1 Einführung

Die zunehmende Digitalisierung und die fortwährende Weiterentwicklung webbasierter Technologien eröffnen für nahezu alle Branchen neue Möglichkeiten, um potenziellen Kunden relevante Produktinformationen zur Verfügung zu stellen. Insbesondere bei Erfahrungsgütern besteht für den Konsumenten keine Möglichkeit, das Produkt vor der Nutzung zu testen und dessen Qualität zu beurteilen (Sjurts 2011). Demzufolge kann der Konsument seine Kaufentscheidung hauptsächlich auf Basis der vorab zur Verfügung stehenden (Produkt‑)Informationen treffen. Daher müssen dem Konsumenten relevante Daten in der Informationsbeschaffungsphase bereitgestellt werden, die die Produkteigenschaften möglichst exakt beschreiben (Häubl und Trifts 2000). Neben browserbasierten Informationsquellen eröffnen Virtual-Reality-Anwendungen (VR-Anwendungen) neue Formen der Produktpräsentation (Hollebeek et al. 2020). Virtual-Reality wird definiert als „a completely immersive virtual and aural world that a user experiences, usually through a head-mounted display“ (PWC 2018, S. 2), „that simulates a user’s physical presence and environment in a way that allows the user to interact with it“ (Isaac 2016). Die außergewöhnlichen Visualisierungsmöglichkeiten von VR-Anwendungen sind dazu in der Lage, dem potenziellen Kunden das Gefühl zu vermitteln, sich unmittelbar vor Ort zu befinden, wodurch insbesondere Erfahrungsgüter bereits im Vorfeld des Kaufs besser beurteilt werden können. Diesen Vorteil nutzen vermehrt Unternehmen wie beispielsweise AIDA Cruises, Kempinski oder der Europa-Park, um ihre Produkte etwa in Reisebüros erfahrbar zu machen (diginetmedia 2021). Die zunehmende Verbreitung von VR-Systemen wird auch durch die steigenden Absatzzahlen deutlich. Bereits heute befinden sich schätzungsweise 19 Mio. VR-Systeme weltweit im Einsatz (Omdia 2020).

Im Rahmen des vorliegenden Beitrages wird auf Basis des Technologieakzeptanzmodells (TAM) untersucht, welche Faktoren die Nutzungseinstellung sowie Nutzungsintention von VR-Anwendungen beeinflussen. Daneben wird die Rolle der Telepräsenz als zentrales Merkmal von VR-Anwendungen und deren Einfluss auf die Technologieakzeptanz thematisiert.

2 Konzeptionelle Grundlagen und Hypothesenherleitung

2.1 Technologieakzeptanzmodell

Um die Akzeptanz eines Nutzers gegenüber neuartigen Technologien zu ermitteln, hat sich das TAM etabliert (Manis und Choi 2019; Legris et al. 2003; King und He 2006). Basierend auf der Theorie des überlegten Handelns, die die Beziehung zwischen Einstellung und Verhaltensabsicht erklärt (Fishbein und Ajzen 1975), entwickelte Davis (1989) ein Modell, um die Nutzerakzeptanz von Informationssystemen zu beschreiben. Die Nutzungsintention, definiert als „one’s intention to perform a specified behavior“ (Davis et al. 1989, S. 984), ist dabei maßgeblich von der individuellen Nutzungseinstellung („an individual’s positive or negative feelings about performing the target behavior“) (Davis et al. 1989, S. 984) gegenüber Informationstechnologien abhängig. Diese werden primär von den kognitiven Faktoren des wahrgenommenen Nutzens sowie der einfachen Bedienbarkeit beeinflusst (Davis et al. 1989). Den wahrgenommenen Nutzen beschreibt Davis als „the degree to which a person believes that using a particular system would enhance his or her job performance“, wohingegen die einfache Bedienbarkeit als „the degree to which a person believes that using a particular system would be free of effort“ definiert wird (Davis 1989, S. 320).

