Einleitung

Wer als Elternteil, Lehrkraft oder Trainer*in mit Kindern zu tun hat, ist häufig mit wunderbaren und – aus Erwachsenensicht – ärgerlichen Aspekten der Motivation im Kindesalter konfrontiert. Wunderbar mutet es an, wie hartnäckig Kinder sich körperlich verausgaben, im Spiel engagieren, Klettergerüste meistern, aber sich auch für Leistungsvergleiche begeistern. In anderen Momenten kann es zu Konflikten führen, wenn Kinder diese motivationalen Energien in unerwünschte Tätigkeiten investieren, etwa in Bildschirmaktivitäten, oder wenn Wettbewerbe durch intensive Gefühle entgleisen.

Wir konzentrieren uns in diesem Beitrag auf den Aspekt des Kompetenzerlebens. Denn dieser scheint uns für das Sporttreiben im Kindesalter eine tragende Rolle zu spielen. Dieser Aspekt wirft auch Licht auf grundlegendere Fragen nach der Bedeutung des Sports für die Entwicklungsförderung von Kindern. Zunächst werden wir das Bedürfnis nach Kompetenzerleben etwas grundsätzlicher reflektieren. Danach gehen wir vergleichend auf Schul‑, Breiten- und Leistungssport im Kindesalter ein.

Das Bedürfnis nach Kompetenzerleben

Der Begriff der Motivation thematisiert die Frage nach dem „Warum“ von Verhalten. Jeder Versuch einer Antwort stößt jedoch auf ein schwer entwirrbares Wechselspiel von Faktoren: In eine konkrete Verhaltensepisode bringen Handelnde persönliche Unterschiede ein, und sie treffen auf Gegebenheiten, die ihnen mehr oder weniger attraktiv erscheinen. Am Ende der Episode können die Ereignisse verschieden bewertet werden. Angesichts dieser Komplexität ist es kein Wunder, dass eine enorme Fülle von Theorien und Befunden vorliegt, die jeweils Faktoren und Abschnitte des motivationalen Geschehens betreffen. So konstatiert die Literatur zum Schulsport die Verwendung von nicht weniger als acht verschiedenen Motivationstheorien (van den Berghe et al. 2014). Man kann deshalb leicht vor lauter Bäumen den Blick auf den Wald verlieren. Wir beschränken uns hier weitgehend auf einen Teilbereich, auf das Erleben eigener Kompetenz. Das Konzept des Bedürfnisses nach Kompetenzerleben kann aus unserer Sicht vorteilhaft zum Menschenbild beitragen, mit denen Lehrkräfte Kinder sehen. Das Konzept ist breit genug, um für verschiedene Situationen des Sporttreibens bedeutungsvoll zu sein, es ist aber auch spezifisch genug, um Forschungsbefunde zu bündeln. Schließlich thematisiert es aus unserer Sicht einen besonders wichtigen Aspekt von Bewegung, Spiel und Sport.

Einflussreiche Motivationstheorien zum Kompetenzerleben nennen als Ausgangspunkt eine Arbeit von Robert White (1959), in der er einen neuen Ansatz vorstellte, über Motivation nachzudenken. Um ihn plausibel zu machen, trägt er Befunde aus Verhaltensbeobachtungen an Tieren und Kleinkindern zusammen. Er führt an, dass Säugetiere unbekannte Umgebungen erkunden, ohne dass sie dabei auf Belohnungen aus sind. Beobachtungen an Primaten zeigen ausdauerndes Manipulieren von Objekten und Verriegelungen (ebd., S. 298). Für Säuglinge und Kleinkinder weist er auf das frühe visuelle Explorieren und Greifen hin sowie das Bemühen, die Fortbewegung durch Kriechen, dann den aufrechten Gang zu beherrschen. Er greift auf die Beobachtungen von Jean Piaget zum frühen Objektspiel seines Sohns mit drei Monaten zurück:

Nachdem Laurent schließlich gelernt hat zu ergreifen, was er sieht, lege ich ihm, als er 0; 3 (10) alt ist, die an der Klapper befestige Schnur direkt in die rechte Hand und schlinge sie nur ein wenig darum herum, damit er sie besser ergreifen kann. Zuerst passiert nichts, aber nach der ersten Erschütterung, die durch eine zufällige Bewegung seiner Hand erfolgt ist, stellt sich unmittelbar folgende Reaktion ein: Laurent zuckt zusammen, und indem er auf die Klapper schaut, vollführt er mit der rechten Hand allein heftige Stöße, wie wenn er den Widerstand und die Wirkung gespürt hätte. Das dauert eine gute Viertelstunde, wobei Laurent immer wieder hell auflacht (Piaget 1996 [1969], S. 168).

Beobachten, Objekte erkunden, manipulieren und kontrollieren, Fortbewegung entwickeln sind in vieler Hinsicht verschiedene Tätigkeiten. Dennoch, so White, haben sie eine Gemeinsamkeit, die es sinnvoll macht, sie unter einem Konzept zusammenzufassen. Alle sind gerichtet auf das Erreichen eines effektiven Austauschs mit der Umwelt, auf Kompetenz. Sie können verstanden werden als verschiedene Ausprägungen einer gemeinsam zugrundeliegenden Motivationsstruktur, die White „Kompetenzmotivation“ oder „Wirksamkeitsmotivation“Footnote 1 nennt.

Nicht nur die Tätigkeiten selbst sind sehr verschieden, man kann auch leicht verschiedene Ziele in ihnen vermuten: die Spannung des Neuen zu genießen, die Lust an motorischer Aktion, das Gefühl von Kontrolle zu erleben. Würde man aber eines dieser Ziele hervorheben, so White (1959, S. 320/321), verfehle man gerade den springenden Punkt. Denn es sei der zirkulär-fortlaufende Austauschprozess mit der Umwelt als Ganzes, auf den es auf dieser frühen Entwicklungsstufe ankomme. Erst für spätere Entwicklungsstufen sollte die Ausdifferenzierung in Kognition, Kontrolle, Leistung und ähnliches beachtet werden. Doch auch wenn in späteren Stadien Motivation stets durch verschiedene Quellen gespeist sei, bleibe die Wirksamkeitsmotivation eine gemeinsame Wurzel (ebd., S. 323).

