1 Einleitung & Forschungsfragen

Im Kontext der Debatten um die Professionalisierung von Lehrkräften liegt gerade in der deutschsprachigen Forschung in den letzten Jahren ein Schwerpunkt auf den personalen Merkmalen von (zukünftigen) Lehrkräften, darunter auch den Studien- und Berufswahlmotiven. Damit wird einem Gegenstand, der bereits auf eine gewisse Forschungstradition zurückblicken kann (z. B. Caselmann 1949), erneutes Interesse entgegengebracht. Studien- und Berufswahlmotiven von Lehramtsstudierenden sind jedoch kein rein deutscher Forschungsgegenstand, auch wenn er in anderen Ländern z. T. vor dem Hintergrund anderer Fragestellungen adressiert wird. Gerade für internationale Diskurse ist der sich in vielen Ländern abzeichnende Lehrermangel Ausgangspunkt für die Untersuchung von Zusammenhängen von Motiven mit dem Verbleiben in (z. B. Bruinsma und Jansen 2010) bzw. dem Verlassen der Profession (z. B. Alexander et al. 2020). Damit einher geht die Suche nach Push- und Pull-Faktoren, die den Beruf für bestimmte Gruppen von Studierenden attraktiv oder unattraktiv machen (z. B. Harfitt 2015; Richardson und Watt 2016; Scharfenberg 2020).

Allerdings sind die länderspezifischen Forschungstraditionen national weitgehend isoliert und in sich zersplittert: Methodologische, operationale und regionale Heterogenität verhindert vergleichende Forschung. Ein Grund dafür liegt nicht nur in der Fülle nicht direkt miteinander vergleichbarer Einzelstudien. Die wenigen vorliegenden länderübergreifenden Studien sind häufig nicht in der Lage, (methodische) Angaben zur Vergleichbarkeit des Gemessenen zu machen (z. B. Bastick 2000) und erst in den letzten Jahren sind mit Fit-Choice (Richardson und Watt 2016), FEMOLA (Retelsdorf und Möller 2012) und STeaM Instrumente aufgekommen, die vermehrt Verbreitung gefunden haben. Doch auch dort, wo ein Instrument mehrfach angewendet wird, kommt es durch neue explorative Auswertungen, Erweiterungen und Modifizierungen zu Beeinträchtigungen der direkten Vergleichbarkeit von Ergebnissen (s. 2.3).

Das Länderpanel dieser Untersuchung umfasst mit den OECD-Ländern Deutschland, Schweiz und Schweden, dem europäischen Nicht-OECD-Land Rumänien sowie China als außereuropäischem Teilnehmerland Regionen mit unterschiedlichen strukturellen Bedingungen: Beispielsweise beträgt das Mindestgehalt einer Lehrkraft in Deutschland ca. 121 % des nationalen Durchschnittseinkommens, in Rumänien nur ca. 41 % (Europäische Kommission 2016). Während Lehrkräfte in Deutschland und Rumänien in der Regel verbeamtet sind, sind sie es in Schweden nicht. In der Schweiz und z. T. auch in Schweden unterliegt die Lehramtsausbildung gesonderten pädagogischen Hochschulen; in Deutschland hingegen ist sie in den meisten Fällen in die regulären Universitäten integriert. China befindet sich demgegenüber noch im dynamischen Auf- und Ausbau seines Bildungssystems (Schulte 2018), das mit ca. 15 Mio. Lehrkräften für 230 Mio. Schülerinnen und Schüler eines der größten der Welt ist (Li et al. 2019).

Bisher gibt es allerdings v. a. im Bereich der Grundschule kaum Untersuchungen dazu, inwiefern solche länderspezifischen strukturellen Rahmenbedingungen und Berufsbilder die Motivlage beeinflussen. Dabei wäre diese Frage durchaus relevant: Versteht man die Studien- und Berufswahl im Sinne eines Person-Environment-Fit als Herstellung größtmöglicher Passung zwischen den Interessen eines Individuums einerseits sowie den Anforderungen und Angeboten eines Berufes andererseits, so kann die Wahrnehmung der strukturellen Bedingungen durch die Studierenden als Bestandteil der Angebotsseite beeinflussen, wer sich warum für den Beruf entscheidet (vgl. Holland 1997).

Vor diesem Hintergrund fokussiert diese Studie auf einen Vergleich der Studien- und Berufswahlmotive von Grundschullehramtsstudierenden aus Deutschland, der Schweiz, Schweden, Rumänien und China (zu methodologischen Fragen der Vergleichbarkeit s. Scharfenberg et al. 2018). Aufbauend auf einem etablierten Instrument (Kiel et al. 2015; Scharfenberg 2020), das erneut mittels konfirmatorischer Faktorenanalyse validiert wird, vergleicht dieser Beitrag die länderspezifischen Motivprofile und diskutiert sie vor dem Hintergrund struktureller Einflussfaktoren und Implikationen für die Lehrerbildung. Die Untersuchung geht dabei konkret den folgenden Forschungsfragen nach:

  • Inwiefern unterscheiden sich die Motivprofile von Grundschullehramtsstudierenden zwischen den genannten Ländern?

  • Inwiefern unterscheiden sich die Motive länderübergreifend zwischen zukünftigen Grundschullehrkräften und zukünftigen Lehrkräften weiterführender Schulen?

  • Inwiefern lassen sich Interaktionseffekte zwischen Land und studierter Schulart nachweisen?

