1 Einführung

Mit Bezug auf Modelleisenbahnen finden sich in der kartographischen Fachliteratur vereinzelte Belegstellen, die auf ein weitreichendes gesellschaftliches Interesse an dieser spezifischen Ausprägung der 3D-Visualisierung deuten (s. u.a. Monmonier 1993, S. 21). Bspw. betont Fritsche in einem internationalen Band zur Echt-3D-Visualisierung (Buchroithner 2012) „the fascination for minituarizing things“ beim Kreieren von Modellbahnlandschaften (Fritsche 2012, S. 86).

Das gestaltete Gelände macht eine Modelleisenbahn erst glaubwürdig, so die gängige Auffassung in der Modelleisenbahn bezogenen Literatur. Was hier vielfach als ‚Gelände‘, ‚Natur‘ und insbesondere ‚Landschaft‘ bezeichnet wird, unterliegt nicht allein Konventionen der Darstellung in dem Modell, sondern hat auch Bezug auf das Vorbild. Der folgende Beitrag befasst sich einerseits mit solchen Konventionen, andererseits auch mit der Vermittlung dieser Konventionen mittels Modelleisenbahn bezogener Literatur – dabei insbesondere mit Blick auf kartographische Darstellungen. Auch wenn Modelleisenbahn im Allgemeinen – und Modelleisenbahnlandschaft im Besonderen – mittlerweile zum Gegenstand nicht mehr allein technik-, sondern auch sozial- und kulturwissenschaftlicher Untersuchungen geworden ist (Hörz 2016; Hörz und Klenke 2016; Kühne und Schmitt 2012a, b), steht eine Untersuchung der kartographischen Darstellungsformen im Kontext Modelleisenbahn aus. Diese wird im Folgenden in einem ersten Ansatz explorativ durchgeführt.

Um eine solche Einordnung zu betreiben, erfolgt zunächst ein kompakter Einblick in den theoretischen Rahmen der Arbeit, die sozialkonstruktivistische Landschaftstheorie, bevor die Bedeutung von ‚Landschaft‘ in der Modellbahn behandelt wird. Die Muster kartographischer Abstraktionen von Modellbahn werden im Anschluss daran behandelt, indem Auswertungen von Modellbahn bezogener Literatur aus den vergangenen etwas über sechs Jahrzehnten präsentiert werden. Die Bedeutung der kartographischen Darstellungen für die Gestaltung von Modelleisenbahnen und – damit verbunden – die Vermittlung von Konventionen werden anschließend betrachtet.

2 Ein kompakter theoretischer Rahmen: die soziale Konstruktion von Landschaft

Der sozialkonstruktivistische Ansatz reiht sich zwar in den Kontext konstruktivistischer Zugänge zu Landschaft ein, berücksichtigt aber auch Materialitäten, was ihm – im Vergleich etwa zum radikalkonstruktivistischen Ansatz – zur Untersuchung der symbolischer Gehalte der materiellen Welt eine hohe Eignung zukommen lässt (zu unterschiedlichen Landschaftstheorien siehe: Bourassa 1991; Howard et al. 2019; Kühne 2019; Winchester et al. 2003; Wylie 2007). Der zentrale Gedanke des sozialkonstruktivistischen Ansatzes in der Landschaftsforschung geht davon aus, dass nicht der physische Raum, sondern gesellschaftliche Deutungs- und Bewertungsmuster konstitutiv für die Entstehung von Landschaft ist. ‚Landschaft ‘wird demnach in den physischen Raum projiziert, sie ist nicht der physische Raum (unter vielen: Aschenbrand 2016; Cosgrove 1984; Greider und Garkovich 1994; Kühne 2018d; Stotten 2019). Im Prozess der (hier landschaftsbezogenen) Sozialisation wird das Individuum ertüchtigt, ohne Verlust an sozialer Anerkennung über Landschaft zu kommunizieren. Die Sozialisation von Landschaft vollzieht sich in drei Modi (Kühne 2018a, 2020; Kühne und Jenal 2020):

  1. 1.