Insbesondere die inhärente Informationsasymmetrie, die bei Erfahrungsgütern vorliegt, muss sukzessive minimiert werden, um potenzielle Kunden vom Angebot zu überzeugen. Gerade durch die zum Teil erheblichen finanziellen Aufwendungen für den potenziellen Konsumenten (z. b. bei Reiseangeboten), ist ein höheres Maß an Such- beziehungsweise Planungsaufwand im Kaufentscheidungsprozess notwendig, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können (Xiang et al. 2015). Nahezu alle Kaufentscheidungen werden in diesem Zusammenhang auf Basis von Unsicherheiten gefällt, da sowohl die unmittelbaren Ergebnisse als auch mittel- bis langfristige Konsequenzen, die sich durch den Kauf ergeben, im Vorfeld nicht bekannt sind (Taylor 1974). Dementsprechend besteht für den Verbraucher immer das Risiko, eine informationsbedingte Fehlentscheidung zu treffen. Um dieses Risiko zu minimieren, wird der Verbraucher nach Informationen suchen, die für den Kauf von Relevanz sind (Flanagin et al. 2014; Shim und Lee 2011; Taylor 1974). Die Informationssuche wird auf Basis des Kosten-Nutzen-Prinzips durchgeführt, wobei es das Anliegen des Verbrauchers ist diese möglichst effizient durchzuführen. Kosten beziehen sich in diesem Zusammenhang auf die beanspruchte Zeit, die benötigten finanziellen Mittel sowie auf geistige Anstrengungen, die die Verbraucher für die Informationsrecherche aufwenden müssen. Der Nutzen entsteht durch die Risikoreduktion, welche von den Verbrauchern durch die Informationssuche wahrgenommen wird (Wu et al. 2008; Dowling und Staelin 1994). Die Verbraucher werden daher die Informationssuche solange fortsetzen, bis der Nutzen in einem positiven Verhältnis zu den aufgewendeten Kosten steht oder sich keine weiteren Informationen mehr beschaffen lassen und daher keine Entscheidung getroffen wird.

Ein geeignetes Instrument, um die Informationsasymmetrie zu reduzieren, können VR-Anwendungen sein. Insbesondere durch eine realistische Darstellung des Produktes und der intuitiven Interaktion wird dem Nutzer im Informationsbeschaffungsprozess das Gefühl vermittelt, sich unmittelbar vor Ort zu befinden (Buhalis und Law 2008). Auf Basis der zur Verfügung gestellten Informationen können die Nutzer das Leistungsangebot besser beurteilen, wodurch die Wahrscheinlichkeit einer Fehlentscheidung reduziert wird (Tseng und Wang 2016; Shim und Lee 2011). Vor allem im Online-Bereich sind die bereitgestellten Produktinformationen von elementarer Bedeutung, da die Kunden nur anhand dieser Informationen das Leistungsangebot beurteilen können und daher die Kaufbereitschaft von den bereitgestellten Produktinformationen beeinflusst wird (Li et al. 2001; Kaplanidou und Vogt 2006). Speziell interaktive Produktdarstellungen führen in diesem Zusammenhang zu einer höheren Konsumentenzufriedenheit, wodurch die Nutzungseinstellung gesteigert werden kann (Kim und Forsythe 2008; Lee et al. 2006). Neben der Nutzungseinstellung hat laut Davis (1989) der wahrgenommene Nutzen ebenfalls einen direkten Einfluss auf die Nutzungsintention. Dieser Umstand begründet sich in der Annahme, dass ein Informationssystem, welches dem Nutzer Effizienzvorteile bietet, auch zukünftig vom Nutzer verwendet wird (vgl. Davis 1989; Davis et al. 1989). Kim und Hyun (2016) konstatierten in diesem Zusammenhang, dass die erneute Nutzungsintention maßgeblich vom wahrgenommenen Nutzen einer virtuellen Anwendung abhängig ist. Übertragen auf den vorliegenden Forschungsgegenstand bedeutet dies, dass eine effiziente Beurteilung eines Leistungsangebotes mit Hilfe einer VR-Anwendung dazu führt, dass diese auch für zukünftige Leistungsbeurteilungen genutzt wird. Eine Effizienzsteigerung kann durch die Reduzierung von Unsicherheiten in der Planungsphase entstehen (Gursoy und McCleary 2004), wodurch der Entscheidungsfindungsprozess erleichtert wird (Hwang et al. 2013). Auf Basis der vorangegangenen Erkenntnisse ist davon auszugehen, dass der potenzielle Kunde mit Hilfe einer VR-Anwendung das Leistungsangebot besser beurteilen kann, wodurch die Nutzungseinstellung als auch die Nutzungsintention von VR-Anwendungen positiv beeinflusst werden. In Anbetracht dessen lassen sich folgende beiden Forschungshypothesen ableiten:

H1

Der wahrgenommene Nutzen einer VR-Anwendung hat einen positiven Einfluss auf die Nutzungseinstellung.

