1 Einleitung

Mit dem Bestreben zur Umsetzung der bildungspolitischen Forderung nach Inklusion im Bildungssystem geht die Notwendigkeit einher, die konkrete Entwicklung in Schulen zu erfassen. Zumeist interessiert dabei die Entwicklung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in inklusiven Unterrichtssettings. Erforscht wird zum Beispiel, wie ihre Selbstwahrnehmung innerhalb der Klassengemeinschaft ausfällt, wie sie Interaktionen mit Gleichaltrigen wahrnehmen, ob sie von ihren Mitschülerinnen und Mitschülern akzeptiert werden und ob sie über erfüllende (Freundschafts‑)Beziehungen verfügen (Koster et al. 2009).

Nachfolgend steht die soziale Akzeptanz durch Mitschülerinnen und Mitschüler im Fokus. Dass Grundschülerinnen und -schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf häufiger von sozialer Ausgrenzung betroffen sind als Schülerinnen und Schüler ohne Förderbedarf, ist empirisch gut belegt (Huber und Wilbert 2012; Krull et al. 2014). Für die soziale Akzeptanz und Ablehnung von Schülerinnen und Schülern spielen ihr Sozialverhalten und inwiefern dieses gruppennormkonform oder -abweichend ist (Schwalbe et al. 2021), aber auch das Lehrkraftfeedback eine Rolle (Nicolay und Huber 2021). Loben begünstigt und ermahnen hemmt die Wahrscheinlichkeit, sozial akzeptiert zu werden. Der Effekt negativen Lehrkraftfeedbacks scheint dabei stärker als der des positiven Lehrkraftfeedbacks (Huber et al. 2015). Hinsichtlich des Verhaltens von Grundschülerinnen und -schülern können sowohl externalisierende als auch internalisierende Verhaltensprobleme ein Ausgrenzungsrisiko bedeuten (Blumenthal und Blumenthal 2021). Nach Siegler et al. (2016) steht externales Problemverhalten eher mit direkter sozialer Ablehnung und internales Problemverhalten eher mit einem Nicht-gemocht-werden in Verbindung. Krull et al. (2018) belegen Effekte von Verhaltensproblemen und Lernschwierigkeiten in der ersten Klasse für die soziale Akzeptanz in der zweiten Klasse. Umgekehrt hatte die soziale Akzeptanz und Ablehnung in der ersten Klasse gemäß den Autoren keine Effekte für das Ausmaß an Verhaltensproblemen und Lernschwierigkeiten in der zweiten Klasse. Hinsichtlich der Entwicklung internalisierender und externalisierender Symptomatiken erscheint soziale Präferenz durch Mitschülerinnen und Mitschüler nach Sandstrom und Cillessen (2006) im Zeitverlauf der Klasse fünf bis acht als Schutzfaktor.

Forschungsbefunde zur sozialen Akzeptanz basieren mehrheitlich auf soziometrischen Peer-Nominierungen (Cillessen und Marks 2017, S. 22; Mayeux et al. 2007, S. 53; Schäfer und von Salisch 2013, S. 172), seltener auf Selbstauskünften zur subjektiv wahrgenommenen sozialen Integration, Lehrkraftbefragungen oder Beobachtungen. Mit Blick auf die hier im Fokus stehenden soziometrischen Befragungen verweist Dollase (1976, S. 248) darauf, dass soziometrische Daten nur dann valide sind, wenn bei der Dateninterpretation die Form der Datengewinnung berücksichtigt wird. In der Praxis wird die Varianz der Befragungs- und Auswertungsmethodik nur vereinzelt explizit reflektiert (z. B. Cillessen und Marks (2017): Diskussion von Vor- und Nachteilen verschiedener Peer-Nominationsverfahren; Grütter et al. (2014): unterschiedliche Forschungsergebnisse abhängig von den Netzwerkmaßen Beliebtheit, Freundschaft und Zentralität in Cliquen; Kulawiak und Wilbert (2020): multidimensionale Abbildung des sozialen Status). Die vorliegende Studie begegnet diesem Desiderat und stellt die Befragungsmethodik, konkret soziometrische Befragungsstimuli, in den Fokus. Ob die verschiedenen soziometrischen Befragungsstimuli vergleichbar sind oder aber bedeutsame Alleinstellungsmerkmale aufweisen, wird empirisch überprüft, indem ihr semantischer Gehalt aus der Perspektive von Grundschülerinnen und Grundschülern beschrieben und ihre qualitativen wie quantitativen Schnittmengen und Grenzen aufgezeigt werden. Darauf aufbauend werden für Lehrende und Forschende Impulse für einen zielgerichteten Einsatz bei der Erfassung sozialer Akzeptanz in Schulklassen sowie eine adäquate Interpretation von Befragungsergebnissen formuliert. Beides ist eine notwendige Voraussetzung für die Planung und Umsetzung passgenauer pädagogischer Maßnahmen auf dem Weg zu einer inklusiven Schule.

