Körperliche Aktivität

Körperliche Aktivität ist definiert als durch die Skelettmuskulatur ausgeführte Körperbewegung, die einen Energieaufwand erfordert (Caspersen et al. 1985) und ist ein wichtiger Schutzfaktor für die Prävention und Behandlung von sogenannten „nicht übertragbaren Krankheiten“. Personen, die das empfohlene Maß an körperlicher Betätigung einhalten, haben nachweislich ein um circa 20 bis 30 % geringeres Risiko eines vorzeitigen Todes (WHO 2022). Etwa 7 bis 8 % aller Fälle von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Depressionen und Demenz sowie etwa 5 % der Fälle von Typ-2-Diabetes könnten verhindert werden, wenn die Menschen körperlich aktiver wären. Im Erwachsenenalter liegt die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bei mindestens 150 min körperlicher Aktivität pro Woche, was von etwa 25 % aller erwachsenen Menschen nicht erreicht wird (WHO 2022).

Im Kindes- und Jugendalter empfiehlt die WHO täglich mindestens 60 min Bewegungszeit (WHO 2022). Weltweit erfüllten 81 % der Jugendlichen im Alter von 11 bis 17 Jahren im Jahr 2016 diese Anforderungen an eine angemessene körperliche Aktivität nicht. Heranwachsende Mädchen waren dabei weniger aktiv als Jungen: Hier erfüllten 85 % gegenüber 78 % nicht die WHO-Empfehlungen. Daher sind niedrigschwellige, kosteneffektive und allgemein zugängliche Strategien erforderlich, um die körperliche Aktivität in der Allgemeinbevölkerung, insbesondere aber in der Gruppe der Kinder und Jugendlichen, zu steigern.

Wearables als niederschwelliger Zugang zum Sport

„Wearable devices“ (kurz: Wearables; definiert als am Körper getragene Computersysteme), insbesondere Activity- oder Fitness-Tracker und Smartwatches, haben das Potenzial gezeigt, das Gesundheitsverhalten von Menschen zu verbessern. In den vergangenen Jahren sind diese tragbaren Geräte immer beliebter geworden. Von 2014 bis 2021 hat sich der weltweite Absatz von etwa 29 auf über 530 Mio. Geräte nahezu verzwanzigfacht (Statista 2023). Funktionen wie die Aufzeichnung und Analyse von Herzfrequenzdaten, der täglichen Schrittzahl und des Kalorienverbrauchs können dabei zu vermehrter täglicher körperlicher Aktivität motivieren (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Beispielhafte Funktionen einer Sportuhr. Aus einer Vielzahl von Features leitet die Uhr die physische Performance ab und erstellt auf Wunsch Trainingspläne oder gibt regelmäßig Feedback über das Bewegungsverhalten. (Abbildung: Nils Haller)

Die aus den Daten abgeleiteten Inaktivitätsalarme und individuell angepassten Trainingspläne fordern Nutzer*innen dabei in regelmäßigen Abständen zum Sporttreiben auf und liefern über „Gamification“-Elemente Anreize zur dauerhaften und langfristigen Nutzung. Im medialen Echo finden sich bereits auf vielen einschlägigen Websites Informationen, die unterstreichen, dass Wearables zur Steigerung der körperlichen Aktivität beitragen können.

Studienlage zu Wearables und körperlicher Aktivität

Inzwischen zeigen wissenschaftliche Studien erste Ergebnisse auf diesem noch sehr jungen Forschungsgebiet. Eine systematische Übersichtsarbeit mit Meta-Analyse (eine Studie, die mehrere Studien zusammenfasst und übergreifende Effekte berechnet) von Ringeval et al. (2020) unterstrich, dass Fitbit-Wearables die tägliche Schrittzahl um durchschnittlich fast 1000 Schritte erhöhen können. Darüber hinaus ergab die Untersuchung, dass täglich etwa 6 min mehr an moderater bis anstrengender körperlicher Aktivität durchgeführt wird und das Körpergewicht signifikant reduziert werden kann. Ähnliche Arbeiten, wie die von Laranjo et al. (2021), kommen fast auf 2000 zusätzliche tägliche Schritte. Es ist jedoch wichtig, darauf hinzuweisen, dass diese Ergebnisse sehr heterogen und nicht über alle Studien hinweg konsistent waren. Zudem fanden sich unter den Studien nur wenige oder gar keine Untersuchungen aus dem Kindes- und Jugendalter, was Ringeval et al. (2020) mit den Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von Proband*innen aus dieser Bevölkerungsgruppe (etwa die Einholung der Zustimmung der Erziehungsberechtigten) und der Durchführung von Studien erklären.

Der Forschungsbereich wurde erstmals in einer 2016 veröffentlichten Studie adressiert. Im Bereich der Aktivitäts-Tracker fassten Ridgers und Kolleg*innen fünf Studien zusammen, die die prinzipielle Machbarkeit sowie die Wirksamkeit von Wearables zur Steigerung der körperlichen Aktivität bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 5 bis 19 Jahren untersuchten. Während positive Ergebnisse zur Wirksamkeit im Kindes- und Jugendalter bisher fehlen, fanden die Forscher*innen heraus, dass Design und Feedback für diese Alterskohorte besonders wichtig zu sein scheinen (Ridgers et al. 2016). Insgesamt ist jedoch zu betonen, dass in diesem Bereich ein deutlicher Forschungsbedarf besteht, der jedoch aufgrund der großen Zahl unzureichend aktiver Kinder lohnend sein könnte.