Die spezifische Befriedigung in kompetenzmotivierten Prozessen besteht in einem „Gefühl der Wirksamkeit“ (ebd., S. 322). Dieses Gefühl begleitet den fortlaufenden Prozess und es hat eine freudvolle, positive Tönung. Piaget war, wie das Zitat zeigt, das „helle Auflachen“ seines Sohnes aufgefallen.

Die Wirksamkeitsmotivation lässt sich so früh in der kindlichen Entwicklung beobachten, dass White hier eine angeborene Motivationsquelle am Werk sieht. Bedenkt man einen möglichen evolutionären Vorteil, findet man Bekräftigung für diese weitreichende Vermutung. Organismen, die fortlaufend die Fähigkeiten erweitern, effektiv mit der Umwelt zu interagieren, verwickeln sich aus eigenem Antrieb ständig in Lernprozesse.

Kompetenzmotivation als angeborene Motivationsquelle wäre also ein dauerhafter Motor der Entwicklung, der jedem Kind per se gegeben ist. Allerdings verfolgen die Akteure nicht die Absicht, ihre Kompetenz zu verbessern. Das erkundende Spiel mit Objekten, schreibt White, kann in einem entwicklungsessenziellen Sinn als ernsthaftes Geschäft angesehen werden, für das Kind selbst ist es nichts weiter als etwas, was in diesem Augenblick interessant ist oder Spaß macht (ebd., S. 321).

Sinnbilder können komplexe Zusammenhänge gelegentlich stärker zum Ausdruck bringen als theoretische Aussagen – White findet das Bild des aktiven, spielerisch erprobenden und erkundenden Kindes besonders geeignet, sein Konzept der Wirksamkeitsmotivation zu bündeln (ebd., S. 318).

Beobachtet man Verhalten durch die Brille des Bedürfnisses nach Kompetenzerleben, wird eine große Vielfalt von Phänomenen gerade in Bewegung, Spiel und Sport verständlich – die Begeisterung für grob- und feinmotorischen Aufgaben, die zu nichts führen als der Erfahrung, sie bewältigen zu können. Der Ansporn, künstliche Bewegungshindernisse durch Kriechen, Balancieren, Springen zu überwinden statt einfach an ihnen vorbeizugehen. Die Freude daran, sich ungewöhnlichen Bewegungsbedingungen auszusetzen (Trampolin, Weichboden (Abb. 1), Wasser).

Abb. 1
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Beobachtet man Verhalten durch die Brille des Bedürfnisses nach Kompetenzerleben, wird eine große Vielfalt von Phänomenen gerade in Bewegung, Spiel und Sport verständlich. Dazu zählt die Freude daran, sich ungewöhnlichen Bewegungsbedingungen auszusetzen, etwa einer Weichbodenmatte. Foto: LSB NRW/Andrea Bowinkelmann

Dieser sinnerschließende Anregungsreichtum hat als Kehrseite allerdings einige Unschärfen, die Klärung erfordern. Susan Harter (1978) hat sieben solcher Lücken herausgearbeitet. Die erste betrifft die mangelnde Entwicklungsperspektive.

White hat das Kompetenzerleben nur in Auseinandersetzung mit Umweltanforderungen betrachtet. Im Sport erlebt das Kind aber auch Leistungsvergleich und Wettbewerb. Kann das Konzept auch darauf bezogen werden?

Elliot et al. (2002) setzen hier an. Die ursprüngliche Form der Kompetenzmotivation bleibe zwar lebenslang erhalten, postulieren sie, aber die wachsende Fähigkeit des Kindes zur Verarbeitung und Speicherung von Erfahrungen ermögliche ihm, augenblickliche Wirksamkeitserlebnisse mit vorangegangenen zu vergleichen. Es kann nun Kompetenzwachstum konstatieren (Selbst‑/Vergangenheitsvergleich). Im nächsten Entwicklungsschritt kann ein solcher Vergleich bezogen werden darauf, wie andere Personen Aufgaben meistern (Anderer-Vergleich). Leistungsvergleiche können in das Konzept des Kompetenzerlebens integriert werden, wenn man sie als neue Informationsquellen für die Bewertung der eigenen Kompetenz versteht. Statt der laufenden Auseinandersetzung mit der Sache geraten nun jedoch das Ergebnis und seine Bewertung in den Mittelpunkt. Diese Akzentverschiebung ist gravierend. Elliott, McGregor und Thrash halten sie im Entwicklungsprozess für unausweichlich. Allerdings werde die ursprüngliche Form des Kompetenzerlebens durch die neuen nicht ersetzt, sondern alle drei können von nun an alternierend wirksam werden.

Ein zweiter Kritikpunkt von Harter betrifft die Freude an der eigenen Wirksamkeit. Unter welchen Bedingungen fällt das Wirksamkeitsgefühl besonders groß aus? Bei leichten oder unlösbaren Aufgaben ist das nicht zu erwarten. Es muss eine optimale Herausforderung geben. Das Gefühl der Wirksamkeit könnte stetig ansteigen, je schwieriger die Aufgabe wird, die man bewältigt. Harter weist jedoch darauf hin, dass die Freude wieder abnehmen kann, wenn die Aufgabe zwar bewältigbar ist, aber als sehr anspruchsvoll erlebt wird.