2 Soziometrische Befragungen

Soziometrie dient der Erfassung von Akzeptanz- und Ablehnungstendenzen in sozialen Gruppen (Moreno 1934). Dazu werden die Gruppenmitglieder je nach Fragestellung unterschiedlich explizit und gerichtet dazu befragt, wen sie (nicht) gern mögen bzw. wen sie für einen spezifischen Kontext (Sitznachbarschaft, Pausenspiel, Kindergeburtstag) präferieren/ablehnen. Terry (2000) teilt soziometrische Befragungsstimuli in vier Gruppen ein: Freundschaft (z. B. „Wer sind deine besten Freunde?“), direkte Präferenz (z. B. „Welche drei Kinder magst du am meisten?“), Bekanntschaft (z. B. „Mit welchen Kindern verbringst du Zeit?“) und indirekte Präferenz bzw. eine aufgabenbezogene Wahl (z. B. „Neben wem möchtest du sitzen?“). Der soziometrische Befragungsstimulus Sitznachbarschaft ist insbesondere im deutschen Sprachraum zu finden (z. B. Huber 2009; Krull et al. 2014; Kulawiak und Wilbert 2015; Marten et al. 2016; Martschinke et al. 2012). Gasteiger-Klicpera (2001) verweist darauf, dass dieser wie auch die Geburtstagsgastfrage Sympathie eher indirekt abbildet und durch andere Beweggründe verwässert oder gar verfälscht werden könnte und empfiehlt daher direktere Formulierungen. Für Peer-Nominationen bezüglich der soziometrischen Befragungsstimuli best friends, like to spend school breaks with und like to perform a school task with arbeiten Pijl et al. (2008) einen hohen Überlappungsgrad heraus. Hardy et al. (2002, S. 127) argumentieren, dass sowohl die Freundschaftsfrage als auch die Frage danach, wer gemocht wird, im Kern Präferenz ausdrückt, sodass hier starke Überschneidungen anzunehmen sind. Zu unterscheiden ist zwischen Präferenz und Popularität (auch soziometrische und wahrgenommene Popularität). Letztere ist mit sozialer Sichtbarkeit, Macht oder Prestige verbunden (Cillessen und Marks 2011) und wird z. T. damit verknüpft, cool und/oder ein Vorbild zu sein (Rodkin und Berger 2008; Rodkin et al. 2013). Präferierte Schülerinnen und Schüler erscheinen freundlich, vertrauenswürdig, kooperativ und gesellig, während als populär wahrgenommene Schülerinnen und Schüler zudem antisoziale Verhaltensmerkmale wie Dominanz, Arroganz und Aggression zeigen (Schwartz et al. 2010). Während die Konstrukte Präferenz und Popularität bei Sekundarstufenschülerinnen und -schülern fast unabhängig voneinander erscheinen, weisen sie bei Grundschülerinnen und -schülern starke Ähnlichkeit auf (Košir und Pečjak 2005).

Ein klares Bild dazu, wann welcher soziometrische Befragungsstimulus Verwendung findet, ist nicht auszumachen, denn

  • die Studienschwerpunkte im Zusammenhang mit sozialer Akzeptanz sind breit gefächert

    (z. B. Liu et al. (2015): Effekte von Interventionen; Mamas (2012): Effekte von Werten und Überzeugungen von Lehrkräften bzw. ihrer pädagogischen Praxis; Ommundsen et al. (2010): körperliche Aktivität, Gewichtsstatus und Motorik; Tarullo et al. (2011): moderierender Effekt für die Assoziation von Verhaltenssteuerung und Cortisol-Reaktivität),

  • es werden identische Befragungsstimuli mit unterschiedlichen Variablen assoziiert

    (z. B. don’t/like to play with bei Nepi et al. (2015) mit Förderbedarf, bei Masland und Lease (2016) mit akademischem Einfluss oder bei Wilson und Rodkin (2011) mit spezifischer Herkunft) und

  • es werden verschiedene soziometrische Befragungsstimuli mit vergleichbaren Variablen assoziiert

    (z. B. Sozialverhalten bei Bellmore et al. (2011): coolest kids, bei Berger und Rodkin (2012): liked most/least to play with, bei Boor-Klip et al. (2017) liked most/least und most/least popular).

Als Antwortskalen sind die Beurteilung aller Gruppenmitglieder auf einer mehrstufigen Skala hinsichtlich eines Kriteriums, die Nennung einer limitierten Anzahl von Gruppenmitgliedern oder Dyaden innerhalb der Gruppe, auf die das erfragte Kriterium in besonderem Maße zutrifft, sowie die Bildung einer Rangfolge aller Gruppenmitglieder bezüglich eines Kriteriums denkbar (Terry 2000). Während die mittels Ratingskalen erfassten Daten Vorteile für die Abbildung von Beziehungen und Netzwerken bieten, ist die Verwendung von Nominationen ökonomischer und geeignet für die Statusbestimmung von Gruppenmitgliedern. Dabei werden die aufsummierten Wahlen (liked most, LM) und Ablehnungen (liked least, LL) als Haltungen der Mitschülerinnen und Mitschüler gegenüber einzelnen Schülerinnen und Schülern quantifiziert. Hinzu kommen die Dimensionen soziale Präferenz (SP = LM − LL) und soziale Sichtbarkeit (SI = LM + LL) (Peery 1979). Auf Basis der z‑transformierten Werte LM, LL, SP und SI erfolgt die Statusgruppenzuordnung nach den Kriterien in Tab. 1.

Tab. 1 Statusgruppen (Coie und Dodge 1988, S. 818)

Entsprechend ihrer spezifischen sozialen Rollenmuster, Verhaltens- und Leistungsmerkmale (vgl. Newcomb et al. 1993) werden zu den Statusgruppen unterschiedliche Forschungsinteressen verfolgt: z. B. Kompetenzen der Populären, Verhaltensprobleme der Abgelehnten, sozialer Rückzug der Unbeachteten, soziale Prominenz der Kontroversiellen. Marten et al. (2016) konnten die Statusgruppen beliebt, durchschnittlich und abgelehnt replizieren. Sie empfehlen die Gruppen unbeachtet und kontroversiell aufgrund ihrer theoretischen und praktischen Relevanz beizubehalten und plädieren für eine Anpassung der Cut-off-Werte (Berücksichtigung des Wertes null bei Populären und Abgelehnten, d. h. LM, LL ≤ 0 (statt < 0) und ≥ 0 (statt > 0)) sowie zugunsten der Homogenität der Statusgruppen für eine Differenzierung (besonders beliebt/abgelehnt). Kulawiak und Wilbert (2020) überwinden die Beliebigkeit der Cut-off-Werte und berücksichtigen die Mehrdimensionalität des Phänomens, indem sie den sozialen Status anhand der Abstände zu den Extrempunkten populär, abgelehnt, unbeachtet und kontroversiell beschreiben.