Potenziale und Fallstricke beim Einsatz von Wearables

Wearables, vor allem Sportuhren und Aktivitätstracker, haben sich in den vergangenen Jahren stetig weiterentwickelt und erfassen neben der Schrittzahl viele weitere gesundheitsbezogene Variablen. Inzwischen können einige Wearables sogar Smartfunktionen ausführen, zum Beispiel das Versenden von Nachrichten über eine Smartwatch. Im sportlichen Kontext haben Uhren mit Sportfunktion in den vergangenen Jahren besondere Fortschritte bei der Aufzeichnung physiologischer Variablen sowie bei der Erstellung von Inaktivitätsalarmen und automatischen, individualisierten Trainingsplänen gemacht. So schlägt die Uhr nach einem kurzen Einstufungstest ein strukturiertes Ausdauertrainingsprogramm über mehrere Wochen vor und gibt regelmäßig Rückmeldung über den Leistungsfortschritt.

Im Kindes- und Jugendalter könnten Feedback und Gamification-Elemente (wie etwa Bestenlisten auf bestimmten Streckenabschnitten) zumindest kurzfristig zu mehr Interesse an körperlicher Aktivität führen und eine Lebensstiländerung fördern. Leider ist die Effektivität solcher Trainingspläne noch gänzlich unerforscht. Zudem ist es wichtig zu betonen, dass diese Pläne etwaige Vorerkrankungen wie Adipositas, Diabetes Typ II oder andere körperliche Einschränkungen nicht berücksichtigen. Die Trainingsprogression, also das Maß, wie das Training vom Wearable gesteigert wird, ist intransparent; und sich strikt an vorgegebene Trainingspläne ohne menschlichen Input zu halten, birgt die Gefahr der Überforderung bis hin zu einer möglichen Verletzung. Damit sind KI-basierte Trainingspläne bestenfalls eine Hilfe, nicht aber als Dogma für das tägliche Training zu verstehen. Zudem ist es nicht nur wichtig, den eigenen Körper objektiv zu vermessen, sondern auch das eigene Körpergefühl über die Dauer und den Umfang der körperlichen Aktivität entscheiden zu lassen.

Eine weitere Sorge im Zusammenhang mit tragbaren Aktivitätsmessgeräten ist der „Sustainability-Aspekt“, also die Frage, ob die Technologie über einen längeren Zeitraum hinweg genutzt wird (Ridgers et al. 2016). In dem bereits 2005 erschienenen Artikel „The Law of Attrition“ (zu Deutsch etwa: das Gesetz der Abnutzung; (Eysenbach 2005)) skizziert der Autor ein Phänomen, das bis heute noch für die Nutzung vieler Technologien gilt: Nach einer kurzen Phase der Neugierde und starken Nutzung folgt eine Phase der Ablehnung aufgrund von „fehlendem Nutzen“ oder „Problemen mit der Benutzerfreundlichkeit“. Studien haben gezeigt, dass viele Erwachsene ihre Wearables bereits nach einem halben Jahr nicht mehr benutzen, wobei ein weiterer Grund darin besteht, dass die Erwartungen an das Gerät nicht erfüllt werden (Ridgers et al. 2016). Gemäß dem „Technologieakzeptanzmodell“ sollten Wearables einfach zu bedienen sein und als nützlich wahrgenommen werden, was ihre tatsächliche und effektive Nutzung fördert (Al-Maroof et al. 2021; Marangunic und Granic 2015). In der Regel sind Wearables benutzerfreundlich. Im sportlichen Kontext sind die Fortschritte anfangs oft groß, aber nach einer Weile geringer und nicht immer wahrnehmbar, so dass der subjektiv empfundene Nutzen der Wearables erfahrungsgemäß mit der Zeit nachlassen kann. Dieses Phänomen kann vor allem auftreten, wenn die intrinsische Motivation zum Sporttreiben fehlt.

Neben dem Aspekt der Nachhaltigkeit sind auch Datenschutzaspekte, fehlende Qualitätsstandards sowie soziale und psychologische Risiken zu berücksichtigen, die vor dem Einsatz unbedingt abgewogen werden sollten. Xue (2019) erklärt in seinem Artikel, dass es durchaus möglich ist, dass Menschen durch Wearables, beispielsweise von ständigem Wettbewerb und Belohnungen, abhängig werden können. Diese Abhängigkeit kann zu einem Risiko für das Sozialleben werden, da die häufige Nutzung dieser Geräte zu einem Rückgang der sozialen Interaktionen führen kann. In einer eigenen, kürzlich veröffentlichten Studie konnten wir mit unseren Kolleg*innen in einem Patient*innenkollektiv zeigen, dass die Nutzung von Smartwatches neben der Erhöhung der täglichen Schrittzahl auch zu erhöhtem Stressempfinden führen kann, wenn die Teilnehmenden der Studie kein Feedback von Expert*innen zu ihrem Aktivitätsverhalten erhalten (Wuttke et al. 2023). Obwohl eine Steigerung der körperlichen Aktivität wünschenswert ist, ist die Kombination mit einem erhöhten Stressempfinden kein sinnvolles Resultat. Abb. 2 fasst einige Potenziale und Unsicherheiten bei der Nutzung von Wearables zusammen.

