Zusammenfassung
Tibiaplateaufrakturen stellen im klinischen Alltag eine vergleichsweise seltene Verletzung dar. Aufgrund des heterogenen Patientenkollektivs, des divergierenden Traumamechanismus und der Vielzahl an möglichen weichteiligen Begleitverletzungen ist die adäquate Diagnostik und bedarfsgerechte Behandlung weiterhin eine große Herausforderung im klinischen Alltag. Neben der konventionellen Röntgenaufnahme in zwei Ebenen hat sich die Computertomographie (CT) mit zusätzlicher 3‑D-Rekonstruktion als probates und reliables diagnostisches Werkzeug im Alltag vieler Kliniken etabliert. Die so angefertigten Befunde zeigen dem Chirurgen mit hoher Genauigkeit die Frakturmorphologie und lassen Rückschlüsse auf Begleitverletzungen zu. Die Diagnostik der weichteiligen Begleitverletzungen erfolgt aktuell u. a. im Rahmen der klinischen Untersuchung, dem chirurgischen Befund sowie der intraoperativen Arthroskopie. Mit der Magnetresonanztomographie (MRT) steht eine Technik zur Verfügung, welche die diagnostische Lücke zwischen der CT-Bildgebung und dem intraoperativen Befund schließen kann. Mit hoher Sensitivität kann eine adäquate präoperative Diagnostik der weichteiligen Begleitverletzungen erfolgen und so entscheidenden Einfluss nicht nur auf die Frakturklassifikation, sondern vor allem auf das operative Vorgehen nehmen. Neben der klinischen Verfügbarkeit und (noch) hohen Kosten im Vergleich zur CT stellt vor allem die fehlende Erfahrung mit präoperativ angefertigten MRT-Befunden eine große Herausforderung in der umfassenden Anwendung dieses diagnostischen Tools bei der Behandlung von Tibiaplateaufrakturen dar.
Abstract
Tibial plateau fractures are a comparatively rare injury in clinical practice. Due to the heterogeneous patient population, various trauma mechanisms and a large number of possible soft tissue injuries, adequate diagnosis and appropriate treatment continues to be a major challenge in daily clinical practice. In addition to conventional x‑rays, computed tomography (CT) with additional three-dimensional reconstruction has proven to be a reliable diagnostic tool. This medical imaging technique helps surgeons to understand the fracture pattern and provides indirect information regarding accompanying soft tissue injuries. In current clinical practice, the diagnosis of soft tissue injuries is carried out by clinical examination, surgical findings and intraoperative arthroscopy. Magnetic resonance imaging (MRI) is a technique that can close the diagnostic gap between CT imaging and intraoperative surgical findings. Adequate preoperative diagnostic workup of soft tissue injuries can be carried out with high sensitivity. Furthermore, MRI has a decisive influence not only on the fracture classification but above all on the surgical procedure. In addition to the clinical availability and (still) high costs compared to CT, the lack of experience and scientific proof of preoperative MRI findings and its clinical consequence is a major challenge in the extensive use of this diagnostic tool in the diagnosis and treatment of tibial plateau fractures.
Avoid common mistakes on your manuscript.
Tibiaplateaufrakturen stellen mit einer Inzidenz von 1 % aller knöcherner Verletzungen ein eher seltenes Ereignis dar [27]. Betrachtet man das Vorkommen in der Patientengruppe ab einem Alter von 50 Jahren, steigt ihr Anteil in dieser Altersklasse auf 8 % deutlich an [20, 27]. Vor allem bei älteren Frauen treten bei Freizeit- oder häuslichen Unfällen Niedrigenergietraumata gehäuft auf, während vorwiegend junge Patienten nach Sport- oder Arbeitsunfällen Hochenergietraumata in Form von Luxations- oder Trümmerfrakturen im Bereich der proximalen Tibia erleiden.
Dabei präsentieren sich Tibiaplateaufrakturen klinisch in einer Vielzahl an Formen und Arten. Sie entstehen durch direkte Gewalteinwirkung, v. a. bei Hochrasanztraumata, indirekte Gewalteinwirkung in Form von Varus- oder Valgusstress, Rotationsverletzungen sowie vor allem in Folge einer Kombination aus Valgusstress und axialem Krafteintritt [1]. In Abhängigkeit der Gewalteinwirkung unterscheiden sich die Art der knöchernen Läsion sowie das Ausmaß der weichteiligen Begleitverletzungen stark. Trotz adäquater Behandlung führen diese Verletzungen in bis zu 58 % der Fälle zu sekundärer Arthrose mit eingeschränktem funktionellem Ergebnis [11, 27].
