Das Aufkommen von netzzentrischen Lösungen, verbunden mit Mobilität, mehr Rechenleistung und zunehmender Datenmenge, hat eine Reihe von Entwicklungen zur Folge, die die Rolle von IT-Organisationen dauerhaft verändern. In [1] haben wir eine New School of IT beschrieben, die erste Antworten auf die Herausforderungen an IT-Organisationen bietet. Zehn Jahre nach der ersten Formulierung des Begriffes sind durch Cloud Native Computing oder künstliche Intelligenz bereits konkrete Meilensteine in der New School of IT erreicht, es bleiben aber auch eine Reihe von offenen Herausforderungen an Methodenkompetenz und Ausbildung. Wir fassen im Folgenden den Stand der Dinge zusammen.

Es gibt einige wenige grundlegende Zusammenhänge, die die Ursache des atemberaubenden Fortschritts der Digitalisierung ausmachen: exponentiell wachsende Verfügbarkeit von Rechenpower zu erschwinglichen Preisen, noch schneller wachsende Bandbreite (sowohl mobil als auch fest) sowie eine ebenso exponentiell wachsende Anzahl gespeicherter und auswertbarer Daten. Hinzu kommt der quadratisch ansteigende Wert eines Netzwerkes mit der Anzahl seiner Knoten, der sogenannte Netzwerkeffekt.

Diese Phänomene sind in einer Reihe von „Gesetzen“ beschrieben worden:

  • Mooresches Gesetz: Die Anzahl der Transistoren auf einem IC verdoppelt sich alle 24 Monate bei fallenden Preisen. Das heißt, die Rechenleistung wächst exponentiell.

  • Gildersches Gesetz: Die verfügbare Bandbreite in Netzwerken wächst mindestens dreimal so schnell wie die Rechenleistung.

  • Datenexplosion: Die Anzahl der verfügbaren Daten verdoppelt sich alle zwei Jahre, wobei der Anteil der gelabelten und analysierten Daten steigt.

  • Metcalfesches Gesetz: Der Wert eines Netzwerks wächst proportional zum Quadrat der Anzahl seiner Knoten (n2 für große n; eigentlich n(n−1)).

Im Prinzip sind nur die Netzwerkeffekte des Metcalfeschen Gesetzes analytisch hergeleitet; die ersten drei Gesetzmäßigkeiten sind in empirischen Studien beschrieben worden. Ebenso sind sie im Wesentlichen von Menschen verursacht und somit keinesfalls Naturgesetze, denen deshalb auch immer wieder – bisher ohne Erfolg – ein Ende vorhergesagt wird. Nichtsdestotrotz werden sie nicht umsonst mit dem Titel Gesetz versehen, da sich diese Megatrends in erster Näherung nicht beeinflussen lassen. Auch in diesem Artikel gehen wir davon aus, dass diese Gesetzmäßigkeiten ohne unser eigenes Zutun oder Unterlassen genauso stattfinden werden und fokussieren uns vielmehr auf die gleichwohl immensen Handlungsbedarfe und Möglichkeiten, die sich als Folge dieser Gesetze ergeben. Interessanterweise beschreiben diese Zusammenhänge ausschließlich den Technologieschub zur Digitalisierung. Selbstverständlich orientieren sich resultierende Angebote an konkreten Kundenbedürfnissen, wobei im Rahmen der Digitalisierung zumeist erst die technische Machbarkeit den ersten Schritt in eine neue Richtung aufzeigt.

New School of IT

Die Rolle von IT in Unternehmen hat sich mit dem Durchbruch des Internets als Allzweck-Technologiebasis und -Kommunikationsmedium nachhaltig geändert. Angesichts oft unübersichtlicher technologischer Schübe im Kontext mobiler Technologien, der digitalen Transformation und elastischen, netzzentrischen Infrastrukturen ist IT nicht mehr nur zentrales Produktionsmittel. Moderne IT-Organisationen bewegen sich weg von einem reinen Kostenfaktor hin zu einem Gestalter neuer Geschäftsmodelle. Die Enterprise-IT wird somit vom Dienstleister zum Enabler und Mitgestalter fachlicher Veränderungen, die Innovationspotenziale heben und Wettbewerbsvorteile mit sich bringen. Den Umzug der IT vom Keller ins Board und die einhergehenden Handlungsbedarfe hatten wir unter dem Begriff New School of IT beschrieben [1]. Dies hatten wir plakativ an den drei wesentlichen IT-Trends festgemacht:

  • Mobilität von Kunden und Mitarbeitern

  • Agilität in der Softwareentwicklung und im Betrieb

  • Elastizität der IT-Infrastrukturen.