    Der Modus der ‚heimatlichen Normallandschaft‘ wird dadurch gebildet, dass das Kind das eigene Wohnumfeld erlebt. Die – unter Vermittlung signifikanter Anderer (insbesondere Eltern, Geschwister etc.) – als Landschaft erfahrenen Objekte werden insbesondere positiv emotional besetzt und mit der Norm der Stabilität verbunden. Die so gebildeten Vorstellungen von Landschaft sind sehr individuell.

  2. 2.

    Der Modus der ‚common-sense-Landschaft‘ umfasst allgemein in der Gesellschaft akzeptierte Vorstellungen von Landschaft. Sie enthält insbesondere ästhetische, aber auch ökologische Stereotype und wird systematisch in der Schule, unsystematisch durch Presse, Internet, Filme, Bildbände, Romane und vieles mehr vermittelt. Diese Vorstellungen sind stark normativ aufgeladen, ‚Schönheit‘ und ‚Natürlichkeit‘ sind dabei zentral.

  3. 3.

    Der Modus der ‚expertenhaften Sonderwissensbestände‘ baut auf der Ausbildung in unterschiedlichen wissenschaftlichen landschaftsbezogenen Disziplinen (Geographie, Landschaftsarchitektur, Agrarwissenschaften etc.) auf und ist entsprechend nicht allgemein verfügbar. Im Studium werden bestimmte – untereinander verschiedene Deutungs- und Bewertungsmuster von Landschaft vermittelt. Dieser Modus ist stark defizitorientiert, woraufhin eine fachspezifische Veränderungsnorm formuliert wird (etwa zur Wiederherstellung ‚historisch gewachsener Kulturlandschaft‘).

Mit den unterschiedlichen Modi sind Deutungskonkurrenzen verbunden: ein Altindustrieraum kann bspw. heimatlich positiv besetzt sein, unter dem Modus ästhetischer Stereotype aber als ‚hässlich‘ gelten (Jenal 2019; Kühne 2007; Schönwald 2015). Diese Deutungskonkurrenzen finden sich interpersonell, aber auch intrapersonell (wenn durch einen Experten etwa die eigene heimatliche Normallandschaft als den fachlichen Idealen nicht entsprechend erkannt wird). Gerade bei der expertenhaften Konstruktion von Landschaft findet sich zudem eine Dominanz des Visuellen gegenüber den übrigen Sinnen, während die ‚heimatliche Normallandschaft‘ insbesondere akustische und olfaktorische Reize beinhaltet (Dodt et al. 2017; Kühne und Edler 2018).

Der zur Sozialisation komplementäre Prozess ist die Innovation, wenngleich sie deutlich selektiver und weniger umfangreich abläuft (Dahrendorf 1959; Popper und Eccles 1977): Gesellschaftlich geteilte Vorstellungen – in diesem Falle von Landschaft – können durch Individuen durch neue Deutungen und Bewertungen verändert werden, wobei diese Neuerungen insbesondere Experten zugestanden werden (Edler 2020; Edler und Dickmann 2017; Kühne 2013; Nowotny 2005; Stemmer et al. 2019).

3 Landschaft und ihre kartographische Darstellung in der Modelleisenbahnliteratur

Die Bedeutung von ‚Landschaft‘ und ihre kartographische Darstellung wurde methodisch mit modelleisenbahnbezogener Literatur ausgewertet. Die Auswertung basiert auf 24 Publikationen von 1959 bis 2020 (siehe „Appendix“). Ziel war es, wesentliche Deutungs- und Bewertungsmuster in Bezug auf Landschaft sowie deren kartographische Darstellung herauszuarbeiten und mit deskriptiven statistischen Analyseergebnissen zu beschreiben.

