Digitaler Stress ist eine Stressform, die durch die Nutzung und Allgegenwärtigkeit digitaler Technologien verursacht wird. Obwohl diese Stressform seit den 1980er-Jahren in der Fachliteratur beschrieben wird, als synonyme Begriffe gelten Technostress und Computerstress, hat die Thematik im letzten Jahrzehnt weiter enorm an Bedeutung gewonnen. Zunehmend mehr interessieren sich auch Verantwortungsträger in der Praxis für den digitalen Stress sowie seine Ursachen (z. B. ständige Erreichbarkeit am Smartphone, unzuverlässige und instabile Systeme, Informationsüberlastung) und Folgen (z. B. negative gesundheitliche Wirkungen, Unzufriedenheit, verminderte Leistungsfähigkeit und Produktivität).In diesem Beitrag wird ein neuer Fragebogen vorgestellt, der im englischen Original als Digital Stressors Scale (DSS) publiziert wurde (Frontiers in Psychology, 12:607598). Die hier beschriebene deutschsprachige Version enthält wie das englischsprachige Original 50 Items (Fragen), die entlang von zehn Kategorien strukturiert sind. Im Aggregat ergeben diese Kategorien den von einem Menschen im Arbeitskontext erlebten digitalen Stress. Der Fragebogen sowie seine zehn zugrunde liegenden Stresskategorien können sowohl von Wissenschaftlern im Zuge ihrer Forschungen als auch von Praktikern bei der Bestimmung des digitalen Stresses im Arbeitskontext eingesetzt werden.

Bei digitalem Stress handelt es sich um eine Stressform, die durch die Nutzung und Allgegenwärtigkeit von digitalen Technologien verursacht wird [1, 2]. Als sich in den 1980er-Jahren der PC zu verbreiten begann, wurde bereits über ausgeprägte Stresswahrnehmungen von Benutzern berichtet. Zur Benennung dieses Phänomens wurde meist der Begriff „Technostress“ (z. B. [3]), gelegentlich auch der Begriff „Computerstress“ verwendet (z. B. [4]). Mit der enormen Verbreitung von Smartphones im vergangenen Jahrzehnt und der damit verbundenen ständigen Erreichbarkeit gewann die Thematik weiter an Bedeutung. Mittlerweile sind Hunderte wissenschaftliche Studien verfügbar. Das angewendete Methodenspektrum reicht dabei von Experimenten mit neurobiologischen Messungen unter kontrollierten Laborbedingungen (z. B. [5, 6]) bis zu Fragebogenstudien (z. B. [7, 8]). Heutzutage weiß man, dass digitaler Stress sowohl für Individuen als auch für Unternehmen negative Folgen haben kann. Ein aktuelles Buch, das für die Praxis geschrieben ist, fasst die Ergebnisse mehrerer Hundert Studien kompakt zusammen [9]. Zudem zeigen aktuelle Studien aus dem deutschsprachigen Raum, dass der digitale Stress hierzulande ein bedeutsames Phänomen ist [10,11,12].

Viele Verantwortungsträger in der betrieblichen Praxis beginnen nun langsam die Tragweite der Problematik zu begreifen. Immer mehr Vorstände, Chief Information Officer (CIO), IT-Leiter und vor allem Verantwortungsträger aus HR-Abteilungen beginnen sich mit der Thematik auseinandersetzen. Letztlich geht es bei Betrachtung von digitalem Stress im Arbeitskontext darum, die Mitarbeitergesundheit zu schützen, für Zufriedenheit und Wohlbefinden zu sorgen und die Leistungsfähigkeit und Produktivität des Unternehmens sicherzustellen.