H2

Der wahrgenommene Nutzen einer VR-Anwendung hat einen positiven Einfluss auf die Nutzungsintention.

Eine einfache Bedienbarkeit des Informationssystems ist eine weitere Anforderung, die zu einer höheren Nutzerakzeptanz führt. Die Grundannahme dieser Wirkungsbeziehung ist auf die Reduzierung von vorhandenen Bedienungsbarrieren zurückzuführen. Die einfache Bedienbarkeit spiegelt dabei den Grad der vom Nutzer empfundenen Anstrengungen, das Informationssystem zu nutzen, wider (Davis 1989; Davis et al. 1989). Je einfacher ein solches System vom Nutzer bedient werden kann, desto höher ist demnach die Wahrscheinlichkeit, dass der Nutzer das Informationssystem akzeptiert und somit zukünftig verwenden wird. Diese Auffassung basiert im Kern auf dem Prinzip des geringsten Aufwandes, wonach ein Individuum den einfachsten Weg zur Zielerreichung wählt (Zipf 2012). Bezogen auf VR-Anwendungen bedeutet dies, dass die hardware- und softwareseitige Interaktion mit der Anwendung für den Konsument leicht zu erlernen, verständlich und intuitiv zu bedienen sein muss. Demzufolge muss sowohl das Design als auch die Usability der Anwendung ansprechend gestaltet und intuitiv zu bedienen sein, damit der Nutzer sich unmittelbar in der Anwendung orientieren kann. Diese Forderungen werden auch von aktuellen Forschungsergebnissen gestützt, etwa im Zusammenhang mit Augmented-Reality-Anwendungen, virtuellen Ankleidekabinen und Social-Media-Anwendungen (Chung et al. 2015; Kim und Forsythe 2008; Rauniar et al. 2014). Aufbauend auf den vorangegangenen Erkenntnissen lautet die zu überprüfende Hypothese wie folgt:

H3

Die wahrgenommene einfache Bedienbarkeit einer VR-Anwendung hat einen positiven Einfluss auf den wahrgenommenen Nutzen.

Darüber hinaus hat die wahrgenommene einfache Bedienbarkeit einen Einfluss auf die Nutzungseinstellung. Insbesondere bei Internetanwendungen ist die einfache Bedienbarkeit ein wesentliches Merkmal, das zu einer positiven Nutzungseinstellung führt (King und He 2006). Durch eine einfache Bedienbarkeit einer VR-Anwendung werden neben Bedienungs- ebenfalls Nutzungsbarrieren minimiert, wodurch die Nutzungseinstellung positiv beeinflusst wird. Eine positive Nutzungserfahrung, die aus einer einfachen Bedienbarkeit resultiert, prägt die Nutzungseinstellung gegenüber dem Informationssystem (Venkatesh 2000). Folglich kann die Nutzungseinstellung gegenüber einer VR-Anwendung positiv beeinflusst werden, wenn die Systemnutzung vom Nutzer als einfach erachtet wird. Ein derartiger Zusammenhang konnte bereits in zahlreichen Studien im Online-Umfeld nachgewiesen werden (Chung et al. 2015; Park 2009; Lee et al. 2006; Ayeh et al. 2013). Die Forschungshypothese lautet daher:

H4

Die wahrgenommene einfache Bedienbarkeit einer VR-Anwendung hat einen positiven Einfluss auf die Nutzungseinstellung.