Abb. 2
figure 2

Potenziale und Unsicherheiten im Zusammenhang mit Wearablekonsum. (Abbildung: Nils Haller)

Einsatzmöglichkeiten in Schule und Vereinssport

Die Idee, Wearables im Vereins- oder Schulsport zur Steigerung der körperlichen Aktivität (auch als Erziehung zum Sport außerhalb der Schule) zu nutzen, scheint vielversprechend. Die Covid-19 Pandemie hat bereits gezeigt, dass Kinder und Jugendliche in Zeiten von Lockdown mit Hilfe von Apps und deren Gamification-Elementen zumindest ansatzweise zum Sport motiviert werden können (Yang und Koenigstorfer 2020). Features, wie das Sammeln von Punkten, Abzeichen oder Preisen, sowie das Absolvieren von Etappen oder Storylines und damit einhergehendes positives Feedback für geleistete körperliche Aktivität können Kinder und Jugendliche über einen längeren Zeitraum motivieren und ihr Interesse an körperlicher Aktivität steigern (Nah et al. 2014). Auch vom Leistungsprinzip losgelöste Herausforderungen, wie zum Beispiel das „Ablaufen“ von Figuren per GPS-Tracking mit einer Belohnung für den*die kreativste*n Schüler*in, sind mittels Wearables möglich. Zudem können Wearables in Kombination mit kompatiblen Apps zum fachübergreifenden Unterricht genutzt werden (etwa die Kombination von körperlicher Aktivität und dem Entdecken der Natur oder von Sehenswürdigkeiten). Je nach Curriculum und Klassenstufe können Wearables auch physiologische Vorgänge im eigenen Körper veranschaulichen, wie zum Beispiel den Anstieg der Herzfrequenz bei sportlicher Belastung, und haben damit einen pädagogischen Mehrwert.

Dem Einsatz solcher Technologien in Schulen und Vereinen steht jedoch ein eingeschränkter Zugang, insbesondere für Kinder aus unteren sozialen Schichten, gegenüber. Dem Leitgedanken der Inklusion im Vereinssport widerspricht, wenn manche Kinder und Jugendliche keinen Zugang zu Wearables oder entsprechenden Apps haben. Die Ausstattung von Schulen mit Wearables scheint allenfalls mit externen Fördermitteln möglich zu sein, da viele Schulen und ihre Sportanlagen rudimentär ausgestattet sind und selbst die einfachsten Geräte fehlen. Wie bereits beschrieben, sollten Wearables im Kindesalter nicht ohne Rückmeldung von Expert*innen eingesetzt werden, da sie auch Gefahren bergen, wie zum Beispiel Leistungsdruck, wenn Kinder und Jugendliche sich zu intensiv miteinander vergleichen. Gleichzeitig erfordert die Nutzung von Wearables auch die Schulung von Lehrkräften oder Trainer*innen, um zu verstehen, wie Daten generiert werden und wie sie zu interpretieren sind. Nur so können den Kindern die Funktionen und die Aussagekraft von Wearables richtig vermittelt werden.

Fazit

Studien haben gezeigt, dass sich Wearables prinzipiell zur Steigerung der körperlichen Aktivität eignen. Die Aufzeichnung der täglichen Schrittzahl oder Features wie die Verschreibung von Trainingsplänen können sowohl Erwachsenen als auch Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit bieten, autark aktiv zu sein und systematisch Sport zu treiben, wobei dies stets als Hilfe und weniger als strikte Vorgabe zu verstehen ist. Gerade im Kindes- und Jugendalter gibt es derzeit jedoch noch zu wenig Forschung, um verlässliche Aussagen zur Wirksamkeit von Wearables zu tätigen, wobei die prinzipielle Durchführbarkeit von Wearable-Interventionen im Kindes- und Jugendalter gezeigt wurde. Es muss jedoch auch betont werden, dass noch große Unsicherheiten über die langfristigen Effekte von Wearables herrschen. Nach anfänglichem intensiven Gebrauch der Technologie ist häufig ein schneller Rückgang in der Nutzung zu beobachten, vor allem wenn die intrinsische Motivation zum Sporttreiben eher gering ist.

Es bleibt abzuwarten, ob und wie Schulen, aber auch Vereine, auf die Potenziale von Wearables reagieren und gleichzeitig den Gefahren, wie Datenschutzaspekten, einer übermäßigen Nutzung oder der Gefahr der Überforderung, entgegenwirken werden. Falls Wearables bei Heranwachsenden zum Sport eingesetzt werden, ist ein Support von Expert*innen essenziell, um das Risiko negativer Begleiterscheinungen zu minimieren.