„Jegliche sportliche Leistung ist von einer ganzen Person zu erbringen und zu verantworten.“ Diese Prämisse der Pädagogik des Leistungssports (Prohl und Lange 2004, S. 7) ist Ausgangspunkt des sportpädagogischen Leitbildes von handlungs- und leistungsfähigen Sportler*innen. Danach bedarf es neben guter Technik und Taktik, Kondition und Koordination auch sogenannter psychosozialer Ressourcen (unter anderem Motivation, Selbstbewusstsein, Emotionsregulation oder Kooperationsfähigkeit), um dauerhaft mit Freude und Erfolg (Leistungs‑)Sport zu betreiben.

Die Grundidee handlungs- und leistungsfähiger Sportler*innen greift das vor über 40 Jahren entwickelte Leitbild von mündigen Athleten (Lenk 1979) auf. Danach zeigt sich Mündigkeit beispielsweise, indem Sportler*innen ihr Handeln (unter anderem Ziele, Trainingspläne) mitverantworten und selbstbestimmt Entscheidungen treffen. Nach Lenk entwickeln sich mündige Athlet*innen in einem demokratischen Training, das Eigeninitiative und Selbstständigkeit stützt und darauf vorbereitet, mit Wettkampfanforderungen „allein fertig zu werden“ (S. 497).

Dieses Leitbild ist anschlussfähig an aktuelle sportpädagogische Diskurse, beispielsweise zur Handlungsfähigkeit im Sport. Handlungsfähige Sportler*innen sind in der Lage, „sportbezogene Handlungsformen qualifiziert auszuüben … und dabei sein [ihr] Ausüben … auf der Basis reflexiv erworbener Handlungsorientierungen selbstbestimmt und verantwortlich [zu] regulieren“ (Gogoll 2013, S. 13). Eine Nähe zeigt sich auch zu bildungstheoretischen Auslegungen, beispielsweise zur kategorialen Bildung als eng verwobenen Prozess zwischen Individuum und Sache (Gaum et al. 2022) oder zur ästhetischen Bildung, mit der Prohl (2004) das oben genannte Leitbild als „mündige Ästheten“ auslegt. Eine aktualisierte Auslegung des bereits älteren Leitbildes von mündigen Athlet*innen im Rahmen heutiger sportpädagogischer Diskurse steht bislang aus.

Ein erster Schritt ist der im Folgenden skizzierte Ansatz zur „Pädagogisch-psychologischen Coaching- und Trainingsqualität“ (PaCT). PaCT umfasst konkrete Ziele und methodische Prinzipien, um junge Sportler*innen auf ihrer Entwicklung zu handlungs- und leistungsfähigen Sportler*innen systematisch zu begleiten.

Ziele pädagogisch-psychologischer Coaching- und Trainingsqualität

Das pädagogische Zielfernrohr fokussiert die Handlungs- und Leistungsfähigkeit von Sportler*innen in allen Entwicklungsphasen und Leistungsniveaus vom Kinderturnen bis zum Nachwuchsleistungszentrum.

Einigkeit dürfte soweit bestehen, dass motorische Fähigkeiten und sportartspezifische Fertigkeiten eine grundlegende Basis der Handlungs- und Leistungsfähigkeit sind. Mit einem pädagogischen Blick lassen sich weitere Ziele zur qualifizierten Ausübung sowie zum mündigen Umgang mit Sport herausstellen. Handlungs- und leistungsfähige Sportler*innen …

  1. 1.

    verfügen über motorische Fähigkeiten und Fertigkeiten (u. a. Technik, Taktik, Kondition), können diese realistisch einschätzen sowie situationsangemessen einsetzen,

  2. 2.

    verfügen über sportartspezifische psychosoziale Ressourcen (u. a. Selbstbewusstsein, Emotionsregulation, Kooperationsfähigkeit),

  3. 3.

    sind selbst- & mitbestimmungsfähig: verantworten eigenes Handeln (Ziele, Trainingspläne etc.),

  4. 4.

    sind kritikfähig: reflektieren ihren Sport, das Sportsystem und ihre Rolle darin,

  5. 5.

    beziehen Sinn aus der gelingenden sportlichen Handlung; d. h. ihr sportliches Handeln richtet sich auf die Qualität des Leistens, nicht vornehmlich auf das Gewinnen,

  6. 6.

    sind faire Wettkämpfer*innen; binden sich an Regeln, um das Prinzip Chancengleichheit und den ergebnisoffenen Wettkampf zu sichern.

