1 Einleitung

Der motorisierte Individualverkehr stellt eine Lärmbelastung für die Bewohner der Städte dar, die an den gesundheitsschädigenden Auswirkungen des Lärms leiden. Lärm ist allgegenwärtig und doch eine oft übersehene Form der Umweltverschmutzung. Die negativen Folgen erscheinen nicht so offensichtlich wie bei anderen Formen von Umweltemissionen, da sie schleichend und subtil erfolgen. Dennoch wirken sie sich bei kontinuierlicher Lärmaussetzung negativ auf die menschliche Gesundheit und das Wohlbefinden sowie die Umweltqualität aus (Aluko und Nna 2015). Bereits ein relativ niedriges Lärmlevel kann die Gesundheit nachteilig beeinflussen. Die möglichen Folgen reichen von Bluthochdruck über Schlafstörungen bis zur Behinderung der kognitiven Entwicklung von Kindern. Die Effekte von übermäßigem Lärm können sogar gravierende Schäden wie permanenten Gedächtnisverlust oder psychische Störungen auslösen (Singh und Davar 2004). So lautet die Empfehlung der WHO, nachts durchschnittlichen Lärm von 40–45 dB \({L}_{night}\) nicht zu überschreiten, um gesundheitliche Auswirkungen zu vermeiden. In Deutschland sind mehr als ein Drittel der Menschen, die in einem Ballungsraum wohnen, tagsüber einer Lärmbelastung von mehr als 55 dB \({L}_{den}\) ausgesetzt sowie ein Viertel nachts einer Lärmbelastung von über 50 dB \({L}_{night}\). In einer Metaanalyse wird von einem signifikanten Anstieg des relativen Risikos berichtet, geräuschbedingt beispielsweise eine ischämische Herzkrankheit zu erleiden. Bei Dauerschallpegeln durch den Straßenverkehr wird die Erhöhung mit 8 % (Konfidenzintervall: 1–15%) pro 10 dB \({L}_{den}\) angegeben (Wothge und Niemann 2020).

Die rechtliche Grundlage der EU-Umgebungslärmrichtlinie, welche am 18. Juli 2002 in Kraft trat sowie deren Umsetzung in Deutschland werden seitens des UmweltbundesamtsFootnote 1 wie folgt erläutert: Die EU-Umgebungslärmrichtlinie stellt einen gemeinsamen europäischen Ansatz zur Minderung der Lärmbelastung der Bevölkerung dar. Das grundlegende Ziel der Richtlinie ist es, einen hohen Gesundheits- und Umweltschutz auch im Bereich des Lärmschutzes zu gewährleisten. Um die schädlichen Auswirkungen und Belästigungen des Umgebungslärms zu verhindern, vorzubeugen oder abzumildern, wurden 3 Maßnahmen festgelegt. Als Erstes müssen die Belastungen des Umgebungslärms anhand von Lärmkarten nach einheitlichen Bewertungsmethoden ermittelt werden. Zweitens soll sichergestellt werden, dass die Öffentlichkeit über Umgebungslärm und dessen Auswirkungen informiert wird. Die dritte Maßnahme verpflichtet die Mitgliedsstaaten, Aktionspläne auf Basis der Lärmkarten zu erstellen. Diese haben zum Ziel, den Umgebungslärm, insbesondere bei Überschreitungen von Grenzwerten und dem Verursachen gesundheitsschädlicher Auswirkungen, zu verhindern bzw. zu mindern. Die EU-Umgebungslärmrichtlinie ist durch eine Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes in deutsches Recht übergegangen.

Zusätzlich verpflichtet die INSPIRE-RichtlinieFootnote 2 der EU von 2007, eine europäische Geodateninfrastruktur zu schaffen, in der Geodaten, z. B. zum Zwecke der Umweltpolitik, bereitgestellt werden. Unter den aufgeführten Geodatenthemen befinden sich auch Verkehrsdaten sowie Geodaten zu Gesundheit und Sicherheit (u. a. Lärm).

Vor diesem Hintergrund erscheint das Überwachen der Lärmemissionen mithilfe von Lärmkarten besonders im Verkehrsbereich als wichtiges Instrument, da dieser einen Großteil des Umgebungslärms ausmacht. Dafür werden, unabhängig von der Methodik der Untersuchung, Eingangsdaten zur Erstellung der Lärmkarten benötigt.

Die meisten bisherigen Ansätze zur Erstellung von Lärmkarten bzw. Lärmanalysen von Verkehrslärm untersuchten jedoch noch nicht das Potenzial alternativer Datenquellen, wie z. B. Floating Car Data (FCD) oder erweiterten Floating Car Data (xFCD). Diese Art der Verwendung von xFCD für Lärmanalysen ist unter anderem Gegenstand der Untersuchung in dieser Arbeit.

