1 Partizipation an, mit oder über Forschung?

Ausgehend von dem Anspruch, sowohl soziale Wirklichkeit(en) von Kindern sichtbar zu machen als auch ihre Handlungsfähigkeit im Sinn von Empowerment (von Unger 2014) zu unterstützen, zielen partizipative Zugänge in der Forschung mit Kindern darauf, deren Perspektiven für Forschungsgegenstand und -prozess zu weiten und Handlungsmöglichkeiten zur Bearbeitung eigener (Forschungs)Fragen vor dem Hintergrund eines relationalen Verständnisses von Agency (Eßer 2014) und generationaler Ordnungen (Heinzel 2019) zu schaffen bzw. nicht zu be-/verhindern (Bradbury-Jones und Taylor 2015, S. 161). Das Verständnis Partizipativer Forschung und damit einhergehende Konsequenzen für Rolle(n) und Handlungsspielräume von Kindern stellen im internationalen Kontext wichtige Diskussionspunkte dar. U. a. werden Fragen der Prozess- und Produktqualität der Forschung und die Professionalisierung der Forschenden (Hammersley 2017; Thomas 2021), der Positionierungen und Etikettierungen von Kindern innerhalb Partizipativer Forschung (Spriggs und Gillam 2017; Willumsen et al. 2014), der Transparenz und Reflexion im Hinblick auf Forschungsrahmen, Verwobenheit der Kinder mit Peers und Erwachsenen in intra- und intergenerationalen Ordnungen und damit verbundenen Abhängigkeitsverhältnissen diskutiert (Büker et al. 2021; Velten und Höke 2021).

Partizipative Forschungsprojekte mit Kindern im Grundschulkontext sind im Vergleich zu Studien im Elementarbereich oder im Sekundarbereich allerdings unterrepräsentiert (Büker und Hüpping 2022; Lundy und McEvoy 2012; Murray 2017). Als mögliche Begründung hierfür verweisen Kellett et al. (2004) auf widersprüchliche institutionelle Rahmenbedingungen, in denen sich das geforderte Recht auf Partizipation weder pädagogisch noch forschungsbezogen umsetzen lässt (ebd., S. 330). Lundy kritisiert z. B. schulische und forschende Praktiken, die sich auf „Students Voice“ reduzieren (Lundy 2007, S. 930). Hier setzt das vorliegende systematisch vergleichende Forschungsreview (Newman und Gough 2019) an und richtet sich nach einer Verortung Partizipativer Forschung mit Kindern entlang der forschungsmethodologischen und ethischen Besonderheiten in Forschungskonstellationen zwischen Kindern und Erwachsenen sowie des (grund)schulspezifischen Forschungsfelds auf folgende Fragestellungen: (1) Wie und unter welchem Verständnis wird Partizipative Forschung mit Kindern im Grundschulkontext im englisch- sowie deutschsprachigen Raum bearbeitet und (2) welche Herausforderungen sowie Potenziale lassen sich für die deutsche Grundschulforschung ableiten? Hieraus werden ausgewählte Ergebnisse mit Blick auf partizipative Forschungszugänge mit Kindern für die Grundschulforschung und Grundschulpraxis vorgestellt und diskutiert.

2 Partizipative Forschung mit Kindern

Unter dem Begriff Partizipative Forschung subsumieren sich Ansätze, die auf die Einbindung von Forschungsteilnehmer:innen als Mitforschende, Co-Forschende bis hin zu primär Forschende zielen (von Unger 2014, S. 1). Sowohl die Beteiligung von Akteur:innen als Forscher:innen als auch Maßnahmen zur individuellen und kollektiven Selbstbefähigung und Ermächtigung der Partner:innen zeichnen partizipative Forschungszugänge aus und verdeutlichen deren doppelte Zielsetzung (Eßer et al. 2020; von Unger 2014). Eßer et al. (2020, S. 5) heben hervor, dass sich Partizipative Forschung als buzz-word kennzeichnen lässt, unter dem sich aktuelle und normative Konjunkturen hinsichtlich partizipativ ausgerichteter Forschung mit unterschiedlichen Akteur:innengruppen verorten lassen, ohne an sich schon Erklärungskraft zu besitzen. Im deutschen und englischen Sprachraum finden sich parallel verwendete Begriffe wie Partizipative Sozialforschung, Aktionsforschung, Action Research, Participatory Action Research und Community-Based Participatory Research (von Unger 2014, S. 3; Wöhrer et al. 2017, S. 32), die eine Nähe zum angloamerikanischen Ansatz des Participatory Action Research aufweisen (Bergold und Thomas 2020, S. 114; von Unger 2014, S. 5). Erkennbar wird daraus, dass Partizipative Forschung lange im Kontext der AktionsforschungFootnote 1 angesiedelt war. Aktuelle Ansätze Partizipativer Forschung verstehen sich eher als Forschungsstil (Bergold und Thomas 2020, S. 113). Dabei handelt es sich um Gemeinschaftsprojekte mit nichtwissenschaftlichen Akteur:innen (von Unger 2014, S. 2), die nicht losgelöst von Verständigungsprozessen und Machtverhältnissen zwischen den unterschiedlichen Akteur:innen und ihrer Institutionen zu betrachten sind (Büker et al. 2021; Velten und Höke 2021).