Grundlage einer objektiven Auseinandersetzung mit der Thematik sowie einem zielgerichteten Digital-Stress-Management in der Praxis ist, das Phänomen zuverlässig messen zu können. Nach unserem Kenntnisstand war der Psychologe Richard A. Hudiburg der erste, der sich systematisch mit der Entwicklung eines fragebogenbasierten Messinstruments auseinandersetzte. In einer Reihe von Arbeiten zur „Computer Technology Hassles Scale“ befasste er sich Ende der 1980er- und Anfang der 1990er-Jahre mit diesem Thema (vgl. Anhang B in einem Review von [13]). Das weltweit bislang am meisten zitierte Fragebogeninstrument wurde jedoch von Informationssystemforschern veröffentlicht, bekannt als „Technostress Creators Scale“ [1]. Dieser Fragebogen konzeptualisiert Technostress entlang von fünf Kategorien mit insgesamt 23 Items (Fragen): Technoüberlastung (Fokus sind hier Phänomene in Bezug auf Informationsüberlastung und Multitasking), Technoinvasion (ständige Erreichbarkeit, Work-Home-Konflikt), Technokomplexität (immer am aktuellen Technologiestand bleiben, sich ständig weiterbilden müssen), Technoungewissheit (durch Digitalisierung den Job verlieren, gegenüber technologisch sachkundigeren Menschen ins Hintertreffen geraten) und Technounsicherheit (ständiger Wandel in der IT-Landschaft, permanente Upgrades und Updates).

Aufgrund mehrerer Umstände wie Probleme mit der Inhaltsvalidität (das Phänomen wird nicht in seiner gesamten Reichhaltigkeit abgebildet) sowie messtheoretischer Überlegungen zur Stresserfassung (Stress resultiert unter anderem aus einer Diskrepanz zwischen Erwartungen und tatsächlicher Beschaffenheit) wird in der Fachliteratur bereits seit einiger Zeit argumentiert, dass eine Überarbeitung der „Technostress Creators Scale“ oder überhaupt die Neuentwicklung eines Messinstruments notwendig sei (vgl. z. B. [14]). Vor einiger Zeit haben wir uns dazu entschlossen, ein neues Instrument zu entwickeln. Die Darstellung des Entwicklungsprozesses sowie des daraus resultierenden englischsprachigen Fragebogens wurde kürzlich in der Fachzeitschrift Frontiers in Psychology veröffentlicht [15].

Zielsetzung des vorliegenden Beitrags ist die Vorstellung der deutschsprachigen Version der „Digital Stressors Scale“ (also eines Fragebogens zur Messung von digitalem Stress im Arbeitskontext) sowie der zugrunde liegenden Methodik. Wie im Folgenden noch im Detail ausgeführt wird, wurde diese deutschsprachige Version auf der Basis eines Onlinefragebogens und einer Stichprobe von n = 3333 Personen in Deutschland, Österreich und der Schweiz getestet (mit über 1000 Menschen in jedem der drei Länder).

Die weitere Abhandlung ist folgendermaßen strukturiert: Sie beginnt mit der Beschreibung des Fragebogens. Danach folgt die Darstellung der Datenerhebung und Stichprobe sowie der Ergebnisse der psychometrischen Evaluierung. Es wird auf Objektivität, Reliabilität und Validität eingegangen. Der Beitrag wird durch ein Fazit abgeschlossen.

Fragebogen

Im Folgenden werden die zehn Stresskategorien beschrieben. Danach erfolgt die Darstellung des Fragebogens. Die Beurteilung der 50 Items findet hierbei mit einer 7‑stufigen Likert-Skala statt, die von „stimme überhaupt nicht zu“ bis „stimme völlig zu“ reicht. Dabei wird einem Teilnehmer jede der 50 Aussagen präsentiert (in zufälliger Reihenfolge), ergänzt um die Frage „Welche Antwort trifft auf Sie zu?“. Die Darstellung der 7‑stufigen Skala im Fragebogen umfasst die Benennung der beiden genannten Extremausprägungen, ergänzt um „neutral“ in der Mitte der Skala. Zudem gibt es bei jeder Frage die Antwortoption „Weiß nicht“. Weitere Fragebogeninstruktionen inklusive einer Erläuterung der Abkürzung „IKT“ für die Teilnehmer finden sich im Anhang.

Stresskategorie 1: Komplexität

Sie beschreibt Situationen, in denen sich die Benutzer von Informations- und Kommunikationstechnologien überfordert fühlen. Die Anforderungen, um das System bedienen zu können, überschreiten die Fähigkeiten. Dies hat zur Folge, dass viel Zeit und Mühe in das Erlernen und Beherrschen von Informationssystemen und digitalen Geräten zu investieren ist.