2 Hintergrund: FCD, xFCD und Lärmanalyse

Floating Car Data (FCD) werden mittels im Verkehr „mitschwimmenden“ Fahrzeugen, die mit Positionierungshardware ausgestattet sind (meistens GNSS-Geräte), generiert. Die Positionsgeräte zeichnen die Bewegung und räumliche Verortung sowie die dazugehörige Zeitkomponente auf. Dabei besteht jeder aufgezeichnete Datenpunkt aus einer Positionskomponente mit dem entsprechenden Zeitstempel und verweist dadurch auf die räumlich-zeitliche Position des Sensors (Ranacher et al. 2016). Eine Erweiterung zu den soeben erläuterten FCD stellen sogenannte Extended Floating Car Data (xFCD) dar. Um diese zu erzeugen, werden die originalen FCD mit internen Fahrzeuginformationen oder Informationen über äußerliche Phänomene der Umgebung angereichert (Röger und Krisp 2019).

Es existiert bereits eine Vielzahl an Publikationen in Bezug auf FCD zu verschiedensten Fragestellungen. Messelodi et al. (2009) stellten ein intelligentes xFCD-Datensammelsystem vor, um Daten über die Umgebung zu Straßenbauarbeiten und Staus zu sammeln. Ehmke et al. (2012) und Rahmani et al. (2015) beschäftigten sich mit der Berechnung von Fahrtzeiten in Städten basierend auf FCD. Auch die Bewegungsmuster von Pendlern und entsprechenden Fahrtzeiten wurden in einer Arbeit betrachtet (Dewulf et al. 2015). Das Erkennen von Verkehrsstaus (Andrienko et al. 2011), fehlerhafter Stadtplanung durch die Nutzung von Taxi-GPS-Trajektorien (Zheng et al. 2011), der Komplexität und Muster menschlicher Mobilität in Fahrzeugen (Giannotti et al. 2011; Pappalardo et al. 2013), Parametern von Ampelschaltungen (Protschky et al. 2015) oder kritischer Situationen und Engstellen im Straßennetzwerk (Keler et al. 2017) stellen lediglich einige weitere Beispiele von Forschungsarbeiten mit FCD dar. Für umweltbezogene Analysen werden bevorzugt xFCD herangezogen, um neben den räumlich-zeitlichen Informationen zusätzliche Daten von Sensoren und Fahrzeugen für beispielsweise die Beobachtung des Kraftstoffverbrauchs zu erhalten (Jakobsen et al. 2013). Bröring et al. (2015), Röger et al. (2018), Häußler et al. (2018) sowie Röger & Krisp (2019) benutzten ebenfalls xFCD für ihre umweltbezogenen Arbeiten.

Diese xFCD können für die Analyse räumlicher und umweltbezogener Fragestellungen wie beispielsweise CO2-Emissionen des Verkehrs genutzt werden (Häußler et al. 2018; Röger et al. 2018). Bröring et al. (2015) stellen in ihrer Arbeit ebenso den Nutzen und die Verwendungsmöglichkeiten dieser Daten dar. Sie eignen sich zur Überwachung verschiedener Parameter mit Umweltauswirkung, z. B. der Berechnung von Treibstoffverbrauch, resultierenden CO2-Emissionen, Standzeiten oder auch Lärmemissionen der Fahrzeuge.

Klassische Lärmmodelle berechnen Lärmkarten anhand ausgewählter Parameter. Diese rechenintensiven und aufwendigen Berechnungen berücksichtigen die Emissionen aus Verkehrsdaten sowie die meist schalldämpfende Umweltinteraktion und simulieren mittels komplexer Diffraktionsmodelle die physikalische Schallausbreitung (Staab et al. 2020).

Im Gegensatz zu klassischen Lärmmodellen und Lärmkarten für den Straßenverkehr folgen wir einem anderen Ansatz. Als wichtigste Eingangsdaten dienen xFCD sowie weitere Daten zur Witterung (Lufttemperatur, Niederschlag). Für jeden Datenpunkt werden basierend auf dem Fahrverhalten des Fahrzeugs (beschleunigend oder nichtbeschleunigend), der Drehzahl des Motors, der aktuellen Geschwindigkeit sowie unter Einflussnahme des derzeitigen Wettergeschehens individuelle, approximative Lärmemissionswerte berechnet, die das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Aufnahme des Datenpunkts emittierte. Diese Berechnungen werden in einem ersten Schritt durchgeführt, wobei weitere Parameter bezüglich der Straßenoberfläche und dem Alter der Straßen eingestellt werden können. Die Berechnungen werden in 3 neuen Feldern der xFCD gespeichert. Dies sind das Rollgeräusch, das Antriebsgeräusch und das kombinierte Gesamtgeräusch. Somit werden ähnlich der berechneten CO2-Emissionen aus Sensorinformationen der xFCD (Ortenzi & Costagliola 2010) zusätzliche Informationen generiert und die bestehenden xFCD damit angereichert.