Auch für die Partizipative Forschung mit Kindern liegen unterschiedliche Begriffsvariationen mit unpräzisen Definitionen vor, wie z. B. Active Involvement in Research, Child-Led Research, Child Co-Research oder Peer Rresearch (Spriggs und Gillam 2017, S. 6). Im deutschsprachigen Kontext finden sich ähnliche Begriffe wie Co-Forscher:innen, Forscher:innen und schüler:innenaktive Forschung (Feichter 2015; Hüpping und Büker 2019; Sitter 2019; Wöhrer et al. 2017). Die Aktivitäten der Kinder können sich dabei auf einzelne Phasen von Forschung begrenzen (z. B. Kerawalla und Messer 2018), auf den gesamten Forschungsprozess beziehen, oder bis zur aktiven Beteiligung an Beratungsausschüssen gehen (Lansdown 2018, Shier 2019). Daraus werden Potenziale für die Kinder abgeleitet, wie z. B. die Stärkung des Selbstvertrauens und Empowerment (Shier 2019) sowie die Fähigkeit zum kritischen Denken (Kellett 2006). Hierzu zählt auch, dass eine von Kindern durchgeführte Forschung zu einem besseren Verständnis ihrer Lebens- und Erfahrungswelt führen kann (Büker und Hüpping 2022; Kellett et al. 2004).

Gemessen an sozialwissenschaftlichen Qualitätsstandards wird die Frage aufgeworfen, inwiefern es sich bei diesen Forschungsansätzen überhaupt (noch) um Forschung handeln kann (Thomas 2021). Forschen mit Kindern, so Hammersley, scheint zu einem neuen Gold Standard der Kindheitsforschung avanciert zu sein (ebd. 2017, S. 123). Dabei sei die Verwischung zwischen den Wissenschaftler:innen und den Akteur:innen aus der Praxis sowie dem zugrundeliegenden Forschungsfeld kritisch zu betrachten und einzuordnen (Hammersley 2017, S. 114). Dies wird auch für die erzielten Forschungsergebnisse angeführt, die vermehrt für die lebensweltliche Praxis eine Relevanz aufweisen und Möglichkeiten der Theoriebildung eher einschränken (von Unger 2014, S. 96). Weiter wird auf die Diskrepanz der Forschungskompetenz zwischen Kindern und Erwachsenen verwiesen (Lundy und McEvory 2012). Auch das Bild von Kindern und Kindheiten als homogene Kategorien sowie damit verbundenen Anerkennungsverhältnisse werden hinterfragt (Hammersley 2017, S. 123). Die in diesem Zusammenhang angeführte Handlungskompetenz, die Kindern eine aktive Rolle zuschreibt, ist positiv aufgeladen und es ist oftmals unklar, was diese beinhaltet, da das komplexe Konzept relationaler Agency sowohl faktisch als auch normativ interpretiert werden kann (Hammersley 2017, S. 124). Partizipative Forschung mit Kindern wirft zudem bedeutsame forschungsethische Fragen auf (Alderson und Morrow 2020; Spriggs und Gillam 2017), die auch in den Diskursen um generationale Ordnung (Heinzel 2019), ethische Symmetrien (Eßer und Sitter 2018), symmetrische Dialoge (Pascal und Bertram 2009) sowie des Begriffs der Angemessenheit (Höke und Velten 2022; Velten und Höke 2021) thematisiert werden: Je nach Blickrichtung können aus Perspektive beforschter und forschender Kinder Schwierigkeiten z. B. in Bezug auf die Datengenerierung entstehen, die das Beziehungs- und Machtgefüge in der Gemeinschaft mit Gleichaltrigen und Erwachsenen verändern können (Spriggs und Gillam 2017, S. 12 f.). Auch wenn von den Kindern eingebrachtes Wissen Wertschätzung erfährt, ergeben sich faktische Unterschiede in Bezug auf die Verantwortung der Erwachsenen gegenüber den Kindern (Eßer und Sitter 2018).

