1 Einführung

Kindertageseinrichtungen gelten als wesentliche Orte demokratischer Bildung oder auch als „Kinderstube der Demokratie“ (Richter et al. 2017; auch Koch 2017). Partizipation wird diesbezüglich als – dabei durchaus unterschiedlich operationalisiertes – Schlüsselkonzept demokratischer Erziehung, Bildung und Betreuung verhandelt (Danner 2018). Dabei werden Kindertageseinrichtungen in den Erziehungswissenschaften übereinstimmend als bedeutsames Feld partizipativer Praktiken adressiert, die Kindern grundlegende Erfahrungen der Selbst- und Mitbestimmung ermöglichen, was sowohl als Teil der Persönlichkeitsentwicklung als auch als Aspekt der Akteurschaft in einer demokratisch organisierten Gesellschaft verstanden wird. Zugleich werden Kindertageseinrichtungen im Politik- und Praxis-, aber auch in Teilen des Wissenschaftsdiskurses vermehrt als Bildungsorte und Hoffnungsträger für erfolgreiche Bildungskarrieren adressiert. In diesem Zuge erfährt die Kindesentwicklung im Sinne eines Erwerbs von Handlungskompetenzen eine primär funktionale Ausdeutung im Hinblick auf das Bestehen im meritokratisch entworfenen Schulsystem (kritisch u. a. Radtke 2004; Breidenstein 2020). Ausgehend hiervon dominiert auch im politischen Diskurs die Vorstellung, dass sich eine frühe „Investition“ in Bildung und Erziehung junger Kinder rentiere (kritisch Eßer 2014, S. 36), worüber der Institution der Kindertageseinrichtung eine immer größere Bedeutsamkeit für individuelle Bildungsbiografien zugeschrieben wird (Diehm 2018; Kelle et al. 2017).

Der Diskurs zur Frühen Bildung zeigt sich damit aktuell insgesamt als eingespannt in einen widersprüchlichen Rahmen: Auf der einen Seite rückt über normative Impulse auf internationaler Ebene die Relevanz von Kinderrechten über das diskriminierungsfreie Recht auf Bildung in den Fokus (United Nations 1989, 2006), wobei diesbezüglich in neueren Dokumenten der Abbau von sozialer Ungleichheit und der Ausbau inklusiver Bildung zentral positioniert wird (UNESCO 2015). Hiervon abgeleitet erfährt eine an Partizipation ausgerichtete pädagogische Handlungspraxis auch in Deutschland verstärkte Aufmerksamkeit, Kinder werden zunehmend als auskunftsfähige Akteure anerkannt und in Qualitätsentwicklungsprozesse einbezogen (Nentwig-Gesemann et al. 2017). Zeitgleich werden über die internationalen bildungspolitischen Diskurse um Leistung, Leistungsvergleiche und Leistungssteigerung Impulse einerseits für Forschungsprogramme gegeben sowie andererseits mittelbar auch Einfluss auf die Bildungspraxis in Kindertageseinrichtungen genommen. Bildungslaufbahnen scheinen in diesem Licht frühzeitig und effektiv entlang normierter, zukunftsbezogener Fähigkeiten und Fertigkeiten auszurichten zu sein (u. a. Blaschke-Nacak und Thörner 2019; Kelle und Tervooren 2008; Kelle et al. 2017), wenn eine entsprechende Kontrolle dieser Prozesse und ein möglichst frühes Eingreifen sichergestellt wird.

Ausgehend von Befunden einer abgeschlossenen Studie, in der ein Modellprojekt zur Stärkung von Partizipation über die Zusammenarbeit von Kindertageseinrichtung und Frühförderung untersucht wurde, diskutieren wir daher, wie die doppelte Anforderung, die pädagogische Praxis in Kindertageseinrichtungen partizipationsförderlich auszurichten und zugleich im Vorgriff auf das schulisch dominante Leistungsparadigma Eingriffe in Entwicklungsprozesse von jungen Kindern zu rechtfertigen und auszuüben, in der Praxis verhandelt wird und wie sich dies in die Orientierungsgehalte der Fachkräfte einschreibt. Mittels der hierbei zugrunde gelegten praxeologischen Sichtweise fragen wir konkret danach, wie diese unterschiedlichen Anforderungen in der Zusammenarbeit zwischen Kindertageseinrichtung und Frühförderung verzahnt werden, welche handlungsleitenden Orientierungen sich in der Zusammenarbeit rekonstruieren lassen und inwiefern sich diese anschlussfähig erweisen an die je organisationale Logik. Denn wie sich zeigen wird, werden Kinder dabei zu einer umworbenen „Ressource“, um die von Seiten unterschiedlicher Professionen gerungen wird, was sich auch an den diskursiven Dynamiken ablesen lässt. Auf diesem Weg lassen sich insbesondere hegemoniale Normalitätsvorstellungen und hieran geknüpfte Pathologisierungsdynamiken als hochbedeutsam identifizieren, die solcherart anvisierte Kinder zum Arbeitsgegenstand der Kooperationspraxis machen und dann – ungeachtet anderslautender Ziele – Partizipation verunmöglichen.