3.1 Die Bedeutung von Landschaft für Modelleisenbahnen

Die Präsenz von ‚Landschaft‘ in der Modelleisenbahn reicht von einer wenig beachteten Kulisse (mit dem ‚Fahrbetrieb‘ im Vordergrund) bis hin zu einer absoluten Dominanz in kaum betriebsfähigen Dioramen, in denen kleinere Szenerien aufwändig und mit hohem Detaillierungsgrad gestaltet sind. Da mit Modelleisenbahn auch Spielzeug für Kinder verbunden wird, finden sich in zahlreicher Modellbahnliteratur Hervorhebungen, wie Gestaltung und Betrieb einer ‚ernsthaften‘ Modellbahn zu vollziehen sind. Dies hebt bspw. Hill (2007, S. 5) im ersten Kapitel seines Buches hervor: „Mit diesem Band, liebe Leser, soll Ihnen geholfen werden, vom ‚Spielbahner’ zum ‚Modellbahner’ zu werden“ (ähnliche Beispiele finden sich auch bei Hill 2000; Stein 1994 u.a.). Ansprüche dieser Art zeigen einerseits die Differenz der ‚expertenhaften Sonderwissensbestände‘, wobei diese gemeinhin nicht durch ein wissenschaftliches Studium erworben wurden, sondern durch Praxis und Erfahrung, aus der – teilweise (wie noch gezeigt wird) forciert – vorgetragene Normen und kategorische Bewertungen abgeleitet werden. Andererseits lässt sich das angesprochene ‚Helfen‘ mit Paris (2005, S. 25) als „Macht ohne Eigennutz, aber mit Selbsterhöhung “ verstehen, indem modellbahnspezifischer Normen der Distinktion gegenüber dem ‚Spielbahner‘ erläutert werden.

Den als ‚Modellbahnlandschaft‘ gestalteten und angeordneten physischen Objekten jenseits den Bahnlagen (als Landschaft wird gemeinhin das bezeichnet, was nicht Bahnanlage ist) kommen die Aufgaben zu, der Anlage der Gleisanlagen Glaubwürdigkeit zu verschaffen. Dieses erfolgt in Anlehnung an common-sense-Erfahrungen aus dem ‚Vorbild‘ in mehrfacher Hinsicht:

  1. 1.

    Legitimation: Gleisanlagen sind durch Siedlungen, Industrieanlagen, Anlagen für Güterumschlag etc. zu legitimieren. So wirkt ein großer Hauptbahnhof (der für einen abwechslungsreichen Fahrbetrieb – nicht Spielbetrieb – wesentlich ist) vor der Kulisse eines Dorfes unglaubwürdig.

  2. 2.

    Zeitliche Kontextualisierung: Die ‚Landschaftsgestaltung‘ muss (andernfalls droht die Disqualifizierung zum ‚Spielbahner ‘) zur Betriebsepoche des rollenden Materials passen. Eine Windkraftanlage der Gegenwart (Epoche VI) wirkt ansonsten im Vergleich zu einer Anlage, die die Reichsbahnära der Zwischenkriegszeit (Epoche II) darstellt, als deplatziert.

  3. 3.

    Kaschierung: Zu einem abwechslungsreichen Betrieb (beim Vorbild taucht derselbe Zug schließlich nicht alle zwei Minuten in einem Bahnhof auf) müssen Züge verdeckt abgestellt werden (Schattenbahnhöfe), ‚Landschaft‘ muss also so gestaltet werden, dass die Anlage solche Schattenbahnhöfe (häufig in einer unteren Ebene) ermöglicht (Abbildung 1).

Abbildung 1
figure 1

Ausschnitt einer Modelleisenbahnlandschaft, geprägt durch die heimatlich-normallandschaftliche Präferenz des Erbauers für Altindustrieanlagen. Zugleich legitimieren die Industrieanlagen umfangreichen Güterbetrieb, die städtische Siedlung im Hintergrund Personenbetrieb, die Nachbildung des Reliefs dient auch der Kaschierung von Gleisanlagen im Inneren des Berges und die Nachbildung von Gebäuden und Kraftfahrzeugen binden die Anlage an die Zeit der frühen 1970er/späten 1980er Jahre an (Foto: Sibylle Berger)