Aufbauend auf der Theorie des überlegten Handelns ist die Nutzungseinstellung eine wichtige Determinante, die die zukünftige Nutzungsintention primär beeinflusst. Die Nutzungseinstellung ist in diesem Zusammenhang ein funktionaler Mediator, der die Überzeugung von einem Objekt widerspiegelt (Fishbein und Ajzen 1975). Übertragen auf VR-Anwendungen bedeutet dies, dass wenn der Nutzer der Überzeugung ist, dass die Nutzung der VR-Anwendung zu einem positiven Effekt führen könnte, sich auch die Bereitschaft erhöht, die Anwendung zu nutzen (Fishbein und Ajzen 1975; Bertrand und Bouchard 2008). Auch Rogers (2003) untermauert in der Diffusionstheorie diesen Effekt, wonach die Adaption einer Innovation durch die Nutzungseinstellung gegenüber der Innovation geprägt wird. Dementsprechend beeinflusst die individuelle Nutzungseinstellung die Nutzungsintention, sodass auf Basis dieser Wirkungsbeziehung die Entscheidung für oder gegen die Adaption der Innovation getroffen wird (Rogers 2003). In Anbetracht dessen lautet die zu verifizierende Forschungshypothese wie folgt:

H5

Die Nutzungseinstellung gegenüber einer VR-Anwendung hat einen positiven Einfluss auf die Nutzungsintention.

2.2 Telepräsenz

VR-Anwendungen können dem Nutzer das Gefühl vermitteln, sich tatsächlich an einem anderen Ort zu befinden. Dieses Gefühl wird in der Literatur als Telepräsenz bezeichnet (Klein 2003; Steuer 1992). Telepräsenz repräsentiert den Grad des vom Nutzer wahrgenommenen Gefühls, sich eher in der virtuellen als in der physikalischen Realität zu befinden (Steuer 1992; Sanchez-Vives und Slater 2005).

Bei klassischen web-basierten Produktpräsentationen intensiviert sich das Produkterlebnis, wenn der Anwender direkt mit der Produktpräsentation interagieren kann (Klein 2003). Die direkte Interaktion mit der Produktpräsentation verstärkt beim Nutzer das Gefühl, sich an einem anderen Ort zu befinden, wodurch eine reale Produktprüfung teilweise substituiert wird (Klein 2003). Diesbezüglich zeigen Untersuchungen, dass die Intensität der Immersion einen positiven Einfluss auf die Informationsaufnahme und -verarbeitung hat und die Produktbeurteilung erleichtert (Choi et al. 2016). Mithilfe von VR-Anwendungen ist es möglich, ein realistisches, interaktives Abbild einer Leistung zu erzeugen. Gemäß der Cognitive-Fit-Theory wird die Produktbeurteilung (Problem) durch die neuartigen Visualisierungsmöglichkeiten (Problemrepräsentation) von VR-Anwendungen erheblich erleichtert, sodass nur ein geringer kognitiver Aufwand für die Problemlösung notwendig ist (Vessey 1991). Bei Reiseangeboten beispielsweise entfällt der kognitive Aufwand sich eine Reiseunterkunft auf Grundlage von Katalogbildern imaginär vorstellen zu müssen, da sich der potenzielle Kunde mittels einer VR-Anwendung direkt einen realistischen Eindruck verschaffen kann. Das von VR-Anwendungen erzeugte immersive Gefühl ermöglicht es dem potenziellen Kunden, relevante Produktinformationen schneller und einfacher zu erfassen, was zu einer effizienteren Gesamtbeurteilung führt und dadurch den wahrgenommenen Nutzen der Anwendung erhöht. Des Weiteren werden durch einen hohen Grad der Telepräsenz eine realitätsnahe, intuitive Navigation und Interaktion ermöglicht, vorausgesetzt die VR-Anwendung wurde entsprechend gut gestaltet. Die zu verifizierenden Forschungshypothesen lauten daher wie folgt:

H6

Die Telepräsenz hat einen positiven Einfluss auf den wahrgenommenen Nutzen.

H7

Die Telepräsenz hat einen positiven Einfluss auf die wahrgenommene einfache Bedienbarkeit.

Abb. 1 fasst das konzeptionelle Forschungsmodell nochmal zusammen.

