1 Einleitung

Lehramtsstudierende müssen ausgehend von ihren individuellen Lernvoraussetzungen auf den Berufsalltag vorbereitet werden. Zu diesen Vorbereitungen zählt, u. a. auf unvorhersehbare und gleichzeitig auftretende Unterrichtsereignisse reagieren zu können, während die Klasse zeitgleich gemanagt werden muss (Kunter und Voss 2011). Diese Organisation des Klassengeschehens zur Maximierung der aktiven Lernzeit aller Schülerinnen und Schüler wird als Klassenführung zusammengefasst (Doyle 1986; Kounin 2006). Die professionelle Wahrnehmung von Unterrichtsereignissen, die für die Interpretation der Klassenführungsfacetten Monitoring, Strukturierung und Etablierung von Regeln/Routinen relevant sind, stellt eine Voraussetzung entsprechenden Unterrichtshandelns dar (Blömeke et al. 2015; Gold et al. 2020).

Daneben gelten Selbstwirksamkeitsüberzeugungen darüber, Handlungsabläufe zur Aufrechterhaltung der Ordnung in Klassen ausführen zu können, als wichtiger Faktor effizienter Klassenführung (Brouwers und Tomic 2000; Gold et al. 2017). Da Menschen weniger Stress erleben, wenn sie glauben, schwierige Situationen bewältigen zu können (Bandura 1994), sollte die Selbstwirksamkeit von Lehramtsstudierenden gefördert werden, um einem Praxisschock beim Berufseintritt vorzubeugen. Eine Förderung der professionellen Wahrnehmung kann auch zum Selbstwirksamkeitszuwachs bzgl. des Führens von Klassen beitragen (Gold et al. 2017).

Bei einer solchen Förderung spielen Unterrichtsvideos eine zentrale Rolle, da sie die Betrachtenden u. a. vom Handlungsdruck in der Unterrichtssituation befreien und wiederholte Beobachtungen relevanter Unterrichtsereignisse ermöglichen (Beck et al. 2002). Bisherige videobasierte Formate werden aber größtenteils als synchrone Seminarkonzepte durchgeführt (z. B. Gold et al. 2017, 2020; Steffensky und Kleinknecht 2016). Dadurch, dass Lerninhalte zu festen Zeiten, an festen Orten und im selben Umfang mit allen Teilnehmenden behandelt werden, können unterschiedliche Eingangsvoraussetzungen und Lerntempi nicht berücksichtigt werden (Bloom 1968; Landenfeld et al. 2019).

Ein Mastery-Learning-Format, in dem jede Person pro Lerneinheit ein definiertes Leistungsniveau erreicht, bevor sie mit der nächsten Einheit fortfahren kann (Winget und Persky 2022), ermöglicht hingegen eine individualisierte Förderung. Dabei können verschiedene Lernbedarfe mithilfe adaptiver Lernwege in Form von individualisierten Lerngelegenheiten und Feedbacks berücksichtigt werden – was durch digitale Umsetzungen u. a. mit weniger Lehrkraftressourcen und ohne nachteilige soziale Vergleiche aufgrund unterschiedlicher Entwicklungsverläufe der Lernenden realisierbar ist (Ballera et al. 2014; Decker und Mucha 2018; Landenfeld et al. 2019). Digitale Mastery-Learning-Angebote erlauben ein zeit-/ortsunabhängiges Lernen und führten z. B. in der Medizin (Takashiki et al. 2022) und im Mathematikunterricht (Lin et al. 2013) zu Leistungszuwächsen. Ausnahmesituationen wie die COVID-19-Pandemie unterstreichen den Bedarf an flexibleren Lernumgebungen, die ein individualisiertes Lernen auf Distanz erlauben (Hußner et al. 2022).

Aufgrund dieser Argumente und Befunde wurde ein entsprechendes Lernmodul entwickelt, um angehende Lehrkräfte bei ihrer Professionalisierung zu unterstützen (Janeczko et al. 2022). Dieses wurde nach bewährten Gestaltungsprinzipien multimedialen Lernens konstruiert (z. B. Mayer 2003) und eröffnet Nutzenden individuelle Lernwege mit der Option zum Wiederholen/Überspringen von Inhalten gemäß des Mastery-Learning-Ansatzes (Bloom 1968; Winget und Persky 2022).