Die Einheit der berechneten Lärmwerte bezieht sich gemäß Hamet et al. (2010) auf maximale Vorbeifahrtswerte \({L}_{Amax}\) in dB(A) in 7,5 m horizontaler Entfernung von der Fahrbahn und in 1,2 m Höhe. Somit handelt es sich um einen aus den Daten berechneten aktuellen Maximalpegel, der während der Messung bzw. Vorbeifahrt aufgetreten ist und um keinen Mittelungspegel, wie es bei klassischen Lärmkarten der Fall ist. Dieser Unterschied der Einheiten der berechneten Lärmwerte muss daher bei den nachfolgenden Analysen stets bedacht werden.

Da es sich in der Lärmberechnung aus xFCD um aktuelle Lärmwerte eines vorbeifahrenden Autos handelt, bietet es sich an, die Daten räumlich und zeitlich zu filtern und Hotspots der aktuellen Lärmbelastung im Untersuchungsgebiet zu suchen. Somit können auch einzelne Ausreißer bzw. Lärmspitzen potenziell entdeckt werden, da die Lärmwerte zum Zeitpunkt der Datenaufnahme untersucht werden und nicht wie bei klassischen Lärmkarten über das Jahr gemittelte Pegel. Durch die separate Berechnung von Rollgeräusch und Antriebsgeräusch bietet sich zudem die Möglichkeit, die Verkehrslärmsituation exemplarisch bei einem simulierten Anteil an Elektrofahrzeugen zu betrachten. Da diese jedoch im Datensatz nicht repräsentiert sind, wird vereinfacht aufgrund des bei Elektroautos fehlenden Verbrennungsmotors das Antriebsgeräusch gleich null gesetzt und das Gesamtgeräusch lediglich aus dem Rollgeräusch angenommen.

Aus den neu berechneten, mit aktuellen Lärmemissionen erweiterten Daten können weitere Visualisierungsschritte folgen, um die Hotspots der Lärmemissionen sichtbar zu machen und z. B. kartografisch darzustellen. Unterschiede und weitere Möglichkeiten in Bezug auf Lärmanalysen aus xFCD und weiteren Daten sollen so untersucht werden.

3 Exemplarische Fallstudie: Lärmanalyse in Mönchengladbach

3.1 Daten und Datenaufbereitung

Die in der Fallstudie verwendeten Daten sind offen zugänglich und werden durch das enviroCar-Projekt über eine APIFootnote 3 bereitgestellt. Nach dem Zuschneiden der Daten auf die Region Mönchengladbach besteht der Datensatz aus 2.365.956 Datenpunkten, welche sich über eine Zeitspanne von Anfang Januar 2012 bis Mitte Juli 2018 erstrecken.

Um Witterungsfaktoren in der Analyse bzw. Lärmberechnung miteinfließen zu lassen, sind weitere Daten notwendig. Da die in den xFCD gemessene Eingangslufttemperatur am Motor nicht auf die Umgebungslufttemperatur übertragbar ist, werden Temperaturmessdaten des Deutschen Wetterdienstes hinzugezogen. Die Wetterdaten des Deutschen Wetterdienstes stehen als OpenDataFootnote 4 öffentlich zur Verfügung und können im CSV-Format heruntergeladen werden. Es werden dafür die der Stadt Mönchengladbach jeweils nächstgelegenen Messstationen ausgewählt, welche die erforderlichen Daten bereitstellten. Die historischen, stündlichen Temperaturwerte stammen von der Messstation Tönisvorst, die Niederschlagswerte von der Messstation Mönchengladbach-Hilderath.