Mobilität ist hierbei auch als gesellschaftlicher Trend zu sehen, der durch ein Überschwappen von privaten Erfahrungen nun ebenso Geschäftsprozesse von innen nach außen verlagert und der natürlich einhergehend den Bedarf an angepassten Geschäftsprozessen und neuer Software bedingt und durch neue Technologien erst ermöglicht wird. Ausgelöst wurde der Trend durch ubiquitären drahtlosen Zugang zu Kommunikationsnetzwerken bei immer höheren Bandbreiten [2].

Die New School of IT ist geprägt von der Erkenntnis, dass sich innovative IT-Lösungen nur selten komplett vorausplanen lassen, sondern dass sie vielmehr im Rahmen einer permanenten Anpassung bereits zu Beginn explorativ und als Erkenntnisprozess angelegt sein müssen. Es ist bezeichnend, dass das Konzept der Agilität aus der Softwareentwicklung kommt, aber Methoden wie SCRUM schnell aus der IT in Produkt- und Geschäftsentwicklung übernommen worden sind. Die IT ist also auch im Methodischen zunehmend Treiber des Geschäfts. Dabei hat sich mittlerweile die Erkenntnis herausgestellt, dass kaum eine Softwareentwicklung rein agil oder komplett ohne agile Elemente stattfindet, sondern die Kunst einer zum Kontext passend gemachten „gezähmten Agilität“ den Unterschied ausmacht.

Die Elastizität von cloudbasierten Infrastrukturen hin zu netzzentrischer, virtualisierter Entwicklung mit Betrieb ist ein weiteres grundlegendes Merkmal der New School of IT. Diese Elastizität ermöglicht einerseits die nahtlose Hoch- und Herunterskalierung von Infrastrukturen bei Inbetriebnahme und veränderlichen Anwenderzahlen. Andererseits ist die sinnvolle Übergabe der Agilität im Entwicklungsbereich in die Bereitstellung von Infrastrukturen hinein mit nahezu fließenden Releasezyklen im Rahmen etwa einer DevOps-Organisation zunehmend zum Zielbild geworden.

Unterm Strich beschreibt die New School of IT nicht nur die technischen Umbrüche, sondern auch den veränderten Stellenwert der Enterprise-IT hin zum Geschäftsenabler im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung mit situativer Moderation von Flexibilität und Stabilität. Für den einzustellenden Arbeitspunkt spielen Größe der Projekte, Kritikalität, Dynamik, Qualifikation des Personals und Kultur eine wesentliche Rolle.

State of Play: What’s new at New School of IT?

In der Zwischenzeit haben oben dargestellte Gesetzmäßigkeiten weiter Zeit zum Wirken gehabt.