Vor diesem Hintergrund wird in Anlehnung an Bradbury-Jones und Taylor (2015) folgende Einordung partizipativer Forschungszugänge mit Kindern für den Grundschulkontext abgeleitet:

Partizipative Forschung zielt auf die (1) Handlungsfähigkeit und rechtebasierte Beteiligung von Kindern. Dabei stellen Lundy und McEvory (2012) heraus, dass das Recht der Kinder auf Partizipation und Einflussnahme auch das Recht auf einen (2) begleiteten Lern- und Erfahrungsprozess beinhaltet. Der Prozess der Forschung benötigt zudem (3) Raum für Aushandlungen, Transparenz und Dialog zwischen den Beteiligten und ihrer Institutionen (vgl. auch Feichter 2015), um Positionierungen und Machtverhältnisse im Kontext inter- und intragenerationaler Ordnungen zwischen Kindern, ihren Peers und Erwachsenen zu reflektieren.

Daran anknüpfend werden im Folgenden empirische Ansätze Partizipativer Forschung mit Kindern über ein systematisch vergleichendes Forschungsreview daraufhin analysiert, wie, d. h. hier insbesondere unter welchem Verständnis und mit welchen Zielen Partizipative Forschung mit Kindern im Grundschulkontext im für den Forschungsansatz dominierenden englisch- und dazu vergleichend im deutschsprachigen Diskussionsfeld durchgeführt wird. Für die Einordnung Partizipativer Forschung mit Kindern bietet das Partizipationsmodell von Lansdown (2018) u. E. hier eine geeignete Reflexionsfolie, um Ebenen der Beteiligung zu identifizieren und rechtebasiert zu analysieren. Es stellt Partizipationsmöglichkeiten von Kindern auf drei wesentlichen Ebenen der Beteiligung dar:

  1. a)

    Consultation/Child as Informant, in der Forschung von Erwachsenen initiiert, geleitet und verwaltet wird, und Kinder nach ihrer Meinung zu bestimmten Themen gefragt werden, sie jedoch darüber hinaus nicht in den Forschungsprozess einbezogen werden;

  2. b)

    Collaboration/CO-Reseach, in der Forschung von Erwachsenen initiiert ist, und zugleich Kindern ein zunehmendes Maß an selbstgesteuertem Handeln ermöglicht wird, z. B. sowohl den Forschungsprozess als auch das Ergebnis zu beeinflussen oder in Frage zu stellen, also Erwachsene und Kinder zusammenarbeiten und sich Rollen und Verantwortlichkeiten in der Forschung teilen;

  3. c)

    Pro-activism/Child-Led-Research, in der Forschung von Kindern selbst initiiert, organisiert oder durchgeführt wird, sie den Forschungsprozess und die Ergebnisse kontrollieren und über den Modus und die Reichweite der Dissemination entscheiden, hierbei mit oder ohne ein gewisses Maß an Unterstützung durch Erwachsene (z. B. als Forschungsexpert:innen oder Vermitler:innen) (Lansdown 2018).

Formen wie Pseudopartizipation oder Alibiteilhabe werden als Nicht-Partizipation betrachtet (Lansdown 2018; und hierzu kritisch, Reisenauer 2020). Wohlwissend, dass Modelle die verschiedenen gleichwertigen Perspektiven auf Partizipation nur begrenzt abbilden können und sie anfällig für normative Interpretationen und Erwartungen sind, nutzen wir die Begriffe der Partizipation als Konsultation, Kollaboration und Pro-Aktivismus für das folgende Review, um die unterschiedliche Beteiligungsgrade von Kindern am und im Prozess der Forschung abzubilden und jeweils herauszuarbeiten, welche aktuellen Herausforderungen und Potenziale zur Partizipativen Forschung mit Kindern sich zeigen. Daraus sollen im Beitrag Schlussfolgerungen für die deutsche Grundschulforschung abgeleitet werden.

3 Methodische Vorgehensweise des Reviews

Für das Review erfolgte hinsichtlich des Erkenntnisinteresses (s. oben) vorab eine englisch- und deutschsprachige Verschlagwortung (partizipat*, Forschung/research, Kind*/child*, Schüler*/student*). Mit der Festlegung genereller Ein- und Ausschlusskriterien wurden Texte analysiert, die (1) sich auf Kinder im Grundschulalter (5–12 Jahre) richten (Partizipierende), (2) im weiten Sinn Grundschule als Lern- und Lebensraum beforschen (Kontext/Inhaltlicher Fokus), und (3) als empirisch basierte Forschungs‑/Studienberichte vorliegen (Textform). Um einen Anschluss an vorliegende Reviews zu bilden, wurden mit dem Kriterium der Aktualität (4) Texte einbezogen, die ab 2017 bis 2022 veröffentlicht wurden (letzte Suche am 25.03.2022). Das zugrunde liegende (5) Partizipationsverständnis (consultation, collaboration, pro-activism) bzw. Nicht-Partizipation (s. oben) bildete sowohl ein Ein‑/Ausschlusskriterium als auch eine Analysekategorie des Reviews. Neben diesen inhaltlich begründeten Kriterien wurden aus forschungspragmatischen Gründen zudem nur Texte eingeschlossen, die digital oder im Open Access-Format erschienen sind (Zugänglichkeit)Footnote 2 (Newman und Gough 2019).