Aufgrund des heterogenen Patientenkollektivs, des stark divergierenden Unfallmechanismus sowie der vergleichsweisen geringen Inzidenz stellt die adäquate Diagnostik, korrekte Klassifikation und schlussendlich die optimale Behandlungsstrategie weiterhin eine große Herausforderung im klinischen Alltag dar.
Begleitverletzungen
Durch die Nähe zu Gefäßen, Nerven, dem Bandapparat sowie Muskeln treten Tibiaplateaufrakturen gehäuft mit – oft komplikativen – Begleitverletzungen auf. Hier sind neben Ligament‑, Knorpel- und Meniskusverletzungen v. a. Fibulakopffrakturen mit oder ohne begleitender lateraler oder posterolateraler Ligamentverletzung, Verletzungen des Gefäß- und Nervensystems sowie zugangskompromittierender Weichteilschwellungen in Betracht zu ziehen, die primär bei der oft schmerzbedingt eingeschränkten klinischen Beurteilung und vorliegenden Schwellung nicht erkannt werden [1, 7]. Eine genaue Untersuchung kann oftmals nur in Narkose bzw. im Rahmen der osteosynthetischen Versorgung durchgeführt werden.
Eine akute Unterbrechung der A. politea kann trotz zeitgerechter Versorgung zur Amputation führen
Zudem besteht bei Frakturen des Tibiaplateaus neben der reinen Kapsel-Band-Verletzung vor allem die Gefahr einer Schädigung des poplitealen Gefäß-Nerven-Bündels, die mit einer Inzidenz von 11–37 % beschrieben werden [15, 18]. Dabei führt eine akute Unterbrechung der Arteria politea in 49 % der Fälle zu einer kompletten Ischämie des Unterschenkels, unbehandelt zur Amputation in bis zu 85 % der Fälle sofern nicht innerhalb von 6–8 h die operative Rekonstruktion erfolgt [9, 15]. Trotz umgehender operativer Versorgung ist mit einer erneuten Ischämie von 4–17 % zu rechnen [9, 15]. Hier kann es neben einem akuten Verschluss der A. poplitea auch zu einem zweizeitigen Verschluss durch sekundäre Thrombosierung kommen. Zusätzlich besteht im Bereich des Fibulakopfes das Risiko einer Läsion des N. peroneus in 1–7 % der Fälle [15, 19]. Weitaus höher ist das Risiko einer Peroneusläsion bei Tibiaplateauluxationsfrakturen einzuschätzen. Hier zeigt die Literatur Inzidenzen von 16–40 % [18, 26].
Meniskusläsionen treten bei Tibiaplateaufrakturen gehäuft auf. Vor allem bei lateralen Impressions- oder Splitfrakturen zeigt sich eine konsekutive Außenmeniskusläsion in bis zu 90 % der Fälle, wohingegen mediale Meniskusläsionen in 20–44 % der Fälle beschrieben werden [1, 7, 12]. Affektionen des medialen Meniskus treten besonders gehäuft bei medialen Kondylenfrakturen mit einer Inzidenz von 86 % auf [7].
Verletzungen der vorderen und hinteren Kreuzbänder sind ebenfalls bekannte Weichteilverletzungen bei Tibiaplateaufrakturen. Dabei ist die Affektion des vorderen Kreuzbandes mit einer Inzidenz von 57 % deutlich ausgeprägter als die mit einer Inzidenz von 28 % auftretenden Verletzung des hinteren Kreuzbandes [7]. Das Außenband zeigt sich in bis zu 29 % der Fälle rupturiert, während sich das Innenband in 32 % der Tibiaplateaufrakturen affiziert zeigt [7].
Ein Kompartmentsyndrom kann bei Tibiaplateaufrakturen schwere Folgen haben. Die Inzidenz wird in der Literatur mit 8–17 % bei geschlossenen bzw. offenen Frakturen angegeben [1, 22].
Eine der wichtigsten Komplikationen stellt bei offenen Frakturen sowie nach operativen Eingriffen die Infektionsgefahr mit einem Auftreten von 8–12 % dar [22]. Im Zuge der Infektion kann das Risiko für eine Pseudarthrose deutlich steigen und eine Amputation der entsprechenden Extremität zur Folge haben.
