Wir nutzen die Dickdarmkrebsvorsorge zu wenig

In der Schweiz erkranken weiterhin jedes Jahr über 4200 Personen neu an kolorektalem Karzinom (KRK) und 40 % sterben daran [1, 2]. Im Gegensatz zur Schweiz, wo sich die Zahl neu entdeckter KRK in den letzten Jahren kaum verändert hat, hat sich die Inzidenz in den USA während der letzten 30 Jahren halbiert [3]. Dies liegt wesentlich am intensiven Kolonkarzinomscreening (KRKS) in den USA. In grossen randomisierten Bevölkerungsstudien konnte gezeigt werden, dass das KRKS mittels Stuhltest auf Blut oder Sigmoidoskopie hoch effektiv ist, und verschiedene Kohortenstudien belegen dies auch für die Koloskopie [4].

Während in den USA 65 % am KRKS teilnehmen, wird das KRKS in der Schweiz und anderweitig ungenügend genutzt [5]. 2001 hatten nur 12 % beim gratis angebotenen KRKS in Uri teilgenommen [6], und auch heute noch macht nur etwa ein Drittel der berechtigten Personen im KRKS-Programm mit. Auch beim Colon-Cancer-Check-Programm von Ontario, Kanada, bei dem ein Stuhltest angeboten wird, hat nur knapp ein Drittel teilgenommen [7]. Zudem waren bald 61,1 % für die nächste Stuhltestkontrolle bereits über ein Jahr und 25,3 % sogar über 5 Jahre überfällig [7]. Teilnahmerate und Adhärenz beim KRKS müssen dringend verbessert werden, wenn das KRK erfolgreich bekämpft werden soll [8].

Für den Erfolg ist nicht allein der Einzelne verantwortlich

Für den Erfolg des KRKS entscheiden das Testangebot, der Zugang zum Angebot, die Nachfrage in der Bevölkerung, die Adhärenz über die Jahre hinweg und die Qualität des Screenings [9, 10]. Verschiedene qualitative und randomisierte Studien vorwiegend aus dem englischen Sprachraum untersuchten, wie die Teilnahme verbessert werden könnte [8, 9]. Es zeigte sich, dass es dazu Massnahmen auf unterschiedlichsten Ebenen braucht.

Politische Voraussetzung

Als Erstes müssen die politischen Voraussetzungen für das KRKS gegeben sein. In den USA ist die finanzielle Belastung der häufigste Grund, dass jemand nicht am Screening teilnimmt. Entsprechend wichtig ist, dass das Bundesamt für Gesundheit 2013 das KRKS mittels Koloskopie alle 10 Jahre oder Stuhltest auf Blut alle 2 Jahre zur Pflichtleistung der Krankenkassen erklärt hat. Swiss Cancer Screening erarbeitete zusammen mit der Krebsliga Schweiz und Experten aus verschiedenen Fachgesellschaften schweizerische Qualitätsstandards. Diese sind verpflichtend in KRKS-Programmen, die vom Bund von der Franchise befreit wurden.

Ausserhalb von Programmen müssen Franchise und Selbstbehalt bezahlt werden, was speziell sozial schlechter Gestellte vom Screening abhalten kann. Auch nachfolgende Abklärungen und Kontrollen sind kostenpflichtig. Dies trifft vor allem jene mit grösseren Adenomen beim KRKS. In der Schweiz kommen nur knapp 60 % zur nötigen Kontrollkoloskopie und von diesen nur die Hälfte zur empfohlenen Zeit [11]. Es wäre fatal, wenn hierfür die Kosten verantwortlich wären.

Was nützt das Testangebot?

Die in der Schweiz angebotenen KRKS-Tests, Koloskopie und Stuhltest, sind wissenschaftlich gut belegt. Die Sigmoidoskopie wird selten angeboten. Die Untersuchung nur eines Teils des Kolons widerspricht dem schweizerischen Vorsorgeverständnis. Zudem empfinden Frauen die Sigmoidoskopie als speziell unangenehm und eingreifender als das Brust- und Zervixkarzinomscreening, die als typisch weibliche Untersuchungen weniger Scham auslösen und besser akzeptiert sind [12, 13].

