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The Age of A.I.: And Our Human Future
ISBN: 978-0316273800, Little, Brown and Company (2. November 2021), 272 S., € 26.77
Das reisserische Buch „Zeitalter der KI“ wurde von drei sehr großen Namen verfasst – 1., dem Globalisten Henry Kissinger, 2., dem Ex-Google- und Alphabet-Vorstand Eric Schmidt und, 3., dem MIT-Dekan des „College of Computing“ Daniel Huttenlocher. Allerdings verzichten die Autoren für mich – als holistischer Informatiker, Digitalethiker und Humanist – leider darauf, eine ebenso richtungweisende Position einzunehmen. Vielmehr vertreten sie eine eher tradierte Agenda, die den Mythos der Künstlichen Intelligenz (KI) noch stärker vorantreiben soll, ohne groß auf ethische Bedenken einzugehen. Der intellektuelle Beitrag der drei Autoren ist marginal, aber ihr Buch verdient, nicht so sehr wegen der ethischen Überlegungen, die man bei dem Untertitel „und unsere menschliche Zukunft“ etwa erwarten würde, sondern eher wegen seiner politischen Agenda, trotzdem eine sorgfältige Betrachtung.
Das Buch von Kissinger, einer starken Stimme, welche sich für die Stärkung des militärisch-industriellen Komplexes einsetzt, Schmidt, einem Befürworter militärischem Investment in Big-Tech-Konzerne (wie Google) und Huttenlocher, dessen Labor von einem Mitbegründer des Blackstone-Konzerns ins Leben gerufen wurde, kommt als große PR-Kampagne für den Alphabet-Konzern daher. In dieser Kampagne nimmt das Trio die Gelegenheit wahr, ihre Ansichten einem breiten Publikum vorzustellen, um dadurch (politische) Entscheidungsträger und Akteure zu beeinflussen. Dass dabei KI-ethische Überlegungen auf der Strecke bleiben, ist deshalb nicht wirklich verwunderlich. Dass die Autoren, einem mechanistischen Weltbild folgend, den Einsatz von KI als ‚moralischen Imperativ‘ darstellen – „sobald die Leistung der KI die des Menschen bei einer bestimmten Aufgabe übertrifft, kann es zunehmend dekadent, pervers oder sogar fahrlässig erscheinen, die KI nicht einzusetzen, zumindest als Ergänzung zum Menschen“ (S. 33) –, wirkt allerdings irgendwie skurril.
Ein zentrales Thema ist die vermeintliche Unvermeidbarkeit von Künstlicher Intelligenz. Der nach einem geschichtlichen Rückblick angestimmte Refrain ist unerbittlich: KI sei bereits überall um uns herum, unbestreitbar, unausweichlich und werde „sowohl die Menschen als auch seine Umwelt, in der er lebt, verändern“ (S. 37). Zudem könnte Künstliche Intelligenz sich bald als unverzichtbar erweisen und diese Erfindung kann nicht mehr rückgängig gemacht werden. Nicht weniger nachdrücklich warnen sie vor den Gefahren oder gar der Feigheit, sich der Künstlichen Intelligenz zu verweigern. Die Autoren behaupten, dass „Versuche, die Entwicklung zu stoppen, die Zukunft denjenigen Menschen überlässt, die eben mutig genug sind, sich den Auswirkungen ihres eigenen Erfindungsreichtums zu stellen“ (S. 23), während Tech-Whistleblower so etwas wie „Verräter und Saboteure“ (S. 184) seien.
Künstliche Intelligenz ist aber nicht unvermeidlich: Die Öffentlichkeit erkennt immer mehr, dass sie eine Wahl hat, ob diese entwickelt und eingesetzt werden sollte oder nicht – und dies stellt für die Big-Tech-Konzerne, deren Finanzierung, Einnahmen und Wachstumsprognosen von der Allgegenwart der KI abhängen, eine große Bedrohung dar. Die Autoren beteuern, dass die Entwicklung des Einflusses der Netzplattformen auf unser gesellschaftspolitisches Klima unbeabsichtigt sei – äußern sich aber nicht dazu, ob große Technologieunternehmen eine stärkere Aufsicht und Regulierung benötigen. Stattdessen belehren sie uns Leser einerseits recht banal, andererseits schon beinahe scheinheilig, dass die Gesellschaft sich Gedanken darüber machen sollte, wer die Entscheidungen über die KI treffen sollte und wie es um deren Transparenz bestellt ist. Solche Aussagen von führenden Köpfen der fraglichen Unternehmen, die von uns, die wir nicht an den Schalthebeln der Macht sitzen, kaum beeinflusst werden können, erscheinen dann doch arrogant und überflüssig.
Insgesamt führt Kissingers, Schmidts und Huttenlochers Buch zu Fragen über menschliche Autonomie: Wie viel davon wollen wir behalten und wie viel weggeben? Sollten wir den Ergebnissen und Empfehlungen von KI – wie dem sprichwörtlichen griechischen Orakel – vertrauensvoll folgen, anstatt Beweise zu fordern, dass sie menschlichen Aussagen tatsächlich überlegen sind? Wie finden wir Menschen in einer Welt, die von KI organisiert und am Laufen gehalten wird, (noch) Erfüllung? Nähern wir uns einem neuen Zeitalter des (Tech‑) Glaubens, in dem wir uns bei unseren Entscheidungen auf eine einzige Stimme verlassen, auf eine neue unfehlbare Gottheit, die Maschine? Und, last but not least, wäre das so schlecht oder würde es gar zur menschlichen Entfaltung beitragen? Insgesamt bleibt nüchtern festzuhalten: Die drei Autoren sollten ihr KI-Denken aus ihrem mechanistischen Gewand befreien. Dabei sollten sie sich besser nicht nur auf Intelligenz und Rechenkapazität konzentrieren, sondern auch auf den potenziellen Intellekt (der Künstlichen Intelligenz) sowie dessen moralisches Urteilsvermögen. Das Ergebnis wäre eine bessere KI und eine erstrebenswertere Zukunft.
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Portmann, E. Rezension „The Age of A.I.: And Our Human Future“. HMD 59, 710–712 (2022). https://doi.org/10.1365/s40702-022-00860-1
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