Diagnostik
Anamnese und klinische Untersuchung
Im Rahmen der Diagnostik steht die umfassende Anamnese sowie eingehende klinische Untersuchung des Patienten an erster Stelle. Neben dem Alter und bekannten Vorerkrankungen (Osteoporose, Tumorerkrankungen) spielt vor allem der Traumamechanismus eine entscheidende Rolle. So ist bei Hochenergietraumata ein komplexeres Verletzungsmuster zu erwarten, während bei älteren Patienten trotz Bagatelltraumata die Qualität des osteoporotischen Knochens über die Komplexität der Fraktur entscheiden kann und grundsätzlich auch schwere Weichteilaffektionen bedacht werden müssen [13].
Eine Bewegungsprüfung sollte bei Verdacht auf eine Tibiaplateaufraktur unterbleiben
Im Rahmen der klinischen Untersuchung hat die Inspektion und Palpation des Weichteilmantels eine besondere Bedeutung. Es muss zwischen offener und geschlossener Fraktur unterschieden werden. Zusätzlich sollte die Evaluation von Spannungsblasen, Kontusionen und Weichgewebszustand ermittelt werden. Eine Bewegungsprüfung sollte bei klinischem Verdacht auf eine Tibiaplateaufraktur unterbleiben. Auch die Stabilitätsprüfung des Bandapparats ist schmerz- und schwellungsbedingt nur eingeschränkt möglich.
In der klinischen Praxis hat sich die Unterteilung in Tibiaplateau- und Tibiaplateauluxationsfrakturen unter Berücksichtigung ligamentärer und neurovaskulärer Begleitverletzungen bewährt. Dabei definiert eine Vielzahl von Klassifikationen die knöcherne Frakturcharakteristik, wohingegen Moore ein Klassifikationssystem für Luxationsfrakturen unter Berücksichtigung ligamentärer und neurovaskulärer Begleitverletzungen und Unfallmechanismen entwickelte [18]. Als bildgebende Verfahren dienen das konventionelle Röntgen, die Computertomographie (CT) sowie die Magnetresonanztomographie (MRT). Dabei ist im Rahmen der bildgebenden Untersuchungen die native Röntgendiagnostik die initiale Untersuchung der Wahl. Bei weiterhin bestehendem Verdacht oder Vorliegen einer Tibiaplateaufraktur ist eine computertomographische Aufnahme zwingend erforderlich und spielt zusammen mit dem Röntgen eine entscheidende Rolle im Bereich der bildgebenden Diagnostik [3, 19, 24].
Auch der Stellenwert der MRT findet in der Diagnostik von Tibiaplateaufrakturen zunehmend größere Beachtung. Aufgrund der hohen Inzidenz begleitender Weichteilverletzungen, insbesondere von Meniskusrupturen, sollte eine MRT bei tiefen Gelenkstufen, großen Gelenkspalten sowie bei einem Verdacht auf eine Luxationsfraktur durchgeführt werden [7, 15, 19, 23].
Konventionelles Röntgen und Computertomographie
Tibiaplateaufrakturen präsentieren sich klinisch mit großer Varianz. Traditionell erfolgte die nativradiologische Darstellung in anterior-posteriorer (a.p.) sowie seitlicher Ansicht (Abb. 1). Die so angefertigten Einzelaufnahmen erlauben jedoch keine exakte Beurteilung des 3‑dimensionalen Frakturcharakters und eine entsprechende Planung der operativen Strategie, insbesondere bei komplexen Frakturen. Die Reliabilität der nativradiologisch klassifizierten Tibiaplateaufrakturen wurde als schlecht oder mäßig bewertet [3, 4]. Die a.p. und laterale Aufnahme haben dabei eine Sensitivität von 79 % in der Diagnostik von Tibiaplateaufrakturen (Abb. 1; [8, 19]).
Untersuchungen konnten zeigen, dass eine zusätzlich angefertigte CT-Aufnahme die Frakturklassifikation in 12–71 % der Fälle änderte, das operative Vorgehen wurde dabei bei 26–59 % der Patienten revidiert (Abb. 2; [4, 14, 16, 23, 28]). Die Inter- und Intraobserver-Reliabilität zeigten im Vergleich zur rein nativradiologischen Bildgebung bezogen auf die Schatzker- und AO (Arbeitsgemeinschaft Osteosynthese) -Klassifikation eine signifikante Verbesserung [2, 3]. Dabei ist das CT vor allem beim Nachweis von posteromedialen und -lateralen Frakturen sinnvoll, da diese häufig auf der nativradiologischen Aufnahme übersehen werden ([24]; Abb. 2).