3 Fragestellung

Vor dem Hintergrund

  • unterschiedlicher Merkmalsprofile je nach soziometrischem Befragungsstimulus (vgl. Cillessen und Marks 2011; Schwartz et al. 2010),

  • von Hinweisen zu Unterschieden in den Ergebnissen empirischer Untersuchungen abhängig vom verwendeten soziometrischen Befragungsstimulus (vgl. Grütter et al. 2014),

  • eines diffusen Bildes hinsichtlich der Verwendung verschiedener soziometrischer Befragungsstimuli in der Inklusionsforschung (s. oben) und

  • nur vereinzelt und unsystematisch vorliegenden Befunden und Empfehlungen hinsichtlich eines zielgerichteten Einsatzes soziometrischer Befragungsstimuli (vgl. z. B. Cillessen und Marks 2011; Gasteiger-Klicpera 2001; Hardy et al. 2002; Košir und Pečjak 2005; Pijl et al. 2008)

wird folgender Frage nachgegangen:

Welche Schnittmengen und Grenzen weisen verschiedene soziometrische Befragungsstimuli auf und was lässt sich daraus für soziometrische Befragungen in Schulklassen ableiten?

Die dargelegten empirischen Befunde zu Schnittmengen und Grenzen soziometrischer Konstrukte basieren wesentlich auf quantitativen Daten soziometrischer Befragungen oder Merkmalsbeschreibungen zu Schülerinnen und Schülern mit einem spezifischen sozialen Peer-Status. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung werden

  1. a.

    quantitative Daten einer soziometrischen Untersuchung (korrelative Zusammenhänge) systematisch mit

  2. b.

    qualitativen Daten zum semantischen Gehalt soziometrischer Konstrukte aus der Perspektive von Grundschülerinnen und Grundschülern verknüpft.

Inwieweit sich die Ergebnisse einer empirischen Untersuchung abhängig vom verwendeten soziometrischen Befragungsstimulus ähneln bzw. unterscheiden, wird herausgearbeitet,

  1. c.

    indem die Statusgruppenzuweisung (Coie und Dodge 1988) je soziometrischen Befragungsstimulus vergleichend analysiert wird und

  2. d.

    indem eine exemplarische Fragestellung unter Verwendung verschiedener soziometrischer Befragungsstimuli beantwortet wird. Vor dem Hintergrund des skizzierten Forschungsstandes wird danach gefragt, welche Bedeutung das Geschlecht, besonderer Unterstützungsbedarf (vgl. Huber und Wilbert 2012; Krull et al. 2014), das Sozialverhalten (vgl. Blumenthal und Blumenthal 2021; Krull et al. 2018; Siegler et al. 2016) und Lehrkraftfeedback (vgl. Huber et al. 2015) jeweils für die Wahl und Ablehnung (vgl. Siegler et al. 2016) von Schülerinnen und Schülern in Grundschulklassen haben.

Mit dem Fokus auf soziale Akzeptanz als Facette von Inklusion nach dem Modell von Koster et al. (2009) werden soziometrische Befragungsstimuli aus dem Bereich Freundschaft (Facette friendship/relationship) sowie Bekanntschaft (Facette contacts/interactions) ausgeklammert und aus dem Bereich direkte und indirekte Präferenz berücksichtigt (vgl. Terry 2000). Die Fragen nach persönlicher Präferenz (mögen) und Popularität (beliebt) (z. B. Boor-Klip et al. 2017), Coolness (z. B. Bellmore et al. 2011) und Sitznachbarschaft (z. B. Marten et al. 2016) erscheinen dabei als häufig verwendete soziometrische Befragungsstimuli. Sie werden vergleichend analysiert.

4 Methodik

4.1 Stichprobe

An der vorliegenden Studie beteiligten sich 428 Schülerinnen und Schüler aus 19 Berliner und sechs Brandenburger Grundschulklassen. Die Teilnahmequote je Klasse lag zwischen 50 und 100 % (M = 82,4 %). Zum Erhebungszeitpunkt im Sommer 2016 besuchten 46,7 % der Schülerinnen und Schüler die fünfte, 35 % die sechste und 18,2 % eine jahrgangsgemischte Klasse (fünf und sechs). Der Anteil an Mädchen (48,4 %) und Jungen (51,6 %) war vergleichbar. 24,3 % der Schülerinnen und Schüler hatten nach Einschätzung der Lehrkraft einen besonderen Unterstützungsbedarf (65,0 % ohne Bedarf; 10,7 % ohne Angabe).

4.2 Erhebungsinstrumente

Soziometrische Befragungsstimuli

Den Schülerinnen und Schülern wurden vier soziometrische Befragungsstimuli präsentiert (s. Tab. 2). Um Schülerinnen und Schüler mit herausragenden Positionen im adressierten Gegenstandsbereich zu identifizieren, wurden die Peer-Nominationen auf drei Nennungen limitiert.