Die immunologischen Stuhltests („fecal immunochemical test“, FIT) werden weit besser akzeptiert als der Hämokkult-Test (Guajak-Test; [14]). Diese Tests sind hygienischer, und vor allem der quantitative FIT zeigt eine bessere Sensitivität und Spezifität. Die Durchführung braucht keine Diät und selbst die Einnahme von Aspirin hat keinen relevanten Einfluss auf die Testresultate [15]. Eine Probe alle 2 Jahre genügt, was die Akzeptanz weiter fördert.

Die Teilnahme am KRKS ist doppelt so hoch, wenn FIT und Koloskopie zur Auswahl angeboten werden [9]. FIT ist dabei beliebter als die Koloskopie, wie randomisierte Studien in Südspanien, Italien und Australien zeigen [8]. In vielen Programmen wird gleichzeitig mit dem Informations- oder Erinnerungsbrief das Testmaterial mitgeschickt. In einer belgischen Studie und in einer Studie der Kaiser Permanente Gruppe wurde randomisiert einer Gruppe das Testmaterial und ein frankiertes Rücksendecouvert der Einladung beigelegt [9, 14]. Dies verdoppelte die Teilnahmerate im Vergleich zur Gruppe, die ihren Test in der Apotheke, beim Arzt oder im Spital abholen musste. In Kanada stieg sogar bei Personen, die auf die KRKS-Einladung nicht reagiert hatten, die Teilnahmerate von 9,6 % auf 20,1 %. Am höchsten ist die Teilnahme, wenn das Einladungsschreiben vom Arzt des Vertrauens unterschrieben ist oder FIT sogar persönlich vorbeigebracht wird [14, 16]. All dies hilft auch, dass FIT repetitiv über all die Jahre hinweg durchgeführt wird.

Entscheidend bei FIT ist, dass ein positives Resultat zeitnah mittels Koloskopie abgeklärt wird. Die „US Multi-Society Task Force on Colorectal Cancer“ verlangt für ein qualitativ genügendes FIT-Programm, dass mindestens 80 % mit positivem FIT korrekt abgeklärt werden [17]. Eine Verzögerung der Koloskopie um 10 Monate gegenüber der empfohlenen Zeit von 8–30 Tagen verdoppelte den Anteil an fortgeschrittenen Karzinomen. Eine Koloskopie wegen eines positiven FIT entspricht einer Abklärung wegen tumorverdächtiger Symptome! Leider wird aber nicht selten nicht einmal jeder zweite positive FIT abgeklärt [18, 19]. Viele Personen haben den Sinn von FIT nicht richtig verstanden oder fürchten sich vor der Endoskopie und deren Resultat [20, 21]. Würde bei der Mitteilung des Testresultats gleich ein im Voraus fixierter Termin für die Koloskopie angeboten, könnte die Abklärungsrate wesentlich verbessert werden [22,23,24], wie dies bei der Mammographie, beim Zervixabstrich und der Sigmoidoskopie gezeigt wurde. Finanzielle Anreize für Patienten hingegen bringen wenig [25, 26]. Hilfreich ist jedoch eine persönliche motivierende Information [14, 20, 27, 28].

Der Hausarzt ist enorm wichtig!

Der Hausarzt war der entscheidendste Motivator zur Teilnahme an der ersten schweizerischen Screeningstudie 2001 [6]. Seine Bedeutung als Ratgeber kann nicht überschätzt werden. In einer polnischen Studie stieg die Bereitschaft, sich koloskopieren zu lassen, von 13,7 % auf 47,0 % (Odds-Ratio [OR] 5,33; 95 % Konfidenzintervall [CI] 3,55–8,0), wenn der Hausarzt dies aktiv unterstützte [14]. Allerdings geben nur etwas mehr als die Hälfte der Hausärzte Screeningempfehlungen ab, die den Richtlinien entsprechen [29]. Verbessert würde dies durch ein regelmässiges Feedback über das durchgeführte KRKS, speziell, wenn eine gute Leistung auch honoriert würde. Motivation, Überzeugung vom Nutzen und fundierte und aktuelle Kenntnisse über KRKS sind Voraussetzungen für eine kompetente Beratung durch den Hausarzt.