Abb. 1
figure 1

Konzeptionelles Forschungsmodell

3 Methodik

3.1 Operationalisierung

Die Konstrukte wurden auf Basis von etablierten, empirisch validierten Indikatoren operationalisiert. Sowohl das Konstrukt des wahrgenommenen Nutzens (5 Fragen), als auch die wahrgenommene einfache Bedienbarkeit (4 Fragen) wurden von Davis (1989) adaptiert und auf den vorliegenden Forschungsgegenstand übertragen. Gleiches gilt für die Operationalisierung der Nutzungseinstellung (3 Fragen), welche in Anlehnung an Venkatesh et al. (2003) erfolgte. Die Bewertung der Nutzungsintention wird anhand von drei Indikatoren gemessen, die aus den Studien von Venkatesh (2000) und Lee und Lehto (2013) abgeleitet sind. Basierend auf der Studie von Klein (2003) wird das Gefühl der Telepräsenz durch drei Indikatoren operationalisiert. Die Bewertung der einzelnen Indikatoren erfolgte mittels einer 7‑Punkt-Likert-Skala, deren Skalenpole von „trifft überhaupt nicht zu“ (1) bis „trifft voll und ganz zu“ (7) reichte.

3.2 Entwicklung der VR-Anwendung und Design der Untersuchung

Zur Überprüfung der Hypothesen wurde eine experimentelle Untersuchung durchgeführt. Als Untersuchungsgegenstand wurde eine touristische Unterkunft (Hotel) gewählt, da mit einem solchem Erfahrungsgut sehr viele Individuen schon einmal Berührungspunkte hatten. Da VR-Anwendungen ein immer noch recht neues Anwendungsfeld sind, konnte nicht davon ausgegangen werden, dass alle Probanden das Potenzial dieser Technologie bewerten können. Daher wurde eigens für die Studie eine Anwendung entwickelt, in welcher die Probanden ein Hotel virtuell erkunden konnten.

Das Experiment untergliederte sich in vier Phasen. In einem Einführungsvideo wurde den Probanden in Phase eins die VR-Anwendung und der Ablauf der Studie vorgestellt. Im Anschluss wurden in der zweiten Phase die soziodemografischen Daten der Studienteilnehmer und die bisherigen Erfahrungen mit VR-Anwendungen erfasst. Zu Beginn der dritten Phase erhielten die Probanden eine VR-Brille, um sich ein Demonstrationsvideo anzusehen. Nach der Demonstration startete eine Audiowiedergabe, in welcher das Szenario beschrieben wurde. In diesem Szenario sollten sich die Probanden vorstellen, dass sie eine zweiwöchige All-inclusive-Reise planen und sich mithilfe einer VR-Anwendung über ein Hotel informieren. Anschließend konnten die Probanden ein Hotel mittels der VR-Anwendung frei erkunden. Die maximale Nutzungsdauer der VR-Anwendung wurde auf zehn Minuten begrenzt, jedoch konnten die Probanden jederzeit, durch das Absetzen der VR-Brille, die Tour beenden. In der vierten Phase wurde den Studienteilnehmern ein zweiter Fragebogen ausgehändigt, in welchem sie die VR-Anwendung beurteilen sollten.

3.3 Datenerhebung und -analyse

Zur Validierung des Fragebogens und der VR-Anwendung wurde ein Pretest durchgeführt. Daraufhin wurden einige Indikatoren des Fragebogens weiter konkretisiert. Zur Gewinnung der Probanden wurden unterschiedliche Quellen genutzt. Neben Angestellten von Unternehmen und öffentlichen Institutionen wurden Studierende und Mitarbeiter einer deutschen Hochschule eingeladen, an der Studie teilzunehmen. Als Anreiz wurde unter allen Studienteilnehmern ein Tablet verlost. Die Untersuchung wurde im ersten Quartal 2017 durchgeführt. Während des Untersuchungszeitraums nahmen insgesamt 569 Probanden teil und es konnten 540 gültige Datensätze erhoben werden. Zur Modellschätzung wurde in der vorliegenden Studie das PLS-SEM Verfahren genutzt, welches sich speziell im Kontext neuartiger Technologien für die Modellierung von latenten Variablen eignet (Henseler et al. 2016).

4 Ergebnisse

4.1 Stichprobenmerkmale

Von den gültigen Studienteilnehmern waren 54,3 % männlich und 45,7 % weiblich. Die am stärksten vertretene Altersgruppe waren die 20- bis 29-Jährigen (58,3 %). Der Begriff „Virtual-Reality“ war nahezu allen Probanden (93,7 %) vor der Untersuchung bekannt und 50,2 % haben bereits eine VR-Anwendung genutzt. Circa 60 % der Probanden waren Studierende und 30 % Angestellte.