Hinführend geben wir daher im Folgenden zunächst eine Übersicht zum empirischen Forschungsstand und zu den Diskurslinien der Kindheitsforschung sowie zur hierauf bezogenen Inklusionsforschung mit Fokus auf Partizipation.

2 Partizipation in der Forschung zur frühen inklusiven Bildung

Kindheit spielt sich gegenwärtig vorwiegend in institutionellen Räumen ab, wobei die entsprechenden Bildungsinstitutionen von Erwachsenen gestaltet werden und geprägt sind von normativen Leitbildern und Vorstellungen „guter Kindheit“ (Joos et al. 2018), die zwangsläufig auch Vorstellungen eines optimalen Aufwachsens transportieren. Dabei gelten Kindertageseinrichtungen im Diskurs der Kindheitsforschung und frühkindlichen Bildung seit langem als zentral bedeutsam für die Gestaltung von Partizipation (u. a. Hansen et al. 2011; Knauer und Sturzenhecker 2016). Mit dem Recht auf Partizipation und Selbstbestimmung (Art. 12 Abs. 1, United Nations 1989) sollen Kinder in der frühen pädagogischen Praxis in Entscheidungsprozesse eingebunden werden und einen Einfluss auf eigene Lebens- und Lernzusammenhänge ausüben können, wobei unterschiedliche Lebenslagen von Kindern nicht nur Berücksichtigung, sondern auch gezielte Anerkennung finden sollen. Partizipation in diesem Sinne ist zugleich Realisierung und elementarer Bestandteil von inklusionsbezogener Qualität früher Bildung (GEW 2015; Prengel 2016; Seitz und Finnern 2012; Seitz et al. 2021). In Zusammenhang mit den ungleich weiter ausgebauten inklusiven Strukturen innerhalb der Frühen Bildung (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2020) werden Kindertageseinrichtungen vielfach als ausschlaggebende Räume herausgestellt, in denen Kinder in einem – im Verhältnis zu den weiterführenden Bildungsinstitutionen (Breidenstein 2020; Helbig 2020) – sozial wenig segregierten Umfeld nicht nur Autonomie erleben, sondern diese auch unter den Bedingungen von Verschiedenheit ausgestalten können. So wird in entsprechenden Konzepten (Hansen et al. 2011) übereinstimmend dafür plädiert, Kindern Mitsprache- und Entscheidungsrechte zu gewähren, aus denen sich Freiräume für eigenständiges Handeln ergeben (Prengel 2016, S. 51).

Zeitgleich werden Kinder in der bildungswissenschaftlich geprägten Forschung zur frühen Bildung nicht nur als Rechts-, sondern vor allem auch als Bildungssubjekte angesprochen. Letzteres kann dazu führen, Kinder in ökonomische Verhältnisse zu verstricken (Richter und Sufryd 2020, S. 200), indem ihre individuellen Bildungsprozesse über Erwachsene und deren politische Entscheidungen gestaltet werden, um zum Beispiel ressourcengebundene Unterstützungen zu (de-)aktivieren. Demnach ist die Begleitung von kindlichen Bildungs- und Entwicklungsprozessen immer auch eingebunden in Handlungsspielräume von Erwachsenen, die wiederum gerahmt sind von der politischen Agenda, um das Kind schließlich in seinen Befähigungen zu bewerten und damit festzuschreiben. Dies gilt sowohl bezogen auf Lebensverhältnisse sowie Einschränkungen oder Potenziale (ebd.).

In diese diskursive Ordnung ist die institutionelle Bildung, Betreuung und Erziehung in einem wohlfahrtsstaatlich geprägten Staat wie Deutschland (Mierendorff 2010) auf besondere Weise eingelassen, da sie die Aufgabe an Fachkräfte vermittelt, Kindern in der Feststellung von Befähigungen Möglichkeitsräume zu eröffnen, die sich jedoch an spezifischen Vorstellungen von Leistungserbringung und Entwicklungsprinzipien orientieren. Festgeschrieben ist dies auch regulativ als Recht von Kindern „auf Förderung [ihrer] Entwicklung“ (Kinder- und Jugendhilfegesetz § 1). Entwicklung ist in dieser Lesart zum Leitmotiv der frühen Kindheit geworden und trifft sich mit der zunehmend diskursbestimmenden Leistungsagenda im Bildungsbereich, die sich im Zuge des internationalen Vergleichs in politischen Programmen zur Stärkung von schulischer Leistung ausdrückt (BMBF 2018; MfSB 2020). Diese Tendenzen wirken erkennbar in die Frühe Bildung hinein (Seitz und Finnern 2015), was sich etwa in Verfahren zur Überprüfung von entsprechenden Entwicklungszielen in Kindertageseinrichtungen ausdrückt (vgl. Blaschke-Nacak und Thörner 2019.). Skeptisch angefragt wird in diesem Kontext vor allem ein hierüber verengtes Normalitätsfeld (Link 2008) von Entwicklung und Bildung, weiterführend werden vor allem präventiv ausgerichtete diagnostische Praktiken in der Frühen Bildung als Disziplinierungstechniken kritisiert (Krönig 2017; Seitz und Hamacher 2021).