2 Theoretische Einordnung

Die Studien- und Berufswahlmotive von Lehramtsstudierenden können inzwischen sowohl national als auch international als ein umfangreich beforschtes Untersuchungsfeld gelten (Heinz 2015) – auch im Bereich der Grundschule (z. B. Weiß et al. 2016). Gerade in Deutschland hat sich in den letzten Jahren über berufsübergreifende Ansätze aus der Arbeits- und Organisationspsychologie (z. B. Holland 1997) hinaus ein dezidiert professionstheoretischer Zugang herausgebildet (z. B. Cramer 2012), der sich nur lose an die berufsübergreifende Theoriebildung anlehnt – mit noch den größten Überschneidungen zu Person-Environment-Fit-Theorien (Holland 1997) sowie Erwartungs-x-Wert-Theorien (Wigfield und Eccles 2000). Anstelle berufsfeldübergreifender Motive fokussieren die entsprechenden Untersuchungen stärker auf berufsspezifische Motive wie bspw. den Wunsch, mit Kindern zu arbeiten, und fragen auf verschiedene Arten nach der Rolle dieser Motive für die Professionalisierung von Lehramtsstudierenden (z. B. König und Rothland 2012), ihren prädikativen Wert für Aspekte der späteren Berufsausübung (z. B. Watt et al. 2017) oder ihren Zusammenhang mit anderen personalen Merkmalen, etwa Prädikatoren des Belastungserlebens (z. B. Abele und Candova 2007). Das Ergebnis ist eine sowohl methodisch als auch instrumentell heterogene Forschungslandschaft, in der immer neue Messinstrumente zu immer wieder anders zugeschnittenen oder benannten Motivfacetten geführt haben.

2.1 Zentrale Studien- und Berufswahlmotive von Lehramtsstudierenden

Allerdings liegt dieser oberflächlichen Heterogenität eine erstaunliche Homogenität der in den einzelnen Studien erfassten Motive zu Grunde – etwa wenn ein eigentlich identisches Motiv als Arbeit mit Kindern und Jugendlichen (Oesterreich 1987), als mit Kindern zu arbeiten bzw. pädagogisch sinnvoll arbeiten (Nieskens 2009) oder als adressatenbezogene und pädagogische Motivation (Eberle und Pollak 2006) benannt ist. Dadurch ist es möglich, wiederkehrende Motive identifizieren und in drei Großgruppen zu gliedern (vgl. Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Studien- und Berufswahlmotive von Lehramtsstudierenden. (Nach Scharfenberg, 2020)

Intrinsische Motive sind direkt mit Eigenschaften der Tätigkeit verknüpft. Bereits Caselmann (1949) unterscheidet logotrope, an die Vermittlung von Inhalten anknüpfende, von paidotropen, an pädagogische Aspekte anknüpfende Motive – eine Zweiteilung, die inzwischen weiter ausdifferenziert ist, sodass z. B. die konkrete Arbeit mit Kindern und Jugendlichen von der Freude am reinen Zusammensein mit ihnen unterschieden wird. Auf logotroper Seite kann man etwa zwischen einem reinen fachlichen Interesse und der Freude am Unterrichten von Fachinhalten unterscheiden. Ergänzt werden diese beiden Hauptkategorien um weitere Motive, etwa den Abwechslungsreichtum der Tätigkeit oder ihre gesellschaftliche Relevanz.

Extrinsische Motive sind demgegenüber zweckbezogen (Rheinberg 1989) und lassen ein instrumentelles Verhältnis der Tätigkeit zu etwas Drittem erkennen – etwa, wenn das Lehramt auf Grund der Verbeamtung ein sicheres Gehalt und berufliche Sicherheit oder eine selbstbestimmte Arbeitszeiteinteilung verspricht. Allerdings besteht auch bei diesen Motiven ein Konnex zwischen Eigenschaft der Tätigkeit (z. B. damit einhergehende Verbeamtung) und Motiv (berufliche Sicherheit).

Pragmatische Motive sind Motive, die in gar keinem Verhältnis zu angestrebten Eigenschaften des späteren Berufs stehen. Wiederkehrende Motive aus dieser Kategorie sind etwa das Lehramt als Notlösung, da andere Berufswünsche nicht realisierbar waren, oder externe Einflüsse, etwa elterliches Drängen. Zwar können letztere durchaus mit anderen Motiven harmonieren, für sich allein genommen sind sie jedoch erst einmal unabhängig vom konkreten Beruf: Man wählt, wozu bspw. die Eltern einem raten.

2.2 Motive von Studierenden des Grundschullehramts

Vergleiche von Studierendengruppen sind insbesondere hinsichtlich Fächern, Schularten und Geschlecht populär (z. B. Ulich 2004). Gerade die letzten beiden Kategorien lassen sich nicht immer klar trennen, da der Anteil weiblicher Studierenden mit 88,6 % in der Grundschulpädagogik deutlich höher liegt als etwa beim Lehramt für Gymnasium (61,4 %) (statista 2021) und somit von einer Konfundierung beider Variablen auszugehen ist.

Bereits frühe Arbeiten betonen die Relevanz intrinsischer, kindbezogener bzw. pädagogischer Motive insbesondere für weibliche Studierende (Horn 1968) – ein Befund, der sich seitdem als zeit- (z. B. Ulich 2004) und länderübergreifend replizierbar herausgestellt hat (z. B. Bruinsma und Jansen, 2010, für die Niederlande). Im Vergleich der Grundschule mit anderen Schularten spielen für Studierende des gymnasialen Lehramtes insb. fachliche, aber auch finanzielle Motive eine größere Rolle, während bei Grundschullehramtsstudierenden Motive mit einem pädagogischen Fokus dominieren (z. B. Retelsdorf und Möller 2012; im Überblick Heinz 2015).