Die native CT-Bildgebung ist Goldstandard bei Diagnostik und präoperativer Planung von Tibiaplateaufrakturen
Diese Ergebnisse sowie die flächendeckende Verfügbarkeit qualitativ hochwertiger Computertomographen haben die native CT-Bildgebung bei Tibiaplateaufrakturen als Goldstandard bei der Diagnostik und präoperativen Planung etabliert. Insbesondere bei der Diagnostik koronarer Frakturlinien, die bei komplexen Tibiaplateaufrakturen mit einer Inzidenz von 30–39 % auftreten, zeigt sich das CT im Gegensatz zum klassischen Röntgen führend, da diese konventionell radiologisch häufig nicht erkannt werden (Abb. 1 und 2; [2, 3, 21]).
Computertomographie der lateralen Tibiaplateaufraktur (AO [Arbeitsgemeinschaft Osteosynthese] 41B1.1). Mittels der Darstellung in drei Ebenen (a frontal, b sagittal und c axial) erkennt man neben dem anterolateralen Fragment eine weitere posteromedial verlaufende Frakturlinie, die im Röntgenbild (s. Abb. 1) nicht zu erkennen gewesen ist
Luxationsverletzungen sowie Tibiaplateauluxationsfrakturen besitzen neben der unfallbedingten Gelenkinstabilität zusätzlich ein hohes Risiko für ligamentäre und neurovaskuläre Begleitverletzungen. Dabei stellt die Verletzung von mindestens 2 der 4 Hauptsäulen des Kniegelenks eine Kniegelenkluxation dar (peripher: mediale und laterale Kapselbandstruktur; zentral: vorderes und hinteres Kreuzband; [26]). Die Rate an Weichteilverletzungen variiert nach Moore et al. zwischen 20 und 50 % in Abhängigkeit des Verletzungsmechanismus [1, 18]. Dabei liegt das Risiko, eine Luxationsverletzung im klinischen Alltag zu übersehen, bei 50 % [25]. So erfordert der Verdacht auf eine Kniegelenkluxation eine umgehende Diagnostik.
Neben der klinischen Untersuchung ist die Erhebung des Ankle-Brachial Index (ABI) sehr sensitiv für eine Gefäßverletzung, die bei Luxationsfrakturen ausgeschlossen werden sollte. Studien konnten zeigen, dass eine interventionsbedürftige Intimaläsion und Dissektionen bei einem normalen Pulsstatus und ABI >0,9 ausgeschlossen werden können [17, 26]. Eine weitere Möglichkeit eine Gefäßverletzung bei Verdacht auf eine Luxationsfraktur auszuschließen ist die CT- oder MRT-angiographische Bildgebung der Poplitealgefäße [26]. Darüber hinaus ist die Erhebung des neuromuskulären Befundes unverzichtbar [1].
Moderne Klassifikationssystemen nutzen die CT-Aufnahmen in drei Ebenen inklusive 3‑D-Rekonstruktionen für eine verbesserte Planung des operativen Vorgehens und des Nachbehandlungsregimes [14, 21]. Das Hinzuziehen von CT-Bildern mit entsprechenden 3‑D-Rekonstruktionen erhöht entsprechend nicht nur die Reliabilität der Klassifikationssysteme, sondern nützt vor allem dem chirurgischen Team hinsichtlich der Auswahl des korrekten operativen Zugangs und der Patientenlagerung maßgeblich [3, 14].
Magnetresonanztomographie
Die im Zuge der Fraktur auftretenden Begleitverletzungen von Menisken, Kreuz- und Seitenbändern werden im Rahmen der nativradiologischen und computertomographischen Bildgebung selten diagnostiziert und entziehen sich aufgrund der starken Schmerzhaftigkeit in der Regel der klinischen Untersuchung [1, 7, 23]. Dabei besteht bereits bei einfachen Tibiaplateaufrakturen ein Risiko für intra- und periartikulare Begleitverletzungen. Eine Gelenkflächenimpression >6 mm und/oder Gelenkspalterweiterung >5 mm sind im Rahmen einer lateralen Tibiaplateaufraktur assoziiert mit Verletzungen des Außenmeniskus, des Außenbandes sowie des hinteren Kreuzbandes [6, 12, 22]. Im klinischen Alltag geben diese Parameter oftmals nur einen groben Anhalt und einen – wenn überhaupt – indirekten Nachweis mittels der CT.