4.2 Beurteilung des Messmodells

Die Beurteilung des Messmodells erfolgt anhand der internen Konsistenz, der Konvergenz- sowie der Diskriminanzvalidität (Hair et al. 2017). Die Reliabilitätsprüfung der internen Konsistenz wird mittels dreier Kriterien durchgeführt (Henseler et al. 2016). Neben dem Cronbach’s Alpha Koeffizienten (α), der Faktorreliabilität (ρc) wird ebenfalls der Dijkstra-Henseler’s Koeffizient (ρA) für die Verifizierung der internen Konsistenz herangezogen. Wie Tab. 1 zu entnehmen ist, befinden sich alle Werte über den geforderten Mindestanforderungen der jeweiligen Kriterien, sodass eine interne Konsistenz gegeben ist.

Tab. 1 Validität und Reliabilität der Konstrukte

Die Konvergenzvalidität des Messmodells wird in der vorliegenden Untersuchung mittels der Faktorenladungen, der Indikatorreliabilität sowie der durchschnittlich erfassten Varianz (DEV) überprüft. Ein Beleg für die Konvergenzvalidität des Messmodells sind hohe Faktorladungen jener Indikatoren, die einem Konstrukt zugeordnet sind. Diesbezüglich sollten die äußeren Faktorladungen der zugeordneten Indikatoren einen Wert von 0,707 überschreiten (Hair et al. 2017). Wie die Tab. 1 aufzeigt, wird dieses Kriterium von allen Indikatoren erfüllt. Darüber hinaus kann durch die Quadrierung der einzelnen Faktorenladungen die jeweilige Indikatorreliabilität (> 0,5) ermittelt werden (Hair et al. 2017). Folglich wird die Indikatorreliabilität bestätigt, da alle Faktorladungen sich über dem Grenzwert von 0,707 befinden. Gleiches gilt für die DEV, die bei allen Konstrukten über der Mindestanforderung von 0,5 (Henseler et al. 2016) liegt (vgl. Tab. 1).

Die Diskriminanzvalidität beschreibt, inwieweit sich ein Konstrukt von den anderen Konstrukten des Messmodells unterscheidet. Für die erste Beurteilung der Diskriminanzvalidität werden die Kreuzladungen der einzelnen Indikatoren betrachtet. In diesem Zusammenhang sollte ein Indikator die höchste Faktorladung mit dem ihm zugeordneten Konstrukt aufweisen. Diese Anforderung wurde von allen Indikatoren erfüllt. Ein weiteres Verfahren, um die Diskriminanzvalidität des Messmodells zu bestimmen, stellt das Fornell-Larcker Kriterium (Fornell und Larcker 1981) dar. Bei diesem Kriterium muss die DEV eines Konstrukts höher als die quadrierten Interkorrelationen mit den anderen Konstrukts sein. Die Ergebnisse in Tab. 2 belegen, dass die Diskriminanzvalidität durch das Fornell-Larcker Kriterium bestätigt werden kann. Zusätzlich wurde die Diskriminanzvalidität mithilfe des Heterotrait-monotrait (HTMT) ratio of correlations verifiziert (Henseler et al. 2015). In der vorliegenden Untersuchung wird zur Bestimmung der Diskriminanzvalidität der konservative Grenzwert HTMT.85 gewählt (Henseler et al. 2015). Wie der Tab. 2 zu entnehmen ist, kann die Diskriminanzvalidität des Messmodells ebenfalls durch das HTMT-Verfahren bestätigt werden, da alle Ergebnisse den Grenzwert von 0,85 unterschreiten.