Betrachtet man Geschlecht und Schulart der Studierenden in Kombination, zeigen sich die bereits erwähnten Überlagerungseffekte, etwa in einer schwedischen Studie (Alm et al. 2014), in der sowohl weibliche Studierende als auch Studierende der Primarstufe besonders hohe Ausprägungen altruistischer Motive aufwiesen. Zudem sind Sondereffekte möglich – die höchste altruistische Motivation überhaupt wurde von Alm et al. bei den (sehr wenigen) männlichen Grundschullehramtsstudierenden gemessen. Generell bilden die Motive männlicher Grundschullehramtsstudierender gerade im angloamerikanischen Raum bereits seit einiger Zeit einen eigenen Forschungszweig, auch im Hinblick auf positive und negative Diskriminierungserfahrungen (z. B. King 2004).

2.3 Untersuchung von Motiven im internationalen Vergleich

Auch wenn Studien- und Berufswahlmotive in einer Vielzahl von Ländern beforscht werden und einzelne Ergebnisse durchaus gleiche Tendenzen aufweisen, sind direkte Vergleiche zwischen Ländern selten. Da die Motivforschung weitgehend quantitativ geprägt ist (Ausnahmen z. B. Ulich 2004), stellen sich immer Fragen der Übertragbarkeit der Instrumente und der Vergleichbarkeit der Ergebnisse, etwa hinsichtlich der Frage, ob ein Terminus wie Arbeit mit Kindern und Jugendlichen semantisch stabil genug ist, um von einer länderübergreifenden Konstruktvalidität ausgehen zu können (Scharfenberg et al. 2018). Tatsächlich zeigen sich gerade bei Untersuchungen aus Nicht-OECD-Ländern Abweichungen vom Forschungskonsensus, etwa bei der jamaikanischen Untersuchung von Bastick (2000), in der weibliche Studierende ein deutlich höheres extrinsisches Interesse aufwiesen als männliche Studierende.

Eines der wenigen Instrumente, das tatsächlich länderübergreifend zum Einsatz kommt, ist das Factors Influencing Teaching Choice Framework (FIT-Choice, Richardson und Watt 2016). Dabei handelt es sich um ein Instrument auf Basis der Erwartungs-x-Wert-Theorie (Wigfield und Eccles 2000), das die Studien- und Berufswahl als eine Folge von Fähigkeitsselbsteinschätzungen und subjektiv wahrgenommenen Erfolgswahrscheinlichkeiten einerseits sowie Werturteilen hinsichtlich einer Reihe fest vorgegebener Aufgaben von Lehrkräften inkl. erwarteter Kosten andererseits modelliert. Inzwischen liegen FIT-Choice-Daten für eine Vielzahl von Ländern vor (Richardson und Watt 2016), darunter auch für die DACH-Staaten (König und Rothland 2012). Allerdings ist die länderübergreifende Vergleichbarkeit auch bei diesem Instrument eingeschränkt, da sich immer wieder einzelne Skalen in einzelnen Ländern als nicht operationalisierbar erweisen und daher Items bzw. ganze Skalen weggelassen, modifiziert, ergänzt oder zusammengefasst werden (z. B. Berger und D’Ascoli 2012). In der Tendenz zeigt sich auch hier länderübergreifend die hohe Bedeutung altruistischer social utility values, wobei spezifisch für Deutschland soziale Benachteiligung aufheben niedriger und die Relevanz des Gehaltes als höher eingestuft wird als in anderen Ländern.

3 Methodik

3.1 Projektzusammenhang und Stichprobe

Die dargestellten Ergebnisse sind Teil des Projektes STeaM/I (Student Teacher’s Motives/International). STeaM erhebt Daten zu den Studien- und Berufswahlmotiven sowie zum Selbstkonzept von Lehramtsstudierenden mittels eines eigens konzipierten und validierten Fragebogens (z. B. Kiel et al. 2015). STeaM/I baut auf diesem quantitativen Forschungsdesign auf und ergänzt es um Measurement-Invariance-abgesicherte Skalen zum Ländervergleich sowie eine qualitative Validierung im Rahmen einer Erweiterungsstudie (Scharfenberg 2020). Das Projekt wird von der LMU München und der PH Zürich koordiniert; weitere europäische und außereuropäische Länder sind eingebunden.

Die Stichprobe bilden deutsche, schwedische, Schweizer, rumänische und chinesische Studierende (nges = 2963). Davon studieren n = 1194 oder 40 % Grundschullehramt, n = 1234 weiterführende Schularten und 535 sonstige Schularten (z. B. sonderpädagogische Fachrichtungen). 80 % der Befragten sind weiblich; unter den Grundschullehramtsstudierenden beträgt der Anteil 88 %. Aus dem Gesamtdatensatz des Länderpanels wurden alle Teilnehmenden getilgt, die mehr als 5 % der Items nicht beantwortet haben (vgl. Tab. 1). Außerhalb der schwedischen Daten liegt die Anzahl entfernter Datensätze zwischen 1 % (im chinesischen Datensatz) und 4 % (im deutschen Datensatz) und bleibt somit gering; die höheren Werte der schwedischen Erhebung hängen weder signifikant mit dem Geschlecht (χ2 (1, n = 53) = 1,325, p = 0,25) noch mit der Schulart (χ2 (1, n = 52) = 4,777, p = 0,09) zusammen und sind vermutlich auf die Formatierung des schwedischen Instrumentes zurückzuführen, durch die einzelne Fragen von teilnehmenden Studierenden überproportional häufig überlesen wurden.