Der Nachweis von Begleitverletzungen im MRT beeinflusst das operative Vorgehen
Diese diagnostische Lücke kann heutzutage mit hoher Sensitivität von 90–95 % durch das MRT geschlossen werden und dabei das chirurgische Vorgehen und/oder das Nachbehandlungsschema entscheidend beeinflussen [5, 7, 22, 23]. Prokop et al. konnten bei 54 untersuchten Patienten mit B‑ und C‑Frakturen bei 93 % Weichteilbeteiligungen nachweisen [23]. Gardner et al. wiesen bei 103 untersuchten Patienten mit Tibiaplateaufrakturen zu 99 % Weichteilbeteiligungen mittels MRT nach [7]. 77 % hatten einen vollständigen Riss oder Ausriss eines oder mehrerer Kreuz- oder Seitenbänder und 68 % zeigten Risse von einer oder mehreren posterolateralen Eckstrukturen des Knies (Abb. 3 und 4). Die so nachgewiesenen Begleitverletzungen haben in 21–23 % der Fälle einen signifikanten Einfluss auf das operative Vorgehen [5, 7, 16, 22, 23, 29].
CT (a, b) und MRT (c, d) eines nach medial luxierten Risses des Außenmeniskus sowie knöchernen Ausrisses des hinteren Kreuzbandes. Fallbeschreibung: 60-jähriger Mann mit Kniegelenkluxation nach Fahrradsturz. In dem CT zeigte sich ein knöcherner Ausriss des hinteren Kreuzbandes (a und b), die angiographische Phase zeigte keine Gefäßbeteiligung. In der zusätzlich präoperativ angefertigten MRT-Untersuchung war der knöcherne Ausriss des hinteren Kreuzbandes nur schlecht zu erkennen (d). Allerdings lässt sich ein nach medial luxierter Riss des Außenmeniskus (d), eine Ruptur des medialen Kollateralbandes nachweisen (c) sowie der Verdacht auf eine Affektion des vorderen Kreuzbandes stellen
CT (a) und MRT (b–d) einer bikondylären Tibiaplateaufraktur mit begleitender Ruptur des vorderen Kreuzbandes, des lateralen Kollateralbandes sowie Innenmeniskushinterhorns. Fallbeschreibung: 41-jährige Patientin nach erlittenem Hochrasanztrauma mit Zusammenprall als Fußgängerin mit einem PKW mit ca. 80 km/h. Neben einem Schädel-Hirn-Trauma und einer offenen distalen Femurfraktur rechts zeigte sich eine Fraktur des medialen sowie lateralen Tibiaplateaus (a). Aufgrund des Traumamechanismus und des klinisch hochgradigen Verdachts auf weichteilige Begleitverletzungen zeigte eine MRT-Untersuchung eine Ruptur des vorderen Kreuzbandes (b) sowie des lateralen Kollateralbandes (c) und eine nichtdislozierte Ruptur des Innenmeniskushinterhorns (d)
Zudem zeigen Studien eine verbesserte Abgrenzung von Knochenfragmenten bei vor allem komplexeren AO-C-Frakturen mittels MRT [7, 16, 23, 29]. Im Gegensatz dazu können begleitende Knochenödeme und Ergüsse durch die entstandene Unschärfe die korrekte Bestimmung von Lage und Rotation der Knochenfragmente auch verhindern [23]. Dabei scheint die Kombination aus MRT und Röntgen gegenüber CT und Röntgen eine höhere Interobserver-Reliabilität hinsichtlich der Frakturklassifikation sowie des operativen Vorgehens zu erzeugen [7, 16, 29]. Yacoubian et al. konnten zusätzlich nachweisen, dass mithilfe eines erfahrenen Radiologen die intraoperativ gestellte Frakturklassifikation zu 100 % mit der präoperativ magnetresonanztomographisch erstellten Klassifikation übereinstimmte [29].