Schließlich macht Harter darauf aufmerksam, dass White allein gelingende Versuche bedenkt. Was geschieht bei Fehlschlägen? Das Wirksamkeitsbedürfnis wird frustriert, deshalb sind negative Gefühle wie Enttäuschung und Angst zu erwarten sowie eine Verringerung der Wirksamkeitsmotivation. Bei herausfordernden Aufgaben wird es sogar oft ein Pendeln zwischen erfolgreichen und fehlgehenden Momenten. Welches Verhältnis zwischen Erfolg/Misserfolg ist optimal?Footnote 2

Harters Hauptanliegen war, dass trotz des Anregungsreichtums Whites Konzept in begrenzte und klarer definierte Forschungsstrategien übergeleitet werden müsse. Dies ist unter anderem in der Selbstbestimmungstheorie der Motivation geschehen. Wir werden uns für einen Vergleich verschiedener Sportkontexte in diesem Rahmen bewegen.

Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation

Die Sequenz des Handelns in Whites Modell geht aus von einem angeborenen Bedürfnis als Motivationsquelle, die in einer günstigen Situation Handlungen in Gang setzt. Die Handlungen sind gerichtet auf die Auseinandersetzung mit der Umwelt, ohne dass Ziele über die Freude an der Handlung hinaus eine Bedeutung haben. Diese Beschreibung trifft exakt, was in der Selbstbestimmungstheorie der Motivation als intrinsisch motiviertes Verhalten bezeichnet wird.

Die Gegenüberstellung von intrinsischer und extrinsischer Motivation hat sich aus mehreren Ansätzen entwickelt, wird heute aber hauptsächlich mit der Selbstbestimmungstheorie der Motivation verbunden (Deci und Ryan 1993, 2000). Wenn Ziele verfolgt werden, die über die Freude an der Sache selbst hinausgehen, seien sie vorgegeben oder selbst gesetzt, handelt es sich danach um extrinsisch motiviertes Verhalten.

Das Moment des Kompetenzerlebens ist für intrinsisch motiviertes Verhalten schlicht unverzichtbar (Deci und Moller 2005; Ryan und Moller 2018). Allerdings tendiert die Selbstbestimmungstheorie stark dazu, Kompetenzerleben in Whites ursprünglicher Formulierung zu verstehen.Footnote 3 Neben dem Kompetenzerleben ist ein weiterer Gesichtspunkt entscheidend. Deci und Ryan postulieren ein zweites angeborenes Grundbedürfnis, das der Theorie den Namen gegeben hat: Sich selbstbestimmt zu fühlen in dem Sinne, dass die eigenen Handlungen nicht durch Zwänge oder Belohnungen, sondern durch eigene Intention kontrolliert werden. Nur wenn dieses Bedürfnis simultan mit dem Bedürfnis nach Kompetenz befriedigt wird, sind die Bedingungen intrinsischer Motivation erfüllt (Ryan und Moller 2018).Footnote 4

Vergleicht man intrinsische und extrinsische Motivationslagen – das Ausprobieren eines Skateboard-Tricks mit der Frage: „Wie macht man das?“ und das pflichtgemäße Einüben des Reckaufschwungs für eine Sportnote, wird man die intrinsische Lage als günstiger einschätzen. Die Skateboard-Lernerin wird mehr Beharrlichkeit als der Aufschwung-Lerner investieren, und sie wird mehr Freude und Wohlbefinden daraus gewinnen.

Intrinsische Motivation ist aber nicht der Normalfall (Deci und Ryan 2000, S. 60): Menschen sind überwiegend durch Ziele motiviert, die sie erreichen wollen, also extrinsisch. Dennoch macht es einen Unterschied, ob jemand die Freundinnen zu beeindrucken wünscht oder ob jemand eine lästige Prüfung zu bestehen hat. Im ersten Fall stimmt die Lernerin mit dem Ziel überein und gibt sich große Mühe. Im zweiten Fall wird ein Lerner vielleicht so wenig Anstrengung investieren wie möglich. Obwohl beide extrinsisch motiviert handeln, sind die Unterschiede so folgenreich, dass die Selbstbestimmungstheorie sie verschiedenen Stufen zuordnet (Deci und Ryan 1993):

Extrinsisch motiviertes Verhalten wird in vier Grade des Selbstbestimmungserlebens unterschieden. Auf niedrigster Stufe wird das Verhalten in Gang gehalten durch Kontrolle von außen. Diese kann durch Aufsicht erfolgen oder negative Folgen, aber auch durch Belohnungen. Deci und Ryan bezeichnen diese Stufe als externale Regulation.

Auf der nächsthöheren Stufe werden Zwang und Kontrolle in das eigene Denken und Fühlen hineingenommen – internalisiert. Weil Menschen auf soziale Zugehörigkeit angewiesen sind, nehmen sie häufig Aspekte in sich auf, die sie an anderen als günstig wahrnehmen. Dazu gehören Werte, Handlungsmuster und Leistungsstandards. Die Selbstbestimmungstheorie unterscheidet drei Arten der Internalisierung.

Auf der untersten Internalisierungsstufe rangiert ein Erleben mit innerem Zwiespalt – als ob die Stimme der Eltern sich in eine „innere Stimme“ verwandelt habe. Den Anforderungen nicht zu entsprechen, löst Schuldgefühle aus, ihnen zu genügen ein inneres Lob. Deci und Ryan benutzen für diese Stufe den Begriff der Introjektion.

Den Begriff der Identifizierung reservieren sie für die nächsthöhere Stufe. Hier stimmt die Person mit den übernommenen Werten, Zielen und Standards überein und misst ihnen sogar hohe persönliche Wichtigkeit bei.

Die höchste Stufe der Internalisierung bezeichnen Deci und Ryan als integrierte Regulation. Hier bleiben die Autoren etwas vage. Ziele, Standards und Werte seien umfassend in das Selbst assimiliert, heißt es, und harmonisch mit der Identität verknüpft (Deci und Ryan 2000, S. 236).

Aus der Gegenüberstellung intrinsisch-extrinsisch ist so ein breit gefächertes Spektrum entstanden. Am Pol der niedrigsten Selbstbestimmung fügen Deci und Ryan noch einen Zustand absolut fehlender Motivation hinzu (Amotivation).