Tab. 1 zeigt mögliche Faktoren, die den Screeningerfolg in der Hausarztpraxis beeinflussen können. Baxter und Kollegen [7] untersuchten in Ontario, Kanada, in 717 Hausarztpraxen mit circa 150.000 fürs KRKS geeigneten Patienten, Faktoren, welche die Teilnahmerate bestimmen. Die Teilnahme am Screening lag dabei bei 41,2 % (32,3–50,0 %). Die Praktiker wurden mit finanziellen Anreizen motiviert, das KRKS zu unterstützen. 80,6 % benutzten dabei eine elektronische Krankengeschichte. Die von 67,2 % besuchten Audits und Fortbildungsseminare verbesserten die Teilnahme am KRKS wenig. Broschüren, Videos und Links zu Webseiten halfen zwar den Personen, eine evidenzbasierte Entscheidung zu treffen, verbesserten aber die Teilnahmerate am Screening kaum [30, 31]. Es ist anzunehmen, dass vor allem Personen mit tieferem Bildungsstand derartige Schreiben kaum lesen. Möglicherweise würden bebilderte Informationen besser dienen. Gut die Hälfte der Praktiker verwendete EDV-gesteuerte Erinnerungshilfen, dass eine Screeningkontrolle fällig wäre, und/oder automatisch generierte Listen jener Personen, die für ein Screening überfällig sind. Aber selbst dies brachte nur eine knapp signifikante Verbesserung (Hazard-Ratio [HR] 1,09; 95 % KI 1,02–1,16; p < 0,03). Offenbar können diese Hilfen allzu einfach weggeclickt werden. Als potenziell hilfreich erwies sich hingegen das Screeningangebot an Wochenenden und Praxisöffnungszeiten am Abend. Der Einsatz von Dolmetschern half bei sprachlichen Hindernissen und verbesserte die Teilnahmerate bei diesen um über 60 %.

Tab. 1 Faktoren, die einen Einfluss auf das Screening in der Hausarztpraxis haben können

Die effizienteste Verbesserung des KRKS ist die Unterstützung der einzelnen durch instruierte Laien oder Fachpersonen bei der Planung, Anmeldung und Durchführung des Screenings [27, 32]. Derartige Navigationshilfen führen die Personen durchs ganze KRKS, inklusive persönlicher Abgabe und Erklärung der Tests, Anmeldung zur Koloskopie, Unterstützung bei der vorausgehend nötigen Darmreinigung, die Erklärung der Endoskopie, die persönliche Erinnerung an die Untersuchung, den Transport zur Untersuchung bis hin zur Organisation eines Kinderhütedienstes. Dies verdoppelte die Teilnahme (Risk-Ratio [RR] 2,01; 95 % KI 1,64–2,46). In einer Studie von Green und Kollegen in den USA lag die Screeningteilnahme ohne unterstützende Massnahmen bei 26,3 %, mit Patientennavigation durch Laien und Fachpersonen zwischen 64,7 und 82,6 % [14, 18]. Selbst bei mehrheitlich älteren oder sozial benachteiligten Amerikanern, welche Medicare als Versicherungsmodell hatten, konnte mit einem zusätzlichen persönlichen Telefonat eine Screeningteilnahme von 71 % erreicht werden. Dies braucht aber nebst Enthusiasmus auch Ressourcen, die Einzelpraxen oft überfordern.

Verschiedene Studien zeigen, je mehr Faktoren verbessert werden, desto mehr steigt die Teilnahmerate [7, 33]. Nur selten wurden dabei die Kosten angeschaut. Die Kosten pro zusätzlich gewonnenem KRKS-Teilnehmer lagen zwischen 100 und 2602 $ [14]. In einer Studie aus den USA kostete 1 % Zunahme des Screenings mittels Koloskopie 21.124 $ (19.011–23.236 $) [34], in einer anderen Studie in Australien ein zusätzlich gewonnenes Lebensjahr 3976 $ [14].

