1 Theoretische Grundlagen

Ein wichtiges Ziel naturwissenschaftlichen Lernens in der Grundschule ist das Verstehen und Durchdringen von naturwissenschaftlichen Phänomenen, und damit verbunden der Aufbau von konzeptuellem Wissen (GDSU 2013; Steffensky et al. 2020). Unter konzeptuellem Wissen (z. B. Anderson und Krathwohl 2001) wird in diesem Zusammenhang das Vorhandensein von komplex organisierten und vernetzten Wissensstrukturen verstanden. Merkmal solcher Vernetzungen ist das Zusammenfassen einzelner Wissenselemente in übergeordneten Kategorien (Schneider und Hardy 2013).

Mit Blick auf den Erwerb von konzeptuellem Wissen wird dem Lernen aus Beispielen im Sachunterricht der Grundschule großes didaktisches Potenzial zugewiesen. Theoretisch fundiert wird ein solches Vorgehen sowohl aus Sicht der Allgemeinen Didaktik (Klafki 2007), der Fachdidaktik (Spreckelsen 2004), der Grundschuldidaktik (Lohrmann 2022) als auch der Lehr-Lernforschung (Lipowsky 2020). Besonders zielführend erscheint dabei der didaktisch angeregte Vergleich von Beispielen (vgl. zsf. Lipowsky et al. 2019). Theoretisch angenommen wird, dass Vergleiche die Lernenden zur elaborierten Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand anregen und somit ein tieferes Verständnis der zu lernenden Sache fördern. Vergleichen gilt deshalb als Maßnahme zur kognitiven Aktivierung (ebd.). Da die kognitive Aktivierung beim Lernen aus Beispielen auf bestimmte Konzepte, Phänomene oder einzelne relevante Merkmale gerichtet ist, kann das didaktisch initiierte Vergleichen beim Lernen aus Beispielen als kognitiv fokussierende Maßnahme betrachtet werden (Renkl 2011).

1.1 Structure-Mapping-Theory

Beim Lernen mit Beispielen ist es wichtig, die jeweiligen Eigenschaften der Beispiele in ihrer Relevanz für den Lernprozess zu unterscheiden. Als Tiefenstruktur von Beispielen (structural similarity, vgl. Gentner 1989) werden Eigenschaften verstanden, die ursächlich für eine Regelhaftigkeit oder ein zugrundeliegendes Prinzip sind. Verfügen Beispiele über eine ähnliche Oberflächenstruktur (surface similarity, vgl. ebd.), betrifft dies Eigenschaften, die Augenscheinliches wie beispielsweise den Aufbau, aber auch die Farbe, Material oder Größe beschreiben (Guo et al. 2012).

Um die gemeinsame Tiefenstruktur von Beispielen zu einem zugrundeliegenden Prinzip zu entdecken, bedarf es einer Vielzahl kognitiver Prozesse, die von Gentner (1983, 1989) in ihrer Structure-Mapping-Theory konzeptualisiert werden: Um tiefenstrukturelle Bezüge zwischen den Beispielen herstellen zu können, müssen Lernende die tiefenstrukturell relevanten Merkmale der Beispiele identifizieren und aufeinander beziehen. Die unterschiedlichen Ausprägungen der gleichen Tiefenstruktur (z. B. Lastarm eines Hebels) auf einer oberflächlichen Sichtebene (z. B. bei einer Wippe oder einer Waage) werden auch als alignable differences benannt (Sagi et al. 2012). Jene kognitiven Abgleichprozesse, die zwischen den alignable differences stattfinden, werden als structural alignment oder auch als Mapping bezeichnet (Gentner et al. 2003). Mapping bedeutet somit die Identifikation von tiefenstrukturellen Gemeinsamkeiten durch das Vergleichen von Beispielen in Form von Gegenüberstellungen und In-Beziehung-Setzungen. Dabei kann sich das Mapping auf einzelne Elemente, auf Relationen (also Beziehungen zwischen Elementen) oder auf das gesamte System beziehen (Gentner 1989). Demgegenüber beinhalten non-alignable differences jene Unterschiede, die sich nicht in Übereinstimmung mit einer zugrundeliegenden Regelhaftigkeit bringen lassen. Dieses Feststellen von Unterschieden bzgl. der Tiefenstruktur wird auch als Kontrastieren bezeichnet (Lipowsky et al. 2019).

1.2 Analoges Enkodieren: Förderung des Erwerbs und des Transfers von Wissen

Aus den Arbeiten der Arbeitsgruppe um Gentner zu solchen Mappingprozessen wurden unter dem Begriff des Analogen Enkodierens Überlegungen zur didaktischen Umsetzung entwickelt und in Laboruntersuchungen empirisch überprüft (Gentner et al. 2003; Jonassen 2011). Dabei arbeiten die Lernenden nicht an mehreren Beispielen aufeinander folgend. Sie werden stattdessen zu Beginn des Lernprozesses explizit dazu aufgefordert, gleichzeitig zwei oder mehrere Beispiele miteinander zu vergleichen. Beim Vergleichen können somit alle Beispiele parallel abgeglichen werden; d. h. eine Information, die an Beispiel A gewonnen wurde, kann unmittelbar mit Beispiel B abgeglichen werden und umgekehrt (Bach 2011; Gentner et al. 2003). Die dadurch angeregten Abgleichprozesse zwischen den Beispielen zielen darauf, die Aufmerksamkeit der Lernenden direkt auf die zugrundeliegende Tiefenstruktur der Beispiele zu richten und damit den Erwerb von konzeptuellem Wissen und die Abstraktion von Wissen zu fördern (Goldwater und Gentner 2015).

Die Fähigkeit zum Transfer wird beim Analogen Enkodieren gefördert, indem die Lernenden an verschiedenen Beispielen erkennen können, dass das erworbene Wissen für verschiedene Kontexte relevant ist. Notwendige Fähigkeiten für Transfer – das Abgleichen von Beispielen sowie ein Übertragen von Wissen auf weitere Beispiele – können dadurch bereits in der Lernsituation gefördert werden. Gentner et al. (2003, S. 398) bezeichnen das Vergleichen von Beispielen daher als „key driver of learning and transfer“. Ergänzend zur Structure-Mapping-Theory trägt das Rahmenmodell von Barnett und Ceci (2002) dazu bei, die Schwierigkeit von Transfer theoretisch zu bestimmen. Transfer wird hier im Hinblick auf eine Inhaltskomponente (Was wird transferiert?) und eine Kontextkomponente (Wann und wie findet der Transfer statt?) konzeptualisiert (vgl. zsf. Mähler und Stern 2018, S. 843). Die Transferdistanz zwischen der jeweiligen Lern- und der Anwendungssituation lässt sich in Bezug auf diese Komponenten auf einem Kontinuum (proximal – distal) theoretisch bestimmen.