Auf dieser Grundlage folgte die systematische Recherche in den drei Datenbanken FIS (Fachinformationssystem) Bildung, ERIC (Education Resources Information Center) und BASE (Bielefeld Academic Search Engine)Footnote 3. Zur Erhöhung der maschinellen Suchgenauigkeit wurden die Schlagwörter mit logischen Operatoren verbunden, Suchkategorien mittels der Ein‑/Ausschlusskriterien ausgewählt und ergänzend dazu in der Datenbank ERIC die zusätzlichen Deskriptoren „Participatory Research“ bzw. „Action Research“ (jeweils abhängig von den gewählten Optionen der Verschlagwortung) angewendet. Dies ergab eine Trefferbasis von insgesamt 845 Texten. Daraus wurde der final analysierte Datenkorpus des Reviews unter Anwendung der Ein‑/Ausschlusskriterien dreistufig über die Überprüfung des Titels (N = 412), des Abstracts (N = 163) und schließlich des Volltexts gewonnen (N = 18)Footnote 4. Dubletten wurden vorab mithilfe der Literatursoftware Citavi entfernt. Über eine manuelle Recherche auf Grundlage bekannter Quellen konnten im „Schneeballprinzip“ (Wymann und Neff 2018, S. 38) fünf weitere nicht über die maschinelle Suche ermittelte Texte identifiziert werden, so dass in das Review N = 22 (13 englischspr./9 deutschspr.) Texte einbezogen wurden (siehe Tab. 1).

Tab. 1 Identifizierte Literatur

Die inhaltsanalytische Auswertung des Datenkorpus erfolgte mit der Software MaxQDA. In einer deskriptiv-quantitativen Inhaltsanalyse (Teilreview I) wurden die Dokumentengruppen der englisch- sowie deutschsprachigen Primärquellen einem Gruppenvergleich mittels quantitativen Grids hinsichtlich wesentlicher Kategorien bzw. Stadien des Forschungsprozesses unterzogen (z. B. wer führte die Forschung mit welchen Zielen und welchen theoretischen Annahmen/Begründungen durch?). Die qualitative Inhaltsanalyse (Teilreview II) in Anlehnung an Kuckartz (2018) erfolgte entlang zentral formulierter Hauptkategorien hinsichtlich des zugrundeliegenden Partizipationsverständnisses sowie des partizipativen Zugangs sowohl deduktiv als auch induktiv. Aus beiden Teilreviews werden nun ausgewählte Ergebnisse mit vergleichendem Blick auf

  1. 1.

    die Fragen und Ziele der englisch- und deutschsprachig präsentierten Studien sowie

  2. 2.

    des jeweils zugrundeliegenden theoretischen und methodologischen Frameworks (Partizipationsverständnisses)

dargestellt.

4 Darstellung der Ergebnisse

4.1 Fragen und Ziele Partizipativer Forschung mit Grundschulkindern

Auf inhaltlicher Ebene fokussieren die analysierten Studien zum einen mit dem Wohlbefinden von Schüler:innen (3), ihrer Literacy und Textproduktion(skompetenzen) (2), Schüler:innenperspektiven auf Unterricht und/oder Homeschooling (2), Bildungsaspirationen (2), Identität und Interaktion (1) und Spielpraktiken von Grundschüler:innen (1), deren Erfahrungen mit dem Privatschulwesen (1) und Bullying (1) sowie Selbstwirksamkeitserfahrungen (1) und Raum- und Bewegungserleben im Ganztag (1) ein breites Spektrum. Mit 13 Nennungen interessieren sich zum anderen mehr als die Hälfte der Studien für die Partizipation von Schüler:innen, deren Perspektive auf erwachsene Gatekeeper für die Partizipation von Kindern (in verschiedenen Kontexten, bei der Erstellung von Material) sowie deren Wissen über ihre Partizipationsrechte.