Allerdings gibt die aktuelle Studienlage keine Auskunft über den optimalen Zeitpunkt der MRT-Bildgebung. Bei komplexen C‑Frakturen nach der AO-Klassifikation oder Luxationsfrakturen nach Hochenergietraumata kann ein präoperatives MRT aufgrund der hohen Rate an Begleitverletzungen hilfreich sein. Das Nadelöhr der MRT-Bildgebung stellt die oft in vielen Kliniken nur eingeschränkt vorhandene Verfügbarkeit dar. Obwohl Haller et al. auch bei komplexen Tibiaplateaufrakturen keinen Unterschied im klinischen Ergebnis zwischen einer frühzeitigen oder verzögerten Anlage eines Fixateur externe zeigen konnten, wird im klinischen Alltag oft am Konzept „span, scan, plan“ noch am Unfalltag festgehalten, was eine präoperative MRT-Bildgebung aufgrund des bereits eingebrachten Fremdmaterials zusätzlich erschwert [10].
Somit ist die Bildgebung mittels MRT im klinischen Alltag eine sehr gute und bei komplexen Frakturen auch hilfreiche Alternative bzw. Ergänzung zu der CT-Bildgebung mit 3‑D-Rekonstruktion. Aktuell gibt es jedoch keine Evidenz, dass die präoperative Durchführung einer MRT bei Tibiaplateaufrakturen zu einem besseren klinischen Ergebnis führt. In Einzelfällen ist dies sicherlich zu erwarten. Die Autoren empfehlen deshalb aufgrund der klinischen Erfahrung bei Frakturen mit Luxationsmechanismus ein präoperatives MRT. Ansonsten beeinflussen Dislokationsgrad, geplanter Zugang, geplante Exposition der Gelenkfläche mit der Möglichkeit der direkten Visualisierung von Menisken und Kreuzbändern auch die Indikation zur präoperativen MRT. Sollte die Frakturmorphologie eine umgehende Anlage eines Fixateur externe indizieren, empfehlen die Autoren die Anlage eines MRT-fähigen Modells.
Fazit für die Praxis
-
Das klassische Röntgen stellt weiterhin die primäre bildgebende Diagnostik zum Frakturausschluss dar. Bei weiterhin bestehendem Verdacht bzw. diagnostizierter Tibiaplateaufraktur ist ein CT obligat.
-
Bei Verdacht auf eine Luxationskomponente sollte zum Ausschluss einer Gefäßverletzung eine CT/MR-Angiographie durchgeführt werden.
-
Eine 3‑D CT-Bildgebung verbessert die operative Planung und die Auswahl des operativen Zugangs.
-
Ein MRT ist bei Verdacht auf weichteilige Begleitverletzungen oder okkulte Frakturen zusätzlich zum CT anzufertigen. Insbesondere gilt dies bei Luxationsfrakturen oder dislozierten Frakturbereichen, die durch den operativen Zugang nur unzureichend visualisiert werden können.
-
Nach Hochenergietraumata zeigt die MRT-Bildgebung gegenüber dem klassischen CT aufgrund der oft ausgeprägten Begleitverletzungen diagnostisch einen größeren klinischen Nutzen und sollte entweder vor Anlage eines Fixateur externe oder nach Anlage eines MRT-fähigen Fixateur externe erfolgen.
-
Das operative Vorgehen kann durch eine präoperative MRT-Diagnostik entscheidend beeinflusst werden.
Literatur
Bobrich E, Haupt C, Grass R et al (2009) Tibiakopffraktur und Luxationsfraktur. Trauma Berufskrankh 11:154–159
Brunner A, Horisberger M, Ulmar B et al (2010) Classification systems for tibial plateau fractures; does computed tomography scanning improve their reliability? Injury 41:173–178
Castiglia MT, Nogueira-Barbosa MH, Messias AMV et al (2018) The impact of computed tomography on decision making in tibial plateau fractures. J Knee Surg 31:1007–1014
Chan PS, Klimkiewicz JJ, Luchetti WT et al (1997) Impact of CT scan on treatment plan and fracture classification of tibial plateau fractures. J Orthop Trauma 11:484–489
Fischbach R, Prokop A, Maintz D et al (2000) Magnetic resonance tomography in the diagnosis of intra-articular tibial plateau fractures: value of fracture classification and spectrum of fracture associated soft tissue injuries. Rofo 172:597–603
Gardner MJ, Yacoubian S, Geller D et al (2006) Prediction of soft-tissue injuries in Schatzker II tibial plateau fractures based on measurements of plain radiographs. J Trauma 60:319–323 (discussion 324)
Gardner MJ, Yacoubian S, Geller D et al (2005) The incidence of soft tissue injury in operative tibial plateau fractures: a magnetic resonance imaging analysis of 103 patients. J Orthop Trauma 19:79–84