Tab. 2 Soziometrische Befragungsstimuli und Exploration von Gründen für Wahl und Ablehnung

Gründe für die Wahl und Ablehnung

Im Anschluss an jede soziometrische Fragestellung wurde der von den Schülerinnen und Schülern zuerst genannte Name aufgenommen und offen nach Gründen für die Wahl bzw. Ablehnung gefragt (s. Tab. 2).

Sozialverhalten

Der hier verwendete Fragebogen zu Stärken und Schwächen (SDQ-Deu 2023) umfasst die Skalen

  • Prosoziales Verhalten (PV, Bsp. „Ich bin hilfsbereit, wenn andere verletzt, krank oder traurig sind.“),

  • Emotionale Probleme (EP, Bsp. „Ich mache mir häufig Sorgen.“),

  • Verhaltensprobleme (VP, Bsp. „Ich schlage mich häufig; ich kann Andere zwingen zu tun, was ich will.“),

  • Hyperaktivität (HYP, Bsp. „Ich bin oft unruhig; ich kann nicht lange stillsitzen.“) und

  • Verhaltensprobleme mit Gleichaltrigen (VPmG, Bsp. „Ich bin meistens für mich alleine; ich beschäftige mich lieber mit mir selbst.“).

Die je fünf Items pro Skala können mit nicht zutreffend, teilweise zutreffend oder eindeutig zutreffend beantwortet werden. Die interne Konsistenz der Skalen liegt im niedrigen bis akzeptablen Bereich (n = 412, Cronbachs αPV = 0,67; αEP = 0,65; αVP = 0,54; αHYP = 0,74; αVPmG = 0,59).

Lehrkraftfeedback

Lehrkraftfeedback dient allen Schülerinnen und Schülern als Referenz für die Beurteilung sozialer Situationen sowie von Akteurinnen und Akteuren (vgl. Huber et al. 2015; Nicolay und Huber 2021). Vergleichbar zu den soziometrischen Befragungsstimuli wurden die Schülerinnen und Schüler danach gefragt, welche Kinder aus ihrer Klasse am meisten von den Lehrkräften gelobt bzw. ermahnt werden (maximal drei Nennungen).

4.3 Durchführung

Das Einverständnis der Schule, Sorgeberechtigten und ihrer Kinder vorausgesetzt, wurde die Datenerhebung (angeleitet durch geschulte Studierende und Lehrstuhl-Mitarbeiterinnen) an den Schulcomputern über das Online-Umfragetool LimeSurvey umgesetzt. Fast alle Items wurden audiovisuell über Kopfhörer präsentiert (außer dynamische Elemente wie Kindernamen). Mit einer Ausnahme wurden alle Fragebögen abgeschlossen, sodass das Anspruchsniveau als stimmig eingestuft wird.

4.4 Auswertung

Für soziometrische Befragungen wird eine minimale Teilnahmequote von 60–70 % empfohlen. Bei limitierten Nennungen ist eine höhere Teilnahmequote angeraten und wenn Popularität erfasst wird, ist weniger Beteiligung vertretbar (Cillessen und Marks 2011). Da hier eine vergleichende Analyse soziometrischer Befragungsstimuli im Fokus steht (und keine z. B. netzwerkanalytische Fragestellung) wurde ein Cut-off-Wert von 60 % Teilnahmequote je Klasse festgesetzt.

  1. a.

    Die quantitativen Schnittmengen und Grenzen zwischen den Ergebnissen soziometrischer Befragungen bei Verwendung verschiedener Stimuli werden mittels bivariater Korrelationsanalysen abgebildet. Der Korrelationskoeffizient Pearson r zeigt bei Werten von r = 0,10 einen schwachen, bei r = 0,30 einen mittleren und bei r = 0,50 einen starken Zusammenhang an (Cohen 1992).

  2. b.

    Die Darstellung der qualitativen Schnittmengen und Grenzen soziometrischer Befragungsstimuli basiert auf einer qualitativen Inhaltsanalyse der Freitextantworten zu den Wahl- und Ablehnungsargumenten mithilfe der Software MAXQDA 2020. Dazu wurden möglichst natürliche Kategorien (Originalbegriffe statt analytischer Kategorien, Rädiker und Kuckartz 2019, S. 68) aus dem Datenmaterial abgeleitet (induktives Vorgehen, Mayring und Fenzl 2019) und hierarchisiert. Auf der ersten Gliederungsebene wird zwischen Personenmerkmalen (z. B. Aussehen, Geschlecht), beobachtbarem Verhalten, Beziehungsmerkmalen und fehlenden bzw. nicht interpretierbaren Argumenten unterschieden. Angaben zu den inhaltsanalytischen Einheiten und die Kategoriendefinitionen mit Ankerbeispielen stehen als zusätzliches Online-Material zur Verfügung. Unabhängig voneinander ordneten die Erstautorin und eine Lehrstuhl-Mitarbeiterin alle Textsegmente den Kategorien zu. Unter der Bedingung einer Kodeüberlappung an den Segmenten von 100 % kamen beide Raterinnen in 98 % der 10.852 Kodierungen zu einem identischen Urteil (= fast vollkommen perfekte Übereinstimmung).

  3. c.

    Die Statusgruppenzuweisung (Coie und Dodge 1988, s. Tab. 1) abhängig vom soziometrischen Befragungsstimulus wird anhand paarweiser Vergleiche veranschaulicht. Dabei wird der prozentuale Anteil an Zuweisungen zur identischen Statusgruppe dargestellt und im Fall einer Differenz eine Information dazu gegeben, welcher anderen Statusgruppe die Schülerinnen und Schüler zugeordnet wurden.

  4. d.