Netzwerkeffekte führen schnell zum Herausbilden monopolartiger Strukturen („the winner takes it all“). Bandbreite entwickelt sich weiterhin noch schneller als CPU, sodass es günstiger ist, Rechenkapazität und Datenspeicher über Netzwerke zur Verfügung zu stellen, als sie lokal zu implementieren oder auszuliefern. Um hier die Potenziale vollständig zu heben, darf man sich die Cloud aber nicht als einheitliches, undurchsichtiges Gebilde vorstellen, sondern hinter der Hülle als kompliziert vernetzte Architektur, auf der Software verteilt abläuft. Beispielsweise wird im Falle von gut entwickelten mobilen Apps Rechenleistung gar nicht von einem zentralen Großrechner provisioniert, beziehungsweise Daten dorthin und wieder zurück gesendet, sondern irgendwo an günstiger gelegenen Orten am Rand des Netzwerks verteilt angeboten und bearbeitet (Edge Computing). Das Verschieben und Orchestrieren von ablauffähigem Code und Daten wird über neue Architekturparadigmen wie Microservices und Container ermöglicht. Mit der Einführung von 5G-Mobilfunknetzen mit Datenraten bis zu 10 Gbit/s wird Edge Computing an großer Bedeutung gewinnen. Schon jetzt ist beispielsweise einem Nutzer einer Sprachapplikation wie Siri von Apple selten bewusst, dass ein Großteil des Erkennungsprozesses trotz vernachlässigbar geringer Antwortzeiten nicht mehr auf seinem Mobilfunktelefon abläuft, sondern im Netzwerk. Das Zusammenspiel ist nicht nur eine technische, sondern eine methodische Herausforderung. Wir nehmen hierfür gerne den Begriff Cloud Native Computing auf, der sich – insbesondere unter Einsatz von Open Source Tools – mit eigenen Softwareprozessen herausgebildet hat. Unter Cloud Native Engineering verstehen wir einhergehend die methodische Umsetzungsweise.

Des Weiteren haben wir das interessante Phänomen, dass die künstliche Intelligenz (KI, englisch AI) nach mehreren harten Wintern nun – vor allem in der Teildisziplin des maschinellen Lernens (ML) – den wohl endgültigen Durchbruch geschafft hat. Dies ist aufgrund der genannten grundlegenden Zusammenhänge eigentlich nicht überraschend, denn ausschlaggebend waren hierzu zunächst lediglich mehr Rechenleistung und mehr Trainingsdaten. Die eigentlichen KI-Lernarchitekturen und -algorithmen waren schon lange zuvor entwickelt, aber noch nicht praktisch sinnvoll umsetzbar. So wurden zum Beispiel die entscheidenden Grundlagen für das Long Short Term Memory (LSTM) für neuronale Netze bereits im ausgehenden letzten Jahrtausend vom Diplomanden Sepp Hochreiter an der TU München gelegt, bevor sie erst 20 Jahre später von kalifornischen Tech-Giganten unter Verfügbarkeit von enormer Rechenpower und riesigen Trainingsdaten für Deep Learning zum Beispiel für Sprachapplikationen erfolgreich eingesetzt werden konnten.

Unterm Strich stellen wir weiterhin schnell fortschreitende Entwicklungen zu netzzentrischen Paradigmen in Entwicklung und Betrieb von IT fest, ganz besonders über die neuen Schübe in konvergierenden Mobil- und Festnetzen unter den Begriffen 5G und Edge Computing und dem methodischen und architektonischen Umgang über Cloud Native Engineering. Im Rahmen der kontrollierten Explosion von CPU, Bandbreite und Datenverfügbarkeit – je nach Sichtweise möchte man auch von einer unkontrollierten Explosion sprechen – werden ehemals schlummernde Konzepte nach oben gespült und weiterentwickelt. Neben der künstlichen Intelligenz ist sicherlich ein Wirksamwerden der Netzwerkeffekte zum weiteren Vorteil der Konzepte von Cyber-Physical Systems und des Internet of Things zu erwarten.

Für die zentralen Elemente der New School of IT stellt dies aber dennoch nur eine Evolution unter Beibehaltung und Fortschreibung der Kernthesen dar. Insbesondere die Veränderung der IT-Organisation mit ihren Digitalkompetenzen hin zum Geschäftstreiber gewinnt weiter an Bedeutung.