Studien zeigen, dass der didaktisch angeregte Vergleich von Beispielen, die sich auf der Oberflächenstruktur unterscheiden, denen aber die gleiche Tiefenstruktur zugrunde liegt, nicht nur den Erwerb von Wissen, sondern zugleich die Fähigkeit zum Transfer fördert (vgl. zsf. Alfieri et al. 2013; Lipowsky et al. 2019). Auch Unterrichtsstudien (Hofer et al. 2018; Nemeth et al. 2019; Rittle-Johnson und Star 2009) und Studien, in denen Kinder im Vor- und Grundschulalter Beispiele zu sachunterrichtsnahen Themenbereichen vergleichen (Lohrmann et al. 2014; Gentner et al. 2009; Hardy et al. 2020; Jee und Anggoro 2019; Plöger 2020), zeigen überwiegend positive Effekte auf das Lernen und die Fähigkeit zum Transfer. Ein wichtiger Forschungsbefund jener Studien ist, dass Mapping herausfordernd für Lernende ist: So richten Novizen bei Vergleichsprozessen ihren Blick eher auf die Oberflächenstruktur von Beispielen (Rattermann und Gentner 1998; Richland et al. 2006). Aus diesem Befund lässt sich für das Lernen von Grundschulkindern (als Novizen bzgl. naturwissenschaftlicher Gesetzmäßigkeiten) erwarten, dass die Kinder im Mappingprozess den Blick auf Oberflächenstrukturen richten und von daher instruktional unterstützt werden sollten, damit das Mapping auf die (erwünschten) Tiefenstrukturen der Beispiele gerichtet ist. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es vorrangiges Ziel dieser Studien war, die Effekte von Vergleichsprozessen auf den Wissenserwerb und die Transferfähigkeit zu untersuchen. Die Vergleichsprozesse selbst standen meist weniger im Fokus. In der vorliegenden Studie werden diese nun in den Blick genommen.

2 Fragestellungen

In den bisherigen Labor- und Unterrichtsstudien mit Prä-Post-Design wurde bislang überwiegend der Lerngewinn als Outcome untersucht. Das Mapping der Schülerinnen und Schüler wurde z. B. durch das Anbieten verschiedener Beispiele initiiert – nicht untersucht wurde jedoch, wie sich diese didaktisch initiierten Vergleichsprozesse in den Lernsituationen konkret gestalten. Es bleibt insbesondere offen, wie Schülerinnen und Schülern in den Lernsituationen sowie beim Transfer auf andere Beispiele das Mapping von Elementen und Relationen gelingt. Zudem fehlen, vor allem mit Blick auf Novizen, Befunde zur Bedeutung von konstruktiver Unterstützung beim Mapping.

Gegenstand dieser Studie sind daher die individuellen Vergleichsprozesse von Grundschülerinnen und Grundschülern beim Lernen aus Beispielen. Die beiden übergeordneten Fragestellungen fokussieren diesbezüglich zwei unterschiedliche Vergleichssituationen:

Bezogen auf die Lernsituation wird untersucht, welche Mappingprozesse Schülerinnen und Schüler ohne bzw. mit Unterstützung durch eine Lehrperson gelingen. Dabei werden folgende beide Teilfragen untersucht:

  1. 1a)

    Welche Mappingprozesse zwischen zwei Beispielen mit gemeinsamer Tiefenstruktur lassen sich beschreiben, wenn Kinder (im Grundschulalter) lediglich einen offenen Impuls erhalten?

    Diese Frage lässt sich noch weiter konkretisieren:

    • Finden die Mappingprozesse vorwiegend auf der Ebene der Oberflächen- oder auf der Ebene der Tiefenstruktur statt?

    • Werden auf der Ebene der Tiefenstrukturen eher Elemente oder Relationen gemappt?

  2. 1b)

    Welche Qualität haben die Mappingprozesse bezüglich der Tiefenstrukturen, nachdem die Kinder gezielt nach den einzelnen Elementen und Relationen gefragt werden?

Bezogen auf eine sich anschließende Transfersituation wird untersucht, welche Mappingprozesse (zwischen bekannten und neuen Beispielen) Schülerinnen und Schülern ohne Unterstützung gelingen und inwieweit sie das in der Lernsituation (siehe Fragestellung 1a und 1b) erworbene Wissen auf weitere Beispiele anwenden können.

  1. 2a)

    Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede (Elemente, Relationen) identifizieren Schülerinnen und Schüler zwischen den aus der Lernsituation bereits bekannten Beispielen und einem weiteren Beispiel?

  2. 2b)

    Was geschieht, wenn die Schülerinnen und Schüler mit einem Distraktor konfrontiert werden?

3 Methodisches Vorgehen

3.1 Design und Stichprobe

Zur Beantwortung dieser Fragestellungen wurde in einer Querschnittsstudie (Oberfell 2021) mit N = 26 Grundschulkindern (13 Mädchen, 13 Jungen) der zweiten Jahrgangsstufe ein ca. 30-minütiges halbstrukturiertes Einzelinterview zu Phänomenen durchgeführt, denen das Hebelgesetz zugrunde liegt. Sämtliche Interviews wurden vom Erstautor dieses Beitrags geleitet. Die Kinder der Stichprobe wurden aus zwei Freiburger Grundschulen mit mittlerem sozio-ökonomischem Status gewählt. Es wurden Kinder mit Erstsprache Deutsch interviewt, um den Einfluss sprachlicher Fähigkeiten möglichst auszuschließen. Nach 26 durchgeführten Interviews konnten (resultierend aus dem Antwortverhalten und dem Handeln der Kinder) keine neuen Erkenntnisse mehr gewonnen werden. Aus diesem Grund wurden dann keine weiteren Kinder in die Untersuchung aufgenommen.

3.2 Intervention

Das Interview bestand aus einer Lernsituation und einer Transfersituation.