Tab. 1 Zusammensetzung der Stichprobe

Eine Herausforderung international vergleichender Forschung besteht in der Operationalisierung von national unterschiedlichen Konstrukten – etwa der Frage, was als eine Grundschule und wer dementsprechend als (angehende) Grundschullehrkraft anzusehen ist. So gibt es in vielen Ländern eine Vorschule oder eine andere Form der Elementarbildung, für die eine universitäre Ausbildung zu absolvieren ist. Da es in Rumänien für beide Formen ein gemeinsames Studium gibt, fallen diese beiden Kategorien dort zusammen. In Schweden umfasst die Grundschule die Klassenstufen eins bis neun, wobei Lehrkräfte entweder für die Klassen eins bis drei, vier bis sechs oder sieben bis neun ausgebildet werden. In diese Untersuchung wurden schwedische Lehrkräfte bis einschließlich Klasse sechs einbezogen. In allen anderen Ländern existiert ein distinktes Grundschullehramt, das die Grundlage für die hier verwendete Einordnung darstellt.

Für die Fragestellungen zwei und drei werden alle Studierende, die ein Lehramt für weiterführende Schulen studieren, ohne dabei einen sonderpädagogischen Förderschwerpunkt aufzuweisen, zusammengruppiert. Im Gegensatz zu zukünftigen Grundschullehrkräften studieren diese Befragten zumeist fachzentrierte Studiengänge und unterrichten später einzelne Fächer.

3.2 Erhebungsinstrument und Testdurchführung

Der STeaM-Fragebogen (z. B. Kiel et al. 2015) besteht aus 73 vierstufigen Likert-skalierten Items, die Studien- und Berufswahlmotive entsprechend der zum Zeitpunkt vorliegenden empirischen Befunde aus dem Bereich der Studien- und Berufswahl von Lehramtsstudierenden abbilden, die mittels Befragungen von Expertinnen und Experten um weitere, fehlende Aspekte ergänzt wurden. Studierende bearbeiten den Fragebogen in ihrer Muttersprache; für nicht-deutschsprachige Untersuchungsländer wurden in Kooperation mit den jeweiligen Partnern in mehrstufigen, individuell abgesprochenen Verfahren fremdsprachige Versionen entwickelt.

Eine STeaM-Erhebung in einem teilnehmenden Land besteht aus Erhebungen an ein bis zwei Hochschulstandorten, wobei jeweils eine Vollerhebung eines Studierendenjahrgangs angestrebt wird, nach Möglichkeit mittels Papierfragebogen in Veranstaltungen, die von allen Studierenden eines Jahrgangs schulart- und fächerübergreifend verpflichtend besucht werden müssen (z. B. Einführungsvorlesung). Wo dies nicht möglich ist, wie z. B. in Schweden, werden Pflichtveranstaltungen möglichst aller Lehrämter besucht. Die Teilnahme ist freiwillig und anonym; nicht teilnahmewillige Studierende haben die Möglichkeit, einen leeren bzw. unvollständigen Bogen abzugeben.

3.3 Auswertungsmethode

Grundlage für den Ländervergleich bilden die mittels konfirmatorischer Faktorenanalyse und Measurement Invariance Analysis validierten STeaM/I-Skalen (Scharfenberg 2020); die Ländervergleiche basieren auf ein- bzw. zweifaktoriellen ANOVAS. Varianzanalysen gelten gerade bei großen Stichproben als sehr robuste Verfahren (Bortz und Schuster 2010). Die Daten werden mittels Levene-Tests auf Varianzhomogenität getestet. Bei vorliegender Heteroskedastizität kommen robuste Berechnungsverfahren nach Brown und Forsythe und Games-Howell als Post-Hoc-Test zum Einsatz (Field 2000). Auch t‑Tests werden bei Heteroskedastizität robust gerechnet, was im Ergebnisteil an den korrigierten, nicht ganzzahligen Freiheitsgraden zu erkennen ist. Zusätzlich werden Cohen’s d und Cohen’s f ausgewiesen, die z. T. mit gepoolten Varianzen (Hartung et al. 2008) errechnet werden. Als Untergrenze für kleine Effekte gelten dabei f‑Werte ab 0,10 und d‑Werte ab 0,20 (Cohen 2009).

Für den hier untersuchten Datensatz zeigt sich ein zufriedenstellender Global Fit des Modells (RMSEA = 0,044, SRMR = 0,048, CFI = 0,889, gerechnet mit Rosseel, 2002, unter Verwendung des robusten Schätzers MLMV), insbesondere, da der CFI im Vergleich zu anderen Indizes komplexe Modelle wie die hier vorgelegte Faktorenanalyse mit 16 Faktoren und 51 manifesten Variablen benachteiligt (Cheung und Rensvold 2002). Auf Ebene der Einzelskalen weisen die Faktorreliabilitäten ebenfalls weitgehend zufriedenstellende Werte auf (vgl. Tab. 2).

Tab. 2 Motive der Studien- und Berufswahl von Lehramtsstudierenden im STeaM/I-Modell

4 Ergebnisse

4.1 Ländervergleich der Grundschullehramtsstudierenden

Die Ergebnisse der einfaktoriellen ANOVAS in Tab. 3 zeigen, dass es hinsichtlich aller Motive signifikante Unterschiede mittlerer bis großer Effektstärke zwischen den Untersuchungsländern gibt.

Tab. 3 ANOVA-Tests für einfaktorielle Vergleiche der Fragebogenskalen mit der Länderzugehörigkeit der Befragten

Die intrinsischen Motive stellen in vier der fünf Untersuchungsländer – Deutschland, Schweiz, Schweden und Rumänien – die als am zutreffendsten bewerteten Motive dar (vgl. Abb. 2); die Werte in der chinesischen Stichprobe liegen in der Mehrzahl der Fälle signifikant niedriger. Die hohen Einzeleffektstärken Chinas bei den ersten fünf Skalen (dmax = 1,22 – Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, Deutschland – China) lassen darauf schließen, dass insbesondere die chinesischen Werte zu den verhältnismäßig hohen f‑Werten dieser Skalen beitragen, während die Unterschiede zwischen den anderen Untersuchungsländern z. T. in den Post-Hoc-Tests nicht signifikant ausfallen und hinsichtlich der Effektstärken weitgehend gering bleiben (dmax = 0,50 – fachliches Interesse, Schweden – Schweiz).

