In ihrem Beitrag zur Nutzung von Evidenzen durch Lehrkräfte aus dem ersten Jubiläumsheft der Unterrichtswissenschaft zeigen Bauer und Kollar (2023) Möglichkeiten und Grenzen einer Evidenzorientierung für das Lehrkräftehandeln auf. Dabei werden auch Gütekriterien von Wissenschaft sowie Fragen zur Überwindung von wissenschaftsfernem Agieren in Schule und Unterricht diskutiert. Der Fokus liegt vor allem auf der Rolle der Lehrkräfte und Lehramtsstudierenden und deren möglicher Bevorzugung von kaum abgesichertem Erfahrungswissen gegenüber (in den Bildungswissenschaften mehr oder weniger) abgesicherten Evidenzen. Auch wenn die Problematik einer zum Teil nur wenig forschungsorientiert ausgerichteten Lehrkräftebildung mit beleuchtet wird, so wird ein weiterer Problembereich, der eher in der Verantwortlichkeit der Bildungsforschung liegt, kaum beachtet: Die Vermittlung von Forschungsergebnissen sowie wissenschaftlichen Theorien und Modellen abseits der universitären Lehre. Für Bromme und Kolleg*innen (2014) stellt die Evidenzorientierung des Praxishandels jedoch kein Selbstläufer dar, der allein über die wissenschaftliche Qualität sichergestellt wird. Vielmehr müssen Forschungsergebnisse nachvollziehbar aufbereitet und kommuniziert werden (Bromme et al. 2014). Dabei können unterschiedlichen Medien und unterschiedlichen Akteuren der Wissenschaftskommunikation durchaus unterschiedliche Rollen zukommen (Bromme et al. 2014; Mohajerzad et al. 2022).

Ein prägnantes Beispiel, an dem die Notwendigkeit der Bereitstellung wissenschaftlich abgesicherter aber auch leicht zugänglicher Erkenntnisse für Lehrkräfte illustriert werden kann, stellt die Auseinandersetzung mit dem prominenten „Lerntypenmythos“ dar. Verschiedene Studien (z. B. Krammer et al. 2019) zeigen, dass (angehende) Lehrkräfte der Annahme einer Existenz von unterschiedlich erfolgreichen, individuellen Lerntypen je nach präferiertem Sinneskanal in hohem Maße anhängen. Diese Annahme ist jedoch empirisch nicht belegt, verfehlt einige ihrer gesetzten Prämissen und entbehrt auch zum Teil immanent-logischer Grundlagen (Bauer und Asberger 2022; Looß 2001). Bedenklich ist eine Orientierung an diesem Mythos nicht nur, weil dadurch möglicherweise Ressourcen im Unterricht und der Unterrichtsvorbereitung falsch gebunden werden, sondern auch, weil individuelle Lernfortschritte gehemmt werden können und das akademische Potenzial von Schüler*innen falsch eingeschätzt werden kann (Nancekivell et al. 2020; Sun et al. 2023). Dennoch finden sich zahlreiche Blogs, YouTube-Videos und Podcasts, in denen der Lerntypenmythos hochgehalten wird und Lerntypenselbsttests vorgestellt werden. Dieses geschieht auch in vermeintlich wissenschaftlich legitimierten beziehungsweise forschungsnahen Formaten der populären Wissenschaftskommunikation, wie etwa Quarks (2022) oder GeoLino (o.J.), in denen Lerntypen als faktisch dargestellt werden. Andererseits existieren jedoch auch Versuche, über Formate wie Podcasts eine wissenschaftlich fundierte Auseinandersetzung mit dem Konzept für Lehrkräfte im Beruf anzubieten (z. B. Wisniewski o.J.).

