1 Einleitung

Die Kommunikation zwischen Lehrpersonen und Schüler*innen trägt wesentlich dazu bei, ein Verständnis der Schüler*innen für entsprechende Bildungsinhalte zu entwickeln (Mercer et al. 2009). Gleichzeitig können sich durch vielfältige Kommunikationsanlässe und Strategien, die Schüler*innen partizipativ, motivierend und zielgeleitet in Unterrichtsgespräche einbinden, um die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder zu entwickeln bzw. zu verbessern. Somit wird die Sprache generell zu einem relevanten Werkzeug für Lehrpersonen zur Vermittlung von Wissen und zur Förderung von Interesse (Kiemer et al. 2015).

In den letzten Jahren haben zahlreiche empirische Studien die Förderung lernwirksamer Unterrichtsgespräche untersucht (zsf. Mercer et al. 2019; Resnick et al. 2015). Dazu wurden in erster Linie Fortbildungsprogramme entwickelt, um Ansätze der dialogischen Unterrichtsgesprächsführung (Dialogic Teaching) in die schulische Praxis zu implementieren (Gröschner 2020). Studien zeigen, dass neben den positiven Effekten auf die Lernleistung (Howe et al. 2019) und die Motivation sowie das gegenstandsbezogene Interesse der Schüler*innen (Kiemer et al. 2015; Pehmer et al. 2015) eine lernförderliche Gesprächsführung auch Einfluss auf die schülerorientierten Einstellungen der Lehrpersonen (Hauk et al. 2022) und die lehrbezogene Intention zur aktiven Beteiligung der Schüler*innen (Warwick et al. 2020) hat. Die vorliegenden Studien im Primar- und Sekundarbereich verdeutlichen die Notwendigkeit, dass Lehrpersonen grundlegendes Wissen über lernwirksame Unterrichtsgespräche (Hauk et al. 2022), praktische Handlungsstrategien (Hennessy et al. 2021) sowie schließlich entsprechende Einstellungen und „dialogische Intentionen“ (dialogic intentions, Warwick et al. 2020) entwickeln, um Schüler*innen bestmöglich zu fördern. Einstellungen werden dabei als Voraussetzung erachtet, um dialogische Unterrichtsgespräche zu initiieren (Warwick et al. 2020). Allerdings fehlen bislang Studien zur dialogischen Unterrichtsgesprächsführung im Rahmen der Ausbildung von Lehrpersonen. Dabei bieten insbesondere schulpraktische Lerngelegenheiten das Potenzial, Einstellungen zur dialogischen Unterrichtsgesprächsführung zu entwickeln bzw. zu fördern. Generell werden die Einstellungen zum Beruf und den beruflichen Tätigkeiten im Rahmen der Forschung zum Lernen im Praktikum als gewinnbringend im Professionalisierungsdiskurs erachtet (Ulrich et al. 2020). Beispielsweise zeigen Befunde zur schulischen Lernbegleitung, dass Studierende den Lernertrag des Praktikums als besonders hoch einschätzen, wenn sie eine ko-konstruktive Unterstützung und Haltung der Praktikumslehrpersonen wahrnehmen (Staub et al. 2014) bzw. Lerneinstellungen durch das Praktikum gefördert werden (Festner et al. 2020). Darüber hinaus verringern z. B. konstruktivistische Einstellungen von angehenden Primarlehrpersonen die Gefahr von Burnout (Mameli und Molinari 2017).

Die Befunde zeigen, dass die Ausbildungsphase von Lehrpersonen (und darin schulpraktische Abschnitte) bereits bedeutsame Lerngelegenheiten für den Erwerb professioneller Kompetenz von Lehrkräften bieten (Baumert und Kunter 2006) und für das spätere berufliche Handeln legen können (Terhart 2007). In der vorliegenden Studie wird die Frage untersucht, wie ausgeprägt Einstellungen angehender Grundschullehrpersonen zur dialogischen Unterrichtsgesprächsführung sind und inwieweit sich diese im Verlauf des Langzeitpraktikums verändern. Hierzu wird ein neu entwickeltes Erhebungsinstrument eingesetzt, das Einstellungen im Sinne der dialogischen Intentionen erfasst. Die Studie liefert somit neue Erkenntnisse zu Einstellungen von angehenden Grundschullehrpersonen am Beispiel einer zentralen Facette zur verbalen Interaktion im Unterricht und beschreibt erstmals den Zusammenhang zwischen Einstellungen zur dialogischen Unterrichtsgesprächsführung mit weiteren einstellungsbezogenen Dispositionen (emotionale Unterstützung sowie generelle Einstellungen zum Lehren und Lernen).