In empirischen Untersuchungen ist selten gelungen, alle Stufen klar zu unterscheiden. Häufig werden integrierte und identifizierte Regulation zusammengefasst. Im deutschen Sprachgebrauch hat sich der Begriff „motivationale Orientierungen“ für die Motivationsstufen eingebürgert.

Die Selbstbestimmungstheorie postuliert die folgende Abfolge von Stationen im motivatonalen Geschehen. Kinder bringen die angeborenen Grundbedürfnisse nach Kompetenz und Autonomie in eine sportbezogene Situation mit. Bedingungen, die sie dort vorfinden, ermöglichen die Befriedigung der Grundbedürfnisse oder erschweren sie. Beispiele für förderliche Bedingungen sind der Anregungsreichtum sportlicher Kontexte oder die Ansteuerung eines optimalen Herausforderungsniveaus. Wie gut die Befriedigung der Grundbedürfnisse gelingt, beeinflusst, welche motivationale Orientierung – von external bis intrinsisch – bei den Kindern vorherrscht. Die jeweils erreichte motivationale Orientierung wirkt sich aus auf Beharrlichkeit und Konzentration der Kinder, ihre emotionale Erfahrung und ihren Wunsch, weiterhin am Sport teilzunehmen.

Diese Abfolge ist in Gänze sehr schwer zu untersuchen, denn bei jedem Schritt ist mit vielen Einflussfaktoren und Wechselwirkungen zu rechnen. Es liegen jedoch viele Studien vor, die Teilglieder der Kette untersuchen (van den Berghe et al. 2014). Die jeweiligen Zusammenhänge werden in der Regel bestätigt, zum Beispiel für den Sportunterricht. Allerdings handelt es sich in der Regel um Querschnittsstudien. Deshalb muss oft die in der Abfolge unterstellte Wirkungsrichtung offen bleiben.

Die Vermutung, dass stärker selbstbestimmte Motivationslagen mit positiven Aspekten des Sporttreibens in Schule und Freizeit zusammenhängen, wurde in vielen Untersuchungen bestätigt. So konnte ein positiver Zusammenhang gezeigt werden zwischen selbstbestimmter Motivation und positiven Affekten und Wohlbefinden (Standage et al. 2005), größerer Konzentration, Beharrlichkeit und Anstrengungsbereitschaft (Ntoumanis 2001; Standage et al. 2006) sowie stärkeren Absichten, in der Freizeit sportlich aktiv zu sein (Chatzisarantis und Hagger 2009; Erdvik et al. 2014). Eine neuere Meta-Analyse mit 252 Einzelstudien bestätigt die Teilergebnisse auch in einem umfassenden Gesamtmodell (Vasconcellos et al. 2019).

Aus pädagogischer Sicht interessieren besonders die Bedingungen, die die Befriedigung der Grundbedürfnisse fördern oder erschweren. Vor allem, wie sich das Verhalten von Lehrkräften und die Gestaltung der sportlichen Rahmenbedingungen auswirken, wäre wissenswert.

Ganz unabhängig von konkreten Verhaltenskontexten betont die Selbstbestimmungstheorie im Hinblick auf das Autonomiebedürfnis die abträgliche Wirkung von Zwängen, Kontrollen oder Belohnungen und die Ausrichtung auf Prüfungen und Evaluationen (Deci und Moller 2005, S. 586). Gefördert wird das Autonomieerleben dagegen durch das Einräumen von Wahlmöglichkeiten, durch genuines Interesse an der Sichtweise der Akteur*innen und durch das Eingehen auf deren Ziele und Interessen. Das Gefühl der Wirksamkeit wird in erster Linie unterstützt durch Aufgaben, an denen die eigene Wirksamkeit gut fühlbar wird und die einen optimalen Schwierigkeitsgrad darstellen. Neben der Rückmeldung durch die gelingende Bewältigung von Aufgaben können positives Feedback durch Lehrkräfte oder durch Leistungsvergleiche das Kompetenzerleben stärken – allerdings nur dann, wenn die Rückmeldungen wenig bewertenden, sondern vor allem informationalen Charakter haben (Keegan et al. 2011). Wettbewerbe und soziale Vergleiche seien allerdings ambivalent und bei ihnen bestünde ein hohes Risiko von bedürfniswidrigen Wirkungen.

Wettbewerbe und Leistungsvergleiche haben für sportliche Kontexte oft hohe Bedeutung – zum Beispiel im sportartorientierten Breitensport und besonders im Leistungssport. Sie sind deshalb wichtige Gestaltungselemente der Rahmenbedingungen, auf die Kinder im Sport treffen. Sie können Bedürfnisbefriedigung und damit motivationale Orientierung positiv oder negativ beeinflussen (Reeve und Deci 1996; Vansteenkiste und Deci 2003). Wettbewerbserfolg kann das Bedürfnis nach Kompetenz befriedigen, Niederlagen dagegen können Bedürfnisfrustration bedeuten – und damit negative Gefühle und Motivationsverluste nach sich ziehen (Abb. 2). Auch das Autonomiebedürfnis kann bei Wettkämpfen negativ beeinflusst werden: Sportler*innen können Druck erleben durch hohe Erwartungen, Sanktionen oder Belohnungen. Die Studienlage bestätigt besonders, dass Niederlagen sich negativ auf die Gefühlslage und das Maß intrinsischer Motivation auswirken (Tauer und Harackiewicz 2004; Vansteenkiste und Deci 2003). McAuley und Tammen (1989) zeigen, dass dabei die subjektive Beurteilung der eigenen Leistung stärker wiegt als die reine Faktizität von Erfolg oder Niederlage. Auch ein positives Feedback zur eigenen Leistung kann die negativen Folgen von Niederlagen wirksam ausgleichen (Vansteenkiste und Deci 2003). Andererseits können Wettkämpfe hohe motivationale Attraktivität ausstrahlen. Tauer und Harackiewicz stellten fest, dass 81 % der von ihnen befragten Kinder lieber an Wettkämpfen teilnehmen wollten als an Spielszenarien, in denen sie sich kooperativ oder individuell an eigenen bisherigen Leistungen messen. Gerade das Risiko einer Niederlage könnte das Kompetenzerleben intensivieren – wenn die Rahmenbedingungen eine optimale Herausforderung sicherstellen. „Knappe“ Wettbewerbe, in denen die Ungewissheit des Ausgangs besonders hoch ist, sind besonders geeignet, intrinsische Motivation zu fördern, wie Abuhamdeh et al. (2015) zeigen: Die Freude an der Tätigkeit war am höchsten, wenn Akteur*innen einen Punkt in Führung lagen, sie flachte sowohl bei hoher Überlegenheit wie bei Unterlegenheit ab.