In diesem Beitrag wurde die Effektivität dieses digitalen, videobasierten Mastery-Learning-Moduls zur Förderung der professionellen Wahrnehmung und Selbstwirksamkeitsüberzeugungen über Klassenführung bei Lehramtsstudierenden evaluiert, indem es einem digitalen, videobasierten Seminarkonzept gegenübergestellt wurde, das traditionell von Dozierenden zu festen Zeiten im Gruppenkontext durchgeführt wurde (Unified-Learning-Angebot). Da die Umsetzung der Prinzipien eines Mastery- und Unified-Learning-Ansatzes in ein inhaltlich vergleichbares, digitales Lernangebot einen gewissen Gestaltungsraum offenlässt, handelte es sich um eine Feldstudie mit quasi-experimentellem Charakter, um das Potenzial beider Lehrformate im digitalen Bereich auszuloten.

1.1 Professionelle Wahrnehmung von Klassenführung

Klassenzimmer sind Lernorte, an denen Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichen Interessen und Fähigkeiten so zu organisieren und anzuleiten sind, dass die Beteiligung maximiert und Störungen minimiert werden (Doyle 1986). Diese Klassenführung einer Lehrkraft ist als Unterrichtsqualitätsmerkmal bedeutsam für das gesamte Unterrichtsgeschehen und den Lernerfolg der Lernenden (z. B. Hattie 2009; Korpershoek et al. 2016; Kounin 2006; Kunter und Voss 2011).

Damit Klassenführungsmaßnahmen im Unterrichtshandeln umgesetzt werden können, müssen klassenführungsrelevante Unterrichtsereignisse mittels professioneller Wahrnehmung (PW) erkannt und wissensbasiert interpretiert werden (Sherin und van Es 2009). Das Perception-Interpretation-Decision-Making-Modell von Blömeke et al. (2015), laut dem der Einsatz des Professionswissens über die situationsspezifischen Fähigkeiten der PW zu beobachtbarem Unterrichtshandeln führt, verdeutlicht diese Theorie-Praxis-Verknüpfung. Zudem wurden Zusammenhänge zwischen der PW und Unterrichtsqualitätsmerkmalen nachgewiesen, die sich für den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler als wirksam erwiesen haben (z. B. Kersting et al. 2012; König et al. 2021; Krauss et al. 2020). Folglich stellt die PW einen zentralen Aspekt der Lehrkräfteexpertise dar (Seidel und Stürmer 2014).

Für die professionelle Wahrnehmung von Klassenführung (PWKF) benennen Gold et al. (2020) drei Facetten, die Lehrkräfte beachten müssen (ausführlich Gold und Holodynski 2017; Ophardt und Thiel 2013): (1) Monitoring beinhaltet, dass Lehrkräfte parallele Unterrichtsereignisse wahrnehmen und dies den Schülerinnen und Schülern verdeutlichen, indem sie u. a. prompt und angemessen bei Störungen eingreifen. (2) Prozessuale Strukturierung umfasst die gute Vorbereitung und Durchführung eines an die Aufmerksamkeit und das Verständnis der Lernenden angepassten Unterrichts inklusive reibungsloser Übergänge. (3) Etablierung von Regeln/Routinen dient dazu, wiederkehrende lernförderliche Abläufe im Unterricht zu automatisieren, um mehr Zeit für inhaltliche Lernunterstützung zu schaffen. Die frühzeitige Förderung dieser PWKF ist ein Ziel der Lehrkräftebildung, da sie als Voraussetzung guter Klassenführung gilt (Blömeke et al. 2015; Gold et al. 2020).

1.2 Klassenführungsbezogene Selbstwirksamkeitsüberzeugungen

Ebenfalls wichtig für erfolgreiches Unterrichten ist Selbstwirksamkeit (Gold et al. 2017). Diese wird definiert als Überzeugung, Fähigkeiten zur erfolgreichen Bewältigung konkreter Anforderungssituationen zu besitzen, wobei hohe Selbstwirksamkeitsüberzeugungen (SW) die Leistung und das Wohlbefinden steigern: Von ihren Fähigkeiten überzeugte Menschen sehen schwierige Aufgaben als Herausforderung an, die es zu meistern gilt, während wenig selbstwirksame Menschen diese als Bedrohung ansehen und meiden (Bandura 1994). Folglich wird unter SW das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten verstanden, und zwar bezogen darauf, wie gut bestimmte Ziele erreicht werden können (Bandura 1997).