2 Theoretischer Hintergrund

2.1 Sprache und Unterrichtsgesprächsführung

Unterrichtsgespräche bilden den häufigsten Interaktionsmodus zwischen Lehrpersonen und Schüler*innen bereits in der Primarstufe (Seidel 2014). Sie sollten dabei so gestaltet sein, dass alle Schüler*innen aktiv sowie partizipativ eingebunden werden (Alexander 2018). Howe et al. (2019) weisen hierzu auf Gesprächsstrategien hin, die eine dialogische Interaktion im Klassenzimmer fördern und die Kinder weitreichend verbal einbinden. Die Studien von Howe et al. (2019), Mercer und Littleton (2007) sowie van der Veen et al. (2017) zeigen, dass Grundschüler*innen von dem sog. Dialogic Teaching (DT) profitieren und sich die erhöhte Schüler*innenbeteiligung positiv auf die Lernmotivation, metakognitive Fähigkeiten und das fachliche Lernen auswirkt. Der Begriff Dialogic Teaching fokussiert dabei den Austausch von Ideen, der seitens der Initiierung durch die Lehrperson Schüler*innen zum Elaborieren und Nachdenken anregt, Argumente hervorbringt und lernförderliche Diskussionen fördert (Alexander 2020). In der vorliegenden Studie wird erstmals ein neues Instrument eingesetzt, das als Voraussetzung des Handelns die Einstellungen zum DT bei angehenden Grundschullehrkräften untersucht. Das Erhebungsinstrument berücksichtigt demnach Einstellungen u. a. zum Initiierungsverhalten (u. a. durch Fragen), zum Umgang mit Schüler*innenbeiträgen (u. a. Vernetzung von Antworten) sowie grundsätzlich die soziale Rahmung der verbalen Interaktionen im Klassenzimmer (Gröschner et al. 2020a).

Zusammenfassend weisen die vorhandenen empirischen Befunde darauf hin, dass eine dialogische Unterrichtsgesprächsführung einen Beitrag zur verbalen Beteiligung von Grundschüler*innen leisten kann. Allerdings sind Lehrpersonen bislang nur selten auf die Initiierung und Begleitung dialogischer Unterrichtsgespräche vorbereitet (Gröschner 2020). Häufig wird im Primarbereich der verbale Austausch in Unterrichtsgesprächen von der Lehrperson dominiert (Molinari et al. 2013; Seidel 2014). Mit der vorliegenden Studie wird ein Beitrag geliefert, den DT-Ansatz im Rahmen der Ausbildung von Grundschullehrpersonen stärker zu untersuchen. Dabei fokussieren wir die Einstellungen von Studierenden, die eine wichtige Voraussetzung für die (veränderte) Rahmung, Initiierung und Förderung dialogischer Unterrichtsgespräche bilden (Warwick et al. 2020).

2.2 Zur Rolle von Einstellungen im Lehrberuf

Einstellungen und berufsbezogene Überzeugungen stellen wichtige Determinanten für eine erfolgreiche Berufsausübung dar und werden in der Ausbildung als Faktoren betrachtet, die das Verhalten von (angehenden) Lehrpersonen und die Entwicklung einer professionellen Identität prägen. Berufsbezogene Überzeugungen üben u. a. einen Einfluss auf die Formulierung von Zielen, die Interpretation von Unterrichtssituationen sowie das didaktische Vorgehen im Unterricht aus (Reusser und Pauli 2014; König 2012). Auf diese Weise sind die Überzeugungen einer (angehenden) Lehrperson von wesentlicher Bedeutung für die unterrichtliche Praxis (Reusser und Pauli 2014). Gerade die Rolle von konstruktivistischen (vs. transmissiven) Einstellungen werden in der Forschung häufig untersucht (Kunter et al. 2013). Werden transmissive Einstellungen verfolgt, wird sich eher auf traditionelle Lerntheorien bezogen (Kunter et al. 2013). Schüler*innen nehmen hierbei die Rolle eines passiven Empfängers von Lerninhalten ein. Demgegenüber werden bei konstruktivistischen Einstellungen Prinzipien eines aktiven Lernens in einem sozialen Kontext bevorzugt (Hauk et al. 2022). Die lerntheoretischen Überzeugungen einer Lehrperson bestimmen zudem darüber, wie Informationen an die Lernenden vermittelt werden (Kunter und Pohlmann 2015). Somit ist davon auszugehen, dass diese grundlegende Einstellung auch mit der Einstellung angehender Lehrpersonen gegenüber dem Einsatz von dialogischer Gesprächsführung zusammenhängt. Befunde bisheriger Forschungsarbeiten zeigen, dass Schüler*innen von Lehrpersonen mit einem vorrangig transmissiv ausgeprägten Verständnis eine geringere Unterstützung in ihrem Lernprozess erhielten und sich bei ihnen ein Leistungsnachteil einstellte, wenn dies im Vergleich zu Schüler*innen von Lehrpersonen mit weniger transmissiven Überzeugungen betrachtet wurde (Dubberke et al. 2008). Speziell im Primarbereich ließen sich differenzierte Effekte von Lehrerüberzeugungen auf die Leistungen von Schüler*innen feststellen (Muijs und Reynolds 2002).