Stresskategorie 2: Gestörte Work-Life-Balance

Mitarbeiter sind ständig erreichbar und fühlen sich verpflichtet, jederzeit für Kollegen und Vorgesetzte verfügbar zu sein. Beispielsweise werden dienstliche E‑Mails spät nachts bearbeitet und man ist auch an Wochenenden erreichbar.

Stresskategorie 3: Angst, durch digitale Technologien ersetzt zu werden

Die Ungewissheit und daraus resultierende Sorgen sind insbesondere dann ausgeprägt, wenn folgende Gefahren bestehen: durch vermehrten Einsatz von digitalen Technologien und/oder durch Personen, die ein besseres Verständnis von Technologie haben, ersetzt zu werden, was mit dem Verlust des Arbeitsplatzes einhergeht.

Stresskategorie 4: Verletzung der Privatsphäre

Diese leidet dann, wenn befürchtet wird, dass Informationen für unbefugte Dritte leicht zugänglich sind und persönliche Daten gestohlen werden könnten.

Stresskategorie 5: Überlastung mit Informationen und Aufgaben

Die Nutzung digitaler Technologien kann dazu führen, dass man mehr Aufgaben in immer kürzerer Zeit abzuarbeiten hat. Zudem kann es aufgrund der Nutzung vieler Medien zu Informationsüberlastung kommen.

Stresskategorie 6: Probleme mit der Sicherheit

Hiermit sind Situationen gemeint, in denen sich Benutzer Sorgen machen, schadhafte Programme herunterzuladen oder Opfer von Hackerangriffen zu werden. Zudem können E‑Mails unbekannter Absender Bedenken auslösen.

Stresskategorie 7: Sozialer Druck und Kommunikationsmisere

Umfasst Phänomene wie das Gefühl, jederzeit und überall für andere erreichbar sein zu müssen. Außerdem kann die Technologienutzung ungewollte soziale Normen bewirken (z. B. die Erwartung, dass E‑Mails oder Messengernachrichten direkt beantwortet werden müssen).

Stresskategorie 8: Mangelnde Nützlichkeit von Programmen und Informationssystemen

Damit wird das Phänomen beschrieben, dass einerseits viele Systeme Funktionen haben, die keinen Beitrag zur Erfüllung der betrieblichen Aufgaben leisten, andererseits aber wichtige Funktionen nicht angeboten werden.

Stresskategorie 9: Mangelnder Support

Gibt an, dass bei technischen Problemen keine ausreichende Unterstützung zur Verfügung steht oder es lange dauert, bis Abhilfe geschaffen wird. Zudem ist es möglich, dass zwar Unterstützung zur Verfügung steht, die Probleme aber nicht adäquat gelöst werden können.

Stresskategorie 10: Unzuverlässigkeit und technische Störungen

Systemabstürze oder lange Antwortzeiten sind typische Probleme. Benutzer empfinden, dass sie zu viel Zeit mit der Behebung von technischen Störungen verbringen und somit Arbeitszeit verschwendet wird.

Im Folgenden sind die 50 Items, sortiert nach den zehn Stresskategorien, angeführt. Im Fragebogen wird den Teilnehmern erklärt, dass IKT das Akronym für Informations- und Kommunikationstechnologie(n) ist und alle möglichen computerbasierten Programme, Anwendungen und Informationssysteme umfasst, die im Arbeitskontext zum Einsatz kommen. Im Fragebogen werden die 50 Items in zufälliger Reihenfolge ohne Benennung der Kategorien dargeboten.

Stresskategorie 1: Komplexität

  • Ich finde es oft zu kompliziert, eine berufliche Aufgabe mithilfe von IKT auszuführen.

  • Ich benötige oft mehr Zeit als erwartet, um mit IKT in meinem beruflichen Umfeld eine Aufgabe auszuführen.

  • Ich empfinde die in meinem beruflichen Umfeld zur Verfügung stehenden IKT als zu unübersichtlich.

  • Ich finde oft nicht genug Zeit, mit neuen Funktionen der IKT im Berufsumfeld Schritt zu halten.