Gray SD, Kaplan PA, Dussault RG et al (1997) Acute knee trauma: how many plain film views are necessary for the initial examination? Skeletal Radiol 26:298–302
Green NE, Allen BL (1977) Vascular injuries associated with dislocation of the knee. J Bone Joint Surg Am 59:236–239
Haller JM, Holt D, Rothberg DL et al (2016) Does early versus delayed spanning external fixation impact complication rates for high-energy tibial plateau and plafond fractures? Clin Orthop Relat Res 474:1436–1444
Honkonen SE (1995) Degenerative arthritis after tibial plateau fractures. J Orthop Trauma 9:273–277
Kolb JP, Regier M, Vettorazzi E et al (2018) Prediction of meniscal and ligamentous injuries in lateral tibial plateau fractures based on measurements of lateral plateau widening on multidetector computed Tomography scans. Biomed Res Int 2018:5353820
Krause M, Hubert J, Deymann S et al (2018) Bone microarchitecture of the tibial plateau in skeletal health and osteoporosis. Knee 25:559–567
Krause M, Preiss A, Müller G et al (2016) Intra-articular tibial plateau fracture characteristics according to the “Ten segment classification”. Injury 47:2551–2557
Lobenhoffer P, Krettek C, Tscherne H (1997) Complex knee trauma. Orthopade 26:1037–1045
Markhardt BK, Gross JM, Monu J (2009) Schatzker classification of tibial plateau fractures: use of CT and MR imaging improves assessment. RadioGraphics 29:585–597
Mills WJ, Barei DP, Mcnair P (2004) The value of the ankle-brachial index for diagnosing arterial injury after knee dislocation: a prospective study. J Trauma 56:1261–1265
Moore TM (1981) Fracture—dislocation of the knee. Clin Orthop Relat Res 156:128–140
Mthethwa J, Chikate A (2018) A review of the management of tibial plateau fractures. Musculoskelet Surg 102:119–127
Oladeji LO, Worley JR, Crist BD (2019) Age-related variances in patients with tibial plateau fractures. J Knee Surg. https://doi.org/10.1055/s-0039-1683893
Pätzold R, Friederichs J, Von Rüden C et al (2017) The pivotal role of the coronal fracture line for a new three-dimensional CT-based fracture classification of bicondylar proximal tibial fractures. Injury 48:2214–2220
Prat-Fabregat S, Camacho-Carrasco P (2016) Treatment strategy for tibial plateau fractures: an update. EFORT Open Rev 1:225–232
Prokop A, Fischbach R, Burger C et al (2001) Diagnostik der intraartikulären TibiakopffrakturEine prospektiv vergleichende Studie. Unfallchirurg 104:131–137
Ramponi DR, Mcswigan T (2018) Tibial plateau fractures. Adv Emerg Nurs J 40:155–161
Seroyer ST, Musahl V, Harner CD (2008) Management of the acute knee dislocation: the Pittsburgh experience. Injury 39(3):710–718. https://doi.org/10.1016/j.injury.2007.11.022
Shafizadeh ST, Bouillon B, Naendrup JH et al (2017) Behandlung der akuten Kniegelenksluxation. Trauma Berufskrankh 19:289–296
Van Dreumel RL, Van Wunnik BP, Janssen L et al (2015) Mid- to long-term functional outcome after open reduction and internal fixation of tibial plateau fractures. Injury 46:1608–1612
Wicky S, Blaser PF, Blanc CH et al (2000) Comparison between standard radiography and spiral CT with 3D reconstruction in the evaluation, classification and management of tibial plateau fractures. Eur Radiol 10:1227–1232
Yacoubian SV, Nevins RT, Sallis JG et al (2002) Impact of MRI on treatment plan and fracture classification of tibial plateau fractures. J Orthop Trauma 16:632–637
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Ethics declarations
Interessenkonflikt
T. Dust, A. Korthaus, K.-H. Frosch und M. Krause geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Additional information
Redaktion
M. Raschke, Münster
S. Schröter, Tübingen
Rights and permissions
Open Access. Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de.
About this article
Cite this article
Dust, T., Korthaus, A., Frosch, KH. et al. Diagnostik – Indikationen für CT und MRT bei Tibiaplateaufrakturen. Knie J. 2, 76–81 (2020). https://doi.org/10.1007/s43205-020-00046-z
Published:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s43205-020-00046-z