Die Forschung zur dialogischen Unterrichtsgesprächsführung verdeutlicht, dass das Unterstützungsverhalten von angehenden Lehrpersonen im Rahmen von DT mit einer höheren verbalen Partizipation der Schüler*innen einhergeht. Die Forschung zu Einstellungen von Lehrpersonen macht deutlich, dass eine konstruktive Unterstützung von Schüler*innen durch die Lehrperson entweder eine sozio-emotionale Form annehmen kann oder eine akademische Lernunterstützung darstellt (Hoferichter und Raufelder 2021). Die sozio-emotionale Unterstützung zeigt sich durch ein wertschätzendes und faires Verhalten gegenüber den Schüler*innen und ist Teil einer qualitätsvollen Beziehung (Torsheim et al. 2010). Empirische Befunde weisen u. a. darauf hin, dass die wahrgenommene Unterstützung durch die Lehrpersonen das Stresslevel der Schüler*innen absenken kann, indem soziale Beziehungen als Puffer im Umgang mit Stressoren wirken (Hoferichter et al. 2014). In der vorliegenden Studie werden deshalb explorativ auch Einstellungen zur emotionalen Unterstützung der angehenden Grundschullehrpersonen erhoben, um Zusammenhänge zwischen DT und der emotionalen Unterstützung als Lehrperson zu untersuchen.

2.3 Lernen im (Langzeit‑)Praktikum

In den meisten deutschen Bundesländern wurden in den letzten Jahren Langzeitpraktika (zumeist als sog. „Praxissemester“) als festes Studienelement in das Lehramtsstudium integriert (Ulrich et al. 2020). Aus Studierendensicht haben Praxisphasen einen hohen Stellenwert (Hascher 2006), da sie als wichtige Brücke der Professionalisierung zwischen wissenschaftlichen und praktischen Lerngelegenheiten gesehen werden. Vor allem Unterrichtsbeobachtungen und eigene Unterrichtsversuche der Studierenden werden als relevant erachtet (Brack 2019), um in einem Langzeitpraktikum berufsbezogene Einstellungen zu fördern. Empirische Studien, die Einstellungen der Studierenden zur Unterrichtsgestaltung wie dem DT, zum Lehren und Lernen sowie der emotionalen Unterstützung angehender Grundschullehrpersonen untersuchen, fehlen hingegen. Bisherige Befunde weisen lediglich darauf hin, dass Einstellungen zum DT mit schulbiografischen Erfahrungen und der Studienfachwahl für das Lehramt korrelieren (Gröschner et al. 2020b). Studienelemente, wie das Langzeitpraktikum, wurden bislang noch nicht näher untersucht.

3 Forschungsfragen

Die folgenden Forschungsfragen standen im Fokus der Untersuchung:

  1. 1.

    Welche Ausprägung weisen Studierende des Grundschullehramts in Bezug auf Einstellungen zum DT und seinen Subfacetten auf und inwiefern verändern sich die Einstellungen im Verlauf des Langzeitpraktikums?

  2. 2.

    Inwieweit werden die Einstellungen zum DT in seinen Dimensionen durch Einstellungen zur emotionalen Unterstützung der Schüler*innen sowie Einstellungen zum Lehren und Lernen vorhergesagt?

4 Methode

4.1 Stichprobe und Datenerhebung

Im Master of Education-Studiengang der Universität Erfurt ist im dritten bzw. vierten Fachsemester ein Langzeitpraktikum vorgesehen. Das Praktikum erstreckt sich über 15 Wochen und wird von den Studierenden an einer selbstgewählten Grundschule absolviert. Innerhalb dieses Zeitraums werden jeweils vier Tage in der Woche am Lernort Schule und ein Tag an der Universität verbracht. An den Praktikumsschulen hospitieren die Studierenden, halten eigene Unterrichtsstunden und werden von fachbegleitenden Lehrpersonen betreut. Am Lernort Universität besuchen die Studierenden Begleitveranstaltungen zu thematischen Schwerpunkten aus den Bildungswissenschaften und nehmen an Beratungen teil.