Eine kritische Perspektive auf diese Zusammenhänge in früherer Ausprägung wurde bereits in den 1980er-Jahren von Seiten der Integrationsforschung geworfen, die in Abgrenzung zu Funktionalisierungstendenzen in der Pädagogik und im Widerstand gegen die Aussonderung von Kindern aus Kindertageseinrichtungen entlang von Normalvorstellungen die ersten Modellversuche „integrativer Erziehung“ wissenschaftlich begleitete (Feuser 1984; Klein et al. 1987). Zentraler Bezugspunkt war in Anknüpfung an die kritische Erziehungswissenschaft das Anliegen der Demokratisierung und Humanisierung des Bildungssystems (Klafki 1989). In den prägenden Forschungslinien und Konzepten ist das Kind hier als auskunfts- und entscheidungsfähiges Subjekt und als Träger von Rechten platziert, wodurch Anschlüsse an Arbeiten der Demokratiepädagogik und entsprechende Operationalisierungen von Partizipation (u. a. Hart 1997) eröffnet wurden (Simon 2018). Bestärkung fand dieser Diskurs durch normative Impulse auf internationaler Ebene (United Nations 1989, 2006). Partizipation setzt sich dem folgend auf Basis gleicher Rechte aus dem Zusammenspiel von sozialer Zugehörigkeit und Mitbestimmung zusammen, was konkret bedeutet, dass der Blick von der Objekt- zur Subjektorientierung umschlägt. Nicht das schutzbedürftige, sondern das selbstbestimmte und autonome Kind steht damit im Zentrum (Guralnick 2001). Partizipation in Kindertageseinrichtungen ist damit Schlüssel für und zugleich Ausdruck von inklusionsbezogener Qualität früher Bildung, womit Professionellen die Rolle zufällt, auf der Basis der personalen Anerkennung einen pädagogischen Rahmen herzustellen, der Mitbestimmung von Kindern bestärkt (vgl. Reitz 2015; Prengel 2016; Seitz et al. 2021).

Es zeichnet sich damit insgesamt ein programmatisches Spannungsfeld ab, das sich aufspannt zwischen der Leitidee Partizipation und der damit verbundenen Anerkennung junger Kinder als Akteure auf der einen Seite und der Aufforderung zur normorientierten Überprüfung von Entwicklungszielen auf der anderen Seite, die Kinder vorwiegend als möglichst zuverlässige Erbringer dieser Ziele positioniert. Anhand einer abgeschlossenen Studie nehmen wir daher genauer in den Blick, wie Partizipation unter der Bedingung des Leitmotivs der Entwicklungsoptimierung und unter der gleichzeitigen Zielidee von Inklusion in der frühen Bildung verhandelt wird.

3 Forschungsmethodisches Vorgehen

Die wissenschaftliche Begleitung des Modellprojekts zur partizipationsförderlichen Kooperation von Kindertageseinrichtung und Frühförderung (Stiftung Wohlfahrtspflege 2016–2019), auf deren Befunde wir hier rekurrieren, zielte auf genaueres Wissen dazu, wie eine partizipationsförderliche Zusammenarbeit zwischen Fachkräften aus der institutionellen frühen Bildung, Betreuung und Erziehung und der Frühförderung ausgestaltet und strukturell verankert werden kann.

In Verschränkung von quantitativen und qualitativen Erhebungs- und Auswertungsmethoden (Kelle 2014) wurden in sieben Modellregionen im gesamten Raum Nordrhein-Westfalen über drei Jahre hinweg Daten erhoben und im Hinblick auf das formulierte Ziel ausgewertet (ausführlich Seitz und Hamacher 2019). Das Sample setzte sich aus Leitungs- und Fachkräften der teilnehmenden Kindertageseinrichtungen und Frühförderstellen, Vertreter*innen der Jugend‑, Gesundheits- sowie der Sozialämter und ferner Eltern zusammen, die im Rahmen des von uns wissenschaftlich begleiteten Modellprojekts über entsprechende Interventionen des Projektträgers gezielt zur Kooperation aufgefordert waren, konkret insbesondere die Akteure aus Kindertageseinrichtung und Frühförderung. Zur Erfassung der Ausgangslage wurden vor Projektbeginn (2016) Online-Fragebögen (n = 490) eingesetzt, die sowohl quantitativ als auch qualitativ inhaltsanalytisch (Mayring 2010) ausgewertet wurden. Für ein genaueres Verständnis der partizipationsförderlich auszugestaltenden Kooperation im Prozess selbst (2017–2018), wurden in einem zweiten Schritt fokussierte Beobachtungen in acht Kindertageseinrichtungen sowie Gruppendiskussionen (n = 8) mit Leitungs- und Fachkräften der Kindertageseinrichtung und der jeweils kooperierenden Frühförderstelle durchgeführt und mit der Dokumentarischen Methode (Bohnsack et al. 2013) ausgewertet, um sich dem impliziten Wissen und den Orientierungen der Akteure im Rahmen der Kooperation zu nähern. Abschließend (2019) wurden Leitfadengestützte Interviews (n = 19) mit Leitungspersonen und Eltern erhoben und mittels der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2010) analysiert, um diese fokussiert mit dem Datensatz des ersten Erhebungsschritts in Beziehung zu setzen und Einschätzungen zur Wirksamkeit der Interventionen zu geben (ausführlicher Seitz und Hamacher 2019).