Tab. 2 Quadrierte Korrelation zwischen den Konstrukten (DEV siehe Diagonale) und HTMT.85 Kriterium (kursiv)

4.3 Beurteilung des Strukturmodells

Die Beurteilung des Strukturmodells erfolgt anhand des Bestimmtheitsmaßes (R2), der Prognoserelevanz (Q2), dem Standardized Root Mean Square Residual (SRMR), der Stärke der Pfadkoeffizienten sowie der Signifikanz der hypothetischen Wirkungsbeziehungen. Das Bestimmtheitsmaß (R2) wird häufig für die Beurteilung des Strukturmodells verwendet und spiegelt den Anteil der erklärten Varianz wider (Hair et al. 2017). Die Interpretation der R2-Werte für endogene Variablen erfolgt auf Basis der von Chin (1998) vorgeschlagenen Skala. Demzufolge wird der Anteil der erklärten Varianz ab 0,19 als schwach, ab 0,33 als moderat und ab 0,67 als substantiell angesehen (Chin 1998). Mit zwei Ausnahmen befinden sich alle endogenen Variablen (Abb. 2) über dem Schwellenwert von 0,33, der für eine moderate Modellbeurteilung gefordert wird.

Abb. 2
figure 2

PLS-Ergebnisse des Strukturgleichungsmodells

Um die Prognoserelevanz (Q2) des Strukturmodells zu bestimmen, wurde der Stone-Geisser Test (Stone 1974; Geisser 1974) auf Basis des kreuzvalidierten Redundanz-Ansatzes durchgeführt. Mittels der Blindfolding-Prozedur werden die empirisch erhobenen Daten der endogenen Variablen systematisch im Ursprungsdatensatz als fehlend angenommen und durch Schätzparameter des aufgestellten Modells ersetzt (Hair et al. 2017). Somit kann durch den Stone-Geisser Test ermittelt werden, ob das aufgestellte Modell für die Rekonstruktion empirischer Daten geeignet ist (Q2 > 0) (Chin 1998). Wie aus Abb. 2 hervorgeht, wird dieses Kriterium von allen endogenen Variablen erfüllt, sodass die Prognosefähigkeit des Modells konstatiert werden kann. Darüber hinaus weist der Standardized Root Mean Square Residual (SRMR) einen Wert von 0,058 auf, welcher sich unter dem Grenzwert von 0,08 befindet, sodass die Anpassungsgüte des Modells bestätigt wird (Hair et al. 2017; Henseler et al. 2016).

Abschließend werden die Pfadkoeffizienten des Strukturmodells analysiert, die zur Überprüfung der Forschungshypothesen notwendig sind. Während die Stärke der Pfadkoeffizienten direkt durch den PLS-Algorithmus berechnet wird, muss die Signifikanz der Pfadkoeffizienten separat anhand des Bootstrapping-Verfahrens verifiziert werden. Wie die Berechnung der Pfadkoeffizienten aufzeigt, stimmen nahezu alle Strukturpfade mit den angenommenen Wirkungsbeziehungen überein (Tab. 3). Einzig die Stärke der Wirkungsbeziehungen zwischen der wahrgenommenen einfachen Bedienbarkeit und dem wahrgenommenen Nutzen sowie der Nutzungseinstellung sind nur schwach ausgeprägt. Um die Signifikanz der Pfadkoeffizienten zu ermitteln, wurde ein vollständiges Bootstrapping (5000 Untergruppen) durchgeführt. Die Ergebnisse der Bootstrapping-Prozedur sind in Tab. 3 aufgeführt. Insgesamt konnte die statistische Signifikanz der Pfadkoeffizienten für sechs der sieben angenommenen Wirkungsbeziehungen nachgewiesen werden. Demnach wirkt sich der wahrgenommene Nutzen einer VR-Anwendung positiv auf die Nutzungseinstellung (β = 0,698, t = 20,461, p < 0,001) sowie zukünftige Nutzungsintention (β = 0,500, t = 9,968, p < 0,001) aus. Des Weiteren bestätigte sich ein signifikanter Wirkungszusammenhang zwischen der Nutzungseinstellung und -intention (β = 0,306, t = 5,671, p < 0,001). Der wahrgenommene Nutzen wird durch das Konstrukt Telepräsenz (γ = 0,434, t = 10,139, p < 0,001) positiv beeinflusst. Dies gilt auch für die wahrgenommene einfache Bedienbarkeit (γ = 0,238, t = 5,252, p < 0,001). Die wahrgenommene einfache Bedienbarkeit weist lediglich eine schwache, aber dennoch signifikante Wirkungsbeziehung mit dem wahrgenommenen Nutzen (β = 0,098, t = 1,970, p < 0,05) auf, wohingegen die Wirkungsbeziehung zwischen der wahrgenommenen einfachen Bedienbarkeit und der Nutzungseinstellung (β = 0,069, t = 1,883, p > 0,06) nicht bestätigt werden konnte.