Die moderne IT- und Digitalorganisation: Cloud Native und AI-Minded

Für die Bündelung der Zuständigkeit für die digitale Transformation wurde die Rolle des Chief Digital Officers (CDO) geschaffen. Der CDO hat primär das Geschäft, Markt, Produkte und die digitale Innovation der Firma visionär im Blick, benötigt hierfür aber tiefgehendes Verständnis für digitale Technologien, vulgo IT. Der klassische IT-Leiter (Chief Information Officer, CIO) verfügt über diese IT-Kompetenzen, muss jedoch Kosteneffizienz und reibungslosen Betrieb im nüchternen Blick haben. Spätestens durch das zunehmende Überlappen von Backend-IT und Produkt-IT zum Beispiel durch datengetriebene Geschäftsmodelle und die Notwendigkeit kombinierten Geschäfts- und Technologiewissens ist eine geeignete Verbindung dieser Rollen erfolgsentscheidend. Wir können nicht pauschal empfehlen, ob die Rollen CDO und CIO in einer Person kombiniert werden sollen oder ob sie etwa getrennt durch gemeinsame Berichtswege zum CEO oder anderweitig koordiniert werden sollen. Denn dies hängt von vielen Kriterien ab, wie etwa der Art des Geschäfts, der Unternehmenskultur und nicht zuletzt der Veranlagung der handelnden Personen selbst. Es ist auch nicht unser Anliegen, die New School of IT mit einer kompletten Handlungsempfehlung zur digitalen Transformation zu überfrachten. Unsere Standpunkte zur übergreifenden digitalen Transformation legen wir außerhalb des Fokus dieses Artikels dar. Es ist hingegen unser Anliegen, mit der New School of IT den Weg der IT-Organisation vom Keller in die Chefetage zu coachen, das heißt denjenigen Anteil der IT-Organisation an der Gesamttransformation sicherzustellen, um eine organisationale Ambidextrie zu ermöglichen, das bedeutet die Fähigkeit von Organisationen, gleichzeitig flexibel-innovativ und effizient zu agieren. An dieser Stelle unabhängig davon, ob diese Beidhändigkeit in einer Person oder einer ganzen Organisation realisiert wird.

Was sind die Merkmale von Cloud Native?

Cloud Native beschreibt einen Satz an Architektur, Praktiken und Tools zur Entwicklung und zum Betrieb von Anwendungen, die flexibel und optimiert auf elastischen Cloud-Infrastrukturen ablaufen: typischerweise als Microservices, die auf Docker Containern laufen, über Kubernetes orchestriert werden und unter Einsatz von DevOps-Prozessen und -Workflows auf Cloud-Plattformen ausgeliefert werden. Richtig eingesetzt, stellen sich schnell Vorteile in Ausfallsicherheit und Skalierbarkeit bei geringeren Infrastrukturkosten ein. Durch Verwendung eines Multicloud-kompatiblen Toolings ist es möglich, zwischen einer privaten Cloud oder verschiedenen öffentlichen Plattformanbietern zu wechseln und die Abhängigkeit von einem einzigen Anbieter zu vermeiden. Durch Cloud-Native-Technologien und -Lösungen ist die Anpassung von neuen Geschäftsanforderungen in Containern über DevOps Workflows schnell umgesetzt und produktiv. Eine interaktive Übersicht über verfügbare Lösungen der Community bietet etwa die Landscape der Cloud Native Computing Foundation (http://landscape.cncf.io).

Diese Entwicklungen der letzten zehn Jahre verändern die Möglichkeiten in Softwareentwicklung und IT-Betrieb maßgeblich in Richtung kontinuierlicher und flexibler Produktion bei gleichzeitiger Effizienzsteigerung. Diese Entwicklung lässt sich festmachen an der Evolution der Paradigmen des Softwareprozesses von Wasserfallmodellen über Agilität hin zu DevOps (Abb. 1). Die Anwendungsarchitektur hat sich gewandelt von Silos über serviceorientierte Architekturen (SOA) hin zu Microservice-Architekturen. Das Deployment findet nicht mehr auf bestimmten Servern statt, sondern hat den Weg über virtuelle Maschinen hin zu orchestrierten Containern gemacht. Konsequenterweise hat sich die Infrastruktur entwickelt, vom eigenen Serverraum über das Data Center hin zu einer Cloud-Plattform.

Abb. 1
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Die Evolution hin zu Cloud Native Engineering und AI-Mindedness

Da die klassische IT-Organisation über signifikante Altsysteme (Legacy) verfügt, besteht die Hauptaufgabe nun in der Migrationsmethodik hin zu Cloud Native Computing. Die Komplexität ist enorm und natürlich nicht zu unterschätzen, eine Migration muss schrittweise erfolgen. Jedoch muss dennoch ein Zielbild klar sein, denn diese Transformation kann nur erfolgreich sein, wenn das Ziel der Reise geklärt ist.