Für die hier verfolgte Problemstellung stellen wir hinführend ausgewählte Befunde der Online-Befragung und der leitfadengestützten Interviews vor, um einen ersten Einblick in die Datenlage zum Partizipationsverständnis zu geben. In das Zentrum stellen wir dann anhand der Gruppendiskussionen die Rekonstruktion von Perspektivverschiebungen in der kooperativen Praxis von Akteuren aus Kindertageseinrichtungen und Frühförderung. Dieser Auswertungsschritt basiert auf dem praxeologischen Grundgedanken, soziale Praktiken nicht als Ergebnis eines individuellen Aktes, sondern vor dem Hintergrund sozialer Regeln zu verstehen (Reckwitz 2003). Von hier aus lassen sich strukturelle Einflussfaktoren, wie die organisationalen Aufträge und damit verbundene gesetzliche Rahmungen, in die Interpretation aufnehmen. Wir fokussieren somit nicht ausschließlich die Handlungspraxis der jeweiligen Akteure, sondern betrachten diese vor dem Hintergrund organisationaler Logiken und Aufträge (Kelle und Schweda 2014). Die Annahme, dass die Akteure in der Kooperationspraxis eingebunden sein können in eine spezifische Form der Entscheidungspraxis und Auftragsdefinition (Odom 2000), ist somit leitend für diesen Schritt der Auswertung und Analyse. Insbesondere möglichen Praktiken der Bearbeitung oder Herstellung von Differenz galt unser Augenmerk, denn die vorliegenden Befunde zur multiprofessionellen Kooperationspraxis in der inklusiven Bildungspraxis geben Hinweise auf diesbezügliche Dilemmata (Labhart 2019; Lieber et al. 1997). Welche Wissensbestände und Entscheidungspräferenzen sich im Rahmen von Fallkonstitutionen in der Kooperation durchsetzen, wurde bislang aber erst ansatzweise erschlossen (Hamacher 2020).

Wir diskutieren die Rekonstruktionen daher im Lichte der oben ausgeführten aktuellen Entwicklungen, Aufträge und der politischen Agenda.

4 Ein Fall für Zusammenarbeit

Unsere Befunde zum Verständnis von Partizipation zeigen unerwartet deutliche Divergenzen zwischen den beteiligten Professionen. So geben in einer ersten Online-Befragung (n = 490) zum Projekteinstieg 40 % der Fachkräfte aus Kindertageseinrichtungen an, dass Ihnen die Unterstützung eines demokratischen Grundverständnisses wichtig sei. Im Vergleich dazu gaben dies lediglich 15 % der Fachkräfte aus der Frühförderung an (ausführlich Seitz und Hamacher 2019). In den leitfadengestützten Interviews zum Projektende fand sich dies insofern wieder, als hier vielfach einem Verständnis von Partizipation als Teilhabe (im Sinne des Dabeiseins) gefolgt wurde:

Ff: […] Frühförderung ist da schon noch mal ein bisschen speziell, weil wir haben die Kinder ja, nicht immer, aber erst mal der Regelfall ist ja die Eins-zu-Eins-Förderung. Und da ist ja nicht direkt sichtbar, wo das Kind im Rahmen von Teilhabe unterstützt wird, außer insofern, dass ich das mit dem Kind gemeinsam erübe oder Förderung oder Entwicklungsschritte anstoße, damit das Kind dann diese Fähigkeiten, die es in der Eins-zu-Eins-Situation erlernt, auch irgendwann in seinem sozialen Umfeld umsetzen kann, wo eben Teilhabe auch wirklich dann geschieht. (Leitfadengestütztes Interview 4, Frühförderung)