Der gesamte auf die Region Mönchengladbach zugeschnittene xFCD-Datensatz wird für die weitere Analyse aufbereitet und von fehlenden, fehlerhaften oder doppelten Dateneinträgen bereinigt. Es werden nur Fahrzeuge mit einer Geschwindigkeit zwischen 1 km/h und 140 km/h berücksichtigt, da die bei höheren Geschwindigkeiten dominierenden Umströmungsgeräusche nicht in der Berechnungsmethode enthalten sind. Daraufhin werden die Wetterdaten zu Niederschlag und Temperatur von den nächstgelegenen Messstationen des Deutschen Wetterdienstes, welche stündlich aufgelöst sind, mit den jeweiligen Zeit- und Datumswerten des Zeitstempels der xFCD zusammengeführt. Somit weist jeder Eintrag im Datensatz neben den fahrzeugspezifischen Informationen auch Werte zum Wetter in der damaligen Stunde auf, die in der Lärmberechnung miteinbezogen werden können. Ein weiterer Aufbereitungsschritt der erweiterten, angereicherten xFCD ist die Klassifikation aller Datenpunkte in eine beschleunigende Kategorie 1 bzw. eine nicht beschleunigende Kategorie 0. Dabei wird je nach vergangenem Zeitintervall geprüft, ob die Geschwindigkeit entsprechend einer durchschnittlichen Beschleunigung von mindestens 1 m/s2 zugenommen hat. Ist dies der Fall, wird der erste der 2 Datenpunkte in die Kategorie 1 zugewiesen, anderenfalls in die Kategorie 0. Der Grenzwert der durchschnittlichen Beschleunigung von 1 m/s2, ab der ein Fahrzeug als „beschleunigend“ eingestuft wird, beruht auf unseren Annahmen. Hamet et al. (2010), welche die Berechnungsgrundlagen der Lärmemissionen bereitstellen, nennen keinen festen Grenzwert für die Anwendung der Beschleunigungsformeln.

3.2 Umsetzung der Lärmanalyse

Die Lärmanalyse in der Region Mönchengladbach wird aus den bereits beschriebenen, angereicherten und aufbereiteten xFCD mithilfe von 2 eigens dafür entwickelten Skripttools durchgeführt. Die Lärmwerte werden anhand der Eingabeparameter und xFCD für jeden Datenpunkt berechnet. Daraufhin werden die Daten mit den Lärmwerten in 2 unterschiedliche Rasterlayer klassifiziert, die zur Visualisierung und Analyse des Lärms bzw. Lärmhotspots herangezogen werden können.

Das erste Tool zur Lärmberechnung enthält die von Hamet et al. (2010) beschriebenen Formeln zur Berechnung von Rollgeräuschen und Antriebsgeräuschen leichter Fahrzeuge sowie deren energetische Addition zum Gesamtgeräusch. Das Gesamtgeräusch wird durch die Formel \({L}_{Amax}= {L}_{p}\oplus {L}_{r}=10log\left[{10}^{\mathrm{0,1}\times {L}_{p}}+{10}^{\mathrm{0,1}\times {L}_{r}}\right]\) definiert, wobei sich \({L}_{Amax}\) in die Antriebsgeräuschkomponente (Power Unit Component) \({L}_{p}\) und die Rollgeräuschkomponente (Rolling Noise Component) \({L}_{r}\) untergliedert. Diese beiden Komponenten werden im Tool separat nach Hamet et al. (2010) unter Rücksichtnahme weiterer Parameter (z. B. Straßenbeschaffenheit, Alter, Beschleunigungskategorie) individuell berechnet. Abbildung 1 stellt die Funktionsweise des Tools mit dessen Eingaben und Ausgabe schematisch dar. In blau werden (Geo-)Daten dargestellt, gelb visualisiert andere eingebbare Datentypen wie Strings oder Floats und grün entspricht Operationen des Skripttools. Die Eingabeparameter gliedern sich zum einen in die Eingabedaten der aufbereiteten xFCD in Form einer Point Feature Class und zum anderen in die durch den Nutzer des Tools einstellbaren bzw. anzunehmenden Werte bzgl. Straßenkategorie und Alter der Straßen. Für die Straßenkategorie werden die 3 auswählbaren Kategorien R1, R2 und R3 angeboten. Zusätzlich ist für das anzunehmende Alter der Straßen ein Wert zwischen 0 und 10 Jahren anzugeben. Je höher die Straßenkategorie und das Alter der Straßen eingestellt werden, desto höher fällt die Rollgeräuschberechnung aus.

Abbildung 1
figure 1

Schematische Darstellung des Lärmberechnungstools

Das Skript berechnet aus den Eingaben und anhand der hinterlegten Formeln die Lärmwerte und fügt diese entsprechend des Antriebs-, Roll- und Gesamtgeräuschs 3 neuen Felder der Attributtabelle hinzu. Dabei wird aus den Daten die Temperatur und eventuell gefallener Niederschlag berücksichtigt. Für nasse Fahrbahnen wird eine pauschale Erhöhung des Rollgeräuschs um 10 % berechnet. Dieser Wert ist aufgrund fehlender Messungen und Angaben aus der Literatur selbst gewählt und angenommen. Sánchez (2019) bestätigt, dass es zu Rollgeräuschen auf nassen Fahrbahnen aufgrund von Messschwierigkeiten bisher noch wenige Studien gibt.