Der administrative Aufwand beim KRKS ist lästig, die dauernd notwendige Qualitätsverbesserung kostet und braucht Zeit und Ressourcen. Hinzu kommt die fehlende Konstanz mit Personalwechsel und dadurch fehlendem Training [7, 18, 35]. Dies führt zu Screeningmüdigkeit und abnehmendem Enthusiasmus. Nicht zuletzt deshalb ist es enorm wichtig, dass der administrative Aufwand auf das Minimum reduziert wird. Hierzu kann eine gut vernetzte Organisation mit trainiertem Personal und IT-System fürs KRKS helfen. In einigen Ländern, wie beispielsweise Kanada, werden die Ärzte für den speziellen administrativen Aufwand beim Screening zusätzlich finanziell entschädigt, ein Anreiz und gleichzeitig Zeichen der Wertschätzung, was motivierend ist [7, 14].

Warum sind viele zu wenig motiviert?

Schlussendlich entscheidet jeder selbst, ob er beim KRKS mitmacht. Zahlreiche qualitative Studien mit Fragebogen, Umfragen und Fokusgruppen haben versucht herauszufinden, was bei diesem Entscheidungsprozess die Teilnahmebereitschaft des einzelnen fördert bzw. ihn davon abhält (Tab. 2 und 3).

Tab. 2 Faktoren, die Leute gemäss Diskussionen in den Fokusgruppen mit Laien vom kolorektalen Karzinomscreening abhalten
Tab. 3 Faktoren, die Leute gemäss Laien-Fokusgruppen motivieren können, beim kolorektalen Karzinomscreening mitzumachen

Zentral für die Screeningbereitschaft ist das persönliche Gesundheitsverständnis bezüglich KRK (Abb. 1). Das persönliche Bewusstsein („awareness“) beim Thema KRK entscheidet, ob die Haltung einem Screening gegenüber positiv ist. Überzeugungen, Falschmeinungen und vor allem Ängste spielen eine wichtige Rolle [17]. Entscheidend sind korrekte Kenntnisse über das KRK, wie z. B. das Wissen, dass sich KRK meist sehr langsam über viele Jahre hinweg entwickelt und deshalb heute oft verhütet werden kann [10, 36]. Dieses Wissen hilft, innere Widerstände abzubauen [36]. In einer randomisierten Studie hatten unter den KRKS-Teilnehmern 81 % ein gutes Wissen über KRK, unter den Nichtteilnehmern aber nur 12 %. Das KRK-Bewusstsein ist allerdings nicht immer einfach zu beeinflussen. Typisch ist die Ambivalenz: Einerseits das Gefühl „ich will es nicht wissen, ist nur unangenehm“ und anderseits die Angst, dass der Entscheid später bereut werden könnte („cognitive and emotional factors“). Oft werden zudem die Möglichkeiten der Naturmedizin und der gesunden Ernährung zur Verhütung und Heilung von KRK überschätzt. Auch kulturelle Tabus sind möglich [33]. So wird in Mexiko die Koloskopie vor allem von Männern teils als Vergewaltigung empfunden, und in anderen Kulturen sind männliche Untersucher nicht erlaubt [37].

Abb. 1
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Die Ambivalenz zum Entscheid zur Teilnahme am kolorektalen Karzinomscreening

In der Schweiz wissen wir wenig darüber, was die Personen zum KRKS motiviert und was sie davon abhält. Mittels Fokusgruppen untersuchten wir im städtischen und ländlichen Umfeld, welche Faktoren die Screeningbereitschaft beeinflussen könnten [30]. Am besten unterstützt die Screeningbereitschaft das Vertrauen zum Arzt, der die Vorsorge empfiehlt, und die Ermunterung durch Familie und Freunde. Leider erhielten aber gut 10 % von ihrem Hausarzt keine Empfehlung bzw. wurde das KRKS von diesem als wenig wichtig erachtet, oder es fehlte das Vertrauen zum Arzt. Auch das Vorkommen von abdominalen Beschwerden wurde oft als Motivator zum Screening angegeben, quasi als innerer Reminder. Dies zeigt aber auch, dass viele Leute sich nicht bewusst sind, dass eine Vorsorge primär bei beschwerdefreien Leuten und nicht zur Abklärung von Beschwerden durchgeführt werden sollte.