Abb. 2
figure 2

Übersicht über die Studien- und Berufswahlmotive im Ländervergleich (eigene Darstellung)

Bei der gesellschaftlichen Relevanz erreichen die schwedischen Befragten die höchsten Werte aller Beteiligten; die Schweizer Studierenden bewerten dieses Motiv im Gegensatz dazu so niedrig wie sonst nur die Befragten aus China (dSU-SE = 1,03; dCH-SE = 1,04). Dafür schätzen Schweizer Studierende insb. die Bedeutung der Motive des anspruchsvollen Berufs, der biographischen Erfahrungen und des Lehramts als Traumberuf signifikant höher ein als die aller anderen Länder (dmax = 1,63 – Traumberuf, Schweiz – China).

Hinsichtlich der extrinsischen Motive weisen vor allem die deutschen Studierenden vergleichsweise hohe Werte auf, insbesondere bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie (d-Werte zwischen 0,36 und 0,87). Doch auch die chinesischen Befragten erreichen hier vergleichsweise hohe Ausprägungen, insbesondere bei der Polyvalenz des Studiums (dmax = 0,74 – Deutschland – China). Die Sicherheit von Gehalt und Arbeitsplatz spielt v. a. in Rumänien eine geringere Rolle (dDE-RO = 0,51), während die anderen Länder sich hier kaum signifikant unterscheiden (s. Tab. 3, Post-Hoc-Tests).

Die Werte der pragmatischen Motivskalen fallen in fast allen Ländern niedriger aus als die der anderen Motive. Schweizer Studierende sind bei der Interesselosigkeit durch besonders niedrige Mittelwerte charakterisiert (dmax = 1,10 – Schweiz – China), während angehende Lehrende aus China bei allen drei Skalen signifikant höhere Werte angeben (dmax = 1,60 – Studium als Notlösung, Deutschland – China).

4.2 Schulartvergleich

Im Folgenden werden in einem ersten Schritt länderübergreifend Grundschullehramtsstudierende mit Studierenden weiterführender Schularten verglichen, um zu untersuchen, ob es länderübergreifend generalisierbare schulartspezifische Motivunterschiede gibt (vgl. Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Länderübergreifende schulartspezifische Motivunterschiede (eigene Darstellung)

Bei sieben der Motive, darunter zwei der drei pragmatischen, lassen sich keine signifikanten Unterschiede finden (vgl. Tab. 4, t‑Tests). Bei den anderen Motiven bleiben die Effektstärken durchwegs im kleinen Bereich; die höchsten Effekte zeigen sich bei den Motiven des fachlichen Interesses, der Sicherheit von Beruf und Arbeitsplatz und der Förderung von Kindern und Jugendlichen mit besonderen Bildungsvoraussetzungen, wobei länderübergreifend in den ersten beiden Fällen die Studierenden der weiterführenden Lehrämter, beim letzten die der Grundschule die jeweils höheren Werte aufweisen. Da die niedrigen Effektstärken auch eine Folge davon sein können, dass sich gegensätzliche Tendenzen zwischen den Einzelländern gegenseitig ausgleichen, werden zusätzlich Interaktionseffekte zwischen Schulart und Land mittels Two-Way-ANOVA untersucht (vgl. Tab. 4, ANOVAS). Signifikante Interaktionseffekte deuten darauf hin, dass sich die beiden Studierendengruppen in den einzelnen Ländern auf unterschiedliche Art und Weise unterscheiden.

Tab. 4 Schulartspezifische Unterschiede in den Studien- und Berufswahlmotiven

Insgesamt gibt es nur schwache Interaktionseffekte zwischen Länder- und Schulartzugehörigkeit. Im Folgenden sollen exemplarisch drei der acht Motive mit Interaktionseffekten genauer betrachtet werden.

Beim fachlichen Interesse zeigt das Wechselwirkungsdiagramm (vgl. Abb. 4) zwei grundsätzlich gegensätzliche Verläufe: Signifikante Unterschiede finden sich hier nur in Deutschland, der Schweiz und Schweden, wobei die Mittelwerte von angehenden Lehrkräften weiterführender Schulen stets höher ausfallen als die von zukünftigen Grundschullehrkräften (TDE(430,610) = −8,304, p < 0,001; TSU(119,606) = −5,152, p < 0,001; TSE(218) = −6,016, p < 0,001). In den anderen Ländern unterscheiden sich die Werte der beiden Gruppen dementsprechend nicht signifikant.

Abb. 4
figure 4

Wechselwirkungsdiagramm Fachliches Interesse (eigene Darstellung)

Hinsichtlich der Polyvalenz verweisen die Wechselwirkungsdiagramme (vgl. Abb. 5) auf eine Sonderrolle von Deutschland und Rumänien. In beiden Ländern sind die Werte von Studierenden für weiterführende Schulen signifikant höher (TDE(545,174) = −5,191, p < 0,001; TRO(162,430) = −5,471, p < 0,001), während sich für die anderen Länder keine signifikanten Unterschiede zeigen.

Abb. 5
figure 5

Wechselwirkungsdiagramm Polyvalenz (eigene Darstellung)

Bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind die Werte deutscher, Schweizer und schwedischer Grundschullehramtsstudierender signifikant höher (TDE(556,934) = 5,469, p < 0,001; TSU(331) = 2,092, p = 0,037; TSE(303,421) = 3,846, p < 0,001), die chinesischer Grundschullehramtsstudierender signifikant niedriger als die Werte der Studierenden für weiterführende Schularten (TCH(430,737) = −1,981, p = 0,048; vgl. Abb. 6).