Letztlich zeigt sich an dem Beispiel sowohl die Problematik der Orientierung an nicht-wissenschaftlich abgesicherten Unterrichtspraktiken als auch der Bedarf nach validem Wissenstransfer, um Lehrkräften im Beruf einfach zugängliche und verständliche Informationen zu liefern, die bestenfalls in das Handlungsrepertoire übernommen werden. An diese Überlegung anknüpfend, soll im vorliegenden Beitrag ein Blick auf möglichen Chancen des Wissenstransfers durch Wissenschaftskommunikation geworfen werden sowie exemplarisch Formate der Wissenschaftskommunikation auch unter Berücksichtigung möglicher Vor- und Nachteile für eine stärkere Evidenzorientierung betrachtet werden.

1 Wissenschaftskommunikation und Wissenstransfer

Wissenschaftskommunikation gewinnt in allen Disziplinen zunehmend an Bedeutung, da ein Anwachsen an wissenschaftlichem Output und eine verstärkte disziplinäre Ausdifferenzierung das Nachvollziehen von wissenschaftlichen Erkenntnissen für eine breite Öffentlichkeit erschweren (Görke und Rhomberg 2017). Die Kommunikation von Wissenschaft und Forschungsergebnissen kann auf vielen Kanälen und Ebenen erfolgen, die sich eher an eine breite Öffentlichkeit (z. B. in Blogs und auf Videoplattformen, Zeitungsartikeln und -interviews, Talkshows usf.) oder ein Fachpublikum (auf entsprechenden Tagungen und in Fachzeitschriften) richten. Grundsätzliches Ziel ist, die Ergebnisse von Forschung in die Gesellschaft zu tragen und dabei zum Teil auch Einfluss auf öffentliche Meinung und Politik zu nehmen (Bonfadelli et al. 2017; Dernbach et al. 2012; Horst et al. 2017). Eine Herausforderung für die Wissenschaftskommunikation stellt dabei die (scheinbare) Widersprüchlichkeit wissenschaftlichen Wissens dar, die sich auch über Diskurse und disziplinäre Entwicklungen für Laien nur schwer erschließt (Bromme und Kienheus 2014).

Im Bildungsbereich besteht ein Ziel der Wissenschaftskommunikation darin, den Transfer wissenschaftlicher Ergebnisse aus der Bildungsforschung in die schulische Praxis zu befördern. Transfer bedeutet in diesem Zusammenhang jedoch keine einfache Streuung des spezifischen Wissens, sondern erfordert eine Anpassung an die jeweiligen Kontexte und Bedingungen der Praxissituation (Gräsel 2019). Erschwert wird ein möglicher Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Schulpraxis, wenn die lineare Vermittlung die Logiken der Praxis zu wenig in den Blick nimmt. Ein solches lineares Modell daher greift zu kurz, wenn man ein Transferverständnis anlegt, „bei dem die Kommunikation von Wissen nicht in eine Richtung von der Forschung in die Praxis geht, sondern bi- oder multidirektional und rekursiv erfolgt, indem sich Akteure aus der Wissenschaft und unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen austauschen“ (Reinmann und Brase 2022, S. 2). Um diese Bedingungen zu berücksichtigen, scheint es geboten, Wissenschaftskommunikation als nicht-linear aufzufassen, um tatsächlichen Austausch und Rückmeldung über die jeweiligen Praxiserfordernisse zu erhalten. In nicht-linearen Wegen des Transfers sehen Hartmann und Kunter (2022) durch „Interaktion und Kommunikation zwischen Akteur*innen der unterschiedlichen Communities“ (Hartmann und Kunter 2022, S. 3) eine Möglichkeit, die Nutzung wissenschaftlicher Erkenntnisse in der Praxis wahrscheinlicher werden zu lassen (Hartmann und Kunter 2022). Auch Dresbach (2023) beschreibt einen kommunikativen Prozess als notwendige Voraussetzung für gelingenden Wissenstransfer und sieht die Möglichkeiten der Kommunikationsformate des Web 2.0 als Chance, entsprechende Transfers zu befördern.