Drei übergreifende Aspekte fallen daran anschließend auf: Erstens richtet sich knapp ein Viertel der gesichteten Studien (5/22) sowohl auf Partizipation als auch ein weiteren inhaltlichen Fokus (z. B. (Ermöglichung von) Partizipationserfahrungen und mentales Wohlbefinden, Fidyk 2019Footnote 5), was die quantitative Abweichung der Zielnennungen von der Grundgesamtheit der analysierten Studien (s. oben) bedingt. Zweitens zielen die Studien auf die kindfokussierte Beschreibung des „Status Quo“ des interessierten Phänomens bzw. Kontextes der Partizipation und/oder die an Kinderperspektiven und -relevanzen orientierte Benennung von Ansatzpunkten zur Veränderung der Lernumgebungen und -prozesse im schulischen Kontext. Drittens wird mit dem Ansatz der Partizipativen Forschung das Empowerment der beteiligten Kinder „durch Forschung“ verbunden und richtet sich sowohl auf die Mitteilung ihrer Sichtweisen als auch auf geteilte Verantwortungsübernahme.

Das schließt konsistent an die ursprünglichen Ideen partizipativer Forschungsansätze an, die sich mit generellen pädagogischen Zielstellungen der Ermöglichung von Partizipation decken. So verfolgen z. B. French und Hobbs (2017) und Hüpping und Kamin (2020) neben dem inhaltlichen Ziel der Wahrnehmung und Beschreibung von Partizipation in der Grundschule aus Sicht von partizipierenden Kindern auch das pädagogische Ziel der Befähigung der Kinder zur Partizipation und die Ermöglichung von Partizipationserfahrungen im/durch das Forschungsprojekt. Bei getrennter Betrachtung verfolgen vor allem die englischsprachig präsentierten Studien diese doppelte Zielstellung (8/13). Möglicherweise deutet dies auf die im englischsprachigen Diskurs stärkere Verknüpfung mit dem Verständnis des Action Research hin, wohingegen Aktionsforschung im deutschsprachigen Raum (mit Ausnahme der österreichischen Forschung) einer kritischen Rezeption unterliegt (Eßer et al. 2020; von Unger 2014).

Neben inhaltlichen Zielen verfolgen ca. ein Drittel (8/22) der untersuchten Studien ein Erkenntnisinteresse auf forschunsmethod(olog)ischer Ebene. Unterschieden nach englisch- und deutschsprachigen Texten zeigt sich, dass sich mit sechs Studien dreimal so viele englischsprachige Studien auf die Weiterentwicklung des Ansatzes der Partizipativen Forschung mit Kindern richten, vor allem hinsichtlich der Partizipationsgrade und Freiräume in verschiedenen Stadien des Forschungsprozesses „to create a continuum of co-research that could allow one to map the degree of involvement of research participants/co-researchers in a research project“ (Collier 2019, S. 54), oder der Spezifizierung des forschungsmethodischen Repertoires, wie z. B. zur Erschließung des dialogischen Schreibens ethnografischer Feldnotizen und Beobachtungsprotokollen gemeinsam mit den beobachteten Kindern (Albon und Barley 2021). Diese Studien stellen auch Schlussfolgerungen hinsichtlich ethischer Fragen in der Partizipativen Forschung mit Kindern an, die Themen wie die Aus- und Verhandlung von Forschungsthemen, -zielen und -inhalten, die konsensuelle Partizipation oder die Machtverhältnisse innerhalb des Forschungsvorhabens bzw. die Rolle der erwachsenen Forschenden reflektieren (z. B. „Ongoing Negotiating of Consent/Assent“, Collier 2019). Die beiden deutschsprachig präsentierten Studien (Gumz 2020; Kogler et al. 2021) setzen sich mit Fokus auf die Ermöglichung konsultativer Partizipation mit verschiedenen Zugangsweisen zu den fokussierten Kinderperspektiven auseinander. Daraus könnte gefolgert werden, dass sich die method(olog)ische Diskussion in englischsprachigen Veröffentlichungen auf spezifische Fragen richtet, die besonders auf die Weiterentwicklung von Co-Forschung und Child-led-Research fokussieren, wohingegen im deutschsprachigen Diskurs grundlegende Fragen nach rechtebasierten Zugangsweisen zu Kinderperspektiven und damit verbundenen partizipativen Handlungsräumen bearbeitet werden. Eine Erklärung hierfür könnte sowohl in der vorangeschrittenen Etablierung des Ansatzes in der wissenschaftlichen Community als auch in der strukturellen forschungspraktischen Eingebundenheit ethischer Richtlinien und einer Rechenschaftspflicht gegenüber Ethikkommissionen innerhalb des englischsprachigen Forschungsdiskurses und ihrer Veröffentlichungen liegen. Demgegenüber nehmen deutschsprachige Studien aktuell vor allem explorativen Charakter als Praxis-Forschungsprojekte ein (Bergold und Thomas 2020; von Unger 2014). Ethische Fragen sind eher im theoretisch-methodologischen als im empirisch-methodischen erziehungswissenschaftlichen Diskurs etabliert.