    Um herauszuarbeiten, inwieweit sich die Ergebnisse empirischer Untersuchungen abhängig vom verwendeten soziometrischen Befragungsstimulus ähneln bzw. unterscheiden können, wird für jeden soziometrischen Befragungsstimulus ein Regressionsmodell mit den Prädiktoren Geschlecht, Unterstützungsbedarf, Sozialverhalten und Lehrkraftfeedback separat für die Kriteriumsvariablen Wahl (LM) und Ablehnung (LL) berechnet. Nur für das prosoziale Verhalten liegt die Varianz zwischen den Klassen über zehn Prozent, sodass die Regressions- gegenüber der Mehrebenen-Analyse vertretbar erscheint. Das Bestimmtheitsmaß R2 zeigt die Passung von Modell und beobachteten Werten an (0 = keine Erklärungskraft des Modells; 1 = perfekte Vorhersage). Da mit steigender Anzahl der Prädiktoren das R2 auch unabhängig davon steigt, ob der Erklärungsgehalt zunimmt, wird auch das korrigierte R2 betrachtet. Zur Beurteilung der Bedeutsamkeit der Ergebnisse wird R2 in die Effektstärke f2 nach Cohen (1992) transformiert. f2 = 0,02 entspricht einem schwachen, f2 = 0,15 einem mittleren und f2 = 0,35 einem starken Effekt.

5 Ergebnisse

5.1 Korrelative Zusammenhänge (a)

Die Korrelationen zwischen den Ergebnissen der vier soziometrischen Befragungsstimuli fallen für beide Dimensionen (LM, LL) mittel bis stark aus (s. Tab. 3). Die stärksten Zusammenhänge zeigen sich für alle soziometrischen Befragungsstimuli im Bereich der Ablehnungen und die schwächsten Zusammenhänge im Bereich der Wahlen zwischen den Stimuli Sitznachbarschaft und Präferenz auf der einen und Popularität und Coolness auf der anderen Seite.

Tab. 3 Korrelationsmatrix soziometrische Befragungsstimuli

5.2 Semantischer Gehalt (b)

Die soziometrischen Konstrukte werden zunächst einzeln (Profil) und anschließend vergleichend dargestellt (Schnittmengen und Grenzen).

Sitznachbarschaft

Annähernd die Hälfte der Schülerinnen und Schüler gaben an, dass sie am liebsten neben jemandem sitzen möchten, weil sie freundschaftlich miteinander verbunden sind (42,5 %). Dass jemand freundlich (24,6 %), hilfsbereit (18,1 %), lustig (15,2 %) und sympathisch ist (8,7 %), erscheint ebenfalls bedeutsam. Schul- und leistungsbezogene Aspekte wie eine disziplinierte Arbeitshaltung (10,3 %), Leistungsstärke (6,1 %) und die Aussicht auf eine gute Zusammenarbeit (4,7 %) werden nachrangig benannt. Als Ausschlusskriterien für eine Sitznachbarschaft werden neben dem generellen Empfinden, dass jemand nervt (22,1 %) oder unsympathisch ist (13,7 %), unterrichtsbezogene Argumente angeführt: Fast jedes fünfte Kind möchte nicht neben jemandem sitzen, der allgemein den Unterricht stört (18,3 %). Im Bereich des Sozialverhaltens werden vordergründig niederträchtiges Verhalten (z. B. provozieren, ärgern; 9,5 %) und unangenehme Körperhandlungen wie pupsen, rülpsen, popeln (5,9 %) als Argumente gegen eine Sitznachbarschaft angeführt.

Präferenz

Auch bei der Frage danach, warum die Schülerinnen und Schüler jemanden am liebsten mögen, waren eine freundschaftliche Verbindung zu diesem Kind (35,2 %) und dass es freundlich (31,4 %) und lustig ist (24,4 %) die drei am häufigsten genannten Gründe. Schul- und leistungsbezogene Aspekte wurden kaum benannt. Soziale Aspekte wie eine grundsätzliche Hilfsbereitschaft (12,9 %), dass jemand vertrauensvoll/verständnisvoll ist (12,1 %) und man mit ihm/ihr gute Erfahrungen gemacht hat (8,6 %), erscheinen bedeutsam. Die meistgenannten Ablehnungsgründe waren, wenn Kinder nerven (17,9 %), ärgern (15,0 %), allgemein nicht gemocht werden (8,8 %), stören (7,8 %), körperlich aggressiv (6,9 %), dominant/arrogant oder besserwisserisch sind (6,1 %) oder unangenehme Körperhandlungen vollziehen (5,3 %).

Popularität

Etwa jedes zehnte Kind gab keine Gründe für die Beliebtheit (12,6 %) oder Unbeliebtheit (9,7 %) des von ihm benannten Kindes an. Die drei häufigsten Gründe für Beliebtheit waren Freundlichkeit (19,4 %), Leistungsstärke (13,4 %) und Humor (12,6 %), gefolgt von Coolness (11,2 %), einer begeisternden Fähigkeit oder einem Hobby (9,3 %), Hilfsbereitschaft (7,4 %) und dem Empfinden, dass dieses Kind schön und hübsch sei (6,3 %). Ein vordergründiges Argument für die Unbeliebtheit eines Kindes lässt sich kaum ausmachen. Unbeliebte Kinder werden beschrieben als nervig (8,0 %), andere ärgernd (7,8 %), aufbrausend (6,9 %), unfreundlich (6,9 %) und/oder rückzüglich (5,8 %).

