Die Gesellschaft befindet sich heute mehr denn je in einem rasanten digitalen Wandel: Behörden, Haushalte, Unternehmen und ihre Interaktionen verändern sich infolge der zunehmenden Verbreitung und des rasch wachsenden Potenzials der digitalen Technologien. Unternehmen müssen sich fast zwangsläufig an der globalen digitalen Vernetzung beteiligen, die Automatisierung von Geschäftsprozessen verbessern und bestehende Geschäftsmodelle umgestalten. Vor allem im vergangenen Jahrzehnt hat sich bezüglich der technologischen Rahmenbedingungen viel getan. Neue Technologien sind für alle Unternehmen und auch für die Gesellschaft verfügbar, durch die wiederum innovative Anwendungsmöglichkeiten und Anwendungsfelder resultieren. Big Data, Cloud Computing, In-Memory-Datenbanken, Blockchain, Künstliche Intelligenz (KI) oder das Internet-of-Things (IoT) und Industrie 4.0 durchdringen immer stärker die Unternehmensprozesse und damit auch alle Logistikketten und Wertschöpfungsnetzwerke.

Dabei bringen neue Konzepte und Technologien nicht nur zusätzliche Chancen mit sich und bergen enorme Potenziale, sondern stellen Unternehmen regelmäßig auch vor Probleme und Herausforderungen. Doch wo stehen Unternehmen tatsächlich bei der Digitalisierung der Supply Chain bzw. der Wertschöpfungsnetzwerke? Sind die Unternehmen angekommen in der Logistik 4.0? In diesem Schwerpunktheft werden die Fragen aufgegriffen, dargestellt und diskutiert.

Beginnend mit dem Grundlagenbeitrag fokussiert Grosse die Transformation hin zur Logistik 4.0 und gibt einen Überblick zum Stand der Forschung der verschiedenen Gebiete der Logistik 4.0 und der Implikationen für die Praxis. Sich dem Grundlagenbeitrag anschließend wird die Logistik 4.0 in den folgenden drei Beiträgen aus der ganzheitlichen Perspektive der Lieferantennetzwerke sowie einer eher datenfokussierten Perspektive betrachtet. Dabei wird zunächst im Beitrag von Hoffmann et al. u. a. diskutiert, welche Hindernisse bei der Einführung digitaler Lieferantennetzwerke bestehen und es werden darauf aufbauend konkrete Handlungsempfehlungen für eine erfolgreiche Implementierung abgeleitet, um eine stärkere und resilientere Kooperation im gesamten Wertschöpfungsnetzwerk zu erreichen.

Im nachfolgenden Beitrag von Zimmermann und Schäffer forcieren die Autoren den Austausch von Daten über Organisationsgrenzen hinweg als einen wesentlichen Bestandteil der Logistik 4.0. Dieser inter-organisatorische Datenaustausch birgt jedoch auch Herausforderungen z. B. hinsichtlich der Qualität der auszutauschenden Daten. Um dies adäquat bewältigen zu können, braucht es neben einer internen auch eine nach außen gerichtete Data Governance, die die Verantwortlichkeiten und Aufgaben klar festlegt. Diesbezüglich stellen die Autoren die Rollen bzw. Aufgaben speziell für die inter-organisatorische Kooperation dar und erarbeiten ein Rollenmodell für eine inter-organisatorische Data Governance.

Anschließend zeigt Kusturica in ihrem Beitrag, wie Daten zur Schätzung und Berechnung von Prozessdauern genutzt werden können. Die Anwendung der im Beitrag vorgestellten Methode soll dem Projektmanagement eine genauere, datenbasierte Schätzung von Prozessdauern ermöglichen. Das daraus entstehende Wissen kann über einen Ontologieansatz wiederverwendet werden.

Nachfolgend werden in drei Beiträgen konkrete Anwendungsbeispiele im Kontext der Logistik 4.0 dargestellt. Im ersten Beitrag stellen die Autoren Heinbach und Thomas das Konzept „Freight Service Platform Ecosystems“ vor. Dieses Konzept umfasst eine prozessorientierte Value Co-Creation durch telematikgestützte Transportladungsträger in Plattform-Ökosystemen. Neben der Beschreibung dieses Konzepts werden auch strategische Handlungsmaßnahmen für gemeinsame Wertschöpfungen formuliert.

Im zweiten Beitrag von Heinbach et al. wird der Einsatz von Wearable-Technologien (wie. z. B. Smart Glasses) für das Reparatur- und Instandhaltungsmanagement von Fahrzeugflotten diskutiert. Die Autoren zeigen in ihrem Beitrag die Möglichkeiten und Einsatzbereiche von Augmented Realitiy für ein automatisiertes und vernetztes Flottenmanagementsystem auf. Es wird von den Autoren diskutiert, wie durch den Einsatz dieser Technologie die Prozesseffizienz des Flottenmanagements erhöht werden kann, um somit nicht ausgeschöpfte Dienstleistungspotenziale des Flottenmanagements zu heben. Des Weiteren formulieren die Autoren Implikationen für die Akteure im Flottenmanagement im Kontext der digitalen Transformation der Güterverkehrsbranche. Diese Beitragsreihe schließen die Autoren Neugebauer et al. mit der Beschreibung eines Vorgehens zur Ermittlung von Use Cases und zur Anforderungsanalyse im Rahmen der Entwicklung eines digitalen Zwillings für ein Containerterminal im Hamburger Hafen ab. Dabei kann diese Vorgehensweise zur Anforderungsanalyse vor allem aufgrund der technisch komplexen Umsetzungsziele als Referenz für ähnliche Logistik 4.0-Projekte angesehen werden.

Das Thema Logistik 4.0 in diesem Schwerpunktheft abschließend, betrachtet der Beitrag von Stevenson und Rieck den Bereich B2C-E-Commerce. Die logistischen Prozesse in diesem Anwendungsfeld werden mit einer immer stärkeren Zahl von Bestellungen und Retouren belastet. Um die damit verbundenen Probleme und Herausforderungen bewältigen zu können, zeigen Stevenson und Rieck auf Basis eines Anwendungsbeispiels, wie der Prozess des Retoureneingangs und der Retourenbearbeitung durch Datenanalyse optimiert werden kann.

Anschließend wird, wie bei HMD-Schwerpunktheften üblich, auch dieses Heft mit einer Auswahl von Spektrumsbeiträgen ergänzt, bevor zwei Buchrezensionen das Schwerpunktheft abrunden.

An dieser Stelle möchten wir uns bei allen Autor:innen und auch bei den Gutachter:innen sehr herzlich bedanken, ohne die ein Gelingen dieses interessanten Schwerpunkthefts nicht möglich gewesen wäre. Wir wünschen Ihnen, liebe Leser:innen, viele spannende Erkenntnisse beim Lesen des Hefts sowie nützliche Anregungen, die Sie als Impulse für Ihre Tätigkeiten aufgreifen und umsetzen können.

Viele Grüße,

Christian Leyh und Knut Hildebrand