4.2 Theoretisches und partizipatives Framework und methodische Ausrichtung

Begründet wird die partizipative Ausrichtung aller in den analysierten Forschungsberichten beschriebenen Projekte einerseits mit der Verpflichtung zur Orientierung an und Einhaltung der Kinderechte sowie andererseits über die kindheitssoziologischen Konzepte der kompetenten Akteur:innenschaft von Kindern und der generationalen Ordnungsstruktur von Kindheit und Erwachsenheit. In den gesichteten Studien wird die Bandbreite möglicher partizipativer Forschungszugänge und Reichweiten für Partizipation von Kindern abgebildet. Der überwiegende Teil (19) lässt sich dem qualitativen Forschungsparadigma zuordnen, lediglich drei Studien gehen vorwiegend quantitativ vor. Dies schließt an zitierte Übersichtsbeiträge zur Partizipativen Forschung mit Kindern an (Kap. 2).

Partizipation als Konsultation wird in der gesichteten Datenbasis besonders damit begründet, „to ensure the voices of the students are heard“ (Greenaway und Terton 2017, S. 118). Forschungsmethodisch nutzen diesem Partizipationsverständnis zugeordnete Studien (sechs, davon vier englischsprachig) vorwiegend die Befragung durch Einzel- oder Zweier-Interviews bzw. interviewähnliche Gespräche. Dabei greifen sie zusätzlich verschiedene nonverbale Gesprächsanregungsformen wie Fotos (Photo-Voice-Methode), Zeichnungen (Draw-and-Talk) oder mit Spielfiguren dargestellte Szenerien (Sandboxing) auf (Lafleur und Srivastava 2019; Mannay et al. 2019; Velten 2019). Dem Verständnis konsultativer Partizipation folgen auch die vorwiegend quantitativen Studien (Andresen et al. 2019; Stamatovic und Cicvaric 2019; Wegner et al. 2020). Sie nutzen Fragebögen, die vor allem für die sozialwissenschaftliche Befragung einer repräsentativen Anzahl von Kindern konstruiert wurden. Die zwei deutschsprachigen Studien kombinieren dazu qualitative Verfahren des Interviews oder Beobachtungen.

Einem Großteil der analysierten Studien (13) liegt ein Verständnis von Partizipation als Kollaboration zugrunde, das sich im ko-konstruierten Forschungsprozess zeigt: „Children were involved in designing the focus of the study, data collection and analysis“ (Barley 2020, S. 4), sowie, wie Ergler (2017) betont, „to provide an arena for a collaborative research environment by supporting children to conduct their own group project driven by their curiosities and competencies“ (S. 224). Dabei nutzen die Studien ein Mixed-Methods-Design, das Beobachtung und/oder Befragung mit verschiedenen künstlerisch-kreativen Methoden wie dem Zeichnen/Malen oder motorisch-agilen Methoden wie der Begehung/des Walking Interviews kombiniert. Die Photo-Voice-Methode als etablierter Zugang in der Kindheitsforschung wird ebenfalls mit anderen Zugängen kombiniert, aber auch als alleiniger Forschungszugang des partizipativen Projekts berichtet. In zwei englischsprachigen Forschungsberichten aus einem Projekt (Albon und Barley 2021; Barley 2020) werden methodologische Perspektiven auf den ethnografischen Zugang und die darin zentrale Produktion von Feldnotizen und Beobachtungsprotokollen eingenommen.