Wie im ausgewählten Beispiel fand sich im Kontext der Frühförderung vielfach die Vorstellung wieder, die Gewährung von Teilhabe stehe in Abhängigkeit vom Entwicklungsstand und den Kompetenzen des Kindes. Im Ausschnitt wird dabei weiterführend deutlich, dass die Frühförderpraxis selbst nicht als Feld praktizierter Partizipation, sondern vielmehr von dessen Vorbereitung verstanden wird – die hier erworbenen Kompetenzen werden damit zur Voraussetzung der Teilhabe in der Tageseinrichtung und grenzen somit das Feld der Frühförderung als Einübungspraxis von einer später und an anderer Stelle praktizierten Partizipation ab. Dies scheint mit Blick auf die differenten professionellen Aufträge der beiden Berufsgruppen zunächst nicht verwunderlich, denn Frühförderung kann zwar in Kindertageseinrichtungen praktiziert werden, wird aber kindbezogen gewährt und primär über entsprechend individuumsbezogene Entwicklungsziele justifiziert (Sohns 2010). Damit besteht auf der Auftragsebene ein grundlegender Unterschied zu den inklusionsbezogenen Qualitätsanforderungen an Kindertageseinrichtungen (Seitz 2012), für die wie oben aufgezeigt Partizipation als tägliche Handlungspraxis konstitutiv ist.

Die verschiedenen Systeme, in die die Akteure hier eingebunden sind und die einflussreich für die entsprechenden Wissensdiskurse in den Organisationen sind (Henn 2019), scheinen somit in Verbindung zu stehen mit den impliziten Orientierungsgehalten der Handelnden (Bohnsack 2017). Wenn dies so ist, treffen die differenten Aufträge, die verbunden sind mit unterschiedlichen organisationalen Logiken, in der Kooperation von Kindertageseinrichtung und Frühförderung hintergründig aufeinander und treten dabei besonders deutlich hervor. Anders gesagt deuten unsere Analysen insgesamt darauf hin, dass sie sich in die – über die Projektinterventionen bestärkte – Kooperationspraxis durchleiten und hier von den Akteuren konkret ausgehandelt werden (Hamacher 2020; Seitz und Hamacher 2021). Dies zeigt auch der folgende Auszug einer Gruppendiskussion – durchgeführt in einer Kindertageseinrichtung – in einer „natürlichen Gruppe“ (Bohnsack 2017), bestehend aus einer Leitungskraft und Fachkräften aus einer Kindertageseinrichtung sowie aus der kooperierenden Frühförderstelle:

LfFootnote 1: Es ist auch nochmal schwierig die Eltern mit ins oder es war schwierig die Eltern mit ins Boot zu holen ähm Mama selbst Erzieherin sieht ihr Kind wohl so wie es ist, aber Papa siehts wohl nen bisschen anders und die Großeltern

          LPfFootnote 2: Ja.

          LLf: dann auch, dass es wirklich lange gedauert hat bis wir gemeinsam mit Frau Meier (Frühförderkraft, anonymisiert)

      LFfFootnote 3: mhm (bejahend)

          LLf: auch ähm die Eltern sowei::t ähm mit ins Boot holen konnten, dass sie jetzt

  in die Praxis gegangen sind.

  […]

      Ff: Und da würde ich mir jetzt einfach auch vorstellen, also das […] ist natürlich immer die Entscheidung der Eltern, ne Mutter nochmal als Hinweis mitgegeben habe, dass ich denke, dass er als integratives Kind hier in der Einrichtung gut aufgehoben wäre denn ich hab da einfach nen paar Vermutungen was die Diagnose betrifft. […] Und da bin ich natürlich auch froh drüber, dass wir das so früh schon was bewegen konnten wo man ja jetzt dann ja schon in der U3 sehen konnte, dass da schon ja auch soziale Schwierigkeiten entstehen ne und wenn man das nicht abfangen kann dann werden die möglicherweise immer gravierender. Das ist ja sozusagen das nächste Entwicklungsproblem, das dann auftaucht. (Gruppendiskussion B., Z. 48–81)

In diesem Ausschnitt schreibt die Leitungskraft aus der Kindertageseinrichtung Familien eine bedeutungsvolle Rolle für die Ausgestaltung der Kooperationspraxis zwischen der frühen Bildung, Betreuung und Erziehung und der Frühförderstelle zu, indem die Schwierigkeit thematisiert wird, dass die Initiierung von Frühförderung und damit die Kooperation von der Zustimmung der Bezugspersonen abhängig ist. Dabei wird wiederholt das Bild herangezogen, die Eltern „ins Boot zu holen“, womit der Familie implizit eine divergierende Perspektive und Einschätzung übertragen wird, die der von Professionellen gegenübergestellt werden kann. Zugleich ist damit die Möglichkeit angesprochen, bei unterschiedlichen Perspektiven im Blick auf das gleiche Kind – hier auch innerhalb der Familie – zu unterschiedlichen Einschätzungen zu gelangen. Die Frühförderkraft, die hier explizit als Kooperationspartnerin angesprochen wird, mit der es „gemeinsam“ gelungen ist, die Eltern „ins Boot“ zu holen, greift dies auf und benennt das Entscheidungsrecht der Eltern, auf das die Berufsgruppe bei der Initiierung von Frühförderung angewiesen ist. Sie greift damit die ihr zugeschriebene Rolle auf, die Zustimmung der Eltern zu erwirken, was ihr über den Hinweis gelungen ist, dass das Kind in dieser Kindertageseinrichtung als „integratives Kind“ gut aufgehoben sei. Über diesen Begriff wird das Kind auf den ersten Blick in den Fokus des Entwerfens eines Falls gerückt. Markant ist dabei jedoch, dass es hier weniger um die Interessen und Bedürfnisse, als vielmehr um die Statusveränderung des Kindes geht, was hier im Lichte der reibungslosen Kooperationspraxis aufscheint und im Zusammenhang mit dem Erreichen wichtiger Entwicklungsschritte gesehen wird. Hierüber wird die Verantwortlichkeit und das Fürsorgeverständnis der Frühförderkraft gegenüber dem Kind expliziert und das Kindeswohl hervorgehoben, was sodann verbunden wird mit der Beschreibung von im Entstehen begriffenen sozialen Schwierigkeiten und der „Vermutung“ einer Diagnose. Diese Vermutung wird so einerseits als Begründung herangezogen, um frühzeitig etwas „zu bewegen“ und macht andererseits die positive Konnotation sowie die Notwendigkeit eines frühen Eingreifens in Entwicklungsprozesse deutlich („froh darüber“), da mit dieser ein in der Zukunft möglicherweise eintretendes „gravierendes“ Entwicklungsproblem verbunden wird, das nun noch bevor es zukünftig „auftauchen“ und damit Gestalt annehmen wird, bereits in der Gegenwart bearbeitet werden kann.