  • Es würde für mich zu viel Zeit in Anspruch nehmen, komplett zu verstehen, wie ich die IKT im beruflichen Umfeld nutzen kann.

Stresskategorie 2: Gestörte Work-Life-Balance

  • Ich finde, dass mein Privatleben darunter leidet, dass mich durch IKT berufliche Probleme überall erreichen können.

  • Wegen IKT ist es zu schwer für mich, mein Privatleben und mein Arbeitsleben zu trennen.

  • Wegen IKT ist es schwieriger, klare Grenzen zwischen Privatleben und Arbeitsleben zu ziehen.

  • Meine Work-Life-Balance leidet durch die Verwendung von IKT.

  • Die Allgegenwärtigkeit von IKT stört meine Work-Life-Balance.

Stresskategorie 3: Angst, durch digitale Technologien ersetzt zu werden

  • Ich finde, dass durch IKT meine berufliche Position bedroht ist.

  • Ich befürchte, dass ich im Beruf aufgrund der Standardisierung von Arbeitsabläufen, die durch IKT ermöglicht wird, ersetzt werden könnte.

  • Ich kann aufgrund der Gefahr der Automatisierung durch IKT nicht optimistisch über meine langfristige berufliche Sicherheit sein.

  • Ich fürchte, dass ich von Maschinen ersetzt werden könnte.

  • Ich fürchte, dass die Digitalisierung mich meinen Job kosten wird.

Stresskategorie 4: Verletzung der Privatsphäre

  • Ich befürchte, dass meine Nutzung von IKT weniger vertraulich ist, als ich das gerne hätte.

  • Ich befürchte, dass die Informationen, die ich via IKT austausche, nicht ausreichend gut geschützt sind.

  • Ich fürchte, dass böswillige Individuen (z. B. Hacker) durch IKT leicht meine Identität kopieren können.

  • Durch IKT sind meine persönlichen Informationen zu leicht zugänglich.

  • Ich fürchte, dass meine persönlichen Daten im Internet leicht von anderen gestohlen werden können.

Stresskategorie 5: Überlastung mit Informationen und Aufgaben

  • Wegen IKT habe ich zu viel zu tun.

  • Aufgrund von IKT habe ich zu viele unterschiedliche Dinge zu tun.

  • Durch IKT ist es für andere Personen zu einfach, mir zusätzliche Arbeit zu übermitteln.

  • Ich habe nie freie Zeit, weil mein Zeitplan durch IKT zu eng organisiert ist.

  • Durch IKT gibt es einen ständigen Schwall von arbeitsbezogenen Informationen, mit denen ich einfach nicht mithalten kann.

Stresskategorie 6: Probleme mit der Sicherheit

  • Ich muss mir zu oft Sorgen machen, ob ich schadhafte Programme herunterlade.

  • Ich muss mir zu oft Sorgen machen, ob ich schadhafte E‑Mails erhalte.

  • Ich fürchte, dass Hacker durch einen Fehler von mir möglicherweise Zugang zu Unternehmensgeheimnissen bekommen.

  • Ich fühle mich ängstlich, wenn ich eine E‑Mail von jemandem erhalte, den ich nicht kenne, weil es eine böswillige Attacke sein könnte.

  • E‑Mails, deren Absender ich nicht kenne, machen mich nervös.

Stresskategorie 7: Sozialer Druck und Kommunikationsmisere

  • Durch IKT habe ich zu viel mit den Problemen anderer zu tun.

  • Ich finde, dass durch IKT eine zu hohe Erwartung erzeugt wird, dass ich jederzeit und überall erreichbar sein soll.

  • Wegen irrelevanter Kommunikation mit anderen Menschen auf sozialen Medien geht bei der Arbeit zu viel Zeit verloren.

  • Ich habe das Gefühl, dass IKT ungewollte soziale Normen bewirken (z. B. die Erwartung, dass E‑Mails direkt beantwortet werden).

  • Wegen der kommunikativen Möglichkeiten der IKT (z. B. Social Media) ist es während der Arbeit zu schwer, sich eine Pause von sozialen Interaktionen zu nehmen.