Lehrkräfte mit hohen SW gestalten einen herausfordernden Unterricht, unterstützen die Lernenden beim Erreichen von Fortschritten und haben mehr Geduld für lernschwache Kinder (Schwarzer und Jerusalem 2002). Wenig selbstwirksame Lehrkräfte sind anfälliger für Stress und Depressionen, da sie über persönliche Unzulänglichkeiten nachdenken, anstatt sich auf das Bewältigen der Anforderungssituation zu konzentrieren (Bandura 1994). Ohne das Vertrauen in die eigene Klassenführung werden sie täglich mit der selbstzugeschriebenen Unfähigkeit zur Ordnung im Klassenzimmer konfrontiert (Brouwers und Tomic 2000). Die Förderung klassenführungsbezogener Selbstwirksamkeitsüberzeugungen (SWKF) ist somit erstrebenswert.

Zur Förderung der SW wurden vier Informationsquellen identifiziert (Bandura 1997; Gold et al. 2017; Schwarzer und Jerusalem 2002): (1) Erleben eigener Erfahrungen mit Erfolgen (positiv für SW) und Misserfolgen (nachteilig für SW), (2) Erleben stellvertretender Erfahrungen durch Beobachtung/Nachahmung von Verhaltensmodellen in Anforderungssituationen, (3) Bewertung durch kompetente Personen (soziale Persuasion) und (4) positive und negative Erregungszustände als Vorboten des Gelingens oder Scheiterns. Beispielsweise können stellvertretende Erfahrungen durch Unterrichtsvideos erzeugt werden, die Lehrpersonen bei der erfolgreichen Bewältigung von klassenführungsspezifischen Anforderungen im Unterricht zeigen. So wiesen Gold et al. (2017) nach, dass ein videobasiertes Training der PWKF zu einem Zuwachs der SWKF führte.

1.3 Videobasierte Lehrformate in der Lehrkräftebildung

Die angeleitete Analyse von Unterrichtsvideos trägt nachweislich zur Verbesserung der PW bei (vgl. Santagata et al. 2021). Demnach wurden Unterrichtsvideos zur Förderung der PW bereits in zahlreichen Studien eingesetzt (z. B. Seidel et al. 2011; Stürmer et al. 2016; Thiel et al. 2023; Weber et al. 2018). Gold et al. (2013, 2020) und Hellermann et al. (2015) zeigten beispielsweise anhand von Trainingsstudien, dass Lehramtsstudierende ihre PWKF durch klassenführungsbezogene Analysen von Unterrichtsvideos im Vergleich zu einer Kontrollgruppe stärker verbesserten. Vorteile solcher Videoanalysen sind, dass die Betrachtenden vom Handlungsdruck realer Unterrichtssituationen befreit sind und wiederholte Analysen einer Situation vornehmen können (Beck et al. 2002). Zudem können Lehramtsstudierende durch viele Beispielsituationen Wissen aufbauen und übertragen, was den Übergang in die Berufspraxis erleichtert (Steffensky und Kleinknecht 2016). Zum Aufbau von SWKF können stellvertretende Erfahrungen durch Unterrichtsvideos erzeugt werden, wenn das Verhalten gefilmter Lehrkräfte beim Bewältigen klassenführungsspezifischer Anforderungen tiefergehend analysiert und verstanden wird (Bandura 1997). Neben einer Verbesserung der PWKF und SWKF durch videobasierte Kurse erzielten Studierende mit geringen Eingangsniveaus höhere Zuwächse (Gold et al. 2017).

1.4 Das Potenzial des Mastery-Learning-Ansatzes

In bisherigen videobasierten Lehrformaten vermittelten Dozierende die Inhalte jedoch oftmals gemäß des traditionellen Modells nach Bloom (1968) zu festen Zeiten, an festen Orten und im selben Umfang für alle Lernenden. In diesem einheitlichen Lernformat (Unified-Learning) kommen diejenigen, die die Inhalte gut aufnehmen können, schneller voran, während langsamere Personen zurückfallen, sobald im Gruppenkontext das nächste Thema behandelt wird (Ballera et al. 2014).