Dabei werden Präskriptionen und Risikomerkmale ausgehandelt, worüber normative Vorstellungen in den Vordergrund und Motive, Interessen, Stärken sowie Bedürfnisse des Kindes in den Hintergrund rücken. Prognostische Annahmen und vage, zukunftsbezogene Entwicklungsrisiken werden dabei zwar verbunden mit der explizierten Ausrichtung am Wohl des Kindes, die sich darin ausdrückt, „gut aufgehoben“ zu sein, was den Familien dann auch so vermittelt wird. Dies legitimiert jedoch eine notwendig an Differenz sowie an Eindeutigkeit ausgerichtete Fallkonstitution und die hieran anschließende Fallbearbeitung bereits in der Gegenwart. Hierüber ist es möglich, Familien von den zukunftsbezogenen Deutungen der Professionellen zu überzeugen und sie im weiteren zur Selbstdisziplinierung als Eltern eines „abweichenden“ Kindes aufzufordern – was ihnen zugleich Widerstand gegen diese Deutungen verunmöglicht (Geib et al. 2021; auch Betz et al. 2019).

5 Diskussion

Ein wesentlicher Erkenntnisgewinn unserer Studie liegt zunächst in der Feststellung, dass die divergenten Aufträge von Kindertageseinrichtung und Frühförderung nicht widerspruchsfrei von den Akteuren selbst zusammengefügt werden konnten und dies zu konfliktreichen Verstrickungen im Feld geführt hat. Dies liegt auch darin begründet, dass im Feld von Kindertageseinrichtungen der Auftrag einer an Vielfalt und Demokratie ausgerichteten Pädagogik fest hinterlegt ist (s. oben). Dies ließ sich von uns in vielen Einrichtungen auch so beobachten (Seitz und Hamacher 2019), während der Frühförderung der Auftrag der Früherkennung und damit der Prävention inhärent ist, wie im SGB IX, Abs. 1 Nr. 1 sowie in der Verordnung zur Früherkennung und Frühförderung (FrühV, § 3 Satz 1) aufgeführt. Bildungs- und Entwicklungsprozesse von Kindern müssen diesem Auftrag folgend notwendig in einen sozialen und normorientierten Vergleich gesetzt werden, um „Abweichungen“, worüber sich in der Frühförderung Aufträge definieren lassen, feststellen und beschreiben zu können (Wohlfart 2020).