Die erste Phase des Interviews (Lernsituation) bestand aus zwei Teilen: Zunächst (Forschungsfrage 1a) wurden die Schülerinnen und Schüler aufgefordert, in einem offenen Vergleich Gemeinsamkeiten zwischen zwei tiefenstrukturell ähnlichen Beispielen zum Hebelgesetz zu identifizieren. Zum Einsatz kamen eine Wippe und ein Kleiderbügel (vgl. Abb. 1 und 2). Auf der Wippe stellten vier Smartiesboxen die Gewichte dar, auf dem Kleiderbügel waren dies vier Foldbackklammern. Auf beiden Beispielen waren durch Klebestreifen bzw. Klammern Gewichtspositionen markiert. Dies ermöglichte es, durch Verwendung der Gewichte Gleichgewicht herstellen zu können. Die eingesetzten Impulse waren insofern offen, als sie nicht auf bestimmte Elemente oder Relationen des Hebelgesetzes fokussierten, sondern allgemein zum Vergleichen aufforderten. Eröffnet wurde die Lernsituation durch folgende Impulsfrage: „Welche Gemeinsamkeiten entdeckst du zwischen den beiden Beispielen?“ Gegenstand von Forschungsfrage 1a sind die Äußerungen der Kinder zu diesem ersten Impuls. Zwei weitere Impulse lenkten den Blick anschließend auf die Funktionsweise bzw. auf einzelne Gemeinsamkeiten zwischen den Beispielen. Die beiden Beispiele standen den Kindern als reale Gegenstände zur Verfügung. In dieser Phase der Lernsituation konnten sich die Kinder frei äußern, erhielten jedoch – abgesehen von der Möglichkeit zur manuellen Exploration der Beispiele – keine Unterstützung.

Abb. 1
figure 1

Wippe

Abb. 2
figure 2

Kleiderbügel

Im Anschluss an den offenen Vergleich wurden die Schülerinnen und Schüler in der Lernsituation durch gezielte verbale Impulse zum Mapping bzgl. der in Tab. 1 gelisteten Kategorien aufgefordert (Forschungsfrage 1b). Dabei wurde der Blick der Kinder durch einen stimulated recall (vgl. Calderhead 1981) sukzessive auf die strukturrelevanten Elemente und Relationen gerichtet (fokussierter Vergleich): Zunächst wurde an einem der beiden Beispiele im gemeinsamen Gespräch ein Element fokussiert (und der jeweilige Fachbegriff, z. B. Drehpunkt, eingeführt) oder eine Relation hergestellt; anschließend wurde das Kind angeregt, dies in entsprechender Weise auf das andere Beispiel zu mappen. So lautetet beispielweise der Impuls zum Element Drehpunkt: „Die Beispiele haben einen Drehpunkt, kannst du mir den Drehpunkt zeigen? Wo ist der beim Kleiderbügel/bei der Wippe?“ In Bezug auf Relationen lautete der Impuls zu zweiseitig gleicher Belastung (Gleichgewicht, vgl. Tab. 1) z. B.: „Kannst du so eine Gleichgewichtssituation auch am Kleiderbügel herstellen? Genauso wie bei der Wippe?“

Tab. 1 Inhaltliche Kategorien beim offenen Vergleich der beiden Beispiele Wippe und Kleiderbügel in Bezug auf den ersten Impuls: „Welche Gemeinsamkeiten entdeckst du zwischen den beiden Beispielen?“

In der zweiten Phase des Interviews (Transfersituation) erhielten die Schülerinnen und Schüler den Auftrag, die beiden Beispiele aus der Lernsituation (Wippe, Kleiderbügel) auf weitere Beispiele zu beziehen (vgl. Abb. 3 und 4). Ein Beispiel (Ägypterkran) beinhaltet bzgl. des Hebelgesetzes die gleiche Tiefenstruktur; zur Steinschleuder gibt es zwar Ähnlichkeiten auf der Oberflächenstruktur, das Hebelgesetz ist jedoch ohne Bedeutung, es handelt sich deshalb um einen Distraktor. Mit Blick auf die zu bestimmende Transferdistanz (vgl. Barnett und Ceci 2002) ist festzuhalten, dass bzgl. der Kontextkomponente diese Beispiele in einer anderen Modalität repräsentiert sind (bildlich und nicht konkret). Ägypterkran (historisches Werkzeug) und Steinschleuder (Spielzeug) sind zudem anderen Domänen zuzuordnen als Waage und Kleiderbügel. Bei den Oberflächenstrukturen existieren teilweise Ähnlichkeiten zu den Beispielen aus der Lernsituation (z. B. Materialbeschaffenheit, Gewichtsauflage/-aufhängung). Tiefenstrukturell gibt es absichtlich ausgewählte Unterschiede: So ist ein Hebelarm des Ägypterkrans länger als der andere (bei den beiden Beispielen aus der Lernsituation waren diese jeweils gleich lang) – das Erstellen von Gleichgewicht ist zudem kein explizites Ziel.

Abb. 3
figure 3

Ägypterkran. (Bildquelle: V. Filipovic, ZUNS, Belgrad/La main à la pâte)

Abb. 4
figure 4

Steinschleuder. (Bildquelle: Markus Bormann)

Im Interview konnten die Kinder das jeweilige Bild zunächst betrachten, zudem wurde ihnen erläutert, um welchen Gegenstand es sich handelt und wozu dieser verwendet wird. Anschließend wurden ihnen zwei Impulsfragen gestellt. Eine davon richtete den Blick stärker auf die Elemente (z. B. „Entdeckst du beim Ägypterkran auch Dinge, die wir vorhin als Gemeinsamkeiten bei Kleiderbügel und Wippe entdeckt haben?“), die andere lenkte den Blick auf Relationen (z. B. „Funktioniert der Ägypterkran wie die Wippe und der Kleiderbügel oder funktioniert der anders?“).

3.3 Datenerhebung und -auswertung

Alle Interviews wurden aus zwei Perspektiven videografiert (Kind- und Materialperspektive), um verbale und gestische Äußerungen sowie hands-on-Aktivitäten im Zuge der Auswertung aufeinander beziehen zu können. Beide Videoperspektiven wurden über das Programm Pinnacle 20 nebeneinandergelegt, Tonspuren, Videomaterial und Transkript in MAXQDA (Version 2018) synchronisiert, um die (z. T. rudimentären) verbalen Antworten der Kinder zu stützen. Die Interviews wurden anschließend vollständig und regelgeleitet transkribiert (Dresing und Pehl 2017). Wichtig war in diesem Zusammenhang die ausführliche Beschreibung der Aktivitäten der Kinder, da diese ihre Vergleiche häufig mit nur wenig verbalen Kommentierungen durchführten und stattdessen das Vorhandensein der Beispiele durch Exploration nutzten, z. B. beim Drehpunkt an der Wippe:

K: „Nicht sowas, aber es hat hier das da (fasst an Metallhaken, der auf Holzstange aufliegt).“ [K14, Z167]

Die Auswertung der Äußerungen der Schülerinnen und Schüler bei diesem offenen Vergleich erfolgte anhand der inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse (Kuckartz 2016). Die deduktiv entwickelten Kategorien wurden aus Gentners Structure-Mapping-Theory hergeleitet und inhaltlich auf das Hebelgesetz konkretisiert (vgl. Gentner 1983, 1989 – vgl. Tab. 1). Dabei wurde das Mapping von strukturrelevanten Elementen und Relationen mit Blick auf das Verstehen des Hebelphänomens als Erkennen von Tiefenstrukturen definiert. Äußerungen, die sichtbare, für das Hebelprinzip jedoch irrelevante Aspekte enthielten, wurden als Aussagen zu Oberflächenstrukturen gewertet. Die Kategorien wurden anhand von Ankerbeispielen verdeutlicht. Eine Überprüfung der Beobachterübereinstimmung wurde anhand der Kategorien von Tab. 1 vorgenommen. Dabei wurden die Aussagen der Kinder zum offenen Vergleich von zwei Personen unabhängig voneinander codiert. Die Intercoder-Übereinstimmung – errechnet mit einem Cohens Kappa nach Brennan und Prediger (1981) – lag bei κ = 0,92 und damit laut Döring und Bortz (2016, S. 346) im sehr guten Bereich.

Im Anschluss an die Festlegung der Kategorien wurde eingeschätzt, inwieweit den Schülerinnen und Schülern bei den einzelnen Elementen bzw. Relationen das Mapping gelingt oder ob es ihnen Schwierigkeiten bereitet (vgl. Tab. 2). Aus dem Material heraus konnten dabei folgende induktive Kategorien entwickelt werden: richtiges Mapping (Mapping gelingt reibungslos), ungenaues Mapping (Mapping geschieht unvollständig oder ggf. flüchtig) sowie ideenloses bzw. falsches Mapping. Auf der Relationsebene fanden sich zwei spezifische Kategorien: Motorikproblem und Übertragungsfehler. Das Motorikproblem ergab sich immer dann, wenn die Kinder Schwierigkeiten im Handling mit dem konkret verfügbaren Beispiel hatten. Unter Übertragungsfehler wurde deduktiv (angelehnt an Else et al. 2008) ein nicht identisches Mapping gefasst; dies geschah z. B., wenn das Element Gewichte beim Herstellen einer Ungleichgewichtssituation spiegelverkehrt im Vergleich zum anderen Beispiel angeordnet wurde (dies kann inhaltlich richtig sein, da das gewünschte Ergebnis dennoch erzielt wird oder inhaltlich falsch, z. B. bei der Anordnung von drei Gewichten zum Gleichgewicht, vgl. Kap. 4). Es zeigte sich, dass sowohl durch das Motorikproblem als auch den Übertragungsfehler immer ein ungenaues Mapping der Schülerinnen und Schüler entstand – und dass sich umgekehrt sämtliche ungenauen Mappingprozesse bei den Relationen durch das Motorikproblem bzw. den Übertragungsfehler erklären ließen. Aus diesem Grund wurde die Kategorie ungenau bei den Relationen durch die Kategorien Motorikproblem und Übertragungsfehler ausdifferenziert.

Tab. 2 Kategorien bzgl. der Qualität der Mappingprozesse in Bezug auf strukturrelevante Elemente und Relationen beim fokussierten Vergleich der beiden Beispiele (Wippe, Kleiderbügel)

Um zu sichern, dass alle Kinder nach der Lernsituation mit einem vergleichbaren Wissen um die relevanten tiefenstrukturellen Elemente und Relationen in die Transfersituation (Phase 2 des Interviews) gehen, wurden die Kinder im weiteren Verlauf der Lernsituation bei auftretenden Schwierigkeiten durch entsprechende Impulse, wie z. B. „Was hast du denn jetzt getan, damit es funktioniert?“ unterstützt. Viele Kinder zeigten am Ende der Lernsituation Kenntnis von den in Tab. 1 benannten Elementen und Relationen; wo dies nicht der Fall war, wurden ihnen diese vom Interviewer abschließend gezeigt, genannt und erläutert.

4 Ergebnisse

Zu Forschungsfrage 1a)

Welche Mappingprozesse zwischen zwei Beispielen mit gemeinsamer Tiefenstruktur lassen sich beschreiben, wenn Kinder (im Grundschulalter) lediglich einen offenen Impuls erhalten? Finden die Mappingprozesse vorwiegend auf der Ebene der Oberflächen- oder auf der Ebene der Tiefenstruktur statt? Werden auf der Ebene der Tiefenstrukturen eher Elemente oder Relationen gemappt?

Angeregt durch den Impuls „Welche Gemeinsamkeiten entdeckst du zwischen den beiden Beispielen?“ lassen sich zahlreiche Mappingprozesse auf tiefenstruktureller Ebene festhalten; deutlich seltener wird auf der Ebene von Oberflächenstrukturen gemappt: Während es nur von zwei Kindern je eine Nennung zu Elementen der Oberflächenstruktur gibt, benennen insgesamt 24 (von 26) Kindern mindestens ein tiefenstrukturell relevantes Element bzw. eine Relation als Gemeinsamkeit zwischen den beiden Beispielen.

Betrachtet man die in Tab. 1 genannten Kategorien, dann verteilen sich die erfolgreichen Mappingprozesse bzgl. der Elemente auf Gewichte (2), Gewichtspositionen (2) und Drehpunkt (4); die Hebelarme werden hingegen nicht genannt. In Bezug auf die Relationen wird die einseitig höhere Belastung (Ungleichgewicht) vielfach erfolgreich gemappt (13), die zweiseitig gleiche Belastung (Gleichgewicht) wird seltener (6) hergestellt. Die zweiseitig ungleiche Belastung (Gleichgewicht) wird nicht benannt (0). Damit wird auch deutlich, dass mehr strukturrelevante Relationen (19 Relationen von 17 Kindern) als strukturrelevante Elemente (8 Elemente von 7 Kindern) gemappt werden.

Jenseits der Ergebnisse zu diesen deduktiv entwickelten Kategorien ergaben sich aus dem Material heraus drei weitere Kategorien.