Abb. 2
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Wettbewerbserfolg kann das Bedürfnis nach Kompetenz befriedigen, Niederlagen dagegen können Bedürfnisfrustration bedeuten. Foto: Thomas Schauseil/Judo Magazin

Kompetenzerleben und motivationale Orientierungen in unterschiedlichen Sportsettings im Kindesalter

Im Folgenden wollen wir die Verwirklichung und die pädagogische Förderung des Bedürfnisses nach Kompetenzerleben in verschiedenen sportlichen Kontexten beleuchten. Als erstes fragen wir, welches Maß an selbstbestimmter Motivation Kinder im Sport erfahren. Danach werden wir die Förderung des Bedürfnisses nach Kompetenzerleben und die Befriedigung des Kompetenzerlebens untersuchen.

Stufen der Motivationsqualität im Kindersport von Verein und Schule

In Schule und Verein findet Sporttreiben unter unterschiedlichen Bedingungen und mit unterschiedlichen Sinngebungen statt. Kinder im Vereinssport haben sich die Aktivität in der Regel selbst ausgesucht und gehen freiwillig zum Training. Die hier befragten Kinder sind in traditionellen Sportartengruppen engagiert, die an Standards der jeweiligen Sportart ausgerichtet sind und eine mittlere bis sehr starke Orientierung auf Wettkämpfe aufweisen. Während Wahlfreiheit und Freiwilligkeit der Teilnahme günstig für ein hohes Selbstbestimmungserleben sein könnten, verhält es sich mit anderen Kontextbedingungen umgekehrt. Im sportartbezogenen Vereinssport müssen Regeln befolgt und technische Bewegungsstandards eingeübt werden. Diese Standards sind fremdbestimmt. Eine höhere Wettbewerbsorientierung könnte externen und inneren Druck erzeugen, etwa wenn Leistungsvergleiche mit Wertschätzungsunterschieden verknüpft werden. Die Orientierung auf Wettkampferfolg könnte Trainer*innen zu stärker kontrollierendem statt förderndem Verhalten tendieren lassen. Im Hinblick auf das Kompetenzerleben könnten die Befriedigungsmöglichkeiten auf den sozialen Vergleich (Anderer-Vergleich) eingeengt werden und die anderen beiden Befriedigungsmöglichkeiten entwertet werden. Durch eine ungünstige Relation von Bedürfnisversagung durch Niederlagen und Bedürfniserfüllung durch Siege könnte das Gefühl der Wirksamkeit und damit die motivationale Orientierung negativ beeinflusst werden. Andererseits können Wettbewerbe hohe Anreize darstellen und bei optimaler Herausforderung zu besonders intensivem Erleben von Spannung und Kompetenz führen.

Beim Schulsport handelt es sich um eine Pflichtveranstaltung mit Notenvergabe. Die Standards von Sportarten, das penible Einhalten spezifischer Techniken und Wettbewerbe werden jedoch eine viel geringere Rolle spielen als im Vereinssport. Auch könnte der Neuigkeitsanreiz und die Regulierung des Schwierigkeitsgrades im Sportunterricht leichter zu gewährleisten sein und positiv auf die Motivationsqualität wirken.

Die Stichprobe besteht aus 613 Kindern im Alter von 8 bis 13 Jahren (M = 9,99; SD = 1,25), die schriftlich zu ihrem Training (T)Footnote 5 oder Sportunterricht (S) befragt wurden. Dabei wurde die motivationale Orientierung über fünf Skalen (intrinsisch, identifiziert, introjiziert, external und Amotivation) mit je drei Items erfasst (z. B. „Ich mache im Sportunterricht mit, weil ich es spannend finde“ (intrinsisch) oder „Ich gehe zum Training, weil ich regelmäßig trainieren will, um besser zu werden“ (identifiziert)). Die internen Konsistenzen der Skalen sind zufriedenstellend für gruppendiagnostische Zwecke (0,71 < α < 0,79). Weitere psychometrische Kennzeichen des Instruments wurden in anderen Studien testtheoretisch und faktorenanalytisch geprüft (Kohake und Lehnert 2018).

Die Ergebnisse zur motivationalen Orientierung sind in Abb. 3 dargestellt.

Abb. 3
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Motivationale Orientierung im Training und Schulsport

Die angegebenen Mittelwerte sind im Rahmen einer vierstufigen Skala zu interpretieren (1 = stimmt nicht, 4 = stimmt genau). Besonders imponierend ist der auffallende Anteil selbstbestimmter motivationaler Orientierungen (intrinsisch und identifiziert) – er liegt für den Vereinssport bei der identifizierten Motivation nur einen halben Skalenpunkt unter dem Maximalwert, auch für den Schulsport liegt er deutlich über dem virtuellen Skalenmittelwert von 2,5 (Midentifiziert,T = 3,54; Midentifiziert,S = 3,19). Die intrinsische Motivation liegt für beide Gruppen niedriger, aber wiederum über dem Skalenmittelwert (Mintrinsisch,T = 2,95; Mintrinsisch,S = 2,65).