Abb. 6
figure 6

Wechselwirkungsdiagramm Vereinbarkeit von Beruf und Familie (eigene Darstellung)

5 Diskussion

Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass es deutliche Unterschiede zwischen den Motivlagen der Studierenden der einzelnen untersuchten Länder gibt, die gewählte Schulart allerdings in der länderübergreifenden Analyse nur geringe Effekte erzeugt. Im Folgenden werden zuerst die Ergebnisse vor dem Hintergrund der strukturellen Bedingungen in den Untersuchungsländern und den sich daraus ergebenden Implikationen für die Professionalisierung von Lehrkräften diskutiert, bevor auf Limitationen der Studie eingegangen wird.

5.1 Länderübergreifende Motivunterschiede: Einfluss struktureller Bedingungen und Implikationen für die Professionalisierung von Lehrkräften

Die Länderunterschiede in den verschiedenen Motivkategorien spiegeln Unterschiede in den strukturellen Bedingungen zwischen den Ländern wider, bedürfen aber einer genauen Interpretation und Diskussion. Im Bereich der intrinsischen Motive zeigt sich länderübergreifend die Relevanz pädagogischer Motive bei angehenden Grundschullehrkräften. Dass die Befragten die Freude am reinen Zusammensein mit Kindern ähnlich bedeutsam einschätzen wie die konkrete Arbeit mit ihnen, also die Erziehungs- und Bildungsprozesse, weist darauf hin, wie wichtig es ist, gerade solche Prozesse als Kern der Profession in der akademischen Ausbildung ins Bewusstsein zu rufen und zu stärken (James 2010). Vor diesem Hintergrund können auch hohe Ausprägungen in den Motiven biographische Erfahrungen und Traumberuf problematisiert werden: Obwohl letzteres v. a. im amerikanischen Raum unter dem Begriff „Calling“ ein akzeptiertes Motiv für das Ergreifen des Lehramts mit eigener Forschungstradition ist (Madero 2020), kann es auf Grund seiner Unspezifität auch Ausdruck einer noch unzureichend reflektierten Berufswahl sein. Als solches kann es den Weg zu einem professionellen Selbst erschweren, etwa durch „attempts to shore up […] rather rigid and superficial self-concepts and defend […] against feelings of uncertainty“ (Kroger und Marcia 2011, S. 41). Da biographische Erfahrungen, häufig aus der eigenen Schulzeit, als starke Motivatoren dienen können, ergibt sich für die lehrerbildenden Institutionen aller Länder hier ebenfalls die Herausforderung, Unterstützung dabei zu leisten, diese Erfahrungen einzuordnen, zu reflektieren und sich davon ggf. im Sinne einer fortschreitenden Professionalisierung zu distanzieren (z. B. mittels Selbstreflexionstools wie Kiel et al. 2021).

Die vergleichsweise hohen extrinsischen Motivausprägungen der deutschen Befragten weisen auf Vorzüge der Verbeamtung wie einen sicheren Arbeitsplatz, Vorteile für die Familienplanung und eine gewisse Selbstbestimmtheit der Arbeitseinteilung hin (Eurydice 2021a). Demgegenüber haben in Rumänien und Schweden, wo die Bezahlung von Lehrkräften deutlich schlechter und – zumindest in Schweden – die Flexibilität des Arbeitsalltags deutlich geringer ist (Europäische Kommission 2016; Eurydice 19,18,c, b), extrinsische Motive eine geringere Bedeutung. Dass auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in Schweden nur eine geringe Rolle spielt, ist nicht unbedingt als Hinweis darauf zu werten, dass dort Lehramt und Familie nur schlecht zu vereinbaren sind: Schwedische Eltern können vielmehr unabhängig vom Arbeitgeber auf viele diesbezügliche Angebote zurückgreifen (z. B. European Commission 2021), weswegen es als Motiv für einen spezifischen Beruf an Relevanz verliert. Dies zeigt, wie wichtig es ist, ländervergleichende Ergebnisse immer vor dem Hintergrund der in den jeweiligen Ländern vorzufindenden Bedingungen zu interpretieren.

Dies gilt auch in zeitlicher Perspektive: Gerade Faktoren, die mit extrinsischen Motiven zusammenhängen, sind immer wieder Veränderungen ausgesetzt, deren Wirkrichtung in unterschiedlichen Ländern zu unterschiedlichen Effekten führen kann. So kann es etwa sein, dass in Krisenzeiten Lehrergehälter in einigen Ländern wegen finanzieller Belastungen gekürzt oder eingefroren werden (z. B. in Rumänien während der Finanzkrise, s. EUNEC 2010), während das Lehramt in anderen Ländern in einem volatilen Arbeitsmarkt auf Grund seiner stabilen Arbeitsverhältnisse an Attraktivität gewinnt (ILO und UNESCO 2015). Welcher der beiden Effekte die Oberhand gewinnt, ist u. a. von den Eingangsvoraussetzungen für ein Lehramtsstudium abhängig, vor allem aber von den rechtlichen Grundlagen der Beschäftigungssituation wie etwa der Frage, ob Gehälter von Lehrkräften überhaupt gekürzt werden können oder nicht. Für Rumänien könnten die Erfahrungen aus der letzten Finanzkrise zumindest erklären, weswegen die Sicherheit von Gehalt und Arbeitsplatz für die dortigen Befragten immer noch von signifikant niedrigerer Bedeutung ist als in den anderen Untersuchungsländern.