Die flexible Berechnung der Werte ermöglicht es, u. a. Werte für den Fall zu erstellen, dass durch entsprechend angepasster Parameter ausschließlich Elektrofahrzeuge berücksichtigt werden. Dafür werden vereinfacht die Antriebsgeräusche vernachlässigt und lediglich das Rollgeräusch als Gesamtgeräusch angenommen. Es wird eine Übersicht der durchschnittlichen Lärmemissionen ausgegeben, welche durch das Werkzeug „Punkt-Statistiken“ erzeugt wird. Zudem wird die Selektion der lautesten 10 % der Datenpunkte im Untersuchungsgebiet einer Kerndichteanalyse unterzogen. So lassen sich räumliche Verkehrslärmhotspots erkennen, an denen die Dichte der lautesten aufgezeichneten Datenpunkte besonders hoch ist.

3.3 Ergebnisse

Abbildung 2 zeigt die Gesamtregion mit den als lärmspezifisch gut angenommenen Straßenverhältnissen der Kategorie R1 (neue Straßen und junge Straßen mit einem Alter unter 2 Jahren). Die Daten beinhalten den Zeitraum vom 01.01.2012 bis 01.01.2018 und es wird kein voll elektrifizierter Verkehr angenommen. Die farblichen Abstufungen gemäß der Legende klassifizieren die Werte in unterschiedlich laute Bereiche. Absolute Zahlen und Grenzen in dB(A) werden aufgrund der Unsicherheiten und getroffenen Annahmen nicht angegeben. In Abbildung 2 ist der Lärmschwerpunkt der Autobahnen als roter Bereich gut zu erkennen. Größere Verbindungs- und Zubringerstraßen, auch teilweise in Stadtgebieten, sind ebenfalls in eher laute oder sehr laute Klassen eingeordnet. Ansonsten dominieren in Stadtzentren gelbe und grüne Farben, die als normale bzw. eher ruhige Zonen einzuordnen sind. Besonders Wohngebiete, kleinere Nebenstraßen oder verkehrsberuhigte Bereiche, wie das Zentrum von Rheydt, in denen geringere Geschwindigkeiten vorherrschen, sind in grün dargestellt. Größere Straßen in urbanen Räumen sind meist als normal und eher laut klassifiziert. Die Abstufungen der Lärmkategorien in Hinblick auf die Bedeutung der zugrundeliegenden Daten müssen berücksichtigt werden: Es werden durchschnittliche Gesamtlärmemissionen in der direkten Umgebung anhand der zeitlich und räumlich selektierten xFCD berechnet und dargestellt. Somit kann annäherungsweise bestimmt werden, in welchen Bereichen und Straßen die Fahrzeuge durchschnittlich lauter unterwegs waren als in anderen Bereichen. Durch die Mittelung fallen allerdings einzelne besonders laute oder leise Datenpunkte nicht ins Gewicht und sind dadurch nicht erkennbar. Die gesamte, reale Lärmsituation an der jeweiligen Straße wird insofern nicht angegeben, da etwa Schallreflexionseffekte von Fassaden oder die Summierung von Lärm durch hohe Verkehrsdichten und schwere Fahrzeuge nicht berücksichtigt werden.

Abbildung 2
figure 2

Lärmübersichtskarte des gesamten Untersuchungsgebiets; Datensatz: Straßenverhältnisse R1, < 2 a; Daten von 01.01.2012 bis 01.01.2018; kein angenommener elektrifizierter Verkehr

Um Lärmschwerpunkte innerhalb z. B. Rheindahlens zu untersuchen, wird ein kleinerer Ausschnitt des Zentrums als Auswahlpolygon in das Visualisierungstool eingegeben. Dafür werden gute Straßenverhältnisse (R1, < 2 a) angenommen sowie alle verfügbaren Daten miteinbezogen. Zudem wird in dem Szenario auf der rechten Seite von Abbildung 3 vollständige Elektromobilität angenommen, um die unterschiedlichen Auswirkungen auf Lärmschwerpunkte nochmals detaillierter betrachten zu können. Bei der durchschnittlichen Lärmemission zeigt sich zwischen der linken (Verbrennerfahrzeuge) und rechten Hälfte (Elektromobilität) von Abbildung 3, dass die lautere Straße im Westen oder die Straßengabelung im Norden keine nennenswerte Lärmminderung bei angenommener vollständiger Elektromobilität erfährt. Kreuzungsbereiche scheinen am meisten von abnehmendem Lärm zu profitieren. Im Verbrennerszenario zeigen 2 Kreuzungen mittig besonders hohe Lärmschwerpunkte auf, während die höchsten Dichten lautester Elektrofahrzeuge entlang der Straßensegmente ohne große Kreuzungen bzw. vorgelagert dazu zu finden sind. Der größeren, lauteren Straße im Westen scheint in ihrer Lärmwirkung auch aufgrund der gleichen Dichte lauter Fahrzeuge eine ähnliche Bedeutung in beiden Szenarien zuzukommen. Eine weitere nennenswerte Besonderheit ist die Bedeutung eines Kreisverkehrs, der zwischen der lauteren, diagonal verlaufenden Straße im Westen, der Straßengabelung im Norden sowie dem nördlichen, in der linken Abbildungshälfte dunkelblau hinterlegten Kreuzungsschwerpunkt liegt. Dieser Kreisverkehr weist in beiden Betrachtungen keine erhöhten Dichten lauter Emissionspunkte auf.