Die befragten Kinder finden sowohl im Verein wie im Schulsport ein fruchtbares Betätigungsfeld für ihre Kompetenzmotivation oder verwandte, hoch selbstbestimmte Motivationsaspekte. Nur an wenigen Kindern geht das motivationale Angebot völlig vorbei (Amotivation). Äußerer Druck durch Lehrkräfte, Trainer*innen oder Eltern scheint weniger bedeutsam, auch wenn einige Kinder auch externe Forderungen und Kontrollen empfinden – und zwar stärker in der Schule als im Verein.

T‑Tests für unabhängige Stichproben zeigen für beide Gruppen signifikante Unterschiede über vier von fünf motivationale Orientierungen: Die Kinder im Training geben eine systematisch höhere intrinsische (T(589,87) = 4,62; p < 0,001; d = 0,37) und identifizierte Motivation (T(568,11) = 6,25; p < 0,001; d = 0,50) an als die Kinder im Sportunterricht. Die Effektstärken liegen dabei im niedrigen bis mittleren Bereich (Cohen 1988). Die kontrollierten motivationalen Orientierungen (introjiziert und external) zeigen ebenfalls signifikante Unterschiede. Dabei liegt der Mittelwert auf der introjizierten Skala im Training höher als im Schulsport (T(585,43) = 3,34; p < 0,01; d = 0,27) und auf der externalen Skala niedriger (T(609) = −2,99; p < 0,01; d = 0,24); beide Effekte sind jedoch klein.

Das Engagement von Kindern ist also sowohl im Sportunterricht wie im Verein von einem hohen Maß an selbstbestimmter Motivation getragen. Wie die Daten zeigen, erleben die befragten Kinder im Verein das Sportengagement noch stärker selbstbestimmt als im Schulsport.

Die Rolle der Lehrkräfte im Motivationsgeschehen

Lehrpersonen können durch ihr Verhalten und die Gestaltung des sportlichen Angebots das Kompetenzbedürfnis günstig oder ungünstig beeinflussen. Die Gestaltung eines optimalen Schwierigkeitsgrades ist ein wichtiger Aspekt. Auch durch Instruktion, Feedback und Ermutigung wirken Lehrkräfte darauf ein, ob Kinder herausfordernde Aufgaben bewältigen. Positives Feedback unterstützt intrinsische Motivation, es kann sogar die bedürfnisversagende Wirkung von Niederlagen kompensieren (Vansteenkiste und Deci 2003). Emotionale Unterstützung bei schwierigen Aufgaben kann die Beharrlichkeit der Kompetenzversuche fördern. Besonders aber fachliche Hilfe unterstützt die Bewältigung von Aufgaben.

Wir haben mit einer weiteren Skala, die diese Aspekte abbildet (3 Items; z. B. „Mein Trainer/Sportlehrer ermutigt mich immer wieder, bei schwierigen Übungen nicht aufzugeben“; α = 0,71) erhoben, wie die Kinder die Förderung ihres Kompetenzerlebens durch ihre Leitungskräfte wahrnehmen. Abb. 4 zeigt die Ergebnisse.

Abb. 4
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Wahrgenommene Förderung von Kompetenz im Training und Schulsport

Zunächst fallen wieder die hohen positiven Werte auf. Der Gesamtwert für die Trainer*innen liegt bei MFöK,T = 3,45 und damit wieder nur einen halben Skalenpunkt unter dem Maximum. Der Gesamtwert für die Lehrer*innen fällt mit MFöK,S = 2,94 deutlich niedriger, aber immer noch recht positiv aus.

Wie der T‑Test für unabhängige Stichproben zeigt, erreicht dieser Unterschied das Signifikanzniveau (T(560,11) = 9,23; p < 0,001). Die Mittelwertdifferenz entspricht mit d = 0,75 sogar einem großen Effekt. Dies ist insofern unerwartet, als man im Schulsport eine stärkere Ausrichtung des Lehrkräftehandelns auf den Aspekt der Förderung erwartet hätte als im Verein.

Die Befriedigung des Bedürfnisses nach Kompetenzerleben

In einem dritten Schritt prüfen wir nun, in welchem Umfang die Kinder ihr Bedürfnis nach Kompetenzerleben in den Sportkontexten befriedigt sehen. Die eingesetzte Skala umfasst wieder drei Items (z. B. „Ich schaffe immer alle Übungen im Training/Sportunterricht“; α = 0,83).

Wiederum sind die Ergebnisse deutlich positiv (MBeK,T = 2,73; MBeK,S = 3,00), allerdings weniger ausgeprägt als bei der Förderung des Kompetenzerlebens (vgl. Abb. 5). Die Befriedung des Kompetenzerlebens im Vereinssport ist in der Nähe des Skalenmittelwertes angesiedelt, während es im Schulsport spürbar höher liegt. Der Unterschied lässt sich statistisch absichern (T(609) = −4,30; p < 0,001) und entspricht einem kleinen Effekt (d = 0,35).

Abb. 5
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Wahrgenommene Befriedigung von Kompetenz im Training und Schulsport

Dieses Ergebnis ist überraschend. Denn nach den theoretischen Annahmen sollte die stärkere Förderung des Kompetenzerlebens im Verein eine stärkere Befriedigung des Wirksamkeitsbedürfnisses zur Folge haben. Aber die Bedürfnisbefriedigung fällt im Verein geringer aus als in der Schule. Weiterhin sollte eine stärkere Bedürfnisbefriedigung sich in einer stärker selbstbestimmten motivationalen Orientierung niederschlagen. Dies finden wir nicht – die motivationale Orientierung fällt im Verein wieder höher aus als in der Schule. Für diese Unstimmigkeit können viele Faktoren wichtig sein, die wir in dieser Untersuchung nicht kontrolliert haben.Footnote 6 Möglicherweise lässt sich aus einer Inspektion der Skala etwas lernen (vgl. Tab. 1).