Methodische Prinzipien pädagogisch-psychologischer Coaching- und Trainingsqualität

Die methodische Gestaltung eines pädagogisch-psychologisch bewussten Trainings mit dem Zielfernrohr handlungs- und leistungsfähiger Sportler*innen erfolgt über drei eng verzahnte Zugänge (Abb. 1).Footnote 1

Abb. 1
figure 1

Methodische Prinzipien zur pädagogisch-psychologischen Coaching- und Trainingsqualität (PaCT). (Abbildung: Ralf Sygusch)

Lerngelegenheiten in Training und Wettkampf aufgreifen und inszenieren

Lernsituationen aufgreifen: Der Trainings- und Wettkampfalltag bietet zahlreiche pädagogisch-psychologisch bedeutsame Gelegenheiten und Anforderungssituationen, die in der Trainingsgestaltung bewusst aufgegriffen werden sollten, beispielsweise Sieg und Niederlage, (Miss‑)Erfolgserfahrungen, Feedback, Vormachen von Übungsteilen, Regeln und Konflikte.

Lernsituationen inszenieren meint die systematische Gestaltung von psychosozialen Anforderungen im Training, um Bildungs- und Entwicklungsprozesse zielgerichtet anzuregen.

Beispiel „gegenseitig coachen“.

Sportler*innen üben in Dreier-Gruppen eine sportartspezifische Fertigkeit. Abwechselnd beobachten sie sich gegenseitig geben sich Feedback. Anschließend reflektieren Trainer*innen mit der gesamten Trainingsgruppe Stärken und typische Fehlerbilder. In einer weiteren Übungsphase (Dreier-Gruppen) sollen diese Fehlerbilder gezielt beobachtet und von den Mitsportler*innen gezielte Korrekturhinweise gegeben werden.

Trainer*innen-Sportler*innen-Beziehung (TSB)

Prinzipien zur TSB gehen vom Grundsatz aus, dass die Entwicklung von Handlungs- und Leistungsfähigkeit gestärkt wird, wenn sich Sportler*innen der Unterstützung ihrer Trainer*innen sicher sein können. Dazu gehört, dass Trainer*innen als sportliche Expert*innen auch Raum für Mitbestimmung geben, wertschätzenden Umgang pflegen und Sportler*innen Fürsorglichkeit entgegenbringen.

Beispiel „Raum für Mitbestimmung“.

Bei der Trainingsgestaltung (u. a. Ziele, Übungs‑/Spielformen) sollten Trainer*innen auch die Perspektive der Sportler*innen integrieren. Dabei geht es insbesondere um die „Sportler*innensicht“ und deren Wahrnehmung von vorangegangenen Trainings- und Wettkampferfahrungen, ihre Vorstellungen, Bedürfnisse und Wünsche. Dazu gehört es auch, dass Trainer*innen eine Offenheit dafür zeigen, dass ihre Entscheidungen – zu gegebenen Zeitpunkten! – hinterfragt und auf „Augenhöhe“ diskutiert werden.

Sportler*innen-Sportler*innen-Beziehung (SSB)

Grundlegende Prinzipien zur SSB zielen ein aufgabenorientiertes, ein sozial-emotionales sowie ein angstfreies Trainings- und Lernklima.

Beispiel „aufgabenorientiertes Trainingsklima“.

Dazu gehören ein gemeinsames Trainingsverständnis (… wir wollen sportliche Fertigkeiten erlernen und verbessern), ein gemeinsames Wettkampfverständnis (… wir wollen bestmögliche Teamergebnisse und Einzelleistungen erzielen) sowie die Bereitschaft zu ständiger gegenseitiger Unterstützung.

SSB unterliegen einer Eigendynamik und sind durch Trainer*innen nur indirekt beeinflussbar. Deren Aufgabe liegt darin, gezielte Impulse dafür zu geben. Mit anderen Worten: Das Trainingsklima kann von Trainer*innen belebt werden, es muss von den Sportler*innen gelebt werden!