Obwohl sich die einem kollaborativen Partizipationsverständnis zuzuordnenden Studien aus dem englischen (7) und deutschen (6) Sprachraum quantitativ die Waage halten, fallen drei wesentliche Unterschiede auf. Erstens sind die genutzten methodischen Zugangsweisen zur Bearbeitung der jeweiligen Forschungsschwerpunkte in den englischsprachigen Forschungsberichten durchgängig breit gestreut, es zeigen sich vielfältige künstlerisch-kreativ-agile Zugänge (Body-Mapping, Sandboxing, Zeichnungen, Fotos), die mit eher traditionellen Methoden der Kindheitsforschung kombiniert werden. Dagegen fokussieren Studien aus dem deutschen Sprachraum hauptsächlich verbale Zugänge, die in der Forschung mit Kindern bereits elaboriert sind. Zweitens lässt sich neben der gemeinsamen Formulierung von Forschungsfragen ein Unterschied in Bezug auf die Teilung der Verantwortung zwischen Kindern und Erwachsenen in den verschiedenen Phasen des Forschungsprozesses feststellen. Drei deutschsprachige Forschungsprojekte beschreiben die kollaborative Festlegung der Erhebungsmethode(n), die Auswertung der Daten sowie die Entwicklung von daran anschließenden Materialien gemeinsam mit den co-forschenden Kindern (Partizipation vor und während des Forschungsprojekts) (Hüpping et al. 2021; Kogler et al. 2021; Sitter 2019), vier englischsprachige Projekte verfolgen über die kollaborative Auswertung hinaus auch die Planung und Umsetzung der Dissemination der Forschungsergebnisse gemeinsam mit den Kindern anhand deren Vorschlägen sowie die Sicherstellung eines (un)mittelbaren Benefits der Forschung für die Kinder (Partizipation vor, während und nach dem Forschungsprojekt) (Barley 2020; Collier 2019; Fidyk 2019; French und Hobbs 2017). Eine dritte Unterscheidung lässt sich in dieser Konsequenz hinsichtlich der method(olog)ischen und ethischen Reflexionen innerhalb der Forschungsprojekte herausarbeiten. Mit Ausnahme von Sitter (2019) und Kogler et al. (2021) integrieren ausschließlich die englischsprachig präsentierten Studien eine explizite phasenübergreifende Reflexion der methodischen Vorgehensweisen, möglicher Einflussfaktoren auf die Reichweite der Partizipation der co-forschenden Kinder, und damit einhergehender ethischer Anfragen an die Forschungskompetenzen der erwachsenen/professionellen Co-Forschenden (Ergler 2017). Auch hierfür könnte die Etablierung ethischer Richtlinien und ihrer expliziten Rechenschaftsverpflichtung im englischsprachigen Raum als Erklärungsfaktor angenommen werden.

Erglers (2017) Studie lässt sich dem Verständnis von Partizipation als Pro-Aktivismus/Child-led-Reseach zuordnen (Ergler 2017). In ihrem Forschungsprojekt fokussiert sie die (Weiter)Entwicklung eines Modells zur Reflexion der Partizipation von Kindern in Forschungsprojekten und beschreibt, dass „children decided democratically on the project they wanted to carry out and how“ (Ergler 2017, S. 244). Neben inhaltlichen Erkenntnissen zu Spielbedingungen und -praktiken von Grundschüler:innen ist eine zentrale Stärke Erglers Forschung, dass sie die Gestaltung eines Kontinuums des Handelns der Kinder im Zusammenhang mit ihrer Rolle als Co-Forschende im Verhältnis/Unterschied zu erwachsenen/professionellen Co-Forschenden herausarbeitet, „that easily allows them to move between ‚being‘ (playing) in the moment and performing (an adult like) role in research“ (Ergler 2017, S. 246). Damit richtet sie sich auf eine zentrale Herausforderung in der Partizipativen Forschung mit Kindern, die Beschreibung und Reflexion ‚kindlicher‘ Forschungshandlungen und -prozesse, und schlägt eine Perspektivenveränderung im Hinblick auf die Evaluation des Handelns co-forschender Kinder vor dem Hintergrund der „messy realities of becoming and being child researchers“ (ebd., S. 248) vor.

5 Zusammenfassung und Fazit

Anschließend an den vorwiegend englischsprachig geführten „State of the Art“ zeigt sich im Forschungsreview, dass Partizipative Forschung mit Kindern im schulischen Kontext wenig verbreitet zu sein scheint. Dies lässt nicht zuletzt der vergleichsweise kleine, 22 Texte umfassende Datenkorpus vermuten, der aus der Ausgangsbasis von 845 Suchtreffern ermittelt wurde, auch wenn das Kriterium der Publikationsweise (online Open-Access-Format) unter Berücksichtigung der traditionell zumindest im deutschsprachigen Raum (noch) verbreitet genutzten analogen Buchveröffentlichung als Limitation des Reviews betrachtet werden könnte. Mit Blick auf die nicht ins Review eingeflossenen digital zugänglichen Studienberichte ist festzustellen, dass zwar Studien zur Partizipation von Kindern im Grundschulalter in Schule, Unterricht und/oder anderen Kontexten durchgeführt wurden, diese allerdings selbst oft nicht als Partizipative Forschung mit Kindern gelesen werden können (z. B. weil sie nicht Kinder befragen/beteiligen, sondern vorwiegend Lehrkräfte, pädagogische Fachkräfte oder Eltern). Möglicherweise zeigt sich hier übergreifend, dass zwar Studien über Kinder, wie Hammersley (2017) auch kritisch bemerkt, zum „Gold Standard“ der Forschung im Grundschulkontext geworden sind. Forschung mit Kindern, die vor dem Hintergrund der Annahme von Partizipation als Kontinuum (Hauser und Nell-Tuor 2019) und der Modellierung nach Lansdown (2018) als partizipativ bezeichnet werden kann, scheint jedoch noch kein relevanter Forschungsansatz der Grundschulforschung zu sein.