Abbildung 3
figure 3

Lärmauswirkungen zwischen Verbrennerfahrzeugen (links) und angenommener, vollständig elektrifizierter Autoverkehr (rechts) im Zentrum Rheindahlens; Straßenverhältnisse R1, < 2 a; kein Zeitfilter

Um Gemeinsamkeiten zwischen der klassischen Lärmkartierung und der Lärmanalyse aus xFCD zu untersuchen, werden in Abbildung 4 detailliertere Kartenansichten vom Zentrum Mönchengladbachs verglichen. Die Ergebnisse der Lärmschwerpunkte in Gladbach (nördlich verlaufende B57 bzw. größere Kreuzungen) werden teilweise durch die klassische Lärmkarte bestätigt. Die Gemeinsamkeiten der anhand der Dichteanalyse hoher Lärmemissionspunkte ermittelten lauten Bereiche und lautesten Bereiche gemäß der klassischen Lärmkarte (blau) werden durch rote Kreise hervorgehoben. Abbildung 4 zeigt die klassische Lärmkartierung (oben) und die Dichteanalyse der lautesten Datenpunkte (unten) in Gladbach. Während die lauteste Lärmklassifizierung (blau) an vielen Orten mit den Schwerpunkten der lautesten Emissionspunkte (orange, rot) übereinstimmt, sind im inneren Bereich des Kartenausschnitts die Schwerpunkte an Kreuzungen nicht in der höchsten, aber in der zweithöchsten Lärmkategorie der klassischen Lärmkarte eingeordnet. Die gelben Bereiche in der unteren Teilabbildung, welche erhöhtes Vorkommen lauter Emissionspunkte offenbaren, bilden ebenfalls die meisten in der klassischen Lärmkarte kartierten Straßen über 55 dB(A) ab. Da bei klassischen Lärmkarten teilweise andere Faktoren wie Lkw-Anteil oder tägliche Fahrzeugfrequenz hinzugezogen werden, die in der Lärmanalyse aus xFCD fehlen, können sich entsprechende Unterschiede ergeben.

Abbildung 4
figure 4

Vergleich der Gemeinsamkeiten der klassischen Lärmkarte (oben) mit der Dichtekarte lauter Emissionspunkte der xFCD-Analyse (unten) in Gladbach. Signifikante Bereiche sind mit roten Kreisen/Ellipsen markiert. Quelle: Umgebungslärmkartierung NRW 2017 [https://www.wms.nrw.de/umwelt/laerm_stufe3? (letzter Zugriff: 27.06.2021)]

4 Diskussion

Der Untersuchungsraum Mönchengladbach wird aufgrund der relativ hohen Dichte an Datenaufzeichnungen ausgewählt, die Methoden und Tools der praktischen Lärmanalyse eignen sich jedoch auch für xFCD anderer Quellen, sofern die erforderlichen Attribute enthalten sind. Die durchgeführte räumliche Lärmanalyse anhand von xFCD zeigt, dass es möglich ist, zusätzliche Informationen in Bezug auf Verkehrslärm aus angereicherten und verarbeiteten xFCD zu generieren.

Die Auslastung einer Straße wird bei der Dichteanalyse partiell berücksichtigt, da größere Straßen durch eine höhere Fahrzeugfrequenz in der Regel auch mehr Datenpunkte aufweisen. Dies erhöht entsprechend auch den dort potenziell vorkommenden Anteil der lautesten Datenpunkte, welche auf die Dichte untersucht werden. So erhalten diese Straßenbereiche in der Visualisierung ein größeres Gewicht.