Genauso wichtig ist die Vorbereitung der Organisation auf Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz.

Was sind die Merkmale von AI-Mindedness?

Wie schon erörtert, ist das Thema künstliche Intelligenz eng mit der Verfügbarkeit von geeigneten Trainingsdaten verbunden. „There is no data but more data“ bringt schon seit vielen Jahrzehnten das Credo der Machine Learning Community auf den Punkt. Spätestens hier wird die strategische Rolle der IT-Organisationen durch deren Zuständigkeit für die dispositiven Systemen und Big-Data-Projekte einer Firma klar, deren Auswertung durch künstliche Intelligenz auf eine neue Bedeutungsebene gehoben werden kann. Allerdings müssen Daten zur Trainierbarkeit „gelabelt“ sein, das heißt wenn die Daten zum Beispiel die Bildinformation eines Apfels darstellen, dann muss auch im Klartext vermerkt sein, dass sie einen Apfel darstellen, sofern die Aufgabe etwa die Bilderkennung von Obstsorten darstellt. Im praktischen Leben ist vielmehr die Zuordnung von Geschäftsvorfällen notwendig, so beispielsweise das Mapping von Merkmalen eines Schriftverkehrs zu einer Kündigung oder zu einer Kaufbereitschaft. Die Aufgabe der IT-Organisation in der New School of IT ist das proaktive Erkennen von solchen Möglichkeiten bis hin zur Vorbereitung von Geschäftsinnnovationen. Dieses Bewusstsein beschreiben wir mit AI-Mindedness. Das heißt, dass sich IT-Organisationen weiterentwickeln vom Bereitsteller der Data Warehouses über Big-Data-Projekte hin zur Verfügbarmachung von ganzen maschinell lernbaren Data Lakes und Zugang zu Datenökosystemen. Analog muss sich die Organisation in der KI-Methodenkompetenz weiterentwickeln von der ersten Anwendung von KI über erste eigene KI-Entwicklungen hin zu einem KI-getriebenen Unterstützer der digitalen Transformation.

Bindeglied Methodenkompetenz

Entscheidender Erfolgsfaktor für die Transformation ist Methodenkompetenz. Waren früher viele Schritte im KI-Bereich nur über Eigenentwicklungen möglich, so gibt es eine Vielzahl von Werkzeugen und Programmbibliotheken, die eigentlich alle gängigen Parametrisierungen zulassen und laufend weiterentwickeln, wie etwa TensorFlow, Caffe2, Scikit-learn, Pytorch oder Keras.

Dies führt dazu, dass zunehmend mehr Methodenkompetenz unter Verwendung bestehender Software gefragt ist als das eigene Codieren. Beziehungsweise, dass sich das Codieren noch mehr auf das Erstellen einer App unter Integration und Anpassungsgesichtspunkten verlagert. In der New School of IT ist Methodenwissen der wichtigste Differentiator.

Vor diesem Hintergrund besteht der wichtigste Handlungsbedarf für den Bau KI-basierter Systeme in der Anpassung der Softwareprozesse (Abb. 2; [3]) sowie der Einrichtung neuer Rollen und weniger im Erlernen neuer Algorithmen des maschinellen Lernens. Neben der Rolle des Softwareingenieurs und des mittlerweile schon ebenso klassischen Data Scientists werden hierbei etwa auch die Rollen Domain Expert für das branchentypische Geschäftswissen und Data Domain Expert für die Kenntnisse der branchentypischen Daten notwendig werden [3].