Insgesamt nahmen 200 Grundschullehramtsstudierende aus zwei Kohorten an zwei Befragungen (jeweils zu Beginn sowie am Ende des Praktikums im SoSe 2021 und WiSe 2021/2022) teil. Elf Personen mussten aufgrund von fehlenden Daten zu einem der beiden Messzeitpunkte ausgeschlossen werden. Somit beträgt die Stichprobe N = 189 Studierende (Alter: M = 24,13 Jahre, Mdn = 23,00 Jahre, SD = 2,75 Jahre; Geschlecht: 85,7 % weiblich, 13,8 % männlich, 0,5 % keine Angabe). Alle Studierenden studierten Deutsch, Mathematik, Heimat- und Sachkunde. Als Zweitfach gaben die Studierenden Ethik (30,2 %), Schulgarten (26,5 %), Englisch (15,9 %), Evangelische Religionslehre (9,5 %) und Werken (6,4 %) an. Pädagogische Vorerfahrungen außerhalb ihres Studiums gaben 79,9 % der Studierenden an. Zwischen den einzelnen Messzeitpunkten lag für beide Kohorten eine Zeitspanne von etwa drei Monaten (ca. 11–13 Wochen). Die Erfassung der Daten war pseudonymisiert. Nach der Zuordnung der beiden Messzeitpunkte anhand eines individuellen Codes wurden diese pseudonymisierten Codes aus dem Datensatz gelöscht.

4.2 Instrumente

Innerhalb der Befragungen wurden zu beiden Messzeitpunkten (jeweils MZP 1 und MZP 2) die Einstellungen zum Dialogic Teaching (DT), zur emotionalen Unterstützung sowie zum Lehren und Lernen erhoben.

4.2.1 Einstellungen zum Dialogic Teaching

Zur Erfassung der Einstellungen bezüglich dialogischer Unterrichtsgespräche der Studierenden wurde ein neues Instrument, der Dialogic Teaching Questionnaire (DTQ; Gröschner et al. 2020a), eingesetzt. Dabei schätzten die Studierenden 15 Items auf einer 6‑stufigen Likert-Skala ein (1 = „stimme überhaupt nicht zu“; 6 = „stimme voll und ganz zu“). Der DTQ setzt sich aus drei Subskalen (Tab. 1) zusammen: (1) Rahmung für dialogische Gesprächsanlässe (Rahmung), (2) Initiierung von Schüler*innenbeiträgen (Initiierung) und (3) Förderung dialogischer Beteiligung (Förderung).

Tab. 1 Erhebungsinstrumente mit Beispielitems, Cronbachs Alpha (α)

4.2.2 Einstellungen zur emotionalen Unterstützung

Neben dem DTQ wurde eine neu entwickelte Skala zur Erfassung der Einstellungen im Hinblick auf die emotionale Unterstützung von Schüler*innen durch die Lehrperson eingesetzt, um als Prädiktor den Einfluss auf die Veränderung von DT im Verlauf des Praxissemesters zu betrachten. Die acht Items basierten konzeptionell auf der Bindungstheorie (Bowlby 1969) sowie auf Instrumenten zur Lehrer-Schüler-Beziehung (Cornelius-White 2007; Pianta et al. 2012) und wurden ebenfalls auf einer 6‑stufigen Likert-Skala (1 = „stimme überhaupt nicht zu“; 6 = „stimme voll und ganz zu“) eingeschätzt (Tab. 1).

4.2.3 Einstellungen zum Lehren und Lernen

Die Einstellungen zum Lehren und Lernen wurden mit einer Skala von Kunter et al. (2017) erfasst. Die 14 Items lassen sich den Subskalen Einstellungen zum konstruktivistischen Lernen und Lehren bzw. Einstellungen zum transmissiven Lernen und Lehren zuordnen und wurden den Teilnehmenden in einer zufälligen Reihenfolge präsentiert (Tab. 1). Die Einschätzung erfolgte auf einer 4‑stufigen Likert-Skala (1 = „trifft nicht zu“; 4 = „trifft zu“).

4.3 Datenanalyse

Zur Untersuchung der Veränderung der Einstellungen wurden Latent-Change-Modelle (Steyer et al. 1997) für die einzelnen drei Subskalen des DTQ berechnet. Anhand dieses Modells kann die Veränderung der Einstellungen zum DT über die Zeit untersucht werden, indem latente Differenzvariablen ausgehend von Latent-State-Modellen eingeführt werden (Geiser 2011). Die Mittelwerte der latenten Differenzvariable geben Auskunft darüber, ob eine Veränderung vorliegt und ob diese signifikant von null verschieden ist. Ist die Varianz der Differenzvariable signifikant von null verschieden, kann davon ausgegangen werden, dass im Modell interindividuelle Unterschiede in der Veränderung der Einstellungen existieren.