Das mit Kooperation in inklusiven Kontexten verbundene Ziel, über Mehrperspektivität einen wertschätzenden und umfassenden Blick auf das Kind und die individuellen Bildungsprozesse zu ermöglichen (Cloos et al. 2019; Sulzer und Wagner 2011), kann so im Zusammentreffen der früh- und inklusionspädagogischen Bestimmung von Kindertageseinrichtungen mit dem Auftrag einer diagnosebasierten Früherkennung innerhalb der Frühförderung zu Widersprüchen führen. Denn verbunden mit zweitem ist eine notwendig defizitär ausgerichtete Auftragsformulierung, um hiervon ausgehend die Herstellung von (zukünftiger) Teilhabe an einer „Normalität“ auszurichten. Insbesondere die regulativ verankerte Gewährung von Frühförderung, um „eine drohende oder bereits eingetretene Behinderung zu erkennen und […] auszugleichen“ (FrühV § 3, 2003; SGB IX) ist dabei nicht nur eine höchst diffuse Form der Herstellung von Differenz, sondern stellt mit der Begrifflichkeit „drohend[e]“ zudem explizit Differenz her, die sich in ein abgrenzendes und inferiores Verhältnis zum Normalfeld setzt (Riegel 2016), und damit über das Entwerfen von zukünftigen Risiken ein kompensatorisches Eingreifen in der Gegenwart rechtfertigt. Der institutionelle Auftrag, Abweichungen über die diagnostische Feststellung eines Risikomerkmals abzubauen, prallt an dieser Stelle unmittelbar auf den Anspruch einer diskriminierungsfreien Bildung (United Nations 2006, S. 18), wird jedoch unseren Befunden folgend weitgehend unhinterfragt in der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung begrüßt (Hamacher und Seitz 2020). Dabei werden Kinder bereits im frühen Alter mit Foucault gesprochen machtvoll in ein Verhältnis zur Normalität gesetzt und zum Gegenstand von Disziplinartechniken gemacht (vgl. Foucault 1998, S. 216 ff.; Link 2008). Hierüber entsteht ein neues Kräfteverhältnis, das sich in Strukturen unmerklich sedimentiert. Der Disziplinarmacht kommt folglich über die Kooperationspraxis eine immer größere Gewichtung zu, da in der Zusammenschließung der Aufträge über die Diagnostik individueller Normabweichungen das Möglichkeitsfeld der Kinder und ihrer Familien maßgeblich über das institutionelle Wissen beeinflusst wird (vgl. Knoll 2013, S. 48).

Dies ist bedeutungsvoll für die diskursive Ausgestaltung der Zusammenarbeit von Akteuren aus Kindertageseinrichtungen und Frühförderstellen und die Positionierung von Partizipation in diesem Kontext, wie in unserer Studie deutlich wurde. Obgleich sich hier in der ersten Erhebungsphase des Projektes auf Seiten der Kindertageseinrichtungen ein an Rechten und Demokratie orientiertes Partizipationsverständnis widerspiegelte, setzte sich im Projektverlauf eine an Prävention ausgerichtete Vorstellung einer altersentsprechenden Entwicklung durch. Über einen engeren Zusammenschluss der Systeme Frühförderung und Kindertageseinrichtung sollte dieser Vorstellung folgend Kindesentwicklung nicht nur kontinuierlich beobachtet, sondern auch wirkungsvoll kontrolliert und bewertet werden, um das Kind gezielt „weiterzubringen“ (Hamacher und Seitz 2020). Ein an Rechten und Interessen des Kindes und ihrer Familien orientiertes Partizipationsverständnis erwies sich im Lichte dieser Zielperspektive in der Kooperationspraxis als weniger durchsetzungsfähig und wurde daher im gleichen Zuge zunehmend marginalisiert. Es dominierte vielmehr ein Verständnis einer voraussetzungsvollen Gewährleistung von Teilhabe an Normalität, verbunden mit einer über diagnostische Instrumente (Pretis 2016) bestärkten Positionierung des Kindes als Objekt einer kontrollierten und an Normalentwicklung ausgerichteten Beobachtung und Bewertung (Seitz und Hamacher 2021). Im Fokus stand so die Veränderung eines Individuums, was wiederum legitimiert wurde über den zugrunde gelegten Auftrag der Prävention. Differenzpraktiken, mit denen ein Fall erst konstitutiv werden kann, wurden also vor dem Hintergrund der Feststellung einer Abweichung über diagnostische Instrumente legitimiert, was zu einer deutlichen Verschiebung des eigentlichen Auftrags der Zusammenarbeit führte.

Dabei wurde dies von den Akteuren selbst auf expliziter Ebene nicht als mögliches Problem gesehen und diskutiert. Somit blieb der Zusammenhang unbearbeitet und über die Aktivierung der Kooperation im Projekt wurden auf paradoxe Weise normierte Entwicklungsverläufe hergestellt und aufrechterhalten. Diese können wiederum im Widerspruch stehen zur Gewährleistung von Partizipation, wenn sie voraussetzen, dass ein Kind zum Fall umgedeutet werden muss, damit die Zusammenarbeit ermöglicht werden kann. Über die symmetrischen Positionierungen der Fachkräfte erwächst somit das Risiko, dass sich die Praxis an Problemdefinitionen orientiert, denen sie sich in gleichem Maße unterwirft, indem sie diese als objektiv gegeben voraussetzt – und sich hieran schließlich der Auftrag der Kooperation orientiert. So konnten wir über unsere Analysen zeigen, dass das Entwerfen von Risiken ein zentrales Moment der Zusammenarbeit zwischen Kindertageseinrichtung und Frühförderung darstellt, dies jedoch der Reflexion verwehrt bleibt. Risikokonstruktionen bilden damit auf paradoxe Weise sowohl formell als auch informell den Ausgangspunkt der Zusammenarbeit und liefern den Anlass pädagogischer Aktivität. Sie dynamisieren damit intervenierende Handlungen, da präventive Maßnahmen im Kontext von Frühförderung geknüpft sind an medizinische Diagnosen, woran sich „Behandlungen“ erst anschließen lassen. Diese werden, wie auch im oben herangezogenen Ausschnitt deutlich wird, im Sinne der Früherkennung und (zukunftsbezogener) Teilhabe zumeist positiv konnotiert und deklariert.