Bei Vergleichen zwischen 2 oder mehreren verschiedenen Situationen in einem Gebiet muss bedacht werden, dass die Eingangsdaten dieselben sind bzw. nicht unterschiedlich viele Datenpunkte beinhalten. Die Klassengrenzen in der Darstellung sollten für eine direkte Vergleichbarkeit gleichgehalten werden. Die durchschnittlichen Lärmemissionen werden, unabhängig von der Größe des Untersuchungsgebiets, stets in den gleichen Lärmklassen in Bezug auf alle verwendeten Daten dargestellt. Dies bietet den Vorteil, dass Unterschiede zwischen innerstädtischen Räumen und Autobahnen oder Landstraßen hierbei deutlich werden. Die Daten weisen im Durchschnitt eine deutlich höhere mittlere Lärmemission auf Schnellstraßen auf verglichen mit Wohngebieten oder sonstigen Straßen in urbanen Gebieten. Der Nachteil dieser Darstellung von durchschnittlichen Lärmemissionen ist das Untergehen von Lärmspitzen, da alle Emissionswerte der Datenpunkte im unmittelbaren Umkreis gemittelt werden. Aus diesen Gründen empfehlen wir zusätzlich die Untersuchung der Dichte der lautesten Datenpunkte heranzuziehen, um Lärmspitzen im Raum sichtbar zu machen.

Der Vergleich der Resultate der Lärmanalyse aus xFCD mit klassischen Lärmkarten zeigt sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede. In beiden Darstellungen lassen sich häufig die gleichen Lärmschwerpunkte, wie z. B. größere Straßen oder Kreuzungen, erkennen, auch wenn die Herangehensweisen und Methoden zur Erstellung der Lärmkarten andere sind. Somit werden die Ergebnisse der neuen Methodik, mit der aus xFCD laute Bereiche lokalisiert und dargestellt werden können, durch die klassischen Lärmkarten zum Teil bestätigt (siehe Abb. 4). Die verschiedenen Einheiten der Ergebnisse müssen bei der Interpretation stets beachtet werden. Dem räumlichen Schallausbreitungseffekt kommt in klassischen Lärmkarten eine besondere Bedeutung zu. Schwachpunkte der klassischen Lärmkartierung sind jedoch, dass nur gesetzlich verpflichtende Flächen sowie nur Schallpegel über 55 dB(A) berücksichtigt werden und hohe Lärmspitzen im Jahresmittelwert untergehen (Staab et al. 2020). Schwächen klassischer Lärmkarten können mit der Verwendung großer Datensätze an xFCD teilweise umgangen werden, da die Daten auch in Nebenstraßen oder Wohngebieten, die von klassischen Lärmkartierungen ausgeschlossen sind, vorliegen. Auch können Lärmpegel unter 55 dB(A) errechnet werden und auftretende Lärmspitzen zumindest teilweise räumlich zugeordnet werden. Die Betrachtung und der Vergleich besonderer Verkehrssituationen wie Kreisverkehre und Straßenkreuzungen in der xFCD-Lärmanalyse lässt die Folgerung zu, dass Kreisverkehre möglicherweise in Bezug auf die Häufigkeit von auftretenden Lärmspitzen, bei Verkehr mit Verbrennerfahrzeugen, klassischen Straßenkreuzungen überlegen sind (siehe Abb. 3). Darüber hinaus zeigt die exemplarische Fallstudie, dass bei der Untersuchung von xFCD im Lärmkontext weitere Analysemöglichkeiten und Erweiterungen möglich sind. Dies betrifft sowohl die Einstellparameter in den Tools als auch die Verwendung und Implementierung weiterer Methoden der Geoinformatik, um die Daten beispielsweise anders zu filtern, zu visualisieren oder auszuwerten.

Zudem wäre ein saisonaler Vergleich zwischen Sommer und Winter interessant, um den Einfluss gegensätzlicher Witterungsverhältnisse (Temperatur, Niederschlagshäufigkeit) auf die mittlere Lärmemission von Fahrzeugen zu untersuchen.

Die Einstellungsmöglichkeit zur Simulation vollelektrischen Individualverkehrs führt zur Erkenntnis, dass sich bei angenommener vollständiger Elektromobilität die Lärmschwerpunkte durch stark beschleunigende Fahrzeuge an Kreuzungen deutlich verringern. Die lautesten Bereiche finden sich in diesem Elektromobilitätsszenario auf größeren Straßen und Straßensegmenten zwischen Kreuzungen, an denen höhere Geschwindigkeiten vorherrschen. Während durch die Dominanz des Abrollgeräuschs auf diesen Straßen der Lärmpegel ähnlich hoch wie im Verbrennerszenario bleibt, zeigen kleinere Straßen in den Innenstädten, bei denen durch geringe Geschwindigkeiten noch das Antriebsgeräusch dominiert, eine deutlich reduzierte Lärmbelastung. Bei dieser Untersuchung muss jedoch erwähnt werden, dass einfache Annahmen in Bezug auf die Lärmemission eines Elektrofahrzeugs getroffen wurden. Ein Antriebsgeräusch wurde hierbei vollständig vernachlässigt. Diese Einstellmöglichkeit zeigt somit das Potenzial einer derartigen Untersuchung auf, welches sich aus der Analyse von xFCD ergibt, muss aber mit Vorsicht interpretiert werden. Für eine realistischere Lärmanalyse von vollelektrischem Verkehr sowie dem Vergleich dessen zu Verbrennerfahrzeugen sind weitere Forschungen, Daten und Methoden nötig.