Im Gegensatz dazu besteht das Ziel des von Bloom (1968) eingeführten Mastery-Learning-Ansatzes darin, dass möglichst alle Lernenden ein definiertes Leistungsniveau erreichen. Damit ein solches Format erfolgreich ist, müssen Lehrende die erwarteten Lernergebnisse klar definieren, da die Lernenden pro Lerneinheit eine formative Beurteilung absolvieren sollten: Diejenigen, die das Leistungsniveau erreichen, können Zusatzaktivitäten nutzen, um ihr Verständnis zu vertiefen, während Lernende, die das Kompetenzniveau nicht erreichen, Übungsmöglichkeiten erhalten, die auf die nicht beherrschten Konzepte zugeschnitten sind (Winget und Persky 2022). So müssen alle ein definiertes Leistungsniveau erreichen, bevor sie mit der nächsten Einheit fortfahren. Die Konzeption bzw. Nutzung von Mastery-Learning-Angeboten umfasst somit Schritte wie das Lernen relevanter Inhalte, formative Beurteilungen, korrigierende Übungsmöglichkeiten und Zusatzaktivitäten (vgl. Anleitung zur Implementierung von Mastery-Learning-Formaten; Guskey 2022). Personen mit verschiedenen Eingangsniveaus dürften von den verlaufsangepassten Aspekten profitieren (Ballera et al. 2014). Dabei macht die Motivation einen Großteil des Mastery-Learning-Ansatzes aus, aber auch die Realisierung des Testeffekts mit formativen Beurteilungen und Feedback begünstigt den Lernerfolg (Block 1971; Ott et al. 2021).

Seit seiner Konzeption hat sich der Mastery-Learning-Ansatz in vielen Lernbereichen als wirksam erwiesen, wobei dies jedoch vom Unterrichtsfach, den konzipierten Tests, dem Lerntempo des Kurses und vom Feedback beeinflusst wird (vgl. Winget und Persky 2022). So wäre zur videobasierten Förderung der PWKF beispielsweise Expert*innen-Feedback ratsam, u. a. da Lehramtsstudierende dieses als valide ansehen und annehmen (Weber et al. 2018). Ott et al. (2021) betonen neben den Stärken des Mastery-Learning-Ansatzes, dass die konsequente Auseinandersetzung mit den Inhalten für Studierende auch problematisch werden kann, indem sie Prokrastination Vorschub leistet, wenn keine festen Fristen vorliegen. Auch ein Mastery-Learning-Format, in dem Studierende individuell von Dozierenden beraten wurden, erwies sich bei Krankenpflegestudierenden zwar als wirksamer zur Verbesserung ihrer Fähigkeiten als ein Unified-Learning-Format, resultierte aber in unterschiedlichen Bearbeitungsschleifen mit variierender Lernzeit (Mehdipour-Rabori et al. 2021). Dies ist für individuelle Lernerfolge positiv hervorzuheben, kann in Präsenzkursen aber zu hohen Betreuungsintensitäten und nachteiligen sozialen Vergleichen führen (Labuhn et al. 2010), denen mithilfe digitaler Mastery-Learning-Angebote vorgebeugt werden könnte (Decker und Mucha 2018).

1.5 Das Potenzial digitaler Lernumgebungen

Digital gestütztes Lernen ermöglicht beispielsweise die Bereitstellung strukturierter, lernendenzentrierter und interaktiver Lernumgebungen, die von jedem Mitglied einer Zielgruppe an jedem Ort und zu jeder Zeit für den Wissenserwerb genutzt werden können (Khan 2005). Viele Universitäten haben die Möglichkeiten des digital gestützten Lernens in die Lehre integriert, um unterschiedlichen Lernerfordernissen der Studierenden individualisiert Rechnung zu tragen und personalisierte Informationszugänge und Lernoptionen anzubieten – wobei es allerdings auch Vorbehalte gegen den Verlust des persönlichen Kontaktes gibt (Ayu 2020). Im Zuge der Präsenzlehre wünschen sich Studierende dennoch flexiblere Lernmöglichkeiten, um sich Lerninhalte auch andernorts anzueignen, während für Dozierende Platzbeschränkungen und geringe Möglichkeiten zur individualisierten Bereitstellung formativer Feedbacks problematisch sind (Lester und King 2009; Yorke 2003).

Hinsichtlich der Effektivität von Online-Lehre im Vergleich zur Präsenzlehre zeigten Stevens et al. (2021) anhand von 91 Vergleichsstudien im Zeitraum von 2000 bis 2020, dass in 41 % der Studien eine digital gestützte Lehre zu höheren Lernerfolgen führte, in 18 % Face-to-Face-Formate effektiver waren und in 41 % der Studien keine Unterschiede vorlagen. Nicht die digitale Umsetzung an sich macht einen Unterschied aus, sondern die Art und Weise, wie diese eingesetzt wird (Salomon 2002). Die Flexibilität in Bezug auf Zeit, Tempo und Lernwege macht Mastery-Learning-Formate als Teil einer digitalen Umsetzung besonders attraktiv (Archambault et al. 2022). Denn neben der Vermeidung hoher Betreuungsintensitäten und sozialer Vergleiche in einem in Präsenz stattfindenden Mastery-Learning-Format (Decker und Mucha 2018; Labuhn et al. 2010), können digitale Mastery-Learning-Angebote verschiedene Facetten der Adaptivität effizient einbeziehen:

  1. 1.