Tab. 1 Wahrgenommene Befriedigung von Kompetenz im Training und im Schulsport auf Skalen- und auf Itemebene

Zwei der drei Items thematisieren die schiere Bewältigung aller Aufgaben. Aber wie Harter gezeigt hat, erzeugt nicht die Bewältigung von Aufgaben allein die Bedürfnisbefriedigung, sondern das Meistern eines optimalen Schwierigkeitsgrades. Im Rahmen der Selbstbestimmungstheorie wird das ursprüngliche Gefühl der Wirksamkeit nach White in den Mittelpunkt gestellt, also aufgabenbezogenes Kompetenzerleben. Daran orientiert sich die Skala. Individuelle oder soziale Leistungsvergleiche, also das Kompetenzerleben auf späteren Entwicklungsstufen, werden nicht thematisiert, obwohl diese die Kontexte ja unterscheiden. Möglicherweise ist hier die Skala deshalb für unseren Zweck zwar reliabel, aber nicht ausreichend treffgenau.

Vergleiche zwischen Breitensport und Leistungssport

Wir wollen die Vergleiche weiter vertiefen, indem wir nun Kinder aus leistungssportlichen Kontexten vergleichen mit Kindern, deren Sportengagement wir als breitensportlich eingeschätzt haben. Kinder könnten in leistungssportlichen Umwelten durch die noch einmal betontere Ausrichtung auf Wettkampferfolge die angesprochenen Unterschiede für das Bedürfnis nach Kompetenzerleben verstärkt vorfinden. Die Trainingsgestaltung könnte noch stärker auf den Erfolg in Prüfungen und Wettkämpfen ausgerichtet sein. Die Trainer*innen werden an Erfolgsbilanzen gemessen. Ihre Tendenz zu Kontrolle und engen Zielvorgaben könnte stärker sein als bei breitensportlich tätigen Trainer*innen – mit den erwähnten negativen Auswirkungen. Durch die stärkere Ausrichtung des Sporttreibens auf Wettkämpfe werden die mögliche ambivalente Wirkung und das Risiko negativer Folgen von Wettkämpfen intensiviert.

Von breitensportlichen Umwelten wird man eine schwächere Orientierung auf Wettkampferfolge erwarten. Die Trainingsarbeit wird eher auf die Sicherung einer langfristigen Teilnahme der Kinder abzielen, da die Teilnahmezahlen die Arbeit des Vereins sicherstellen.

Diese Kontraste wird man in der Praxis jedoch weniger als schroffe Gegensätze, sondern eher als Pole eines Kontinuums mit vielen Zwischenstufen ansehen müssen (Güllich und Richartz 2015). Um breiten- und leistungssportliche Kontexte einigermaßen trennscharf gegenüberzustellen, folgen wir dem Vorgehen von Richartz et al. (2009). Als Indikatoren leistungssportlicher Orientierung werden hier eine Trainingshäufigkeit von mindestens drei Trainingseinheiten pro Woche sowie regelmäßige Wettkampfaktivität festgelegt. 12 Trainingsgruppen (N = 96) wurden dem Kontext Leistungssport zugeordnet und 15 Trainingsgruppen dem Kontext Breitensport (N = 209) (vgl. Tab. 2).Footnote 7 Alle leistungssportliche Trainingsgruppen stammen aus dem Turnen und der Rhythmischen Sportgymnastik und sind an Turn-Talentschulen angesiedelt (Abb. 6). Es handelt sich also um explizit dem Leistungssport gewidmete Gruppen. Der Pol des Breitensports wird hier vertreten durch Trainingsgruppen aus den Sportarten Turnen, Judo und Handball.

Tab. 2 Stichprobenbeschreibung
Abb. 6
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Die leistungssportliche Trainingsgruppen in dieser Untersuchung stammen aus dem Turnen und der Rhythmischen Sportgymnastik. Foto: LSB NRW/Andrea Bowinkelmann

Im ersten Schritt betrachten wir wieder die Ergebnisse zur motivationalen Orientierung. Sie sind in Abb. 7 dargestellt.

Abb. 7
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Motivationale Orientierung im Breiten- und im Leistungssport

Die Ergebnisse zeigen für beide Gruppen wieder ein starkes Maß hoch selbstbestimmter Motivation. Die Kinder aus leistungssportlichen Kontexten zeigen sogar noch signifikant höhere intrinsische (T(303) = −2,00; p < 0,05; d = 0,24) und identifizierte Motivation (T(208,45) = −2,14; p < 0,05; d = 0,26) als die Kinder im Breitensport. Die Effektstärken sind jedoch gering. Bemerkenswerterweise zeigt sich kein Unterschied im Anteil externaler Motivation, der zudem gering ausfällt. Die Vielzahl an Kontrollen, auferlegten Zielen und externalen Bewertungen durch Trainer*innen oder elterlicher Druck schlagen sich hier weder für den Leistungs- noch den Breitensport nieder. Dies gilt auch für die introjizierte Motivation, also beim verinnerlichten Druck. Der überaus hohe Anteil identifizierter Motivation zeigt eine hohe Übereinstimmung mit Trainingszielen. Daraus hätte man nicht zwingend folgern können, dass auch die intrinsischen Anteile hoch repräsentiert sind, also der Spaß und das Interesse am Training über Wettkampfziele hinaus. Aber auch für diesen Aspekt übertreffen die Bewertungen der Kinder im Leistungssport die der breitensportlich engagierten.

Nun betrachten wir wieder, wie die Kinder die Förderung ihres Kompetenzerlebens durch die Trainer*innen wahrnehmen und welche Angaben sie zur Befriedigung des Kompetenzbedürfnisses machen (Abb. 8).