Zunächst wurden für die Subskalen konfirmatorische Faktorenanalysen berechnet, um die Konstruktvalidität zu überprüfen, ehe die je Messzeitpunkt formulierten CFA-Modelle in ein längsschnittliches Modell übertragen wurden (konfigurale Invarianz). Die Faktorenanalysen zeigten, dass zwei Items der Skala Förderung zu geringe Faktorladungen aufwiesen („In meinem Unterricht baue ich zwischen den einzelnen Unterrichtsphasen immer wieder lernförderliche Gespräche auf.“; „In meinem Unterricht bitte ich die Schüler*innen, über die Qualität und den Erfolg der Unterrichtsgespräche nachzudenken.“). Beide Items wurden daraufhin für die weiteren Berechnungen ausgeschlossen.

Für die Untersuchung von Mittelwertsstrukturen in Strukturgleichungsmodellen ist es notwendig, skalare Invarianz sicherzustellen. Demgemäß wurden sukzessive Invarianz-Constraints ausgehend von einem Modell mit konfiguraler Invarianz hinsichtlich der Faktorladungen (metrische Invarianz) und Intercepts (skalare Invarianz) eingeführt. Die Passung des restriktiveren Modells wurde mithilfe eines χ2-Differenztests geprüft. Darüber hinaus wurden der CFI (Comparative Fit Index) und der RMSEA (Root Mean Square Error of Approximation) zum Vergleich der Modelle herangezogen. Skalare bzw. partiell skalare Invarianz konnte dabei für alle drei Subskalen sichergestellt werden. Für die Subskala Förderung musste eine Faktorladung sowie zusätzlich ein Intercept frei geschätzt werden, um partiell skalare Invarianz sicherzustellen (vgl. Anhang). Der RMSEA stieg im Vergleich der Modelle von partiell metrischer Invarianz und partiell skalarer Invarianz um 0,015 Einheiten. Da mit diesem Wert das Kriterium erfüllt wurde, kann die Messinvarianz auch für diese Subskala als gegeben betrachtet werden. Anschließend wurde ein Latent-Change-Modell für die Subskalen (1) Rahmung, (2) Initiierung und (3) Förderung berechnet. Hiermit kann die Veränderung der Wahrnehmung von DT auf den drei Subskalen über die Zeit verglichen werden (Forschungsfrage 1). Die Fit-Indizes der einzelnen Modelle wurden nach den Kriterien von Hu und Bentler (1999) interpretiert. Demzufolge sollten sowohl CFI als auch TLI (Tucker-Lewis Index) Werte von ≥ 0,90 annehmen, um einen ausreichenden Fit des Modells zu erzielen (≥ 0,95). Der RMSEA sollte einen Wert von ≤ 0,06 annehmen. Aufgrund der Anfälligkeit der Güte durch kleinere Stichproben, können Werte von ≤ 0,08 als akzeptabel und Werte von ≤ 0,10 als mittelmäßig angesehen werden.

Darüber hinaus wurden die Skalen zu den Einstellungen zur emotionalen Unterstützung sowie zum Lehren und Lernen als latente Prädiktoren für die latenten Differenzvariablen hinzugezogen, um zu untersuchen, inwiefern diese Konstrukte die Veränderung auf den Subskalen des DTQ vorhersagen (Forschungsfrage 2). Zur Beantwortung dieser Forschungsfrage wurden die Angaben zu diesen beiden Skalen aus dem ersten Messzeitpunkt verwendet, um eine Vorhersage treffen zu können. Die Werte der Regressionsgewichte lassen sich als Effektgrößen interpretieren. Nach Cohen (1988) liegt bei einem β = 0,1 ein schwacher, bei einem β = 0,3 ein mittlerer und bei einem β = 0,5 ein starker Effekt vor. Zunächst wurden jedoch auch für diese Skalen konfirmatorische Faktorenanalysen durchgeführt. Hinsichtlich der emotionalen Unterstützung wies ein Item eine zu geringe Faktorladung auf und wurde daraufhin bei den anschließenden statistischen Verfahren nicht berücksichtigt („Im Unterricht achte ich besonders darauf, auch Anerkennung für außerschulische Talente zu zeigen.“). Zudem wurde eine Residualkorrelation spezifiziert. In der Subskala zum transmissiven Lernen und Lehren wurden zwei Items aufgrund zu niedriger Faktorladungen ausgeschlossen („Um erfolgreich im Unterricht zu sein, müssen Schüler*innen gute Zuhörer*innen sein.“; „Schüler*innen benötigen immer eine ausführliche Anleitung dazu, wie Arbeitsaufträge zu bearbeiten sind.“). Die Items zum konstruktivistischen Lernen und Lehren wiesen akzeptable Werte auf. Alle Auswertungen wurden mithilfe der Statistiksoftware Mplus 8.6 (Muthén und Muthén 1998–2021) vorgenommen. Modelle wurden mit maximum likelihood geschätzt. Full information maximum likelihood (FIML) wurde verwendet, um fehlende Werte schätzen zu lassen.