Während Wissen der beste Motivator ist, ist Angst der weitaus wichtigste Grund, der die Personen vom Screening abhält; eine generelle Angst oder die Angst vor dem Resultat und der folgenden notwendigen Therapie. „Wenn ich Krebs höre, denke ich an Tod, an Chemotherapien, einen künstlichen Darmausgang und Schmerzen.“ Während bei Frauen eine generelle emotionale Angst vorherrscht, haben Männer mehr gezielt Angst vor der Untersuchung, vor Schmerzen dabei, der unangenehmen Vorbereitung oder vor Komplikationen. Aber auch das Wissen um das KRK provoziert bei vielen Angst. Diese wird zusätzlich verstärkt, wenn die Personen erfahren, dass sie speziell KRK-gefährdet sind. Dies erklärt, dass sich in gewissen Studien Personen mit einer positiven Familienanamnese für KRK sogar weniger screenen liessen [38]. Das Wissen um die Gefährdung fördert die Angst.

Deshalb ist es entscheidend, dass der Nutzen der Vorsorge unterstrichen wird und verständlich erklärt wird, sowie dass dieser Nutzen steigt, je höher das Risiko ist. Vorsorge schafft Sicherheit. Wird etwas gefunden, hilft uns dies, Krebs, Chemo- und Strahlentherapien zu verhüten. Befunde, die beim Screening festgestellt werden, müssen sorgfältig und verständlich erklärt werden, um der Angst vorzubeugen oder sie abzubauen. In der Schweiz wurden all diese Punkte in städtischer und ländlicher Umgebung ähnlich geäussert. Es gibt aber auch Studien, in denen speziell Personen in ländlichen Gegenden Angst, fehlende Anonymität und Schamgefühl als Hinderungsgrund angeben.

Eine gute Kommunikation ist enorm wichtig. Der Arzt muss sich dafür Zeit nehmen, Ängste spüren und darauf in einer Sprache eingehen, die der Einzelne versteht. Das uns geläufige Wort Screening sollte beispielsweise besser durch Vorsorge ersetzt werden. Ambivalente Personen müssen spüren, dass der Nutzen grösser ist als seine begreiflichen Ängste und dass er darauf vertrauen kann, dass die Gefahr des KRK erheblich reduziert werden kann. Dabei hilft die Betonung des kurzfristigen Nutzens wie die Sicherheit und die Entfernung von Vorstufen mehr als die Betonung eines langfristigen Gewinnes [14]. Es lohnt sich, Partner, Familie und Freunde bei Bedarf einzubeziehen.

In Studien wurde gezeigt, dass dieser Entscheidungsprozess auch narrativ unterstützt werden könnte [39, 40]. Beispielsweise können Erzählungen von Personen mit ambivalentem Umgang mit KRKS helfen; wie diese Personen mit ihren Ängsten zurechtkamen, wie sie diese überwunden haben und wie sie schlussendlich froh waren, dass sie die Vorsorge gemacht haben. Viele erzählen vom anschliessenden positiven Gefühl der Sicherheit. Auch Geschichten, die das Selbstbewusstsein fördern, helfen [40].

Opportunistisches Screening oder organisierte Vorsorgeprogramme?

Personen können auf unterschiedliche Weise am KRK-Screening teilnehmen. Bei einem opportunistischen Screening werden Patienten im Rahmen einer Konsultation oder eines Check-ups die Vorsorgeuntersuchung angeboten. Es kann aber auch die Person sein, die eine Darmkrebsvorsorge aus irgendwelchen Gründen wünscht. Die Teilnehmer sind beim opportunistischen Screening aber immer Personen, die einen Arzt haben [14, 20]. Der einzelne muss zusätzlich zum Selbstbehalt die Franchise bezahlen. Die Qualitätssicherung ist dem Anbieter überlassen. Zudem können bei der Information über das KRKS Interessenkonflikte eine Rolle spielen.

Bei einem organisierten KRKS-Programm anderseits werden alle in Frage kommenden Personen eingeladen, unabhängig von einem Hausarzt, der Ausbildung, ihrem sozioökonomischen Stand und allfälligem Migrationshintergrund oder sprachlichen Problemen (Abb. 2 zeigt eine Übersicht von Kantonen mit organisierten KRKS-Programm). Personen mit schlechterer Ausbildung und tieferem sozioökonomischem Stand nehmen gut 40 % seltener am KRKS teil, obwohl sie häufiger an KRK erkranken und KRK zudem bei ihnen oft weiter fortgeschritten ist und deshalb eine schlechtere Prognose hat [41]. Dies hängt mit dem Lebensstil mit häufigerem Rauchen, mehr Alkohol, Übergewicht, weniger Sport und gefährdenden Berufen zusammen. Diese Leute werden von organisierten Programmen eher erfasst. Auch Apotheken können dabei helfen. Ideal sind systematisch generierte Listen aller, die noch an keinem Screening teilgenommen haben, damit diese gezielt kontaktiert, informiert und unterstützt werden können.

