre eigenen Fähigkeiten im Umgang mit diesen einschätzen müssen. Dies unterstützt die Annahme, dass insbesondere psychische Störungen im Coaching eine Herausforderung darstellen (Cavanagh 2005; Spence et al. 2006). Eine Studie zu narzisstischen, machiavellistischen und psychopathischen Tendenzen bei Klienten deutet darüber hinaus darauf hin, dass Coaches diese Klienten nicht nur als herausfordernd, sondern auch als bedrohlich und angstauslösend erleben (Schiemann et al. 2018).

Die befragten Coaches unserer Studie gaben am häufigsten an, dass ihre Klienten vor dem Coaching eine Depression besaßen. Die Depression zählt auch zu den häufigsten diagnostizierten psychischen Störungen in der Bevölkerung (Busch et al. 2013). Allerdings sind beispielsweise Angststörungen in der Bevölkerung noch häufiger vertreten (Jacobi et al. 2014), von denen in unserer Studie aber nur ein Coach berichtete. Dies lässt die Frage offen, ob Klienten mit Depression besonders häufig ins Coaching kommen, eine Depression eher von Coaches erkannt wird oder ein Klient mit Depression als besonders herausfordernd empfunden wird. Weitere Forschung ist notwendig, um zu identifizieren wie viele Klienten psychische Auffälligkeiten zeigen und wie Coaches mit diesen Klienten umgehen.

Vertrauen, Empathie und Wertschätzung als erfolgreiche Strategien

Coaches scheinen eine Vielzahl an Strategien zu verwenden, um mit herausfordernden Klienten umzugehen. Die häufigsten Strategien sind Vertrauen aufbauen/verstärken, Empathie und Wertschätzung. Darüber hinaus haben Studien gezeigt, dass Empathie und Vertrauen im Sinne von Wohlwollen als besonders förderlich für das Coaching sind (Kinder et al. 2020; Rekalde et al. 2015; Schiemann et al. 2018, 2019). Auch für den Aufbau von Beziehungen sind Empathie und Vertrauen wichtig (Jowett et al. 2012; Will und Kauffeld 2018). So fügen sich diese Ergebnisse nahtlos in die Forschung zur Beziehungsqualität zwischen Coach und Klient ein, die die wichtige Rolle für Coachingergebnisse bereits bestätigt hat (Graßmann et al. 2020; Kinder et al. 2020).

Coachingabbruch als Strategie

In den offenen Angaben zu den verwendeten Strategien fanden sich Hinweise auf Coachingabbrüche, sowohl seitens der Klienten als auch der Coaches. Dies kann ebenso die Vermittlung in die Psychotherapie bedeuten. Wenig ist dazu bekannt wie häufig Coachingprozesse tatsächlich abgebrochen und gegebenenfalls in die Psychotherapie vermittelt werden. Coaches, die bereits einen Abbruch erlebt haben, berichten durchschnittlich sechs Coachingprozesse, die im Laufe ihrer Karriere seitens der Klienten abgebrochen wurden (Schermuly 2018). Mit einer Auftretenswahrscheinlichkeit von über zehn Prozent bei herausfordernden Klienten liegt die Häufigkeit damit höher. Dies könnte darauf hindeuten, dass Coachingabbrüche inbesondere bei herausfordernden Klienten auftreten und passt du dem Befund, dass Coachingabbrüche auch mit negativen Nebenwirkungen assoziiert sind (Schermuly 2018). Weitere Forschungsarbeiten sind notwendig, um zu untersuchen ob die Beendigung eines Coachingprozesses als erfolgreiche oder nicht erfolgreiche Strategie angesehen wird, sowohl von Coaches als auch von Klienten. Dies trifft insbesondere für Klienten zu, bei denen Coaches psychische Auffälligkeiten bemerken und in die Psychotherapie vermitteln.

Supervision als Strategie-Erweiterung

Darüber zeigt die vorliegende Studie, dass Coaches mehr Strategien einsetzen, wenn sie Supervision als Teil ihrer Arbeit als Coach nutzen. Dies deutet darauf hin, dass Supervision im Umgang mit herausfordernden Klienten durch das Angebot weiterer Strategien unterstützen kann. Forschung konnte bislang keine direkten Effekte zeigen, beispielsweise dass Supervision den Coachingerfolg steigert (Bachkirova et al. 2011; Passmore und McGoldrick 2009). Dennoch existieren zumindest erste Belege für indirekte Effekte: So erleben Coaches in Supervision selbst weniger negative Effekte wenn sie bei ihren Klienten negative Effekte wahrgenommen haben (Graßmann und Schermuly 2018). Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass Supervision durch das Angebot weiterer Strategien Coaches in ihrer Arbeit unterstützen kann. Zudem deuten die Ergebnisse darauf hin, dass insbesondere Humor als Strategie öfter genutzt wird, wenn Coaches Supervision nutzen. Humor als Strategie bei herausfordernden Klienten mag zunächst eine überraschende Wahl sein, fügt sich allerdings gut in die sich etablierende Humorforschung im Arbeitskontext (s. Scheel und Gockel 2017) ein: Humor wahrt das Gesicht bei sensiblen Informationen (Holmes und Marra 2006; Schnurr und Chan 2011; Schöpf et al. 2017) und unterstützt den Aufbau und Schutz von Beziehungen (Schöpf et al. 2017). Diese Funktionen von Humor sollten daher insbesondere im Coaching relevant sein (Graßmann et al. 2019b). Gerade Supervision mag dazu beitragen, dass Coaches Herausforderungen im Coaching mit Humor begegnen können, weil sie sich selbst durch Supervision weniger belastet fühlen (Graßmann und Schermuly 2018) und den Blick wieder auf Positives im Coachingprozess lenken können. Diese Ergebnisse gelten zunächst nur für Coaches, die generell Supervision nutzen, da wir nicht zwischen Supervision im spezifischen Fall und genereller Nutzung unterschieden haben. Supervision ist zwar unter Coaches beliebt, aber die tatsächliche regelmäßige Nutzung gering (Grant 2012; Jepson 2016). Da wir einen Zusammenhang zwischen Supervision und der Anzahl von Strategien aufgezeigt haben, sollte weitere Forschung nun weiter spezifizieren, wann und in welchem Ausmaß Coaches Supervision genutzt haben und welche konkreten Strategien sie dabei reflektiert und entwickelt haben.