Mit vergleichender Perspektive können wir daran anschließend – bei quantitativ ausgewogener Kategorisierung der Partizipationsverständnisse – vorsichtig drei qualitative Unterschiede englisch- und deutschsprachiger Partizipativer Forschung mit Kindern im Grundschulalter ableiten. Erstens scheinen englischsprachig präsentierte partizipative Studien weitestgehend über ihre institutionelle Verortung an Universitäten oder Forschungseinrichtungen in die Scientific Community eingebunden zu sein. Partizipative Forschung mit Kindern im Grundschulalter scheint unabhängig vom zugrunde liegenden Partizipationsverständnis unter Berücksichtigung der Qualitätskriterien von Forschung und ethischen Rahmenrichtlinien als Forschungszugang in den Childhood Studies etabliert zu sein. Dort wird sie unter Rückgriff auf die in dieser Scientific Community zentralen soziologischen Konzepte zur Betrachtung und Bearbeitung von Differenz wie der generationalen Ordnung und der ethischen Symmetrie verhandelt. Dagegen lassen sich die in der Grundschulforschung verankerten deutschsprachigen Studien, die über Konsultation hinausgehen, einem partizipations- oder demokratiepädagogischen Impetus folgend eher als explorative Praxisentwicklungsprojekte interpretieren, was im Hinblick eines Kernanliegens der Disziplin der Grundschulpädagogik, Entwicklungsforschung mit der Praxis durchzuführen, als logische Konsequenz für die Verbesserung schulischen Lernens erscheint. Damit in Verbindung zu sehen ist zweitens, dass co-forschende Kinder im englischen Sprachraum anscheinend systematischer und explizit am Reflexionsprozess der Studien in Bezug auf die Methodologie und forschungsethische Fragestellungen partizipieren und Aspekte wie Angemessenheit, Symmetrien und Generationenverhältnisse zwischen Erwachsenen und Kindern verhandelt werden, während in deutschsprachigen Studien die forschungspraktische partizipative Gestaltung der Forschungsschritte im Vordergrund zu stehen scheint. Hier ließe sich schlussfolgern, dass sich daran das Entwicklungspotential der Partizipativen Grundschulforschung zeigt, über die forschungsmethodischen Aspekte hinaus auch dem erkenntnistheoretischen und theoriebildenden Auftrag der Disziplin Grundschulpädagogik Rechnung zu tragen. Diese Folgerung unterstreichend zeigt sich drittens in den Zielsetzungen der berichteten partizipativen Studien, dass sie sich im deutschen Sprachraum vor allem auf inhaltliche Erkenntnisinteressen zu richten scheinen, während ein großer Teil der englischsprachig präsentierten Studien – auf Basis der systematischen Einbindung von Kindern in sämtlichen Phasen der Forschung – neben methodologischen Fragen auch die Weiterentwicklung des Forschungsansatzes verfolgt.

Partizipative Forschung bietet daher vielfältige und vielschichtige Anknüpfungspunkte für die Grundschulforschung in Bezug auf den Theorie-Praxis-Diskurs, um generationale Ordnungen, Machtverhältnisse und Antinomien auf inhaltlicher und struktureller Ebene für die Grundschuldisziplin in Deutschland und damit verbundene Entwicklungen auch für den Lern- und Lebensraum Grundschule zu schärfen. Jedoch bedarf es hierzu einer kritisch-reflektierten Perspektive. Resümierend knüpfen wir an Ergler (2017) an:

„[…] we should be less romantic about the employment of children as researchers and move away from the current idealized picture of employing children as researchers. Even when children become researchers, we cannot close our eyes from the structural constraints of conducting research with children“ (ebd., S. 247).

Partizipative Forschung erfordert daher inter- und intragenerationale Aushandlungen zwischen Erwachsenen und Kindern sowie der zugrundeliegenden strukturgebenden Institutionen, um rechtebasierte Mitbestimmung und Empowerment für Kinder zu ermöglichen. Partizipation als Kontinuum greift daher auch für den Prozess Partizipativer Forschung mit der Herausforderung Grenzverschiebungen und Grenzziehungen für die Grundschulforschung und -praxis auszuloten und dabei die Gegenstandsorientierung in der Forschung nicht aus den Augen zu verlieren.