Abb. 2
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Aktuell existierende oder in Vorbereitung stehende kantonale Dickdarmkrebsvorsorgeprogramme. (Mit Erlaubnis von Swiss Cancer Screening. Diese Abbildung fällt nicht unter die Creative Commons CC BY-Lizenz dieser Publikation)

Screeningprogramme helfen auch, dass die KRKS-Information ausgewogen und auf dem aktuellen Wissenstand ist. Das Programm verpflichtet die Anbieter zu den schweizerischen Qualitätsstandards. Im Gegenzug hat der Bund diese Programme von der Franchise befreit. Es bleibt noch der Selbstbehalt, der zurzeit einzig in Uri vom Kanton bezahlt wird. Der Aufbau der KRKS-Organisation ist im Rahmen eines Programms kosteneffizienter möglich. Meistens gibt es ein automatisiertes Remindersystem und teils Listen von noch nicht Gescreenten, um so die Teilnahme zu erhöhen und die Adhärenz langfristig zu verbessern. Eines der grössten Programme der USA, die Kaiser Permanente Gesundheitsorganisation, erreichte hiermit eine lang dauernde Teilnahme am KRKS von 83 % der Versicherten, während diese ansonsten in den USA mit mehrheitlich opportunistischem Screening bei etwas über 60 % liegt. Kürzlich publizierte Resultate von Kohortenstudien zeigen in Vorsorgeprogrammen sogar eine tiefere KRK-bedingte Mortalität [14]. Eine Studie aus England zeigte eine 10 % tiefere Mortalität bei einer Intended-to-screen-Analyse und sogar eine 27 % Reduktion, wenn nur die Gescreenten beachtet wurden [14, 42, 43]. Auch in Italien lag die Mortalität im Screeningprogramm 22 % tiefer.

Schlussfolgerung

KRKS wird in der Schweiz trotz grosser wissenschaftlicher Evidenz weiterhin zu wenig benutzt. Um die Bekämpfung des KRK wirklich zu verbessern, muss das Screening systematisch auf verschiedenen Stufen unterstützt werden (Tab. 4). Finanzielle Hindernisse müssen flächendeckend abgebaut und die Hausärzte durch Erinnerungshilfen und Feedbacks unterstützt werden. Sind die Voraussetzungen geschaffen und alle strukturellen Hindernisse behoben, braucht es motivierte und gut ausgebildete Hausärzte, die das Screening fördern und den Personen helfen, zu einer sinnvollen Entscheidung zu kommen. Nebst einer ausgewogenen Information müssen vor allem Ängste, Missverständnisse und falsche Überzeugungen abgebaut werden. Gute kommunikative Fähigkeiten und Zeit für das Gespräch sind hierfür Voraussetzung. Organisierte Screeningprogramme helfen mit, dass die Information auch Personen ausserhalb der Praxen erreichen und der Nutzen über lange Zeiten erhalten bleibt.

Tab. 4 Wie kann das kolorektale Karzinomscreening wirksam verbessert werden?a

Fazit für die Praxis

  • Die Mortalität von Dickdarmkrebs könnte mittels Screenings wesentlich verbessert werden. Dazu müssten sich aber mehr Personen einer Vorsorgeuntersuchung unterziehen.

  • Nebst dem Abbau von organisatorischen Hindernissen sind die Empfehlung und Wissensvermittlung durch den Hausarzt entscheidend.

  • Dies braucht Wissen, Zeit, Vertrauen und kommunikative Fähigkeiten.

  • Die Ambivalenz des Einzelnen ist geprägt durch Ängste und Hoffnung auf Sicherheit. Vorsorgeprogramme helfen, das Screening in der Bevölkerung zu intensivieren und die Qualität zu sichern.