Die gesellschaftliche Relevanz als Motiv für die Berufswahl wird von den Schweizer und den chinesischen Grundschullehramtsstudierenden tendenziell als weniger relevant eingeschätzt. Insgesamt zeigt China ein Motivprofil, das sich von dem der anderen Untersuchungsländer abhebt: Intrinsische Motive spielen eine geringere, pragmatische Motive eine größere Rolle. Dies passt zu Studien aus weiteren Nicht-OECD-Ländern (z. B. Bastick 2000). Richardson und Watt (2016), die vergleichbare Ergebnisse für China und die Türkei erhoben haben, betonen die Relevanz eines beruflichen Notfallplans gerade in Ländern, die erst kürzlich industrialisiert sind und deren Arbeitsmarkt und Sozialsysteme noch nicht so gefestigt sind. Zugleich mag gerade in kollektivistischen Systemen wie China die Aufforderung, mit der eigenen Tätigkeit einen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten, selbstverständlicher sein als in westlichen Gesellschaften und gerade dadurch zu niedrigeren Ausprägungen der entsprechenden Motive führen. Analog zu solchen Argumentationsmustern könnte man die Tatsache, dass bspw. in China externe Einflüsse wie der elterliche Rat eine größere Rolle spielen als in westlichen Ländern, nach Hofstede mit kulturellen Eigenschaften wie einer hohen Power Distance und einem niedrigen Individualismus in Verbindung bringen (Hofstede Insights o.J.) oder die große Relevanz extrinsischer Motive im deutschen Sample mit der nach Hofstede hohen Unsicherheitsvermeidung in Deutschland. Allerdings sind solche Argumentationen auf Grund der Gefahr von Kulturalisierungen nicht unumstritten.

Ein letztes Spezifikum gerade des chinesischen Datensatzes, das sich ähnlich auch in anderen chinesischen Untersuchungen zeigt (z. B. Zhang et al. 2019), ist die verhältnismäßig hohe Relevanz des Studiums als Notlösung und der Polyvalenz. Polyvalenz in der Lehramtsausbildung ist abhängig von den Ausbildungsstrukturen entweder gewollt (etwa in Rumänien, wo man die Lehrbefähigung für weiterführende Schulen als Zusatzmodul im Fachstudium erwerben kann) oder eingeschränkt (etwa in Deutschland, wo man spezifische Studiengänge wählen muss). Eine hohe Bedeutung dieser beiden Motive weist darauf hin, dass ein relevanter Anteil der Studierenden mit dem Lehramt weder dem ersten noch dem einzigen Berufswunsch folgt. Auch das sollte im Rahmen fortschreitender Professionalisierungsprozesse in den Lehramtsausbildungen berücksichtigt werden. Nicht alle werden Lehrkräfte, weil es ihr (aus rein intrinsischen Motiven ergriffener) Traumberuf ist. Gerade vor dem Hintergrund von Lehrermangel stellt sich die Frage, inwiefern die Lehramtsausbildung dazu beitragen kann, diese zum Teil noch unentschlossenen Studierenden dauerhaft für den Beruf zu gewinnen.

Generell, auch mit Blick auf die Gestaltung weiterer Forschung, verweisen die deutlichen Unterschiede gerade der chinesischen Daten auf die Notwendigkeit, noch häufiger nicht-westlich orientierte Länder in erziehungswissenschaftliche Untersuchungen einzubeziehen, um einem Eurozentrismus und einer falschen Generalisierung eurozentrischer Muster entgegenzuwirken.

5.2 Schulartspezifische Unterschiede

Die generellen Tendenzen des Schulartenvergleichs spiegeln länderübergreifend die Trends der bestehenden Forschung, wie sie in Kap. 2 dargestellt wurden: Entsprechend der häufig deutlich fachlicher geprägten Ausbildung und besseren Bezahlung (z. B. für Schweden Eurydice 2021c) sind an weiterführenden Schulen v. a. das fachliche Interesse und die gehaltsbezogenen Motive höher ausgeprägt. Die größere Bedeutung der gesellschaftlichen Relevanz mag damit zusammenhängen, dass für Fachlehrkräfte geistes- oder sozialwissenschaftlicher Fächer die gesellschaftliche Relevanz ihrer Tätigkeit ein wichtiges Motiv darstellt (z. B. für Politiklehrkräfte Oberle et al. 2013). An Grundschulen sind demgegenüber v. a. die direkt auf Kinder bezogenen intrinsischen Motive relevanter. Dass das Motiv des (intrinsisch verstandenen) Traumberufs von Grundschullehramtsstudierenden höher eingeschätzt wird, mag auf eine Verzerrung durch den Schweizer Datensatz zurückgehen, zudem sind die Effektstärken hier generell niedrig; man sollte also die schulartspezifischen Unterschiede insgesamt nicht überbewerten.

Dies gilt insbesondere, wenn man Interaktionseffekte zwischen den einzelnen Ländern berücksichtigt, die auf die eingeschränkte Generalisierbarkeit schulartspezifischer Unterschiede verweisen. Dies betrifft auch Unterschiede, die in Bezug auf deutsche Daten als gut reproduzierbar gelten – etwa die oben beschriebene Differenz beim fachlichen Interesse, die sich so nur im deutschen und Schweizer Datensatz feststellen lässt. Dies zeigt eindrücklich, dass auch solche vermeintlich stabilen Unterschiede durch strukturelle Bedingungen beeinflussbar sind – wobei in diesem Fall die vergleichsweise hohen Gesamtwerte deutscher und Schweizer Studierender darauf hindeuten, dass der Unterschied in diesen beiden Ländern v. a. von der sehr fachwissenschaftlich geprägten Ausbildung weiterführender Lehrämter ausgeht.