Stresskategorie 8: Mangelnde Nützlichkeit von Programmen und Informationssystemen

  • Ich finde, dass sich die Anforderungen meiner Arbeit und die Funktionen der zur Verfügung stehenden IKT nicht gut genug decken.

  • Ich finde, dass ich zu wenig Nutzen aus der Verwendung der bestehenden IKT für meine Arbeit generieren kann.

  • Die IKT, die ich bei der Arbeit nutze, sind voll von zu vielen Funktionen, die ich nie brauche.

  • Es braucht zu viele verschiedene Systeme, um die Aufgaben, die ich während eines normalen Arbeitstages bearbeiten muss, zu erledigen.

  • Ich denke, dass die meisten IKT, die mir bei der Arbeit zur Verfügung gestellt werden, nicht nützlich genug sind und ich meine Arbeit auch ohne sie machen könnte.

Stresskategorie 9: Mangelnder Support

  • Ich muss mir Sorgen über IT-Probleme machen, weil keine ausreichende Unterstützung für deren Behebung im Unternehmen zur Verfügung steht.

  • Ich finde, dass es zu oft vorkommt, dass bei technischen Problemen keine ausreichende Unterstützung zur Verfügung steht.

  • Ich finde, dass es zu oft vorkommt, dass technische Unterstützung nicht dann zur Verfügung steht, wenn ich sie benötige.

  • Ich muss oft lange warten, weil technische Probleme in unserer Organisation nicht adäquat gelöst werden können.

  • Ich fürchte, dass ein technisches Problem, das ich bei der Arbeit habe, von keinem anderen Mitarbeiter gelöst werden könnte.

Stresskategorie 10: Unzuverlässigkeit und technische Störungen

  • Ich finde, dass ich zu oft mit unerwartetem Verhalten der verwendeten IKT konfrontiert bin (z. B. Abstürze oder lange Ladezeiten).

  • Ich finde, dass ich zu viel Zeit durch technische Störungen verliere.

  • Ich finde, dass ich zu viel Zeit mit der Behebung von technischen Störungen verbringe.

  • Zu viel meiner Arbeitszeit wird dadurch verschwendet, dass ich mit der Unzuverlässigkeit der IKT zu kämpfen habe.

  • Der tägliche Ärger mit IKT (z. B. langsame Programme oder unerwartetes Systemverhalten) macht mir wirklich zu schaffen.

Hinsichtlich der Auswertung der Ergebnisse wird empfohlen, der Aussage „stimme überhaupt nicht zu“ den Wert „0“ zuzuordnen (Minimum). Daraus folgt, dass „neutral“ den Wert „3“ hat und das Maximum der Skala mit „stimme völlig zu“ beim Wert „6“ liegt. Der Wert des digitalen Stresses einer Person ergibt sich als Durchschnitt über alle 50 Items. Der digitale Stress jeder einzelnen Kategorie ergibt sich als Durchschnitt über die fünf zugrunde liegenden Items.

Datenerhebung und Stichprobe

Um Daten für die Validierung des deutschsprachigen Messinstruments zu erheben, wurde der Fragenkatalog als Onlinefragebogen implementiert. Die Befragung fand im Zeitraum von November bis Dezember 2019 statt. Insgesamt konnten n = 3333 verwertbare Datensätze aus Deutschland, Österreich und der Schweiz gesammelt werden. In jedem der drei untersuchten Länder war die Stichprobengröße > 1000. Konkret ist die Verteilung wie folgt: Deutschland (n = 1012), Österreich (n = 1187), Schweiz (n = 1134). Die Teilnehmer erhielten einen Link per E‑Mail, der sie zum Fragebogen weiterleitete. Für die Datenerhebung wurde das Softwaretool SoSciSurvey verwendet. Durchgeführt wurde die Erhebung vom international tätigen Marktforschungsunternehmen Respondi im Auftrag der Fachhochschule Oberösterreich. Zur Befragung eingeladen wurden ausschließlich Personen mit einer zum Erhebungszeitpunkt aufrechten Beschäftigung, wobei es keine Einschränkung nach dem Ausmaß der Beschäftigung gegeben hat.