Aus Perspektive von Forscher*innen wird die mediale Darstellung von Wissenschaft außerhalb des Diskurses in Fachzeitschriften zum Teil kritisch betrachtet, da die Ergebnisdarstellung als spekulativ und dramatisierend wahrgenommen wird (Horst et al. 2017). Obgleich Wissenschaftskommunikation vor allem darauf abzielt, Forschungsergebnisse öffentlich zugänglich zu machen, kann auch die Wissenschaft selbst profitieren. Auf seinem YouTube-Kanal weist Spannagel (2022) darauf hin, dass Wissenschaftskommunikation für Forscher*innen unter anderem deswegen gewinnbringend sein kann, da diese dazu anregt werden, durch Perspektivwechsel eigene Ergebnisse und Positionen zu hinterfragen und auch in möglichen Bewerbungsverfahren ein erfolgter Wissenstransfer als Arbeitsergebnis aufgeführt werden kann. Relevant für die Wissenschaftskommunikation ist die Frage, wie sich diese hinsichtlich ihrer Wirksamkeit bewerten lässt und ob die adressierte Zielgruppe erreicht wird. Im Gegensatz zur wissenschaftlichen Veröffentlichung eines Aufsatzes in einer Fachzeitschrift fallen beispielsweise Zitationsindizes als ein Maß der Verbreitung weg. Möglich wäre es, zur Bewertung von Online-Formaten über verschiedene Formen der Nutzungsdatenanalyse, beispielweise Abrufzahlen, zu arbeiten (Hempel 2023; siehe zum Überblick zur Evaluation in der Wissenschaftskommunikation Niemann et al. 2023).

2 Quellen wissenschaftlichen Wissens für Lehrkräfte

Wissenserwerb von Lehrkräften im Beruf kann im Anschluss an das Studium auf formalen Wegen (z. B. im Rahmen von Fortbildungen) auch inzidentell (z. B. aus Erfahrungen) oder informell erfolgen. Informelles Lernen umfasst dabei unter anderem den Austausch mit Kolleg*innen, das Einholen von Feedback sowie die Lektüre von Ratgebern oder Produkten der Wissenschaftskommunikation in Form von Fachliteratur bzw. Publikationen in Fachzeitschriften (Röhl et al. 2024). Im Gegensatz zu der modellhaften Vorstellung eines informierten Abwägens verschiedener Wissensquellen (Gräsel 2019) werden für Unterrichtsentscheidungen von Lehrkräften vor allem leichter zugängliche Wissensquellen abseits der Wissenschaft genutzt, wie etwa eigenes oder fremdes Erfahrungswissen, der Austausch auf Social-Media-Plattformen wie Twitter (Conze et al. 2020) sowie sogenannte Ratgeberliteratur (Mönig 2012; Otto et al. 2019; Tänzer 2011).

2.1 Wissenschaftliche Fachliteratur

Forschungsergebnisse (aus Fachzeitschriften) werden als Wissensquelle von Lehrkräften im Beruf kaum berücksichtigt, was neben möglichen Verständnisschwierigkeiten und mangelnder Passung für den Unterricht auch an der Zugänglichkeit liegen kann (Besa 2023; Demski 2018; Hartmann und Kunter 2022; Mohajerzad et al. 2022). Gräsel (2019) bezeichnet die Vorstellung, dass Lehrkräfte in der Praxis aktuelle, internationale Forschungsstände aufarbeiten sogar als naiv und betont die Bedeutsamkeit der Zugänglichkeit und Zusammenfassung von entsprechenden wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Studienergebnisse deuten ebenfalls darauf hin, dass Lehrkräfte und bereits Lehramtsstudierende eine eher geringe Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit (empirischer) Forschung zeigen und wissenschaftliche Erkenntnisse nur bedingt Einzug in die Unterrichtspraxis finden (Besa 2022; Hinzke et al. 2020). Lehrkräfte interessieren sich vor allem dann für die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien, wenn sie einen erkennbaren sowie direkten praktischen Nutzen für ihren eigenen Unterricht in diesen erkennen (vgl. Wilkes und Stark 2022; Rochnia und Trempler 2019). Eine große Hürde für die Integration entsprechender (empirischer) Erkenntnisse in unterrichtspraktisches Handeln stellt jedoch ein als zu groß wahrgenommener Aufwand der Beschäftigung mit Forschung und wissenschaftlichen Studien dar (Demski 2018). Darüber hinaus stellt möglicherweise auch der Fokus auf „widerlegende Evidenz“ (Bauer und Kollar 2023, S. 134) ein Problem dar, der bei Lehrkräften gegebenenfalls Abwehrhaltungen gegenüber wissenschaftlichen Veröffentlichungen hervorruft.