Coolness

Auch bei der Frage nach Argumenten für Coolness machte etwa jedes zehnte Kind keine Angabe (cool: 13,9 %; uncool: 10,2 %). Die Wahrnehmung eines Kindes als lustig (20,1 %) und freundlich (18,5 %) sowie eine freundschaftliche Beziehung zu ihm (10,5 %) erscheinen als die drei bedeutsamsten Gründe dafür, als cool angesehen zu werden. Neben dem Aussehen der Kinder (z. B. schön und hübsch 8,9 %; Kleidung und Frisur 5,7 %) begünstigt eine besondere Fähigkeit oder ein Hobby (7,7 %) sowie eine positive Grundhaltung (5,5 %) die Etikettierung als cool. Dominanz, Arroganz oder Besserwisserei (14,7 %), die Wahrnehmung als nervig (6,7 %) oder unfreundlich (5,5 %) sind auf der anderen Seite damit verbunden, als uncool angesehen zu werden.

Bei einer vergleichenden Analyse der qualitativen Daten kristallisierten sich für die Wahlfragen aller vier soziometrischen Befragungsstimuli im Bereich Sozialverhalten insbesondere die Argumente Freundlichkeit (PPÄF: 31,4 %; SITZ: 24,6 %; POP: 19,4 %, COOL: 18,5 %) und Lustigkeit heraus (PRÄF: 24,4 %; COOL: 20,1 %; SITZ: 15,2 %; POP: 12,6 %). Derart wiederkehrende Argumente für alle vier Ablehnungsfragen wurden nicht identifiziert. Es fällt jedoch auf, dass hierbei durchgehend kaum personenbezogene Merkmale (z. B. Aussehen, Geschlecht, Herkunft) benannt wurden (< 2,7 %).

Tab. 4 veranschaulicht nicht nur erneut die inhaltliche Nähe von Sitznachbarschaft und Präferenz (geringe Differenzwerte), sondern auch mögliche Spezifika soziometrischer Konstrukte. Die größten Differenzwerte in der Häufigkeit der Nennungen einzelner Argumente bzgl. der Sitznachbarschaft sind unterrichtsbezogen, d. h. ein diszipliniertes Arbeitsverhalten begünstigt die Wahl und im Unterricht zu stören, reinzureden oder zu quatschen begünstigt die Ablehnung als Sitznachbarin oder Sitznachbar. Jemanden zu mögen, scheint eng damit verbunden zu sein, dass jemand vertrauens- und verständnisvoll ist und man miteinander gute Erfahrungen gemacht hat, während Popularität für Grundschülerinnen und Grundschüler stärker in Zusammenhang mit einer angenommenen Intelligenz und/oder besonderen schulischen Leistungen gebracht wird. Als uncool gilt es vor allem, wenn jemand dominant, arrogant oder besserwisserisch ist.

Tab. 4 Mögliche Spezifika soziometrischer Befragungsstimuli

Es fällt insgesamt ein deutlicher Unterschied im Umfang fehlender Antworten zwischen den Fragen zur Sitznachbarschaft und Präferenz (1,9–2,5 %) auf der einen und Popularität und Coolness (9,7–13,9 %) auf der anderen Seite auf.

5.3 Statusgruppenzuweisung (c)

Während die prozentuale Verteilung auf die fünf Statusgruppen je soziometrischem Befragungsstimuli vergleichbar erscheint (einzig beim Stimulus Popularität sind die Anteilswerte für Unbeachtete und Kontroversielle etwas geringer), zeigen sich bei der konkreten Zuordnung der einzelnen Schülerinnen und Schüler zu einer Statusgruppe zum Teil deutliche Unterschiede in Abhängigkeit vom gewählten soziometrischen Befragungsstimulus (s. Abb. 1): Zwischen 10,0–100,0 % der Schülerinnen und Schüler werden im paarweisen Vergleich der soziometrischen Befragungsstimuli einer identischen Statusgruppe zugeordnet. Der Anteil identischer Zuordnungen fällt für Durchschnittliche (69,5–82,4 %) und Abgelehnte (65,6–78,6 %) bei allen Befragungsstimuli relativ hoch aus. Für weniger als die Hälfte der Schülerinnen und Schüler (24,1–48,0 %) erfolgt im paarweisen Vergleich eine übereinstimmende Statusgruppenzuweisung als bevorzugt/gemocht/beliebt/cool (Ausnahme: Sitznachbarschaft und Präferenz 62,7–68,1 %). Die Statusgruppenzuweisung als unbeachtet erfolgt für jedes zweite bis siebte Kind (15,4–48,7 %) übereinstimmend. Die größte Varianz zeigt sich für die Statusgruppenzuweisung als kontroversiell (10,0–100 % Übereinstimmung).

Abb. 1
figure 1

Paarweise Vergleiche der Statusgruppenzuweisungen je soziometrischem Befragungsstimulus

Wurde ein Kind nicht übereinstimmend als durchschnittlich kategorisiert, erfolgte zumeist die Zuweisung des Status unbeachtet oder bevorzugt/gemocht/beliebt/cool. Bei den anderen vier Statusgruppen wurde bei einer abweichenden Zuordnung zumeist der Status durchschnittlich vergeben.

5.4 Exemplarische Untersuchung (d)

Mithilfe der Prädiktoren Geschlecht, Unterstützungsbedarf, Sozialverhalten und Lehrkraftfeedback können rund 11 bis 19 % der Varianz in den Akzeptanzwahlen der Schülerinnen und Schüler erklärt werden (schwacher bis mittlerer Effekt, s. Tab. 5). Unabhängig vom soziometrischen Befragungsstimulus erscheinen Verhaltensprobleme mit Gleichaltrigen dabei bedeutsam (z. B. lieber für sich sein). Während sich eine bevorzugte Sitznachbarin/ein bevorzugter Sitznachbar, gemochte und insbesondere populäre Schülerinnen und Schüler weiterhin durch regelmäßiges Lob der Lehrkräfte auszeichnen, scheint dies für coole Schülerinnen und Schüler kein Charakteristikum. Kein besonderer Unterstützungsbedarf ist zuträglich für die Wahl als Sitznachbarin oder Sitznachbar, prosoziales Verhalten dafür gemocht zu werden und ein Junge zu sein dafür, als cool angesehen zu werden.