In diesem Kontext moniert Balcke (2003, S. 11) bei vielen Anlagen ein „störendes Nebeneinander von zu vielen Bahnstrecken und Bahnhöfen zu kleiner Anlagenfläche“. Stattdessen wird von Kiegeland (1981, S. 7) das Ziel formuliert, eine Anlage so zu gestalten mit einer „Landschaft, die so wirkte, als sei sie zuerst dagewesen, und später die Eisenbahn“. Als wesentliche Herausforderung gilt dabei das ‚Maßstabsproblem‘, so entsprechen im populären Maßstab H0 (1:87) ein Kilometer Streckenlänge im Vorbild 11.5 m Streckenlänge im Modell (was natürlich auch für die Reliefenergie gilt). Entsprechend ist auch die Zahl der Darstellung ‚landschaftlicher‘ Kompartimente begrenzt (norddeutsche Küste und Alpen darstellen zu wollen gilt als Indikator für ‚Spielbahner‘). Aus dieser Reglementierung sowie dem Bedarf der Kaschierung heraus wird das Thema ‚Mittelgebirgslandschaft mit (Mittel)stadt und Dorf‘ besonders häufig gewählt und auch weil dies den in Deutschland verbreiteten ästhetischen landschaftlichen Stereotypen entspricht (Kühne 2018c) – bis auf die Stadt, die jedoch infolge der Legitimation des beliebten Anlagenthemas ‚zweispurige Hauptstrecke mit abzweigender Nebenstrecke‘ nötig ist. Die Wahl der Sonderthemen, wie etwa ‚Industrielandschaft‘ oder ‚Küste mit Hafen‘ entspringen entweder besonderen thematischen Vorlieben (häufig des Bahnbetriebs) oder entsprechenden heimatlich-normallandschaftlichen Bezügen (Kühne 2018b; Kühne und Schmitt 2012a, b). Auch wenn eine ‚realistische‘ Gestaltung der Anlage als Norm gilt, wird analog zum ‚Nietenzähler’ (der eine extrem vorbildgerechte Gestaltung des rollenden Materials erwartet) der ‚Blätterzähler’ (der danach bestrebt ist, Vegetation möglichst nahe dem Vorbild nachzubilden; Rieche et al. 2002) als Devianzform definiert.

3.2 Kartographische Abstraktionen in der Modelleisenbahnliteratur

Der Betrieb von rollendem Material setzt die Gestaltung einer Modelleisenbahnanlage voraus. Insofern widmet sich die Modelleisenbahn bezogene Literatur nicht allein der Vorstellung von Lokomotiven und Waggons in Modell und Vorbild, sondern auch der Gestaltung von Gelände, Siedlungen, Vegetation usw. Diese Gestaltung wird nicht allein in Fotos und Zeichnungen vermittelt, sondern insbesondere durch kartographische Darstellungen. Diese dienen der abstrahierenden Zusammenschau ganzer Anlagen oder größerer Teile davon. Mit dem Ziel wesentliche Merkmale der Modelleisenbahn bezogenen Literatur herauszuarbeiten wurden die in der oben genannten Literatur vorhandenen 525 kartographischen Darstellungen anhand einer induktiv gewonnenen Kategorisierung hinsichtlich wesentlicher Inhalte und deren kartographischer Darstellungsformen untersucht.

Die untersuchten kartographischen Darstellungen lassen sich in drei Hauptkategorien unterteilen: (1) Blockbilder, (2) topographische Repräsentationen und (3) Gleispläne. Letztgenannte wiederum lassen sich in ausschließliche Gleispläne unterteilen, in denen allein Gleisverläufe, bestenfalls mit Höhenangaben, zu finden sind: (a), Gleispläne, die auch Darstellungen von Bahnbetriebsgebäuden bzw. wenige topographische Angaben, etwa Gebäude in Nähe der Bahnanlagen, enthalten (b) und (c) Gleispläne, die darüber hinaus flächendeckend, auf der gesamten Anlagendarstellung, topographische Angaben enthalten, aber dennoch die Gleisanlagen im Vordergrund der Darstellung stehen. Dies ändert sich bei den topographischen Repräsentationen, hier rückt die Bedeutung der Gleisanlagen auch in der Darstellung zurück. Es dominieren landschaftliche Aspekte. Das Blockbild stellt einen Sonderfall dar, in der ganze Anlagen oder Anlagenteile in dreidimensional dargestellt werden (Abbildungs 2, 3, 4).