2.2 Ratgeberliteratur und praxisorientierte Zeitschriften

Ratgeberliteratur in Form von Praxishandbüchern oder praxisorientierten Zeitschriften ist – trotz der weiten Verbreitung – bislang kaum erforscht (Krüger und Konrad 2022; Mohajerzad et al. 2022) und die entsprechende wissenschaftliche Qualität und Fundierung ist eher schwankend, wie sich beispielweise an dem Lerntypenmythos illustrieren lässt. Dieser ist in der Ratgeberliteratur zum Teil so fest verwurzelt, dass er sogar dann als faktisch dargestellt wird, wenn er im Widerspruch zu anderen Informationen steht. So wird in dem „Praxisbuch – Üben, Wiederholen, Festigen. Praxishandbuch für die Sekundarstufe 1 und 2“ von Paradies und Linser (2003) zunächst – und ohne konkrete Quellenangaben – festgehalten, dass „wie der Mensch lernt, […], in vielen Studien erforscht worden [ist]. Die Ergebnisse all dieser Studien[sic!] zeigen, dass wir dann erfolgreich lernen, wenn möglichst viele Sinne beteiligt werden“ (Paradies und Linser 2003, S. 42). Dieser scheinbar wissenschaftlichen Legitimierung steht auf der nächsten Seite des Buches dann mit Verweis auf Vester aber die Unterschiedlichkeit des Lernerfolgs in Abhängigkeit von Lerntypen gegenüber. Das Spannungsfeld zwischen generell erfolgreichem Lernen bei Beteiligung vieler Sinne und der individuellen Bedeutsamkeit des sensuellen Zugangs für das Lernen wird dabei ignoriert.

Betrachtet man den Markt der Ratgeberliteratur für den Schulbereich genauer, dann zeigt sich zweierlei: Zunächst einmal ist dieser sehr umfangreich. Krüger und Konrad (2022) listen für die Jahre 2019 und 2020 insgesamt 410 aktuell und nicht nur antiquarisch erhältliche Bücher, die sich als explizite Praxisratgeber an Lehrkräfte richten. Interessanterweise sind diese zu einem überwiegenden Teil von anderen Lehrkräften verfasst und damit nicht unbedingt Teil einer Wissenschaftskommunikation, sondern rechtfertigen sich vor allem über die Praxiserfahrung der Autor*innen (Krüger und Konrad 2022). Andererseits rekurrieren auch bei der Autor*innenschaft von Schulpraktiker*innen, wie bei Paradies und Linser (2003) gesehen, die Argumentationen nicht ausschließlich auf Erfahrungswissen, sondern werden mit Rückgriff auf vermeintliche oder tatsächliche Forschungsergebnisse legitimiert. Für Wissenschaftler*innen scheint dieses Genre (ebenso wie praxisorientierte Zeitschriften, siehe Mohajerzad et al. 2022) weniger relevant zu sein, insbesondere als Mittel der Wissenschaftskommunikation im Sinne der zielgruppennahen Darstellung von eigenen Forschungsergebnissen. Bislang werden Forschungsergebnisse in den praxisorientierten Zeitschriften kaum erwähnt (Mohajerzad et al. 2022). Dass praxisnahe und gleichzeitig nicht wissenschaftsferne Darstellungen in der Ratgeberliteratur dennoch möglich sind, zeigt das differenzierte Werk von Greutmann et al. (2020) „Professionelles Handlungswissen für Lehrerinnen und Lehrer: Lernen – Lehren – Können“. Im Gegensatz zu den anderen aufgeführten Werken wurde dieses Buch gemeinsam von Wissenschaftler*innen und Personen aus der schulischen Praxis verfasst (Greutmann et al. 2020).