In Bezug auf die Daten wären weitere von den Fahrzeugen gemessene Werte zu Außentemperatur und Niederschlag von Vorteil, anstatt Wetterstationsdaten zu verwenden. Zudem böten Daten zur Beschaffenheit der Straßenoberflächen genauere Resultate. Zukünftig könnten diese Daten mit in die Tools integriert werden. Das Hinzuziehen von Straßendaten im Tool könnte die individuelle Lärmberechnung jedes Straßensegmentes ermöglichen. Daraus ergäbe sich großes Potenzial, da für jede Straße der individuelle Straßenbelag in die Lärmberechnung des Tools einfließen könnte und somit deutlich genauere Resultate und Vergleiche zwischen den Regionen möglich wären. Weitere Möglichkeiten könnte die Integration digitaler Geländemodelle bieten, um etwa Steigungen und deren Einfluss auf die Antriebsgeräusche genauer zu berücksichtigen. Auch Untersuchungen, inwiefern die Resultate in räumliche Schallausbreitungsmodelle integriert werden können, könnten zukünftig angestellt werden. In Bezug auf die Lärmemission von Elektrofahrzeugen stellten Campello-Vicente et al. (2017) bereits erste Untersuchungen an. Zukünftige Forschung könnte die Lärmemissionen von elektrischen Fahrzeugen mehr berücksichtigen.

Weitere Limitationen der Lärmberechnung nach der vorgestellten Methode sind zum einen das Fehlen von Lkws oder Motorrädern im Datensatz, wobei diese einen besonders hohen Einfluss auf den Lärm haben (Puls 2007). Auch gelten die durchgeführten Berechnungen nur für Steigungen bis 6 %.

5 Fazit

Zusammenfassend zeigt sich anhand der Fallstudie, dass es möglich ist, räumliche Lärmanalysen und die Erstellung von Lärmkarten basierend auf xFCD als Hauptdatenquelle durchzuführen, wenngleich sich Unterschiede zu klassischen Lärmkarten ergeben. Der Hauptunterschied der räumlichen Lärmanalysen mit xFCD verglichen mit normalen Lärmkarten liegt zunächst in den verwendeten Methoden und Daten, mit denen die Ergebnisse erzielt werden. Vorteile der Lärmanalysen aus xFCD sind die Möglichkeiten, Lärmspitzen im Raum herauszufiltern und zu untersuchen. Klassische Lärmkarten zeigen lediglich gemittelte Jahreswerte, beachten aber dabei die physikalische Schallausbreitung. Auch wenn die Berechnungsformeln konkrete Dezibelwerte ausgeben, wird aufgrund von Unsicherheiten in den Daten sowie zahlreichen Annahmen auf absolute Werte verzichtet. Auch die Methode der Lärmanalyse aus xFCD von Bröring et al. (2015) stellt keine absoluten Dezibelwerte bereit, sondern zeigt relative Emissionswerte und Trends an. Dabei werden ebenso die Drehzahl des Motors und die Geschwindigkeit des Fahrzeugs verwendet und statistisch ausgewertet. Es wird auch hervorgehoben, dass durch die Vielzahl an beeinflussenden Parametern, kein allgemein gültiger und exakter Ansatz zugleich entwickelt werden kann. Die Lärmermittlung dieser Studie stützt sich ebenso größtenteils auf die gleichen Parameter, wenngleich die Methode der Ermittlung der Lärmemissionen eine andere ist. Der Ansatz, Lärm aus xFCD zu berechnen, schafft zahlreiche neue Analysemöglichkeiten dieser Daten. Auch Häußler et al. (2018) betonen die Relevanz von zukünftig möglichst genauen Abschätzungen von Lärmemissionen und zeigen Interesse an Analysen dieses umweltbeeinflussenden Phänomens.

Mögliche Auswertungen werden in dieser Studie durch eine visuelle Analyse aufgezeigt, jedoch besteht großes Forschungspotenzial für weitere Visualisierungs- und Verarbeitungsmethoden von xFCD in Bezug auf Lärmanalysen. Interessant wäre außerdem ein Ansatz, bei dem die Vorteile und Eigenschaften von klassischen Lärmkarten, z. B. die Berücksichtigung der physikalischen Schallausbreitung, mit den Vorteilen der xFCD-Lärmkarten erweitert und kombiniert werden könnten.