Im Durchschnitt haben die Teilnehmer 20 min benötigt, um den Fragebogen zu bearbeiten. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass im Zuge der Befragung noch weitere Konstrukte erhoben wurden (z. B. demografische und persönlichkeitsbezogene Variablen sowie Konstrukte zur Feststellung der prognostischen Validität wie emotionale Erschöpfung, Arbeits- sowie Benutzerzufriedenheit; die Messung aller weiteren Faktoren erfolgte ausschließlich mit psychometrisch evaluierten Instrumenten). In Summe wurden den Teilnehmern 147 Fragen gestellt. Die reine Bearbeitungszeit für die 50 Fragen zum digitalen Stress liegt im Regelfall zwischen fünf und zehn Minuten.

Von den 3333 Teilnehmern waren 45,2 % männlich und 54,8 % weiblich. Das Durchschnittsalter in Deutschland betrug 43,61 Jahre, in Österreich 40,89 Jahre und in der Schweiz 44,86 Jahre. Die meisten Befragten kamen aus dem Gesundheits- und Sozialwesen (n = 501), gefolgt von verarbeitenden Gewerben sowie der Herstellung von Waren (n = 322), sonstigen Dienstleistungen (n = 301) und der öffentlichen Verwaltung, Verteidigung und Sozialversicherung (n = 300). Die Angabe der Branche war für die Teilnehmer optional.

Psychometrische Evaluierung

Im Folgenden werden die Ergebnisse der psychometrischen Evaluierung des Fragebogens dargestellt. Die Darstellung erfolgt entlang von Objektivität, Reliabilität und Validität (z. B. [16]).

Objektivität

Damit wird angegeben, in welchem Ausmaß die Messergebnisse vom Untersuchungsleiter unabhängig sind. Wir gruppieren in Durchführungs- und Auswertungsobjektivität.

Durchführungsobjektivität

Diese wird durch standardisierte Instruktionen, die sich an die Befragten richten, sowie durch die Festlegung einer standardisierten Untersuchungssituation erreicht. Standardisierte Instruktionen sind durch die eindeutige Fragenformulierung gegeben. Bei der Anwendung des Fragebogens im praktischen Umfeld (z. B. in einem Unternehmen) ist darauf zu achten, dass – so der Idealfall – die Mitarbeiter den Fragebogen in einer standardisierten Situation bearbeiten.

Auswertungsobjektivität

Bei Punktezuweisungen zu bestimmten Antwortkategorien (hier „0“ für „stimme überhaupt nicht zu“, „3“ für „neutral“ und „6“ für „stimme völlig zu“) ist die Auswertung eindeutig vorgeschrieben und folglich ist die Auswertungsobjektivität im gegenständlichen Fall hoch.

Reliabilität

Damit wird angegeben, mit welcher Genauigkeit (Präzision) das Phänomen gemessen wird. Es gibt verschiedene Verfahren, anhand derer die Reliabilität von Messinstrumenten bestimmt werden kann. Das am häufigsten verwendete ist die Bestimmung der internen Konsistenz (Cronbachs α).

Die Ergebnisse der Reliabilitätsanalysen sind in Tab. 1 dargestellt. Trotz der Kürze der Skalen (je n = 5 Items) sind die Reliabilitäten für alle zehn Skalen sehr gut (deutlich größer als 0,70).

Tab. 1 Interne Konsistenzen des deutschsprachigen Messinstruments (Cronbachs α)

Validität

Damit wird angegeben, wie gut der Fragebogen in der Lage ist, genau das zu messen, was er zu messen vorgibt, nämlich digitalen Stress.

Inhaltsvalidität

Diese ist hoch, wenn der Inhalt der Items das zu messende Phänomen in seinen wichtigsten Aspekten erschöpfend erfasst. Bezogen auf die gegenständliche Messung von digitalem Stress wird die Inhaltsvalidität durch die Anzahl und Güte der Items und Stresskategorien bestimmt. Die Inhaltsvalidität wird in [15] nachgewiesen.