2.3 Lehrvideos und Podcasts

Es gibt zahlreiche Video- und Podcast-Angebote, die sich direkt an Lehrkräfte oder an Lehramtsstudierende richten und von Forscher*innen aus dem Bildungsbereich betrieben werden. Dabei zeigt sich, dass entsprechende Formate durchaus auf einen gewissen Widerhall stoßen, wie etwa der YouTube-Kanal von Christian Spannagel mit über 100.000 Abonnenten (Spannagel o.J.). Spannagel ist auch auf anderen Plattformen (z. B. TikTok) aktiv und präsentiert dort neben Grundlagenwissen für Mathematikstudierende auch hochschuldidaktische Inhalte, insbesondere im Kontext digital gestützter Lehre und Flipped Classroom (Spannagel o.J.). Das grundlegende Potenzial, für Forschung auf Video-Plattformen zu begeistern, lässt sich an der Reichweite großer Wissenschaftskanälen, wie dem der Chemikerin Mai Thi Nguyen-Kim ablesen, die auch in öffentliche Diskurse hineinwirkt (Mathias 2019) und es bis zur Einstellung des Kanals auf über 1,4 Mio. Abonnent*innen gebracht hat (Nguyen-Kim o.J.).

Auf der Ebene der Podcasts finden sich eine ganze Reihe Angebote, in denen Wissenschaftler*innen Forschungserbnisse präsentieren und diskutieren, wie zum Beispiel die an Hochschulen produzierten Podcasts „Besserwissen“ der Universität Erfurt (Universität Erfurt o.J.) und „Bildungsmärchen“ der Universität Kassel (Universität Kassel o.J.) oder der private Podcast „Psychologie fürs Klassenzimmer“ von Benedikt Wisniewski (Wisniewski o.J.), der binnen eines Jahres mehr als 10.000 Abrufe verzeichnen konnte. Inwiefern dieses auch ein Ausdruck dafür ist, dass ein entsprechendes Angebot „in die Breite wirkt“, bleibt allerdings spekulativ. Die grundlegende Wirksamkeit mit Blick auf die Integration der in Podcasts gebotenen Informationen in die jeweiligen individuellen Wissensbestände ist unter anderem auch von der spezifischen Aufbereitung abhängig. So konnte in einer Experimentalstudie von Götzfried et al. (2022) gezeigt werden, dass insbesondere eine stärkere Alltagsprachlichkeit und eine auf Konzeptwechsel abzielende Aufbereitung eher dazu beitragen kann, dass der Lerntypenmythos bei Lehramtsstudierenden revidiert wird.