In diesem Zusammenhang kommt jedoch dem Prozess der Pathologisierung eine entscheidende Bedeutung zu. So sind die Fachkräfte in dieser Form der Zusammenarbeit auf Differenzpraktiken in Form des „förderungsbedürftigen“ Kindes angewiesen, worauf sich dann ihr gemeinsames Handeln bezieht, die diskursive Herstellung von Differenz wird jedoch „unter den Tisch gekehrt“ und nicht bearbeitet. Pathologische Fälle werden dabei einerseits in Form der Abweichung von einer – hierüber als solcher verfestigten – Normalität legitimiert und damit inferiorisiert, zugleich aber in ambivalenter Weise mit der Ermöglichung von Teilhabe an eben jener Normalität gerechtfertigt (Boger 2019). Diese Differenzpraktiken, worüber pädagogische Tätigkeiten aktiviert oder deaktiviert werden, reifizieren folglich wirkungsvoll die Annahme, das „Normale“ von dem „Abweichenden“ unterscheiden zu können und beanspruchen unterdessen Anpassungsleistungen entlang normorientierter Entwicklungsparadigmen (Hamacher 2020).

Damit rückt schließlich das Kind als aktiver Akteur und als Rechtssubjekt hinsichtlich des Kooperationsanlasses in den Hintergrund. Jedenfalls fällt auf, dass Motive der Kinder und ihre Befindlichkeiten keine erkennbare Rolle in den kooperativen Praktiken spielen. Auch finden sich keine Hinweise darauf, sie als auskunftsfähig im Hinblick auf die eigene Entwicklung anzuerkennen und zu adressieren (auch: Wohlfart 2020). Es deutet sich damit insgesamt eine Verschiebung des Partizipationsverständnisses an, die unmerklich verwoben ist mit dieser Form der Kooperation und den Diskurs hintergründig beeinflusst.

6 Implikationen und Perspektiven

Unsere Analysen zeigen insgesamt, dass es entgegen des im Modellprojekt postulierten Ziels – einer stärker an Partizipation ausgerichteten inklusiven Handlungspraxis – über die initiierte Kooperation zu einer Verengung des Fokus’ auf diffuse Risikofaktoren (Bollig 2013; Kelle et al. 2017) und Differenzzuschreibungen kam und im Ergebnis aus diesen heraus klar umrissene Pathologien generiert wurden, die Partizipation effektiv erschwerten. Dabei ist eine Limitation der Studie in der Projektstruktur zu sehen. Die von uns wissenschaftlich beobachtete Projektdynamik zeigte sich zunehmend verstrickt in bildungs- und sozialpolitische Agenden der Prävention und Kontrolle, sodass in den von uns als wissenschaftliche Begleitung durchgeführten Erhebungen möglicherweise vor allem gerade eine diesbezügliche Professionalität performiert wurde (Seitz und Hamacher 2021). Gleichwohl gibt gerade dies Aufschluss über Diskursdynamiken und fordert zur kritischen Beobachtung von Interventionen und Programmen auf, welche zwar explizit über Inklusion begründet, jedoch implizit im Rahmen von an Prävention und Meritokratie ausgerichteten Bildungspolitiken realisiert werden. Die diagnostischen, in der Kooperation ausgehandelten Praktiken, die sowohl die Kooperation als auch die Frühförderung motivieren, suggerieren dabei die Ausrichtung an den Interessen des Kindes. Die Deutungsmacht über diese Interessen obliegt jedoch allein den Professionellen, wobei ihnen selbst die organisationalen Verstrickungen der Deutungsmuster in Teilen verborgen bleiben. In der von uns beobachteten Prozessierung von Fallkonstitutionen wurde dabei in Teilen ein zukunftsbezogenes, vielfach anhand von lebenslagenbezogenen Kategorisierungen nur vage zu beschreibendes Risiko vorwegnehmend zum „handfesten“ Faktum umgedeutet (Hamacher und Seitz 2020), worüber sich die Diagnose als solche immunisierte und die hiervon Betroffenen zur Subjektivierung derselben aufgefordert wurden. Auf diesem Weg konnten Pathologisierungspraktiken im Feld der Tagesbetreuung forciert werden, die Partizipation letztlich wirkungsvoll verhinderten – was jedoch in paradoxer Weise mit der Sicherstellung von Teilhabe im (stellvertretenden) Interesse des Kindes und der Leitidee Inklusion legitimiert wurde.

Vor allem mit Blick auf den aktuellen grundschulbezogenen Diskurs zur Rolle der Primarstufe in einem zur Inklusion aufgeforderten und zugleich meritokratisch strukturierten Bildungssystem (kritisch u. a. Diehm 2020; Breidenstein 2020), kann somit festgehalten werden, dass es sich lohnt, diese sich andeutenden Diskursverschiebungen im Elementarbereich genau zu beobachten.