Tab. 3 Ergebnisse der Hypothesentests

5 Schlussbetrachtung

Basierend auf dem TAM wurde in der vorliegenden Studie sowohl der wahrgenommene Nutzen als auch die wahrgenommene einfache Bedienbarkeit hinsichtlich ihres Effekts auf die Nutzungseinstellung und -intention von VR-Anwendungen untersucht. Zusätzlich wurde die Bedeutung der Telepräsenz, als zentrales Merkmal von VR-Anwendungen, und deren Einfluss auf den wahrgenommenen Nutzen sowie die wahrgenommene einfache Bedienbarkeit einer VR-Anwendung analysiert.

Wie die Ergebnisse verdeutlichen, ist speziell der wahrgenommene Nutzen ein zentraler Prädiktor, der sowohl die Nutzungseinstellung als auch die Nutzungsintention positiv beeinflusst. Gleichzeitig weist unsere Studie die signifikante Wirkungsbeziehung zwischen Nutzungseinstellung und -intention nach, die auch im Kontext mit anderen Technologien identifiziert werden konnte (Chung et al. 2015; Cheng und Cho 2011; Ayeh et al. 2013). Neben den klassischen Einflussfaktoren des TAM wurde in der vorliegenden Studie ebenfalls die Wirkung der Telepräsenz auf den wahrgenommenen Nutzen und die wahrgenommene einfache Bedienbarkeit untersucht. In beiden Fällen zeigen die Ergebnisse einen positiven signifikanten Einfluss. Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit vorangegangenen Forschungsarbeiten, die im Kontext mit virtuellen Produktpräsentationen durchgeführt wurden (Klein 2003; Choi et al. 2016). Durch die realitätsgetreuen Visualisierungsmöglichkeiten sind VR-Anwendungen dazu in der Lage, das virtuelle Gegenwartsempfinden der Nutzer positiv zu beeinflussen. Dies ermöglicht eine einfache und intuitive Navigation sowie Interaktion. Dadurch können potenzielle Kunden relevante Produktinformationen schneller und einfacher erfassen. Ein wesentlicher Vorteil dieser Technologie besteht somit in einer effizienteren Informationsbeschaffung, die eine fundierte Entscheidungsfindung ermöglicht. Durch die Vielzahl der zur Verfügung stehenden Kommunikationskanäle müssen Unternehmen eine nutzerzentrierte Perspektive einnehmen, um die Informationen über den aus Nutzersicht geeigneten Kanal zu kommunizieren. Wie die Ergebnisse unserer Studie verdeutlichen, sind VR-Anwendungen ein adäquates Marketinginstrument, das zur Informationskommunikation eingesetzt werden kann. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurden keine spezifischen gestalterischen sowie technischen Rahmenbedingungen der VR-Anwendung wie beispielsweise der Aufbau des Interaktionsdesigns oder die Qualität des Bildmaterials thematisiert. Diese Aspekte wurden in vorangegangenen Forschungsarbeiten untersucht (Chen et al. 2020; Hepperle et al. 2019; Flavián et al. 2019).

Insbesondere für erklärungsbedürftige Produkte bietet die VR-Technologie neuartige Visualisierungsmöglichkeiten. Die potenziellen Kunden können im Vorfeld des Kaufes ein Produkt beziehungsweise eine Dienstleistung besser beurteilen, sodass das Risiko einer informationsbedingten Fehlentscheidung reduziert wird. Diese Erkenntnis ist insbesondere für Anbieter hochpreisiger Erfahrungsgüter, beispielsweise in der Tourismusbranche, von großer Bedeutung. Vor allem das Gefühl, sich unmittelbar vor Ort zu befinden, verringert die inhärente Informationsasymmetrie solcher Erfahrungsgüter und unterstützt die potenziellen Kunden bei der Leistungsbeurteilung. Durch den Einsatz von VR-Anwendungen können Marketingverantwortliche somit den Informationsbeschaffungsprozess der Kunden verkürzen. VR-Anwendungen versetzen die Anbieter folglich in die Lage, den Kaufentscheidungsprozess der potenziellen Kunden positiv zu beeinflussen.