5 Ergebnisse

5.1 Einstellungen zum Dialogic Teaching im Verlauf des Langzeitpraktikums

Zunächst sollte der Frage nachgegangen werden, inwiefern sich die Einstellungen zum DT im Verlauf des Langzeitpraktikums verändern. Hierfür wiesen alle drei Latent-Change-Modelle einen akzeptablen Modell-Fit auf (Tab. 2).

Tab. 2 Modell-Fit der Latent-Change-Modelle

Anhand der deskriptiven Ergebnisse ließ sich über alle drei Subskalen im Mittel eine positive Veränderung der Einstellungen zur dialogischen Gesprächsführung verzeichnen (Tab. 3). Darüber hinaus waren die Mittelwerte der latenten Differenzvariablen in den Modellen der Subskalen positiv und signifikant von null verschieden (Rahmung: M = 0,14, p = 0,002; Initiierung: M = 0,21, p < 0,001; Förderung: M = 0,28, p < 0,001). Folglich zeigte sich eine positive Veränderung hinsichtlich der Einstellungen zum DT im Verlauf des Praktikums. Auch die Varianz der Differenzvariable war für alle drei Subskalen signifikant von null verschieden (Rahmung: Var = 0,14, p = 0,001; Initiierung: Var = 0,24, p < 0,001; Förderung: Var = 0,29, p < 0,001). Demnach lagen in allen Modellen signifikante interindividuelle Unterschiede in der Veränderung der Einstellungen vor. Zum Prätest zeigten sich ebenfalls signifikante interindividuelle Unterschiede (Rahmung: M = 4,73, p < 0,001, Var = 0,31, p < 0,001; Initiierung: M = 5,02, p < 0,001, Var = 0,38, p < 0,001; Förderung: M = 4,09, p < 0,001, Var = 0,45, p < 0,001).

Tab. 3 Manifeste Mittelwerte und Standardabweichungen für die Subskalen des DTQ, der Einstellungen zur emotionalen Unterstützung und der Einstellungen zum Lehren und Lernen

Die Korrelationen zwischen der Veränderung der Einstellungen im Verlauf des Langzeitpraktikums und den Einstellungen zum Prätest waren für alle Subskalen signifikant negativ (Rahmung: r = −0,45, p < 0,001; Initiierung: r = −0,53, p < 0,001; Förderung: r = −0,66, p < 0,001). Demnach zeigten Studierende mit niedrigeren Ausgangswerten (MZP 1) eine stärkere positive Veränderung in den Einstellungen zum DT. Studierende mit höheren Ausgangswerten wiesen hingegen eine geringere Veränderung auf.

5.2 Vorhersage der Veränderung der Einstellungen zum DT

Mit der zweiten Forschungsfrage wurde thematisiert, inwiefern die Einstellungsskalen zur emotionalen Unterstützung sowie zum Lehren und Lernen die Veränderung in den Subskalen des DTQ vorhersagen. Die Latent-Change-Modelle mit der Skala zur emotionalen Unterstützung als Prädiktor wiesen einen akzeptablen Fit auf (Tab. 2). Die Einstellungen im Hinblick auf die emotionale Unterstützung sagten die Veränderung der Einstellungen zum DT in allen drei Dimensionen negativ vorher, wobei nur der Effekt bei der Subskala Initiierung statistisch signifikant war (Rahmung: β = −0,21, p = 0,086; Initiierung: β = −0,19, p = 0,047; Förderung: β = −0,20, p = 0,061). Mit β = −0,19 liegt nach den Konventionen von Cohen (1988) ein kleiner Effekt vor. Die Werte der Subskalen zum MZP 1 waren hingegen positiv mit der Skala zur emotionalen Unterstützung assoziiert (Rahmung: β = 0,53, p < 0,001; Initiierung: β = 0,50, p < 0,001; Förderung: β = 0,59, p < 0,001).

Die Latent-Change-Modelle mit den Einstellungen zum Lernen und Lehren als Prädiktoren zeigten eine akzeptable Passung (Tab. 2). Sowohl die konstruktivistischen Einstellungen als auch die transmissiven Einstellungen sagten die Veränderung der Einstellungen zum DT in Teilen vorher. Bei den konstruktivistischen Einstellungen zeigte sich für die Subskala Förderung ein negativ signifikanter Effekt zur Veränderung in den Einstellungen zum DT (Rahmung: β = −0,20, p = 0,117; Initiierung: β = −0,07, p = 0,472; Förderung: β = −0,24, p = 0,031). Der Einfluss der Einstellungen zum transmissiven Lernen und Lehren war nicht signifikant (Rahmung: β = −0,01, p = 0,955; Initiierung: β = −0,09, p = 0,369; Förderung: β = −0,06, p = 0,598). Darüber hinaus waren alle drei Einstellungswerte zum MZP 1 positiv mit den konstruktivistischen Einstellungen assoziiert (Rahmung: β = 0,43, p < 0,001; Initiierung: β = 0,37, p < 0,001; Förderung: β = 0,48, p < 0,001). Die Werte der Subskalen Rahmung und Förderung zu MZP 1 (zu Beginn des Praktikums) hingen signifikant positiv mit den transmissiven Einstellungen zusammen (Rahmung: β = 0,20, p = 0,035; Initiierung: β = 0,14, p = 0,122; Förderung: β = 0,23, p = 0,012).