2.4 Information Broker

Eine kompakte Darstellung von Forschungsbefunden bietet das Clearing House Unterricht (CHU), dessen erklärtes Ziel die Integration wissenschaftlicher Erkenntnisse in das (spätere) Lehrkräftehandeln ist. Auf der Homepage des Clearing House werden zu diesem Zweck Metaanalysen aus dem MINT-Bereich in Kurzreviews für Lehrkräfte verständlich aufbereitet, kritisch diskutiert und zum Teil mit praktischen Implikationen versehen (Hetmanek et al. 2023; TUM School of Social Sciences and Technology o.J.). Nimmt man Abrufe als Maßzahl, so äußern sich die Projektverantwortlichen zufrieden und geben an, dass Materialien der Kurzreviews bereits 16.000 mal heruntergeladen und die 14 bereit gestellten Podcasts 6500 mal gestreamt worden sind. Allerdings ist einschränkend zu sagen, dass sich diese Zahlen auf einen Zeitraum von vier Jahren zwischen Juli 2017 und Juli 2021 beziehen (Hetmanek et al. 2023). Im Vergleich beispielsweise mit dem oben genannten Podcast „Psychologie fürs Klassenzimmer“ adressiert das CHU jedoch eine andere Zielgruppe und richtet sein Angebot vor allem an Lehrkräftebildner*innen, die sich über die Seite „[a]ls eine Art Wissensbroker […] auf dem Laufenden“ (Diery et al. 2020, S. 43) halten können und entsprechende Erkenntnisse dann an (angehende) Lehrkräfte im Rahmen der verschiedenen Phasen der Lehrkräftebildung weitergeben sollen (Diery et al. 2020). Somit wird möglicherweise über Multiplikator*inneneffekte ein größerer Personenkreis erreicht.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt der Forschungsmonitor Schule (Forschungsmonitor Schule o.J.). Auf der Homepage, die als Kooperationsprojekt von Schulqualitätsinstituten aus vier Bundesländern (Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Baden-Württemberg) betrieben wird, werden Kurzrezensionen zu Studien aus verschiedenen Themenfeldern, etwa Digitalisierung, angeboten. Der Forschungsmonitor hat im Gegensatz zum Clearing House Unterricht keinen fachlichen Fokus und richtet sich an (angehende) Lehrkräfte, Lehrkräftebildner*innen sowie Personen aus der Bildungsadministration (Dehmel 2018).

2.5 Social Media-Plattformen

Wenn Social Media-Plattformen wie Instagram oder Twitter aber auch ein Dienst wie TikTok von Lehrkräften genutzt werden, dann spielen berufliche Themen dort eine bedeutende Rolle. So wird neben Kooperation und der sozialen Unterstützung auf Social Media-Plattformen auch eine Möglichkeit gesehen, Inspiration für Unterrichtsentwicklungsprozesse zu finden (Carpenter et al. 2024; Fütterer et al. 2021; Richter et al. 2022).

Social Media-Plattformen bieten im Vergleich zu den zuvor genannten Formaten verstärkt die Möglichkeit, mit der Zielgruppe direkt in Austausch zu treten. So können theoretisch auf Seiten der Praktiker*innen Verständnisprobleme geklärt werden und die Forschungsseite kann Rückmeldung zu Hürden und Unwägbarkeiten wissenschaftlicher Konzepte im Praxisalltag erhalten (vgl. zur Online-Kommunikation auch Schäfer 2017). Noch stärker als bei Instagram oder auch YouTube nutzen Lehrkräfte die Plattform Twitter vornehmlich für berufliche Zwecke und die eigene professionelle Weiterentwicklung, beispielweise für Fragen der Digitalisierung (Déchène et al. 2024; Krutka und Carpenter 2016). Allerdings scheint für alle Plattformen zu gelten, dass die Beschäftigung und der Austausch vor allem mit anderen Berufspraktiker*innen, nicht jedoch mit der Wissenschaft, gesucht wird. Hier ist also möglicherweise ein großes Potenzial für Wissenschaftskommunikation vorhanden, wenn auch Forscher*innen durch die Lehrkräfte als Austauschpartner*innen oder Informationsvermittler*innen wahrgenommen und akzeptiert werden. Betrachtet man andererseits die Nutzung von Twitter durch Wissenschaftler*innen, dann zeigt sich, dass dieses Potenzial kaum genutzt wird. Zwar posten Forscher*innen grundlegend vornehmlich zu wissenschaftlichen Themen, wie etwa Tagungen, oder sie informieren über Publikationen, Interaktion und Austausch zu den Beiträgen wird jedoch selten initiiert (Guenther et al. 2023). Diese Form einer Top-Down-Kommunikation ohne die vorhandene Nutzung der Interaktionsmöglichkeiten ist für eine gelungene Wissenschaftskommunikation jedoch nur bedingt förderlich (Kerres et al. 2022).