Konstruktvalidität

Um die Konstruktvalidität des deutschsprachigen Instruments zu testen, wurde eine konfirmatorische Faktorenanalyse (CFA) berechnet. Es wurde von der These ausgegangen, dass die Interkorrelationen der latenten Faktoren (also der zehn Faktoren) hoch sind und sich somit potenziell ein Faktor zweiter Ordnung, ein Gesamtwert für digitalen Stress, über die zehn Kategorien hinweg bilden lässt. Die These konnte anhand des Datensatzes bestätigt werden.

Die Ergebnisse der CFA sind in den Tab. 2 und 3 dargestellt. Tab. 2 berichtet die standardisierten Faktorladungen und Tab. 3 die Interkorrelationen der latenten Faktoren.

Tab. 2 Ergebnisse der konfirmatorischen Faktorenanalyse (CFA) (standardisierte Faktorladungen)
Tab. 3 Faktorinterkorrelationen (standardisierte Lösung)

Die Modellgüte der CFA kann mit folgenden Fit Indices als sehr gut beurteilt werden: Chi-Square = 9225,16, df = 1130, p ≤ 0,0001; Root Mean Square Error of Approximation (RMSEA) = 0,046; Normed Fit Index (NFI) = 0,99; Comparative Fit Index (CFI) = 0,99; Standardized RMR = 0,038; Goodness of Fit Index (GFI) = 0,90.

Fazit

Digitaler Stress ist eine Stressform, die aufgrund der zunehmenden Verbreitung von Informations- und Kommunikationstechnologien im letzten Jahrzehnt weltweit enorm an Bedeutung gewonnen hat. Studien aus dem deutschsprachigen Raum belegen, dass der digitale Stress auch hierzulande ein bedeutsames Phänomen ist [10,11,12]. In diesem Beitrag wurde auf der Basis des englischsprachigen Originalinstruments von [15] ein deutschsprachiges Fragebogeninstrument zur Messung von digitalem Stress vorgestellt. Dieses Instrument wurde auf der Basis einer von der Originalstudie unabhängigen Stichprobe (n = 3333) psychometrisch evaluiert und Objektivität, Reliabilität als auch Validität sind in sehr guter Weise gegeben. Der Einsatz des Instruments in Wissenschaft und Praxis ist nicht nur in seiner Gesamtheit mit den 50 Fragen möglich. Vielmehr kann jede der zehn Stresskategorien auch individuell in künftigen Anwendungen über die jeweils fünf zugrunde liegenden Fragen akkurat und zuverlässig gemessen werden. Das hier vorgestellte Instrument leistet somit einen Beitrag für zukünftige Forschungen als auch für die Erfassung von digitalem Stress in der Praxis. Dies ist eine Grundlage für die Entwicklung wirksamer Bewältigungsstrategien.

Kernthesen

  • Digitaler Stress ist eine Stressform, die durch die zunehmende Verbreitung und Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien massiv an Bedeutung gewonnen hat und noch weiter an Relevanz gewinnen wird.

  • Die Messung von digitalem Stress bzw. von einer der zehn Stresskategorien kann akkurat und zuverlässig auf der Basis des hier vorgestellten Messinstruments erfolgen.

  • Die Messung von digitalem Stress ist die Voraussetzung für die erfolgreiche Planung und Umsetzung wirksamer Bewältigungsstrategien (z. B. im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements).

Nutzung des Fragebogeninstruments

Das hier vorgestellte Messinstrument kann im Rahmen wissenschaftlicher Forschung kostenlos verwendet werden. Informationen zur Verwendung des Messinstruments im organisationalen Kontext sowie im Beratungskontext können beim Research Center der FH Oberösterreich, Fakultät für Wirtschaft und Management, Campus Steyr, eingeholt werden (siehe https://www.digital-stress.info/digitalen-stress-messen/).

Kostenloser Download der Studienergebnisse

Auf der Basis der hier vorgestellten Befragung (n = 3333 Personen) wurden mehrere inhaltliche Analysen zum digitalen Stress durchgeführt. Diese Studie zu den Ursachen und Konsequenzen von digitalem Stress sowie zu weiteren Faktoren wie der Zusammenhang des digitalen Stresses mit dem Geschlecht, dem Alter, der Persönlichkeit sowie mit weiteren Variablen können Sie kostenlos online beziehen: https://forschung.fh-ooe.at/digitaler-stress-studie/.