6 Diskussion

Die vorliegende Studie untersuchte erstmals die Einstellungen von angehenden Grundschullehrpersonen zum Dialogic Teaching (DT) im Verlauf des Langzeitpraktikums. Darüber hinaus wurde explorativ der Frage nachgegangen, ob sich die Veränderungen in den Einstellungen durch weitere Einstellungsmerkmale zur emotionalen Unterstützung von Schüler*innen sowie zum Lehren und Lernen vorhersagen lassen.

Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Ausprägungen auf allen drei Subdimensionen des DT im Verlauf des Langzeitpraktikums zunehmen. Zudem treten für alle drei Subskalen des DT signifikant negative Zusammenhänge zwischen der Veränderung der Einstellungen und den Baseline-Scores zum MZP 1 auf. Das bedeutet, dass diejenigen angehenden Grundschullehrpersonen, die zu Beginn ihres Praktikums geringere Einstellungen gegenüber DT berichten, während des Praktikums durch ihre dazugewonnenen Erfahrungen in der dialogischen Unterrichtsgesprächsführung eine deutlich positive Veränderung verzeichnen. Zugleich ist festzuhalten, dass Studierende, die sich bereits zu Beginn des Praktikums ausgeprägte Einstellungen zum DT zuschreiben, kaum noch weiter positiv verändern (können) im Verlauf des Praktikums. Generell lässt die positive Veränderung über das Langzeitpraktikum vermuten, dass es den Studierenden besser gelingt, dialogische Unterrichtsgespräche zu rahmen, zu initiieren und zu fördern. Dieses Ergebnis ist vor dem Hintergrund der Diskussion um die Relevanz praxisbezogener Lernerfahrungen und die Bedeutung von Einstellungen von Studierenden als Element der pädagogischen Professionalisierung positiv zu interpretieren, da die Studierenden im Umgang mit den Schüler*innen im Verlauf des Langzeitpraktikum auch verstärkt positive Einstellungen zur Kommunikation und verbalen Interaktion mit Schüler*innen entwickeln.

In Bezug auf die zweite Forschungsfrage zeigen die Ergebnisse erstmals Zusammenhänge zwischen Einstellungen zur emotionalen Unterstützung als Prädiktor für Veränderungen in Einstellungen zum DT (v. a. Initiierung). Je deutlicher Studierende die Ansicht vertreten, Schüler*innen im Unterricht emotional zu unterstützen, desto eher hängt dies mit der Einstellung zum DT zusammen. Dieser Befund deutet darauf hin, dass Studierende in ihrem verbalen Interaktionsverhalten (z. B. durch Fragen an bestimmte Schüler*innen) im Verlauf des Praktikums eine differenziertere Binnenwahrnehmung der Schüler*innen aufweisen und ggf. auch verstärkt differenzierter Schüler*innenbeiträge initiieren (z. B. indem sie auf bestimmte Schüler*innen öfter eingehen, länger auf Antworten warten o. ä.) (Jurik et al. 2014). Schon zu Beginn des Praktikums hängt die positive Einstellung im DT mit der emotionalen Unterstützung von Schüler*innen zusammen, woraus sich ein grundlegendes Ziel des Lernens im Praktikum bei Studierenden (die Überprüfung der Berufswahl im unterrichtlichen Austausch mit Schüler*innen) zeigt (Ulrich et al. 2020). Die Veränderung in der Subskala Förderung des DT kann durch die Einstellungen zum konstruktivistischen Lernen und Lehren vorhergesagt werden. Darüber hinaus sind die Baseline-Scores (MZP 1) deutlich stärker mit den konstruktivistischen Einstellungen als mit den transmissiven assoziiert. Bereits Kunter et al. (2013) verdeutlichen, dass Lehrpersonen mit konstruktivistischen Ansichten bevorzugt Lernaktivitäten auswählen, die stärker in den sozialen Austausch eingebettet sind. Darauf aufbauend lässt sich annehmen, dass generell konstruktivistische Einstellungen auch eher mit der Einstellung dialogischer Unterrichtsgesprächsführung einhergehen (Hauk et al. 2022) und somit die dialogic intention relevant ist (Warwick et al. 2020). Die Aufgaben der Lehrperson mit einem eher konstruktivistisch ausgeprägten Verständnis von Lehren und Lernen bestehen nach Kunter und Pohlmann (2015) darin, dem/der einzelnen Schüler*in Hilfestellungen zu geben, um den Aufbau von Wissen zu unterstützen. Diese Annahme stützt das aktuelle Resultat, in dem die Förderung dialogischer Beteiligung signifikant vorhergesagt wird. Die Studie bietet hierzu erste empirische Erkenntnisse für eine angenommene positive Wirkung der Praxiserfahrungen der Studierenden in Bezug auf positive Veränderungen kommunikationsorientierter Einstellungen. Zugleich zeigen sich zu Beginn des Praktikums explorativ Zusammenhänge mit transmissiven Einstellungen zum Lernen und Lehren mit den Einstellungen im DT. Dieser Befund bietet Hinweise darauf, dass Studierende am Anfang der ersten eigenen Unterrichtsversuche noch eine verstärkte Perspektive auf das eigene instruktionale Verhalten und das der Praktikumslehrpersonen legen (Rozelle und Wilson 2012), was zu dem Zeitpunkt noch unmittelbar mit einer dialogischen Unterrichtsgesprächsführung assoziiert wird und durch zunehmende eigene Unterrichtserfahrungen abnimmt. In der weiterführenden Forschung wird zu untersuchen sein, inwieweit sich die veränderten Einstellungen zum DT auch tatsächlich in der eigenen unterrichtlichen Tätigkeit der Studierenden niederschlagen (Gröschner et al. 2022). Demgemäß ist es von großer Bedeutung, dass Lehrpersonen im Verlauf ihrer Ausbildung Fähigkeiten und Einstellungen erwerben, Unterrichtsgespräche so zu gestalten, dass Schüler*innen optimal lernen und in ihrer Lernmotivation gefördert werden.