Abbildung 2
figure 2

Induktive Kategorisierung der untersuchten 525 kartographischen Darstellungen [in Prozent] (eigene Erhebung)

Abbildung 3
figure 3

Realtypische Abstraktion unterschiedlicher modelleisenbahnkartographischer Darstellungsformen der reine Gleisplan (ganz oben), darunter der Gleisplan mit Bahnbetriebsanlagen oder einzelnen topographischen Elementen, als zweiter von unten, Gleisplan mit mehreren topographischen Elementen und ganz unten, eine topographische Darstellung mit Reliefschummerung und individuell gestalteten sprechenden Signaturen (Darstellungen: Olaf Kühne)

Abbildung 4
figure 4

Eine aus der topographischen Darstellung in Abbildung 3 entwickelte VR-Darstellung einer Modellbahnlandschaft in der Game Engine UE4 (Darstellung: Timo Wiedenlübbert / Dennis Edler)

Die ‚Signaturensprache‘ folgt den oben dargestellten Kategorien: Während bei den ausschließlichen Gleisplänen abstrakte Signaturen (einfache Liniensignatur für Gleise) zum Einsatz kommen und entsprechend die Vielfalt an Signaturen gering ist, nimmt der Anteil bildhafter Signaturen bis zur topographischen Darstellung zu, wobei zur Darstellung der Gleise bis auf wenige Ausnahmen auf eine einfache Liniensignatur vertraut wird und entsprechend auch die Vielfalt der Signaturen zunimmt (Abbildung 5). In Blockbildern sind abstrakte Signaturen vollständig zugrunde einer bildhaften Darstellung verschwunden. Mit Ausnahme von Gleisen und bisweilen Gebäuden werden in den untersuchten kartographischen Darstellungen selten abstrakte Signaturen eingesetzt. Anstelle der Nutzung einer Legende (2.9 Prozent) werden Erläuterungen unmittelbar in die kartographischen Darstellungen (28.8 Prozent) durch Schrift platziert. Mehr als zwei Drittel der untersuchten Darstellungen (68.4 Prozent) verzichten gänzlich auf schriftliche Erläuterungen. Augenscheinlich wird einerseits auf Lesekonvention der Nutzerinnen und Nutzer vertraut: einfache Liniensignaturen stets als Gleis zu verstehen, und andererseits auf die Fähigkeit, bildhafte Signaturen korrekt zu deuten. Zu dieser Konvention findet sich eine andere Besonderheit in den Modellbahn bezogenen kartographischen Darstellungen: Bis auf in einer (!) wird auf die Darstellung von Isohypsen verzichtet. Zur Reliefdarstellung werden Schraffuren, seltener Schummerungen gewählt. Diese sind offenbar intuitiv einfacher verständlich, passen besser zur bildhaften Signaturensprache, zumal es in der Modellbahnkartographie selten auf exakte Höhenangaben des Geländes ankommt (mit Ausnahme der Definition von Steigungsstrecken, die dann aber durch Beschriftung der Gleissignaturen mit Höhenangaben geleistet werden; Abbildung 6).

Abbildung 5
figure 5

Die Signaturensprache untersuchten kartographischen Darstellungen [in Prozent] (n = 525; eigene Erhebung)

Abbildung 6
figure 6

(aus: Hill 2000, S. 19)

Höhenangaben mittels numerischer Beschriftungen an der Gleissignatur zur Darstellung von Steigungsstecken

Infolge der oben dargestellten hohen Bedeutung der Orographie für die Kaschierung der nicht maßstabsgerechten Gestaltungsmöglichkeiten der Modellbahn sind Angaben dazu in rund zwei Dritteln der untersuchten Darstellungen zu finden (Abbildung 7), wiederum mit der bereits thematisierten Dominanz von Mittelgebirgsräumen. Auf diese große Bedeutung der Orographie weisen auch indirekt die geringeren Darstellungsgrade von Siedlungen bzw. Gebäuden, diese finden sich in 47.2 Prozent der untersuchten kartographischen Darstellungen nicht. Für noch entbehrlicher scheinen die Autoren der kartographischen Darstellungen von Modellbahnanlagen Hinweise zur Vegetation zu halten: Diese fehlt in 57.7 Prozent der Darstellungen.