Abb. 2
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Beispiel für die Einbettung eines KI-Prozesses in einen konventionellen Softwareprozess

Beispiel: Interaction Room

Eine zentrale Frage der New School of IT ist, wie die methodische Verbindung von (geschäfts-)strategischen Aufgabenstellungen hin zu einer Identifikation von IT-Wertschöpfung zur Umsetzung gelingen kann. Design Thinking mit seiner benutzerzentrierten, multidisziplinären Ausrichtung und iterativen Vorgehensweise unter Erstellung von Prototypen zeigt einen Weg auf. Allerdings ist Design Thinking stark auf Kreativität und Ermöglichung von divergenten Lösungsideen ausgerichtet, weniger auf Softwareprojekte. Natürlich wird auch konvergentes Denken für die Erstellung und das Testen der Prototypen benötigt, allerdings oftmals auf einem für die IT-Aufgabenstellungen zu oberflächlichen Level. Hier setzt der Interaction Room an, der sich bereits wesentlich auf das Zusammenspiel von Fach- und IT-Abteilungen bei der Entwicklung von Lösungen für wettbewerbskritische Geschäftsprozesse fokussiert. Wesentliches Merkmal ist die Zusammenkunft der multidisziplinären Stakeholder in einem tatsächlichen physischen Raum (Abb. 3). Verschiedene Aspekte zu einem Problem werden an den einzelnen Wänden auf eigens entwickelten, lösungsspezifischen Canvases dargestellt. Jede Wand entspricht einem Aspekt und fällt somit wörtlich mit der wirklichen Sichtweise der Teilnehmer auf das Thema zusammen. Im Dialog werden in eigenen Prozessschritten und mit bestimmten Notationen die Canvases befüllt und bewertet [1]. Der Interaction Room schärft den Blick des Teams für die relevanten Projektthemen. Der Raum wirkt einem Phänomen entgegen, das in Softwareprojekten immer wieder zu beobachten ist: In Probleme, die einfach zu verstehen sind, wird unverhältnismäßig viel Zeit investiert – den Kernthemen hingegen, die erst erarbeitet werden müssen, wird im Vergleich dazu wenig Zeit geschenkt. Somit ermöglicht erst der Interaction Room das effektive Herunterbrechen strategischer Aufgabenstellungen bis auf die konkrete IT-Projektebene und -Systemebene. Der Interaction Room wurde je nach Positionierung in der digitalen Wertschöpfungskette in Varianten mit unterschiedlichen Schwerpunkten entwickelt: IR:digital, IR:scope, IR:mobile, IR:tech und IR:agile [1]. Für die New School of IT stehen auch die Varianten für die Erstellung von Cloud-Native- und den Bau KI-basierter Systeme an.

Abb. 3
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Interaction Room, mit Beispiel-Ikons für Notationen auf den Canvases

Ausbildung

In der Konsequenz zunehmender Bedeutung fächert sich die Ausbildung der Informatik und Wirtschaftsinformatik weiter auf. Zunächst erfordert der weiter zunehmende strategische Stellenwert von IT auch in strategischen Fragen geschultes Personal. Die technische Ausbildung hatte bisher die studienbegleitende Vorbereitung auf Managementaufgaben kaum angeboten – im Gegensatz zu beispielsweise Betriebswirtschaft oder Jura. Wenn man jedoch die Erfolgsgeschichten aus dem Silicon Valley oder China sieht, so sind die digitalen Referenzfirmen fast ausschließlich von technisch geschultem Personal gegründet worden oder es sitzen Manager mit originärer Technikausbildung im Board. Tiefgehendes technisches Know-how ist erfolgsentscheidend in Zeiten des Technology Push. Wie wir schon besprochen hatten, benötigen wir daher mehr technisch geschulte Führungskräfte, die sowohl die CDO- als auch CIO-Funktionen beidhändig im Board vertreten können, wenn nicht gar auch als CEO in Verbindung dieser Kompetenzen. Es gibt nun Programme, wie etwa den Software Campus [4], die ein zum Studium oder zur Forschung komplementäres Führungstraining für talentierte Informatik- oder Ingenieurstudenten anbieten. Ähnliche Programme gibt es für die Schulung von Innovation und Entrepreneurship [5], beides auf Master- und Doktorandenlevel.