So beschreiben fünf Kinder die funktionale Beschreibung des Wippvorgangs, ohne dass sie dabei explizit auf strukturrelevante Relationen eingehen:

K: „Er kann, er kann wippen (Bügel) und die Wippe kann auch so (macht abwechselnde Hoch- und Runterbewegung mit den Händen).“ [K26, Z95]

K: „Dass die beiden so, so wippen (hält den Bügel rechts und schaukelt ihn ein wenig).“ [K33, Z67]

Zwei weitere Kategorien betreffen die Nennung von Unterschieden. Denn wenngleich die gestellte Impulsfrage auf die Erfassung von Gemeinsamkeiten zielte, werden von einigen Kindern auch Unterschiede identifiziert. Dabei können diese Nennungen in zwei Richtungen eingeteilt werden.

Irrelevante Unterschiede beinhalten Ideen der Kinder, die nicht die gemeinsame Funktionalität der Beispiele betreffen:

K: „Es fällt nicht nur so und so (hoch und runter), sondern auch so und so (vor und zurück, bewegt den Bügel aktiv mit der linken Hand, vier Bewegungsdimensionen des Bügels).“ [K16, Z122]

Ausschließlich beschreibend sind Unterschiede auf einer tiefenstrukturellen Ebene, die von den Kindern beschrieben werden, aufgrund des (noch) fehlenden Wissens über das Phänomen allerdings (noch) nicht erklärt werden können:

K: „Wenn ich das hier dranhänge (rechts außen hängt ein Gewicht), dann ist es viel weiter unten hier.“ [K37, Z67]

Zu Forschungsfrage 1b)

Welche Qualität haben die Mappingprozesse bezüglich der Tiefenstrukturen, nachdem die Kinder gezielt nach den einzelnen Elementen und Relationen gefragt werden?

Beim fokussierten Vergleich wurden alle strukturrelevanten Elemente und Relationen (vgl. Tab. 1) in den Blick genommen, indem nach diesen nun konkret gefragt wurde. Bezüglich der Elemente konnten drei Qualitäten der Mappingprozesse unterschieden werden: Die Kinder mappen entweder richtig, ungenau oder ideenlos/falsch (vgl. Tab. 2).

Deutlich wird, dass es nun eine recht hohe Qualität der Mappingprozesse gibt (vgl. Tab. 3). In allen vier Kategorien mappen mehr als die Hälfte der befragten Kinder richtig, wenn diese Elemente gezielt in den Fokus genommen werden.

K: „Bei der Wippe sind es eben Smarties, wo (gemeint ist: welche) auch Gewichte […] sind.“ [K37, Z96]

Tab. 3 Qualität der Mappingprozesse in Bezug auf strukturrelevante Elemente – Anzahl der Äußerungen beim fokussierten Vergleich der beiden Beispiele (Wippe, Kleiderbügel)

Festzustellen ist aber auch, dass eine substanzielle Anzahl der Schülerinnen und Schüler ein ungenaues Mapping vollzieht – v. a. beim Zeigen der Hebelarme oder des Drehpunkts. So wird bei den Hebelarmen nicht deutlich, ob die Kinder nun verstanden haben, was sich alles als Hebelarm definiert; Hintergrund ist die Tatsache, dass die Hebelarme z. T. nur flüchtig oder punktuell gezeigt wurden, anstatt sie in Gänze abzufahren, z. B.:

K: „Ich glaube, hier (hält Wippe links außen am Hebelarm).“ [K25, Z188]

Beim Drehpunkt wird ausschließlich in Bezug auf die Wippe ungenau gemappt, indem der Drehpunkt nicht als Punkt frontal, sondern als Achse von oben gesehen wird, z. B.:

K: „Schätze, das (zeigt bei der Wippe zwischen beiden Metallpfosten von oben hin und her).“ [K17, Z130]

Eher selten hatten die Kinder auf die gezielten Fragen zu den verschiedenen Elementen keine Lösung parat (ideenloses Mapping) z. B.:

K: „M-m (schüttelt Kopf).“ [K31, Z211]

Auch falsches Mapping kam eher selten vor, dieses zeigte sich beispielsweise darin, dass ein Kind ein Element im anderen Beispiel nicht entdeckte:

I: „Hat der Kleiderbügel, was meinst du, hat der auch so einen Drehpunkt?“

K: „(wendet sich zum Bügel hin) Nein.“ [K13, Z82–Z83]

Betrachtet man die Relationen, so finden sich auch hier zunächst die Kategorien richtig und ideenlos/falsch. Wie in Kap. 3.3 bereits skizziert, konnten mit Motorikproblem und Übertragungsfehler noch weitere Kategorien identifiziert werden, die die Schwierigkeiten der Kinder beim Vergleichen genauer beschreiben. Auffallend war hier, dass die Fragen nach Relationen stark zum Ausprobieren der Beispiele anregten, wodurch die Sprechanteile insgesamt niedrig waren und die Aussagen der Kinder vielfach nur in der Kombination mit den (durch die Videografie ersichtlichen) Handlungen der Kinder verständlich wurden.

Mit Blick auf die Daten zeigt sich das gleiche Bild, das sich auch beim Mapping der Elemente ergab: Die Kinder mappen über alle relevanten Kategorien überwiegend erfolgreich (vgl. Tab. 4).

Tab. 4 Qualität der Mappingprozesse in Bezug auf strukturrelevante Relationen – Anzahl der Äußerungen beim fokussierten Vergleich der beiden Beispiele (Wippe, Kleiderbügel)

Am besten (richtig) gelingt das Mapping den meisten Kindern (18) bezüglich der einseitig höheren Belastung: Ungleichgewicht. Unterstützt durch Impulse im Zuge des fokussierten Vergleichs gelingt die Herstellung von Gleichgewicht bei zweiseitig ungleicher Belastung nun knapp der Hälfte der Kinder (12) – diese Kategorie war im offenen Vergleich von keinem einzigen Kind gemappt worden. 14 Kinder benennen die zweiseitig gleiche Belastung (Gleichgewicht).

Die induktiv gebildete Kategorie Motorikproblem ergab sich z. B., wenn die Schülerinnen und Schüler versuchten, durch das Umplatzieren von Gewichten auf der Wippe die Analogie zum Kleiderbügel herzustellen. Dies erforderte eine hohe Legegenauigkeit und gelang nicht durchgängig. Ausschließlich bei der Wippe (die im Gegensatz zum Kleiderbügel keine fest verankerten Gewichtspositionen (vgl. Kap. 3) hatte, sondern nur markierte Stellen), stellte sich die Anforderung nach einem motorisch präzisen Handeln.