3 Fazit und abschließende Überlegungen

Weder „seriöse“ Formate, wie etwa Quarks, noch die Veröffentlichung von Ratgebern in renommierten Verlagen bieten eine Garantie für (wissenschaftliche) Korrektheit der Inhalte. Dieses ist insofern problematisch, als dass für Laien bzw. Nicht-Wissenschaftler*innen kaum Möglichkeiten bestehen, eine fundierte Bewertung und Einordnung der Qualität vorzunehmen. Ein Stück weit könnten zumindest die von Asberger et al. (2022) vorgeschlagenen Heuristiken zur Erkennung von Bildungsmythen Abhilfe schaffen. Generell geboten scheint jedoch auch, dass sich Bildungsforscher*innen verstärkt in diesem Feld engagieren, um Fehlinformationen etwas entgegenzusetzen und eigene Erkenntnisse verstärkt in die schulische Praxis zu tragen. Für eine erfolgreiche Wissenschaftskommunikation ist es dabei auch im Bildungsbereich maßgeblich, dass eine der Zielgruppe angepasste Sprache gewählt wird (vgl. Götzfried et al. 2022). Dazu sollten Bildungsforscher*innen die Sorge ablegen, in ihrer fachlichen Community weniger ernst genommen zu werden, wenn entsprechend Formate adressatengerecht bespielt werden. Auch die Anerkennung von Forschungssynthesen „als eigenständige[r] wissenschaftliche[r] Wert […] und nicht lediglich als ‚Zusammenfassung‘ vorliegender Forschung“ (Kerres et al. 2022, S. 5) sollte gestärkt werden.

Wenn Lehrkräfte grundlegende Bereitschaft zeigen, sich mit externen Wissensquellen (wie z. B. Ratgeberliteratur) zu ihrem professionellen Handeln auseinander zu setzen, diese jedoch in Teilen von fragwürdiger Qualität sind, dann ist es an Vertreter*innen der Bildungsforschung, Angebote bereitzustellen, die leichter zugänglich und zielgruppenangepasster sind als Artikel aus Fachzeitschriften. Auch hier könnte einer intensiveren Wissenschaftskommunikation und einem ernsthaften Austausch eine relevante Rolle zukommen. Dafür bietet sich neben Information Brokern, Blog- und Podcastformaten ebenfalls der Austausch auf Social Media-Plattformen an. Letztere haben vor allem den Vorteil, dass Wissenschaftskommunikation hier nicht als reiner Top-Down-Prozess verlaufen muss. Zu beachten ist allerdings, dass Diskurse auch in Social Media nicht hierarchiefrei sind und sich durchaus Meinungsführer*innen beispielsweise in einer Online-Community wie dem „Twitterlehrerzimmer“ identifizieren lassen (Fütterer et al. 2021). Dennoch ist für erfolgreichen Transfer die Vermittlung zwischen Theorie und Praxis von hoher Bedeutung, wie auch Gräsel (2019) betont und darauf hinweist, dass eine Voraussetzung darin besteht, dass „wissenschaftliche Ergebnisse so aufbereitet werden, dass sie wahrgenommen werden und damit überhaupt eine Grundlage für evidenzorientiertes Handeln“ (Gräsel 2019, S. 9) besteht. Ob Transfer für unterschiedliche Formen von Evidenzen auch unterschiedliche Formate der Wissenschaftskommunikation bedarf, wäre weitergehend zu diskutieren, ebenso wie die Rolle verschiedener Akteure (vgl. auch Bromme et al. 2014). In einem breiten Evidenzverständnis, das neben Studienergebnissen auch Evaluationsdaten oder wissenschaftliche Theorien umfasst (Besa 2023; Rochnia et al. 2022; Stark 2017), wären nicht nur empirische Befunde, die möglichst hoch in Evidenzhierarchien stehen, zu beachten (vgl. Bauer und Kollar 2023). Allerdings sollten entsprechende Evidenzen, die in der Wissenschaftskommunikation aufgegriffen werden, den Überlegungen von Bauer und Kollar (2023) folgend mindestens „hochwertig und vertrauenswürdig, also ‚belastbar‘“ (Bauer und Kollar 2023, S. 129) sein.