Bisher weitgehend unerforscht ist die Frage, ob sich auch hieraus Implikationen für die Lehrerbildung bzw. für lehrerbildende Institutionen ergeben – nämlich in Bezug darauf, wie Ausbildungsinstitutionen auf Grundlage der jeweiligen länderspezifischen Bedingungen das Berufsbild Studieninteressierter formen, etwa indem sie Lehrkräfte eher als Fachvermittler oder als pädagogisch Tätige skizzieren. Wer sich für das Lehramt Grundschule entscheidet und wer nicht, mag aus Perspektive eines professionsspezifischen Person-Environment-Fit-Modells (Scharfenberg 2020) neben objektiven Gegebenheiten auch wesentlich davon abhängen, wie das Lehramt Grundschule von den lehrerbildenden Institutionen, an denen man sich diesbezüglich informiert, präsentiert wird.

5.3 Limitationen

Limitationen ergeben sich u. a. mit Blick auf die Stichprobe. Es wurde zwar innerhalb der beteiligten Universitäten auf eine breite Beteiligung möglichst aller Studierenden einer Kohorte geachtet, die Daten wurden jedoch pro Land jeweils nur an wenigen Standorten erhoben. Da die Teilnahme freiwillig war und teilnahmeunwillige Studierende leere oder unvollständige Bögen abgeben konnten, sind Verzerrungen nicht auszuschließen, falls Studierende mit bestimmten Motivprofilen (a) überproportional häufig bei Veranstaltungen, in denen die Erhebungen stattfanden, gefehlt haben, oder (b) überproportional häufig unvollständige Bögen abgaben. Während die Anzahl an ausgeschlossenen Bögen insgesamt gering ausfällt, ist die Auswirkung der ersten Verzerrung nur schwer einzuschätzen. Die Erfahrungswerte der Kooperationspartner lassen zwar auf sehr hohe Rückläuferquoten schließen. Da an vielen Standorten für Veranstaltungen wie Vorlesungen keine Teilnehmerlisten geführt werden, lassen sich jedoch keine absoluten Rückläuferquoten errechnen. Auch wenn dies eine gängige Limitation vieler quantitativer Studien ist, gilt es doch insb. im länderübergreifenden Vergleich zu fragen, ob sie Teilnehmende aller Untersuchungsländer gleichermaßen betrifft. Weitere Einschränkungen ergeben sich aus der Heteroskedastizität der verwendeten Daten. Zwar gilt die ANOVA als robustes Verfahren (Bortz und Schuster 2010), dennoch kann diese dazu führen, dass insb. die Effektstärken Verzerrungen unterworfen sind.

Zuletzt ergeben sich grundlegende Limitationen aus der ländervergleichenden Natur der Untersuchung selbst: So ist die Identifizierbarkeit von länderübergreifend-methodischem Bias, etwa hinsichtlich der Tendenz, auf einer Skala Extremwerte anzukreuzen, innerhalb des Feldes umstritten (Berry et al. 2002). Dies betrifft insbesondere die chinesischen Daten und gilt analog für daran anknüpfende Fragen der sozialen Erwünschtheit, die zu einer länderspezifischen Übererfassung intrinsischer Motive führen könnten.

All diese Limitationen weisen auf die grundsätzliche Tendenz ländervergleichender Forschung hin, generell vorhandene Limitationen bzw. Unsicherheitsfaktoren empirischer Forschung zu amplifizieren. Für Forschende folgt daraus nicht nur der Imperativ, Fragen der Vergleichbarkeit des Verglichenen stets mitzudenken (Scharfenberg et al. 2018), sondern auch bestehende Unsicherheitsräume so weit wie möglich zu minimieren, etwa über die Erfassung von Begleitvariablen (z. B. Anzahl abgebrochener Fragebögen), den Einbezug spezifischer Skalen (z. B. zur Messung sozialer Erwünschtheit) oder mittels Forschungsdesigns, die über Mixed-Methods-Elemente einen mehrdimensionalen Zugang ermöglichen.

In diesem Zusammenhang ist etwa auch zu berücksichtigen, dass „Grundschule“ als Konstrukt innerhalb der einzelnen Untersuchungsländer durchaus unterschiedlich verstanden werden kann: Während in Deutschland das Grundschullehramt in den meisten Fällen die akademische Ausbildung ist, die auf die Arbeit mit den jüngsten eingeschulten Kindern vorbereitet, gibt es in anderen Ländern studierte Elementarlehrkräfte, die mit noch jüngeren Kindern arbeiten. Es könnte sich daher als produktiv herausstellen, in einem Mixed-Methods-Design neben den Motiven, die zur Wahl der Arbeitsumgebung „Grundschule“ geführt haben, auch subjektspezifische Wahrnehmungen dieser Arbeitsumgebung zu erheben, um derartige länderspezifische Besonderheiten passgenauer mit den dortigen Motivprofilen in Verbindung setzen zu können (wobei hinsichtlich des akademischen Elementarschullehramtes eher die deutsche Situation die Besonderheit darstellt). Zugleich stellt sich die Frage, ob die Motive von Grundschullehramtsstudierenden in Ländern mit Elementarschullehramt nicht zweiseitig verglichen werden müssten: Gegenüber denen von Studierenden weiterführender Schularten einerseits und denen hinführender Schularten aus dem Bereich der Elementarbildung andererseits. Diese Überlegungen stellen die Aussagekraft der hier vorgestellten Ergebnisse nicht grundsätzlich in Frage – sie sollen jedoch dazu anregen, sie kritisch zu reflektieren und aufzeigen, welche Möglichkeitsräume für vertiefte international-vergleichende Forschung im Bereich der Studien- und Berufswahl von Lehramtsstudierenden existieren.