K: „Vielleicht so (fasst die beiden einzeln belegten Positionen rechts zusammen und legt sie analog nach rechts mittig, tariert aus, Wippenbrett zunächst im Gleichgewicht, geht in Distanz, Wippenbrett sinkt rechts ab).“

[…] I: „Ja, da musst du mit den Positionen sehr genau sein, jetzt gehts hier ein bisschen runter, was könnte man tun?“

K: (kippt rechten Wippenarm nach oben, schaut ihn genau an, legt jetzt Gewichte nun statt aufeinander rechts hintereinander)

I: „Meinst du es geht nur ganz, ganz leicht rüber [..] ja?“

K: „So (Wippe bleibt mit zwei Gewichten links mittig doppelt aufeinander und rechts mittig doppelt hintereinander im Gleichgewicht).“ [K25, Z226–Z232]

Der Kategorie Motorikproblem ähnlich ist der sog. Übertragungsfehler. Dieser war v. a. dem Verwechseln der richtigen Anordnung der Gewichte geschuldet. Damit wurde die Relation vom einen auf das andere Beispiel nicht exakt übertragen, was eine unterschiedliche Auswirkung im Ergebnis zur Folge haben kann. So ist z. B. bei der Kategorie Ungleichgewicht eine spiegelverkehrte Anordnung der Gewichte bei der Wippe bzw. dem Kleiderbügel ohne Relevanz, die Lösung ist also inhaltlich richtig, der Hebelarm sinkt auf der stärker beladenen Seite ab. Bei der Herstellung von Gleichgewicht durch ungleiche Belastung (indem z. B. auf einem Hebelarm zwei Gewichte mittig und auf dem anderen Hebelarm ein Gewicht außen platziert werden müssen), führt eine verkehrte Anordnung (z. B. zwei Gewichte außen und nur ein Gewicht in der Mitte) zu Ungleichgewicht, also einer inhaltlich falschen Lösung.

I: „Funktioniert das (Gleichgewicht) bei der Wippe genauso, wie beim Bügel?“

K: (legt die Gewichte von rechts mittig nach links mittig; damit befinden sich jetzt links mittig zwei Gewichte und rechts außen ebenfalls zwei)

I: „So funktioniert es, oder nicht, was meinst du?“

K: (lässt die Wippe los, sie geht nun rechts runter, das Kind schüttelt den Kopf) [K33, Z157–Z160]

In nur zwei Fällen waren Kinder bezüglich des Mappings ideenlos bzw. führten ein falsches Mapping durch.

Zu Forschungsfrage 2a)

Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede identifizieren Schülerinnen und Schüler zwischen den aus der Lernsituation bereits bekannten Beispielen und einem weiteren Beispiel?

In der Transfersituation zeigt sich in Bezug auf den Ägypterkran – anders als beim offenen Vergleich – dass das Mapping zu den Beispielen aus der Lernsituation (Wippe, Kleiderbügel) nun v. a. auf der Ebene von Elementen und weniger bzgl. der Relationen erfolgt (vgl. Tab. 5). Benannt werden v. a. die Elemente Hebelarme und Drehpunkt, und damit diejenigen Elemente, die auch in der Lernsituation nach den entsprechenden Impulsen (vgl. Frage 1b) überwiegend korrekt gemappt worden waren.

Tab. 5 Nennungen der strukturrelevanten Elemente aus der Lernsituation in der Transfersituation (Ägypterkran)

Die folgenden Äußerungen zeigen exemplarisch erfolgreiche Mappingprozesse in Bezug auf die vier strukturrelevanten Elemente (vgl. Tab. 5):

K: „Und das da (zeigt auf eine einzelne Smartiesbox links außen oben auf der Wippe) ist der Stein.“ (Gewichte) [K36, Z295]

K: „Da sind zwar keine Nägel (gemeint sind die Fixierungen der Gewichtspositionen für die Foldbackklammern am Kleiderbügel), aber da (Ägypterkran) ist es halt so festgebunden (zeigt am rechten Hebelarm des Ägypterkrans auf die Befestigung der Steinkiste).“ (Gewichtspositionen) [K12, Z274]

K: „Und das Ding (fährt mit dem Finger den Balken beim Kran ab) ist das da (fährt das Wippenbrett mit der Hand ab).“ (Hebelarme) [K24, Z256]

K: „Hier, hier ist der Punkt (zeigt mehrfach tippend auf den Drehpunkt) wo es daran hochgeht bei der Wippe.“ (Drehpunkt) [K37, Z193]

Einige Kinder bezogen sich nicht nur auf das Transferbeispiel des Ägypterkrans, sondern benennen eine Konkretion aus der Lernsituation, um ihre Einschätzungen zum Transferbild zusätzlich zu verifizieren. 14 der 26 Schülerinnen und Schüler bezogen sich dabei explizit auf die Wippe (vgl. Abb. 1), sieben davon, indem sie diese noch einmal aktiv explorierten. Die anderen sieben Kinder blickten während ihrer Erklärung zwischen dem Bild des Ägypterkrans und der Wippe hin und her und schienen das physisch vorhandene Beispiels aus der Lernsituation zu nutzen, um ihre Gedanken zu überprüfen:

K: „Da sieht man schon, die nehmen Steinbrocken weg (zeigt auf Steinkiste am rechten Hebelarm), dass das da weniger wiegt als das da (zeigt auf großen Stein am linken Hebelarm). Also das ist so: (geht zur Wippe) hier sind mehr Smartiesboxen (nimmt vom linken Wippenarm eine Box runter und legt sie auf den rechten Wippenarm außen – analog zum Bild des Ägypterkrans).“ [K36, Z293]

Ohne dass sie direkt danach gefragt worden waren, benennen einige Kinder zudem einen zentralen Unterschied zwischen dem Ägypterkran und den Beispielen aus der Lernsituation: Aufgrund der mit Blick auf die Funktion intendierten Kraftverstärkung sind beim Ägypterkran die beiden Hebelarme unterschiedlich lang. Dies erkannten und benannten insgesamt zehn der 24 Kinder, die das Element Hebelarme (dennoch) erfolgreich transferieren konnten:

K: „Aber der ist länger (zeigt auf rechten Arm).“ [K32, Z362]

Gemeinsamkeiten in Bezug auf strukturrelevante Relationen werden in der Transfersituation nur in vier Fällen (von drei Kindern) benannt. Die beiden Äußerungen zu einseitig höheren Belastungen (Ungleichgewicht) erscheinen sehr beschreibend, z. B.:

K: „Den zieht es mehr runter (gemeint ist der rechte Hebelarm, Kind zeigt mehrfach auf das rechte Gewicht und bezieht sich hier auf die Gemeinsamkeit zur Wippe).“ [K37, Z193]