7 Limitationen und Implikationen

Eine Limitation der Studie stellt die Kontextabhängigkeit dar, da keine Aussagen über die Schulen getroffen werden können, an denen die Studierenden ihr Langzeitpraktikum absolvierten. Jede Praktikumsschule schafft für die angehenden Lehrpersonen spezifische Rahmenbedingungen, Praxiserfahrungen zu sammeln, die z. T. stark variieren, wie sich auch die Qualität der Betreuung durch fachbegleitende Lehrpersonen unterscheidet (Ronfeldt et al. 2018). Dies könnte möglicherweise einen Einfluss auf die Veränderung der Einstellungen ausgeübt haben. Zudem weisen die stark ausgeprägten Einstellungen zu MZP 1 auf mögliche Deckeneffekte hin, die eine Interpretation der Ergebnisse erschweren können. Die Stichprobe setzt sich darüber hinaus aus zwei Kohorten zusammen, die in zwei aufeinanderfolgenden Semestern befragt wurden. Da die Befragung während der Corona-Pandemie durchgeführt wurde, schwankte in dieser Zeit die Anzahl der Gelegenheiten für Studierende, Einblicke in die Unterrichtspraxis zu erhalten. Besonders für Teilnehmende der ersten Kohorte kam es zu Abweichungen von Unterrichtssituationen in Präsenz, z. B. durch Verkleinerung der Klassengröße, Online-Unterricht oder gar Ausfall ganzer Unterrichtsstunden. Weniger oder andersartige Lerngelegenheiten für die Studierenden könnten somit die Veränderungen der Einstellungen während des Praktikums beeinflusst haben. Für die zukünftige Forschung ist es weiterhin wünschenswert, neben der Erfassung der Studierendensicht auch die Perspektive der betreuenden Mentor*innen oder der Schüler*innen mit zu erheben, deren Perspektiven mit dem neuen Instrument des DTQ ebenfalls – konkret auf Unterricht ausgerichtet – erfasst werden können (Gröschner et al. 2020a). Zudem könnten mit zukünftigen Kontrollgruppendesign auch stärker Kausalhypothesen geprüft werden.

Mit der vorliegenden Studie wurde erstmals untersucht, inwieweit Einstellungen zur dialogischen Unterrichtsgesprächsführung im Rahmen der schulpraktischen Professionalisierung von angehenden Grundschullehrpersonen adressiert werden können. Die Ergebnisse bieten einen optimistischen Ausblick auf die weitere Forschung zur Förderung der Lehrperson-Schüler*innen-Interaktion als Gegenstand der Lehrer*innennprofessionalisierung. Für die Praxis bedeuten die Ergebnisse, dass angehende Lehrpersonen auf Möglichkeiten zur Anregung und Aufrechterhaltung dialogischer Gespräche noch stärker vorbereitet werden sollten.