Tab. 5 Regressionsanalyse Ablehnung (LM)

Rund 29 bis 45 % der Varianz in den Ablehnungsentscheidungen können mithilfe der vorliegenden Prädiktoren erklärt werden (starker Effekt, s. Tab. 6). Über alle soziometrischen Befragungsstimuli hinweg sind Verhaltensprobleme mit Gleichaltrigen und Lehrkraftermahnungen die beiden stärksten Prädiktoren, wobei das Lehrkraftfeedback mit Ausnahme beim Stimulus Popularität bedeutsamer erscheint als die Verhaltensprobleme mit Gleichaltrigen. Ein besonderer Unterstützungsbedarf ist assoziiert mit der Ablehnung als Sitznachbarin/Sitznachbar und damit, als unpopulär oder uncool angesehen zu werden. Verhaltensprobleme wie häufige Wutanfälle stehen im Zusammenhang damit, dass jemand nicht gemocht wird.

Tab. 6 Regressionsanalyse Ablehnung (LL)

6 Diskussion

Abschließend werden die Ergebnisse zu den Schnittmengen und Grenzen verschiedener soziometrischer Befragungsstimuli zusammengetragen und mögliche Ableitungen für soziometrische Befragungen in Schulklassen diskutiert.

Die bivariaten Korrelationen (a) und die Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse (b) legen eine größere Schnittmenge zwischen den auf Individualebene angesiedelten Stimuli Sitznachbarschaft und Präferenz sowie den auf Klassenebene angesiedelten Kriterien Popularität und Coolness nahe. Dies repliziert, dass Präferenz und Popularität unterscheidbare Konstrukte darstellen (vgl. Cillessen und Marks 2011; Schwartz et al. 2010), wobei sich das hier bereits in der Grund- und nicht erst in der Sekundarschule zeigt (vgl. Košir und Pečjak 2005), sodass eine Reflexion des Einsatzes soziometrischer Befragungsstimuli auch hier angezeigt ist.

Es wurden für alle Stimuli jeweils profilgebende Inhaltsbereiche identifiziert (b). Für den Stimulus Sitznachbarschaft scheint ein kooperatives und störungsfreies Miteinander, für soziale Präferenz ein vertrauensvolles und positives Miteinander, für Popularität Leistungsstärke und für Uncoolness ein herablassender Habitus bedeutungsvoller als bei den jeweils anderen Stimuli. Es stellt sich die Frage, ob einer dieser soziometrischen Befragungsstimuli bzw. ein dahinterliegendes Konstrukt eine herausragende Relevanz für Wahrnehmungsprozesse und die Handlungsplanung von Grundschülerinnen und Grundschülern besitzt und damit im Rahmen soziometrischer Befragungen in Schulklassen zu bevorzugen ist. Vor dem Hintergrund der qualitativen Daten könnte es aussichtsreich sein, den Stimulus Sitznachbarschaft dann zu wählen, wenn explizit der unterrichtliche Kontext interessiert (z. B. Sitzordnung, günstige Konstellationen in Arbeitsbündnissen, Planung kooperativer Lernformen), Präferenz, wenn das informelle Beziehungsgefüge im Fokus steht (z. B. soziales Unterstützungssystem auch außerhalb des unterrichtlichen Kontextes) und Popularität und Coolness, wenn Schülerinnen und Schüler mit besonderer Orientierungsfunktion identifiziert oder Informationen zur Gruppennorm gewonnen werden sollen. Populäre Schülerinnen und Schüler repräsentieren hierbei die in der Wahrnehmung der Klasse vorherrschende Gruppennorm und uncoole Schülerinnen und Schüler die Abweichung von der Gruppennorm. Kenntnisse zur Gruppennorm als mögliche Einflussgröße der Entwicklung des Sozialverhaltens von Schülerinnen und Schülern können im Rahmen einer universellen Förderung sozialer Kompetenzen im inklusiven Unterricht gewinnbringend sein.

Zu überprüfen ist, ob im semantischen Gehalt bedeutungsvolle Unterschiede für Schülerinnen und Schüler niedrigerer/höherer Klassenstufe vorliegen (vgl. Cillessen und Marks 2011; Coie et al. 1982) und ob eine multidimensionale Erfassung (vgl. Grütter et al. 2014) oder ein Zusammenschluss einzelner Dimensionen in Form eines Peer-Status-Index dem Konstrukt soziale Akzeptanz in Schulklassen besser gerecht wird, als wenn einzelne soziometrische Kriterien verwendet werden.