Auch die Herstellung von Gleichgewicht durch eine zweiseitig gleiche Belastung wird durch zwei Kinder eher vage beschrieben, z. B.:

K: „Wenn man genau den Stein (Gewicht, groß, links) dort dranmacht. Also, dann könnte man es gleichmäßig machen.“ [K25, Z370]

K: „Zum Beispiel, wenn man hier und hier was hinmacht (zeigt auf die angehängten Steine am Balken des Ägypterkrans), wird das gleich.“ [K13, Z220]

Ergänzend zu erwähnen ist, dass sich in dieser Transfersituation nicht alle Vergleichsprozesse auf Tiefenstrukturen beziehen. Ein Kind verbleibt bei oberflächlichen Ähnlichkeiten:

I: „Mhm (zustimmend). Ähm, entdeckst du in diesem Kran Dinge, die wir auch in den beiden Beispielen gefunden haben?“

K: „(schaut zu den Beispielen, dann zurück zum Bild) Ecke?“

I: „Was meinst du mit Ecke?“

K: „Ja hier (zeigt auf die Ecke des großen Steins links oben am Bild), drin, an der Ecke.“

[…] I: „Achso, weil die Smartiesboxen auch Ecken haben (zeigt zur Wippe)“?

K: „Ja.“ [K32, Z341–Z346]

Zwei weitere Kinder bemerken zwischen Wippe und Ägypterkran Unterschiede in Bezug auf Oberflächenstrukturen, z. B. formuliert eines der Kinder:

K: „Also, das hier (zeigt beim Bild des Ägypterkrans auf die Holzkonstruktion, worauf der Balken liegt), ist nicht hier, (hier sind es) zwei Stangen (aus Metall, zeigt auf Wippe).“ [K18, Z315]

Zu Forschungsfrage 2b)

Was passiert, wenn die Schülerinnen und Schüler mit einem Distraktor konfrontiert werden?

Bezogen auf das Lernen von Tiefenstrukturen ist von Bedeutung, dass das zweite Beispiel aus der Transfersituation, die Steinschleuder, von 14 Kindern als Distraktor erkannt wird. Einige wenige Kinder begründen dies auf einer tiefenstrukturellen Ebene anhand von strukturrelevanten Elementen:

K: „Nee, das funktioniert ganz anders, das hat ja nicht einmal einen Drehpunkt!“ [K20, Z369]

K: „Ähm, also hier ist ein Arm und hier ist ein Arm (fährt die Holme jeweils ab), aber es hat keinen Drehpunkt.“ [K35, Z335]

In diesem Fall ist ersichtlich, dass sich das Kind zunächst bemüht, Gemeinsamkeiten zu entdecken, durch den Bezug auf das für die Funktionsweise von Hebeln zentrale Element Drehpunkt jedoch dann in der Lage ist, die unterschiedliche Funktionsweise zu benennen.

Allerdings fanden einige Kinder scheinbare Gemeinsamkeiten. Dies geschah dann, wenn sie auf der Oberflächenstruktur des Beispiels verblieben und somit bei der Steinschleuder Gemeinsamkeiten im (faktisch jedoch nicht vorhandenen) Drehpunkt oder bei den (ebenfalls faktisch nicht vorhandenen) Hebelarmen sahen:

K: „Das sind die zwei Arme (fährt Holme jeweils ab), das ist der Drehpunkt (zeigt auf Stelle, an der sich die Schleuder gabelt).“ [K21, Z427]

5 Diskussion

Zusammenfassend zeigen die Befunde zunächst, dass Kinder im Grundschulalter Mappingprozesse durchführen können. Auf die offene Frage nach Gemeinsamkeiten zweier Beispiele zum Hebelgesetz konnten fast alle Schülerinnen und Schüler (24 von 26) mindestens ein strukturrelevantes Element oder eine strukturrelevante Relation benennen. Erklärungsbedürftig ist dabei die Tatsache, dass deutlich häufiger strukturrelevante Relationen kategorisiert wurden. Mit Blick auf die Structure-Mapping-Theory von Gentner wäre zu erwarten, dass in einem ersten Schritt Elemente benannt werden, die erst durch die anschließende systematische Verbindung zu einer Relation werden. Eine mögliche Erklärung bildet die Tatsache, dass die Schülerinnen und Schüler in dieser Phase die real vorhandenen Gegenstände (Wippe und Kleiderbügel, auch unter Hinzunahme von Gewichten) eigenständig explorieren konnten (vgl. Kap. 3.2). Durch diese Exploration und die haptischen Rückmeldungen durch die Phänomene wurde Gleichgewicht und/oder Ungleichgewicht erzeugt, das dann von den Kindern erklärt wurde. Zu diskutieren ist, inwieweit diese Antworten als tiefenstrukturelle Relationen interpretiert werden können. Trotz der Tatsache, dass nur Kinder mit Deutsch als Erstsprache interviewt wurden, wurde deutlich, dass manche Kinder Schwierigkeiten hatten, ihre Überlegungen präzise zu formulieren. Es gelang den Kindern zwar, Vorgangsbeschreibungen abzugeben und diese mit Funktionalität zu verbinden. Durch die z. T. fehlende Fachsprache und die (z. T. damit verbundene) Tatsache, dass die verschiedenen Elemente sprachlich nicht präzise aufeinander bezogen wurden, wären weitere Studien erforderlich, um zu überprüfen, ob hier tatsächlich ein tiefenstrukturelles Verständnis von Relationen vorliegt. Dennoch scheint uns die Interpretation, dass das Verständnis dieser Relationen zumindest angelegt wurde, plausibel: Schließlich werden in den Aktivitäten der Schülerinnen und Schüler verschiedene Elemente so aufeinander bezogen, dass bestimmte Effekte gezielt erreicht werden (z. B. das Herstellen von Gleichgewicht). Die Kinder beziehen sich in ihren Äußerungen auf tiefere Strukturen, die den Weg hin zu wissenschaftlich fundierten Tiefenstrukturen weisen. Weitere Studien wären jedoch erforderlich, um zu zeigen, inwieweit sich diese Entwicklung dann auch wirklich zeigen lässt.