5.2 Praktische Implikationen

Aus den gewonnenen Erkenntnissen zu den wahrgenommenen Ursachen und Strategien für den Umgang mit herausfordernden Klienten lassen sich praktische Empfehlungen für Coaches, Supervidierende und Weiterbildungen ableiten. Wenn Coaches Klienten haben, die sie als herausfordernd erleben, können sie diese Ursachen verwenden um für sich zu reflektieren, warum sie diesen Klienten als herausfordernd empfinden. Dies können auch Supervidierende nutzen, um in der Supervision mehr über die Klienten zu erfahren und Coaches in ihrer Reflektion zu begleiten. Coaches können geeignete Strategien für sich reflektieren und bei Passung eine oder mehrere dieser Strategien ausprobieren. Auch der Abbruch eines Coachings kann eine Alternative darstellen, insbesondere bei psychischen Störungen. Coachingweiterbildungen können angehende Coaches darüber aufklären, welche Klienten auch erfahrene Coaches als schwierig empfinden. Darüber hinaus verstärken die Ergebnisse den Eindruck, dass Supervision beim Umgang mit herausfordernden Klienten unterstützen kann (Grant 2012; Graßmann und Schermuly 2018; Passmore und McGoldrick 2009). Coaches, die ihre aktuellen Klienten als herausfordernd erleben, könnten auf Supervision zurückgreifen, wenn ihnen die nötigen Strategien unklar sind oder das Gefühl haben, an ihre Grenzen zu kommen. Supervision könnte hilfreich dabei sein, neue Strategien zu explorieren und für den konkreten schwierigen Fall in Betracht zu ziehen. Supervidierende sollten beachten, dass Coaches gerade von der Wahl und Anzahl der Strategien bei herausfordernden Klienten profitieren können.

5.3 Limitationen

Die vorliegende Studie wirft Licht auf Forschungsfragen, zu denen aktuell wenig Evidenzbasis existiert. Diese Studie besitzt daher explorativen, meist deskriptiven Charakter und ist durch Limitationen begrenzt. Es können keine Kausalaussagen getroffen werden, da keine Experimente durchgeführt worden sind. Experimentaldesigns sind aus ethischen Gründen nur unter strengen Voraussetzungen bei Hilfesuchenden in der Supervision durchführbar. Dennoch lassen sich experimentelle Untersuchungen zu spezifischen Strategien durchführen, um kausal abzuleiten welche Strategien wann und unter welchen Bedingungen erfolgreich verlaufen. Nichtsdestotrotz ist aufgrund der Vielzahl der Kombinationsmöglichkeiten aus möglichen Szenarien und Bedingungen eine enorme Stichprobengröße nötig. Wir hoffen, dass unsere Erkenntnis, dass die Anzahl der Strategien mit Supervision zusammenhängen könnte, die Bildung von spezifischen Hypothesen erleichtert.

Außerdem wurden ausschließlich Coaches befragt. Weitere Perspektiven wären hilfreich um festzustellen wie Coaches die berichteten Strategien umgesetzt haben. Die Perspektive der Klienten würde zur Erkenntnis beitragen, wie sie die Strategien ihrer Coaches wahrgenommen haben und was sie bei ihnen bewirkt haben. Auch die Befragung von Supervidierenden würde dazu beitragen die Rolle der Supervision bei der Wahl geeigneter Strategien besser zu verstehen. Insbesondere qualitative Studien können zu diesem Erkenntnisgewinn beitragen. Auch sollten Coaches auch zur Intensität und Regelmäßigkeit von Supervision befragt werden, um genauere Aussagen ableiten zu können.

Darüber hinaus können Befragungen nur schwer abbilden wie intensiv und erfolgreich Coaches die berichteten Strategien in der Praxis auch umgesetzt haben. Zu diesem Zweck sollten Verhaltensbeobachtungen durch Videoanalysen ergänzt werden, die unmittelbarere und objektivere Daten liefern können (Will und Kauffeld 2018).

Trotz der hier genannten Limitationen trägt diese Studie zum Erkenntnisgewinn bei, inwiefern Coaches manche Klienten als besonders herausfordernd erleben und wie sie mit diesen Klienten im Coaching umgehen. Die Evidenzbasis zu den Strategien von Coaches und zur unterstützenden Rolle von Supervision im Coaching ist gering und wir hoffen mit dieser Studie weitere Forschung dazu anzustoßen, wie Klienten, Coaches und Supervidierende bei Herausforderungen unterstützt werden können.