Abbildung 7
figure 7

Orographische Zuordnungen der untersuchten kartographischen Darstellungen [in Prozent] (n = 525; eigene Erhebung)

Wie im vorangegangenen Abschnitt ausgeführt, wird von Autoren der Modellbahn bezogenen Literatur die landschaftliche Norm formuliert, die Modelleisenbahnanlage so zu gestalten, als sei die Bahn in die ‚Landschaft‘ gebaut worden und nicht die ‚Landschaft‘ um die Gleisanlagen herum. Dieser Anspruch wird von den untersuchten Darstellungen allerdings nur in Teilen eingelöst (Abbildung 8). Auch wenn von der Kategorie ‚Reine Bahnanlagen, keine landschaftliche Kontextualisierung’ abgesehen wird, die auf die Darstellung reiner Gleispläne zurückgeht, in denen keine landschaftlichen Kontextualisierungen vorgesehen sind, zeigt sich bei den untersuchten kartographischen Darstellungen, dass doch eine große Dominanz von Eisenbahnanlagen zu finden ist. Landschaft fungiert hier dann eher als Kulisse für den Betrieb und die Präsentation des rollenden Materials.

Abbildung 8
figure 8

Die Kontextualisierung der Gleisanlagen in der ‚Landschaft‘ [in Prozent] (n = 525; eigene Erhebung)

Insgesamt dominiert eine eher einfache kartographische Darstellung, die auf eine konkrete Zeichensprache vertraut und durch ihre bildhafte Anschaulichkeit (vgl. Dickmann 2018, S. 147) intuitiv verständlich ist. Diese verzichtet auf komplexere Darstellungen und abstrakte Signaturen, die nicht unmittelbar intuitiv eingängig sind. Zudem wird auf die Darstellung des Maßstabs weitgehend verzichtet. Er wird häufig über ein untergelegtes Raster angelegt und vermittelt (dessen Seitenlängen dann für unterschiedliche Modellbahnmaßstäbe unterschiedliche Distanzen repräsentieren). Entsprechend fehlen auch mehrschichtige Darstellungen.

Auch wenn die dargestellten Konventionen der Modelleisenbahnkartographie offenbar zugrunde liegen, findet sich dennoch eine große Variationsbreite: Die Publikationen weisen in sich jeweils auch bei vergleichbaren kartographischen Darstellungen keine einheitliche Zeichenauswahl auf. Selbst bei reinen Gleisplänen, die eine eher geringe Variationsbreite der Signaturendarstellung nahelegt, variieren etwa die Strichstärken der Liniensignaturen deutlich. Ähnliches gilt auch für die Nutzung von Farben: zumeist ohne inhaltlich zwingenden Grund werden die kartographischen Darstellungen – womöglich auch aus druckpragmatischen Überlegungen beteiligter Verlage – farbig, schwarz-weiß oder in Graustufen abgedruckt.

4 Fazit

Ist der eigene Anspruch in der Diskursgemeinschaft der Modellbahner als ein ‚ernsthafter Modellbahner‘ zu gelten, bedeutet dies sich also ständig zwischen dem ‚Spielbahner' und dem ‚Blätterzähler' zu bewegen, und damit zwischen Skylla und Charybdis. Modellbahnbezogene Literatur, ob in Buch- oder Zeitschriftenform, haben dabei die Funktion der Vermittlung expertenhaften Wissens zur technischen Gestaltung. Sie bedienen aber auch normative ästhetische Ansprüche an Modelleisenbahnanlagen. Dabei werden wesentliche Konventionen verbreitet, zu deren Absicherung die genannten Devianzmuster dienen. Bei der Errichtung von Modelleisenbahnen handelt es sich letztlich um einen dreifachen Konstruktionsprozess:

Auf Basis stereotypen Common-Senses über Landschaft (erster Konstruktionsprozess) erfolgt eine Übersetzung in einen durch Autodidaktik geprägten expertenhaften Diskurs, in dem das verhandelt ist, wie die Anlage eines ‚ernsthaften Modellbahners‘ gestaltet zu sein hat (zweiter Konstruktionsprozess). Als dritter Konstruktionsschritt erfolgt dann die individuelle materielle Manifestation des Gelernten in einer Anlage (Clubanlagen einmal außen vor gelassen, hier erfolgt eine stärkere persönliche Aushandlung zwischen den Akteuren; Kühne und Schmitt 2012b). Ein Element der Vermittlung zwischen der zweiten und der dritten Phase des dreifachen Konstruktionsprozesses ist die Darstellung von Modelleisenbahnen in der spezifischen Literatur anhand kartographischer Darstellungen. Diese sind einschichtig dargelegt, verwenden über die Darstellungen von Gleisen hinaus bildhafte Signaturen. Insofern sind sie – pragmatisch auf den Verwendungszweck hin ausgerichtet – auch für Personen ohne größere Kenntnisse der kartographischen Darstellung intuitiv verständlich. Gesteigert wird die Anschaulichkeit durch die Verwendung von (auch farbigen) 3D-Blockbildern, rein bildhafter Darstellung. Insgesamt repräsentieren die kartographischen Darstellungen von Modelleisenbahnlandschaften eine abstrahierende verkleinerte Repräsentation von Modellbahnanlagen, die wiederum Ergebnis stereotyper Vorstellungen (common-sense-Erwartungen), individuellen Präferenzen (häufig bezogen auf die ‚heimatliche Normallandschaft‘) von und an Landschaft und technischen / räum-lichen Restriktionen sind (insbesondere hinsichtlich der Maßstäblichkeit).