Abb. 8
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Wahrgenommene Förderung und Befriedigung von Kompetenz im Breiten- und im Leistungssport

Die Förderung des Kompetenzerlebens wird von den Kindern im Leistungssport etwas stärker wahrgenommen, der Unterschied ist jedoch nicht signifikant (T(301) = −1,74; p = 0,08). Bezüglich der Befriedigung des Kompetenzbedürfnisses geben die Kinder im Breitensport signifikant höhere Werte an (T(301) = 2,35; p < 0,05; d = 0,29). Der Unterschied entspricht einem kleinen Effekt. Wir finden hier also ein ähnliches Phänomen wie beim Vergleich von Schul- und Vereinssport: Im Sportkontext mit jeweils höherer Leistungs- und Wettkampforientierung wird die Förderung durch die Lehrkräfte positiver wahrgenommen, die Befriedigung des Kompetenzerlebens jedoch geringer.

Insgesamt bestätigen die Ergebnisse, dass Kinder in allen drei Sportsettings sehr günstige Gelegenheit finden, ihr Grundbedürfnis nach Kompetenzerleben zu aktivieren und zu befriedigen. In Settings mit höherer Orientierung an Leistung und Wettkampf wird die Aktivität in höherem Maß als selbstbestimmt und in geringerem Maße als fremdbestimmt wahrgenommen. Auch die Förderung des Kompetenzerlebens durch die jeweiligen Lehrkräfte erleben Kinder in Kontexten mit höherer Leistungs- und Wettkampforientierung als stärker. Andererseits wird die Befriedigung des Kompetenzbedürfnisses in den jeweils weniger leistungs- und wettkampforientierten Kontexten stärker wahrgenommen.

Schluss

Die Selbstbestimmungstheorie postuliert eine Ursache-Wirkungs-Kette von der Förderung der Grundbedürfnisse über die Bedürfnisbefriedigung zur motivationalen Orientierung (Vasconcellos et al. 2019). Solche Zusammenhänge können durch unser Studiendesign nicht geprüft werden, da es sich um eine Querschnittstudie handelt. Unser Bericht bezieht sich zudem nur auf eines der drei Grundbedürfnisse. Wir haben diese Wahl getroffen, weil wir das Konzept des Bedürfnisses nach Kompetenzerleben so darstellen wollten, dass sein heuristischer Anregungsreichtum (Harter 1978) zur Geltung kommt. Die Grundbedürfnisse nach Autonomie und sozialer Eingebundenheit mussten hier unberücksichtigt bleiben. Unsere Untersuchung ist auch im Hinblick auf die Zahl der Faktoren begrenzt, die berücksichtigt werden konnten. So wurde zum Beispiel das sportliche Fähigkeitsselbstbild nicht einbezogen, das sowohl Ergebnis als auch Bedingung von Kompetenzerleben sein kann. Die Ergebnisse könnten auch durch Selektionseffekte in Teilstichproben beeinträchtigt sein. Zum Schulsport sind alle Kinder verpflichtet, für den Vereinssport und vor allem den Leistungssport wird man annehmen, dass nur die Kinder langfristig dort engagiert bleiben, die sich hoch motiviert fühlen. Die hohen Werte für die motivationalen Orientierungen erzählen deshalb möglicherweise nur die halbe Wahrheit – nämlich indem sie unterschlagen, dass Kinder, die sich dort nicht gut aufgehoben fühlen, die Trainingsgruppen wieder verlassen haben.

Andererseits bleibt festzuhalten, dass die Kinder, die wir im wettkampforientierten Sport befragt haben, wenig durch äußeren Zwang und verinnerlichte Kontrolle motiviert sind. Dieses Ergebnis stimmt mit den Befunden von Richartz et al. (2009) überein, dass Kinder im Leistungssport selten Leistungsdruck wahrnehmen (sportliche Überforderung) und selten unzufrieden mit dem Training sind. Kinder in wettkampforientierten Kontexten nehmen ihre Trainer*innen zudem als aktiver fördernd wahr als die Schüler*innen ihre Lehrer*innen. Dieses Ergebnis ermutigt und ist wahrscheinlich für die Sportpädagogik überraschend.

Das Bedürfnis nach Kompetenzerleben treibt Menschen lebenslang an, herausfordernde Erfahrungen aufzusuchen. Dieses Bedürfnis gehört zu den wenigen angeborenen, entwicklungsrelevanten psychischen Grundbedürfnissen. Bewegung, Spiel und Sport können für dieses Bedürfnis offenbar ein besonders reiches Betätigungsfeld darstellen. Das ursprüngliche Konzept der Wirksamkeitsmotivation von White lässt sich, wie er selbst sagt, treffend im Sinnbild des von sich aus aktiven, spielerisch erkundenden Kindes fassen. Die Ergebnisse legen nahe, dass dieses Bild für den sportlichen Kontext erweitert werden sollte um das Bild des Kindes, das in einem anderen Moment ein Gefühl der Wirksamkeit beim Übertreffen seiner bisherigen Bestleistung erlebt und sich an anderer Stelle angezogen fühlt durch Leistungsvergleiche mit anderen.

Leistungsvergleiche und Wettkämpfe werden aus pädagogischer Perspektive mit Misstrauen betrachtet. Dies ist berechtigt, denn auch unter der Perspektive des Kompetenzerlebens erscheinen sie ambivalent und risikoreich. Aber sie aus dem Spektrum der Erfahrungsmöglichkeiten pädagogisch auszuschließen, geht an der Motivationswirklichkeit vieler Kinder vorbei. Um das bedürfnisfrustrierende und entwicklungsgefährdende Potenzial von Wettbewerben zu neutralisieren, bedarf es sorgfältiger pädagogischer Rahmung. Sie ist nur möglich, wenn sich Lehrkräfte sowohl der förderlichen wie entwicklungsabträglichen Aspekte bewusst sind. Denn die Inszenierung und Aufrechterhaltung eines optimalen Herausforderungsgrades in Leistungsvergleichen bedarf der aufmerksamen, fachgerechten Sensitivität. Sensitivität für den sportlich-motorischen, den emotionalen und sozialen Schwierigkeitsgrad und Aufmerksamkeit für das Moment-zu-Moment-Erleben eines optimal herausfordernden Verhältnisses von Erfolgen, Fehlversuchen und motivationserhaltendem Feedback.