Gleichzeitig gilt es auch neue Wege zu beschreiten, was den Zugang zu Coding und Softwaretechnik im Bachelor- und Masterlevel betrifft – auch berufsbegleitend. Für eine Vielzahl von Aufgabenstellungen wirkt der theoriegetriebene Ansatz der Universitäten zu abgehoben von praktischen Aufgabenstellungen im Arbeitsleben. Je nach Neigung kann hier mit neuen Konzepten eine von Neugier und Fallbeispielen geleitete Ausbildung privater Hochschulen wie der Exponential University (XU, https://xu-university.com/) oder der CODE University (https://code.berlin) beschritten werden. Ebenso wichtig für die New School of IT ist die berufsbegleitende Ausbildung im Sinne eines Re-Skillings, die beispielsweise auch an den genannten Institutionen möglich ist.

Fazit

Die New School of IT beschreibt eine neue Art des Selbstverständnisses für IT-Organisationen hin zu einer aktiven Rolle als Mitgestalter der digitalen Transformation. Besonders wichtig ist hier das Zusammenspiel mit der Zuständigkeit der Produktinnovation (etwa über die Rolle CDO), die in einem engen und definierten Verhältnis mit der IT-Organisation (Rolle CIO) die Beidhändigkeit von Firmen zwischen Vision und Effizienz ermöglichen muss. Neue Technologiesprünge wie etwa unter dem Begriff Cloud Native Computing mit einhergehenden Werkzeugen ermöglichen bereits zunehmend flexible und kosteneffiziente Softwarebereitstellung, sodass der Handlungsbedarf mehrheitlich im methodischen Management der Migration besteht. Das Erstellen von Cloud-Native-Systemen mit den einhergehenden Architekturen, Rollen, Prozessen und Werkzeugen ist in der New School of IT Gebrauchsgut (Commodity) und die Frage ist nicht, ob man den Weg beschreiten will, sondern nurmehr wie und mit welchem Aufwand man dorthin kommen kann.

Gleichermaßen bietet die künstliche Intelligenz im Zusammenhang mit Data Lakes und Data Ecosystems hervorragende Möglichkeiten zum Brückenschlag zwischen CIO und CDO. Künstliche Intelligenz ist bereits angekommen, um aufgrund der schon erbrachten geschäftlichen Vorteile zu bleiben. Das Engineering von KI-basierten Systemen ist neu, schwierig und experimentell. Demut ist notwendig und Ausnahmen werden uns noch lange beschäftigen. Der Aufbau von solidem Engineering sowie Daten- und Domänenwissen sind notwendige Voraussetzungen für die IT-Organisation.

Mit der zunehmenden Geschäftskritikalität von digitalen Kompetenzen werden Cloud-native und AI-minded IT-Organisationen den Erfolg auf ihrer Seite haben. Diese Trends sind technologiegetrieben, werden aber in Kombination mit Kunden- und Marktwissen ausnahmslos alle Branchen transformieren. Hierfür ist aber auch eine neue Generation an digital geprägten Führungskräften, Innovatoren und Unternehmern sowie auch Softwareingenieuren notwendig. Die erfolgreiche Umsetzung der New School of IT hängt nicht zuletzt von der einhergehenden Anpassung der Ausbildung ab.

Zusammenfassung

Für eine Reihe von Handlungsempfehlungen bezüglich der Notwendigkeit eines neuen Rollenverständnisses von CIO-Bereichen haben wir vor knapp zehn Jahren den Begriff New School of IT eingeführt. Aktuelle Entwicklungen der digitalen Transformation bestätigen frühere Trends: CIOs müssen im Zusammenspiel mit CDOs IT-getriebene Geschäftsmodelle ermöglichen, dabei gleichzeitig die IT effizient und flexibel bereitstellen. Wir zeigen diesbezüglich die Rolle von Trends zu Cloud Native Computing und künstlicher Intelligenz auf und benennen die Herausforderungen zu Strategie, Methodenkompetenz und Ausbildung.

Handlungsempfehlungen

  • Migration der IT hin zu Cloud Native anpacken. Auch wenn zunächst nur kleine Schritte möglich sein sollten, so ist die frühe Klarheit des Ziels notwendig.

  • Eigene KI-Strategie angehen und laufend weiterentwickeln, aber mit Realitätsbewusstsein.

  • Koordination von CDO- und CIO-Bereichen strukturiert angehen. Hin zu einer beidhändigen Organisation, die sowohl flexibel/visionär als auch effizient leistet.