Die untersuchten kartographischen Darstellungen zeigen aber auch deutlich, dass das Ziel eine Synthese von Gleisanlagen und Gelände zu gestalten, die so wirkt, als seien die Gleise in die ‚Landschaft‘ gelegt worden, in Reinform nur bei wenigen Anlagen umgesetzt wird. Die übrigen stellen einen Kompromiss aus Ausrichtung auf den Bahnbetrieb, die dafür erforderlichen Gleisanlagen, Budgetbeschränkungen (etwa in Bezug auf den Erwerb von Gebäudemodellen), insbesondere aber Beschränkungen des zur Verfügung stehenden Raumes dar. Das Ergebnis ist, dass die ‚Landschaft‘ nicht allein der zeitlichen Kontextualisierung, der räumlichen Legitimierung, sondern insbesondere der Kaschierung der beschränkten Räumlichkeit dient. Dass im Ergebnis häufig mittelgebirgige Räume dargestellt werden, deckt sich mit weithin verbreiteten ästhetischen Präferenzen für diesen Typus ‚Landschaft‘ in Deutschland (Kühne 2018c). Davon abweichende Themen, insbesondere der ‚Industrielandschaft‘ finden häufig Rückbezüge zur ‚heimatlichen Normallandschaft‘.

Die vorliegende explorative Studie zeigt in unterschiedlichen Dimensionen die Potenziale des Themas für eine weitere wissenschaftliche Befassung. Hinweise aus der Kartographie könnte die teilweise recht ‚hemdsärmelige‘ Darstellung von Modelleisenbahnanlagen professionalisieren. Auch fortschreitende Entwicklungen in der 3D-Kartographie mit Methoden der Virtual Reality (VR), etwa unter Einbindung amtlicher – und damit räumlich hochpräziser Geländemodelle – deuten auf Möglichkeiten, Modelleisenbahnkartographie in Zukunft digitaler anzubieten (vergleiche: Dickmann und Schmitz 2009; Edler et al. 2019; Hruby et al. 2019; Lütjens et al. 2019). Mit online frei verfügbaren Assets und den Visualisierungsmöglichkeiten der Unreal Engine 4 (UE4) wurde zur Andeutung der Potenziale als Beispiel eine animierte VR-Modellbahnlandschaft erzeugt (siehe Abbildung 5).

Auch wären Untersuchungen unter Einbindung der Medienwirkungs- sowie Kognitionsforschung sinnvoll, hinsichtlich der Fragen, welchen Einfluss die kartographischen Darstellungen auf die Nutzerinnen und Nutzer haben und wie kartographische Medien gestalterisch optimiert werden könnten (vgl. Dickmann et al. 2013). Dies betrifft auch die Fragen, ob und wie diese im Vergleich zu Fotos und Zeichnungen wahrgenommen und bewertet werden. Auch steht die Frage offen, nach welchen Kriterien die Autorinnen und Autoren der kartographischen Darstellungen vorgehen. Allgemein erscheint die Befassung mit dem Thema Modelleisenbahnkartographie im Besonderen und Modelleisenbahnlandschaft im Allgemeinen lohnenswert, da gesellschaftliche Prozesse der Deutung und Bewertung von Landschaft – und nicht zuletzt deren verkleinerte materielle Erzeugung – in einer überschaubaren Teilmenge der Gesellschaft exemplarisch beobachtet werden können.