Zu konstatieren ist, dass im Zuge des fokussierten Vergleichs die Mehrzahl der Schülerinnen und Schüler bezüglich der für das Hebelgesetz relevanten Elemente korrekte Mappingprozesse leisten konnte. Die eingesetzten Impulse lassen sich durch die Aufforderung des gezielten Vergleichens als kognitive Aktivierung und auch als konstruktive Unterstützung in einer didaktisch gestalteten Lernsituation interpretieren. Wir folgern daraus, dass die Vorgehensweise, die Kinder zunächst offen und anschließend fokussiert vergleichen zu lassen, mit Blick auf ein erfolgreiches Mapping zielführend ist. Die Daten deuten darauf hin, dass die Kinder durch den offenen Vergleichsimpuls kognitiv aktiviert werden, da sie durchgängig bereit und in der Lage waren, entsprechende Bezüge nicht nur auf der Oberflächenstruktur, sondern auch auf der Tiefenstruktur zu mappen. Dieser Fokus auf die (mit Blick auf die zu lernende Gesetzmäßigkeit) entscheidenden strukturrelevanten Elemente und Relationen kann dann dafür genutzt werden, dass die Suche nach Gemeinsamkeiten nach dem ersten erfolgreichen Mapping fortgesetzt wird. Zugleich war es erforderlich, die Kinder zu unterstützen, denen dieses Mapping nicht gelungen ist. Hierfür war das produktive Zusammenwirken von eher problematisierenden Scaffoldingmaßnahmen (wie die hier durchgeführte kognitive Aktivierung) und eher strukturierenden Maßnahmen (wie die unterstützenden Fokussierungen) bedeutsam (vgl. dazu z. B. Reiser 2004). Bei der Übertragung der Befunde aus der hier untersuchten Einzelsituation auf den Unterricht in einer Schulklasse wird zu überlegen sein, wie dies mit Blick auf unterschiedliche Lernvoraussetzungen der Kinder gelingen kann (vgl. dazu z. B. Ziegler et al. 2017).

Die hohe Bedeutsamkeit der aktiven Exploration an den Beispielen lässt sich auch in der Transfersituation erkennen. Viele Kinder bezogen sich auch bei den dort erforderlichen Vergleichen auf die konkreten Realisationen der Lernsituation und schienen die Explorationsmöglichkeit des physisch vorhandenen Beispiels aus der Lernsituation weiterhin zu nutzen, um ihre Gedanken zu überprüfen. Damit wiederholen sie die Mappingprozesse der Lernsituation – z. T. sehr erfolgreich, wie z. B. bei den für das Hebelgesetz relevanten Elementen Hebelarme und Drehpunkt. Diese werden dann auch in der Verfremdung wiedererkannt und führen dazu, dass in vielen Fällen der Distraktor korrekt als solcher erkannt wird. Festzuhalten ist jedoch auch, dass es nun deutlich weniger Kindern gelingt, die relevanten Relationen zu mappen. Es bedarf weiterer Analysen, inwieweit hier zusätzliche Unterstützung hilfreich wäre – sicherlich ist die dabei vergleichsweise geringe Lernzeit und die andere Modalität (Bild und damit die nicht vorhandene Explorationsmöglichkeit im Transferbespiel) zu berücksichtigen.

Die Ergebnisse der hier präsentierten Studie ergänzen bereits vorliegende Befunde zu Mappingprozessen (vgl. Lohrmann et al. 2014), wonach die Oberflächenstruktur der Beispiele den cognitive load erhöhen und damit das Mapping erschweren können. Die Tatsache, dass nur sehr wenige Kinder im offenen Vergleich Aussagen auf der Oberflächenstruktur der Beispiele benennen, zeigt aber auch, dass die Auswahl guter Beispiele (Schwelle et al. 2015) dazu beitragen kann, den Blick auf tiefenstrukturell relevante Merkmale zu lenken. Ergänzende Analysen ergaben zusätzlich erste Hinweise darauf, dass es ohne Bedeutung für die erfolgreichen Transferprozesse ist, ob die Schülerinnen und Schüler bereits im offenen Impuls korrekt mappten oder erst im Verlauf der weiteren Lernsituation.

Die vorliegenden Ergebnisse ergänzen die bisherige Befundlage auch bezüglich (bewusst einzusetzender) Unterschiedlichkeiten, durch welche die Fähigkeit zum Kontrastieren didaktisch angeregt werden kann (vgl. Kap. 1.1). Bei der Analyse der Aussagen der Schülerinnen und Schüler wurde deutlich, dass Kinder nicht nur Gemeinsamkeiten in den Blick nahmen (obwohl sie ausschließlich danach gefragt wurden), sondern z. T. auch auf Unterschiede eingingen. Solche Unterschiede standen dann bei den Transferbeispielen, insbesondere dem Distraktor, im Mittelpunkt. Auch mit Blick auf entwicklungspsychologische Forschung unterstreicht die Befundlage, dass die (Hebelgesetz‑)Kompetenzen jüngerer Grundschulkinder weniger durch sensible Phasen (z. B. Siegler 1976) als vielmehr durch ihre Intelligenz und Sprache (z. B. Koerber und Osterhaus 2019) beeinflusst sind. Vor allem aber kann Lernunterstützung (z. B. durch Produktionsaufgaben wie die Exploration eines Beispiels) dazu beitragen, dass bereits jüngere Kinder zwei Dimensionen (Gewichte, Distanz zum Drehpunkt) in ihre Überlegungen einbeziehen können (z. B. Wilkening und Anderson 1990). Konkret können auch Planungs- und Reflexionsgespräche zum (zweiseitigen) Hebelphänomen zum Lernerfolg beitragen (Ebel 2019).

Limitationen der Studie liegen v. a. in der geringen Reichweite durch die kleine Stichprobe. Zudem mussten die Denkprozesse vorwiegend aus den mündlichen Aussagen der Kinder erschlossen werden, wobei sich die Kinder z. T. nur rudimentär äußerten. Sprachliche Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler wurden nicht explizit erhoben – dies wäre in künftigen Studien zu berücksichtigen. Durch die Videographie war es zumeist gut möglich, mithilfe der aufgenommenen Handlungen (z. B. Zeigen auf Elemente) diese Kommentare einzuordnen. Nicht möglich war es jedoch, durch ergänzende Interviews die Einschätzungen der Denkprozesse noch einmal gemeinsam mit den Kindern abzugleichen und die Einschätzung damit im Konsens zu validieren.

Zudem war die Interview- und somit Lernsituation vergleichsweise kurz. Von daher könnte die Nutzung des Analogen Enkodierens in Gestalt einer Unterrichtseinheit vielversprechend sein, da sich Kindern dadurch die Möglichkeit erschließt, über einen längeren Zeitraum bei tiefenstrukturell ähnlichen Beispielen explorierend Gemeinsamkeiten zu entdecken.