Dass anhand der qualitativen Daten die Schnittmengen bei den Wahl- und anhand der quantitativen Daten bei den Ablehnungsfragen größer erscheinen, könnte darin begründet liegen, dass die von den Kindern bei den Wahlfragen angeführten prosozialen Verhaltensweisen verbreiteter sind, als die bei den Ablehnungsfragen angeführten Verhaltensprobleme (b) und die Namensnennungen für die Wahl passend dazu mehr Varianz (schwächere korrelative Zusammenhänge) aufweisen als für die Ablehnung (a). Dies setzt sich bei der Statusgruppenzuweisung fort (c): Die Zahl identischer Klassifikation von Schülerinnen und Schülern als bevorzugt/gemocht/beliebt/cool fällt niedriger aus als die Zahl identischer Klassifikation als abgelehnt. Eine möglicherweise stärkere Streuung von Akzeptanz gegenüber Ablehnung geht hier jedoch nicht damit einher, dass die Gruppe akzeptierter Schülerinnen und Schüler anteilig größer ausfällt als die Gruppe abgelehnter Schülerinnen und Schüler. Es zeigt sich jedoch z. B. mit Blick auf deutlich weniger fehlende Angaben zu Gründen für die Akzeptanz gegenüber einer Ablehnung, dass Wahl-Argumente zugänglicher sind als Argumente für soziale Ablehnung (b, vgl. auch Coie et al. 1982; Juvonen et al. 1992). Zu überprüfen wäre, ob eine gezielte pädagogische Unterstützung der Reflexion von Ablehnungsgefühlen dazu beitragen kann, soziale Ausgrenzung zu minimieren. Und wie wäre die Wirksamkeit in Kombination und/oder im Unterschied zu einer gezielten Thematisierung und Förderung sozialer Akzeptanz in Schulklassen zu bewerten?

Wenngleich die prozentualen Anteilswerte für die Statusgruppen je Befragungsstimulus vergleichbar sind, so zeigen sich bei den konkreten Zuweisungen des Peer-Status als bevorzugt/gemocht/beliebt/cool sowie unbeachtet und kontroversiell deutliche Diskrepanzen zwischen den verschiedenen Stimuli (c). Schülerinnen und Schüler werden bei der Zugrundelegung eines jeweils anderen soziometrischen Befragungsstimulus häufig als durchschnittlich beschrieben. Fraglich erscheint hierbei, ob Forschungsbefunde, welche auf dem Statusgruppen-Konzept basieren, ausreichend vergleichbar sind, wenn bei ihrer Datengewinnung unterschiedliche soziometrische Befragungsstimuli verwendet wurden. Andersherum könnten sich widersprechende Forschungsbefunde ggf. darauf zurückzuführen sein.

Der im Verhältnis geringere Anteil an unbeachteten und kontroversiellen Schülerinnen und Schülern beim Stimulus Popularität (c) könnte darin begründet liegen, dass die Wahrnehmung von Popularität einen höheren Abstraktionsgrad (Klassenebene) erfordert als die Auskunft zu persönlicher Sympathie und kontroversielle Schülerinnen und Schüler dadurch seltener identifiziert werden. Insofern wäre der Stimulus Popularität weniger geeignet, wenn Erkenntnisse über diese Statusgruppe gewonnen werden sollen.

Die Ergebnisse zu den Prädiktoren sozialer Akzeptanz (d) stellen für die vier soziometrischen Befragungsstimuli einerseits übereinstimmend Verhaltensprobleme mit Gleichaltrigen (LM, LL) und Ermahnungen durch die Lehrkraft heraus (LL) und verweisen andererseits auf Unterschiede hinsichtlich der Erklärungsanteile einzelner Prädiktoren wie Geschlecht, Unterstützungsbedarf, prosoziales Verhalten oder Verhaltensprobleme. Dies legt erstens die Schlussfolgerung nahe, dass die in Übereinstimmung als bedeutsam berichteten Prädiktoren von besonderer praktischer Relevanz für die Förderung sozialer Akzeptanz sein könnten (z. B. Training sozialer Kompetenzen, Sensibilisierung von Lehrkräften zu ihrem Rückmeldeverhalten) und zweitens, dass die für einzelne soziometrische Befragungsstimuli als bedeutsam herausgestellten Prädiktoren ggf. eine dimensionsspezifische Relevanz haben. Letzteres legt abermals die Notwendigkeit einer expliziten Reflexion der Befragungsmethodik vor dem Hintergrund des jeweiligen Erkenntnisinteresses nahe. Die hier präsentierten Ergebnisse zum semantischen Gehalt der soziometrischen Befragungsstimuli (b) können diesen Prozess unterstützen.

Schwächere Zusammenhänge zwischen den soziometrischen Befragungsstimuli im Bereich der Wahl gegenüber der Ablehnung (a), größere semantische Schnittmengen bei den Antworten der Wahlfragen gegenüber den Ablehnungsfragen (b), geringere prozentuale Überschneidungen in den Statusgruppenzuweisungen für bevorzugte gegenüber abgelehnten Schülerinnen und Schülern (c), eine geringere Varianzaufklärung von Wahl- gegenüber Ablehnungsentscheidungen sowie Unterschiede in den Erklärungsanteilen einzelner Prädiktoren (d) deuten darauf hin, dass Wahl und Ablehnung nicht zwei Seiten einer Medaille oder Pole eines Kontinuums, sondern soziale Prozesse mit unterschiedlicher Eigenlogik sind. Übereinstimmend dazu stellen Koster et al. (2009) Präferenz und Ablehnung als zwei Subdimensionen sozialer Akzeptanz dar, die im Rahmen soziometrischer Befragungen als Wahl- und Ablehnungsfragen formuliert werden.

Insgesamt wurde herausgearbeitet, dass die vier soziometrischen Befragungsstimuli Sitznachbarschaft, Präferenz, Popularität und Coolness für Grundschülerinnen und Grundschüler Schnittmengen, aber auch deutliche Unterschiede aufweisen. Nur wenn diese Unterschiede reflektiert werden, können Lehrende und Forschende die soziale Akzeptanz in Schulklassen adäquat erfassen, fundierte Erkenntnisse zur Umsetzungsgüte inklusiver Bildung gewinnen und darauf aufbauend passgenaue Fördermaßnahmen etablieren bzw. jene entwickeln und auf ihre Wirksamkeit hin untersuchen.