    Es kann individuelles, sofortiges und auf einem Expert*innenrating basierendes Feedback zu allen Aufgaben bereitgestellt werden (Janeczko et al. 2022). Demgegenüber vergeben Dozierende auch beim digitalen Unified-Learning (z. B. per Zoom Video Communications 2023) einheitlicheres Expert*innen-Feedback an alle Studierenden, sodass diese prüfen müssen, welche Teile des allgemeinen Feedbacks für sie zutreffend sind.

  2. 2.

    Digitale Mastery-Learning-Angebote eröffnen im Gegensatz zum einheitlichen Lernweg beim (digitalen) Unified-Learning individualisierte Lernwege, sodass die Lernvoraussetzungen und Lerntempi aller Studierenden durch ein bedarfsgerechtes Wiederholen/Überspringen der Inhalte berücksichtigt werden und diese ihren Lernerfolg einschätzen bzw. selbst nachjustieren können (Ballera et al. 2014; Landenfeld et al. 2019). Dabei entstehen unterschiedliche Lernzeiten, die im digitalen Format jedoch beliebig ausgeschöpft werden können.

  3. 3.

    Da digitale Mastery-Learning-Angebote zeit-/ortsunabhängig abrufbar sind (Janeczko et al. 2022), entsprechen sie dem Wunsch flexibler Lernoptionen (Lester und King 2009; Yorke 2003), während Unified-Learning-Formate auch in digitaler Form zeitabhängig in festen Gruppengrößen stattfinden.

Studien belegen, dass digitale Mastery-Learning-Formate zur Steigerung der Leistung, Motivation und Selbstwirksamkeit beitragen können (z. B. Betts 2019; Lin et al. 2013; Takashiki et al. 2022). Aufgrund dieser Potenziale und Befunde wird angenommen, dass individuell adaptierbare, digitale Mastery-Learning-Angebote auch zu stärkeren Zuwächsen der PWKF/SWKF führen als digitale Unified-Learning-Angebote. Ausschlaggebend dürften verschiedene Facetten der Adaptivität sein (spezifisches und sofortiges Expert*innen-Feedback, individuelle Lernpfade und die zeit-/ortsunabhängige Nutzung), die in einheitlich durchgeführten (Online‑)Seminaren nicht gleichermaßen realisierbar sind.

1.6 Forschungsfrage und Hypothesen

Janeczko et al. (2022) konzipierten ein digitales Lernmodul zur Förderung der PWKF, indem sie ein videobasiertes Seminarkonzept erstellten und im Sinne des Mastery-Learning-Ansatzes (Bloom 1968; Guskey 2022) in ein individuell adaptierbares Lernmodul überführten. Die Forschungsfrage lautet: Inwiefern führt das digitale, videobasierte Mastery-Learning-Angebot im Vergleich zu einem digitalen, videobasierten Unified-Learning-Angebot und einer unbehandelten Kontrollgruppe zu einer Verbesserung der PWKF und SWKF?

Einerseits sollten die positiven Ergebnisse bzgl. videobasierter Seminarkonzepte im Unified-Learning-Format repliziert werden (z. B. Gold et al. 2017, 2020). So wurden in der unbehandelten Kontrollgruppe – jenseits möglicher Messwiederholungseffekte – keine signifikanten Verbesserungen der PWKF und SWKF erwartet, wohl aber in der digitalen Unified-Learning-Gruppe (Hypothese 1).

Andererseits wurde angenommen, dass das digitale Mastery-Learning-Angebot die PWKF und SWKF effizienter fördert als das digitale Unified-Learning-Angebot (Hypothese 2). Denn das Mastery-Learning-Angebot eröffnete verschiedene Facetten der Adaptivität: (1) Individuelle Bearbeitung aller klassenführungsbezogenen Aufgaben mit sofortigem, auf einem Expert*innenrating basierenden Feedback, (2) ein bedarfsgerechtes Wiederholen/Überspringen der Inhalte und (3) eine zeit-/ortsunabhängige Nutzung (Bloom 1968; Janeczko et al. 2022; Landenfeld et al. 2019). Im Unified-Learning-Format wurden dieselben Inhalte und Analyseaufgaben angeboten, aber das Feedback wurde basierend auf dem Expert*innenrating im Unterrichtsgespräch von den Dozierenden gegeben und alle Studierenden bearbeiteten die Aufgaben ohne ein Wiederholen/Überspringen der Inhalte. Die Umsetzung der Prinzipien eines Mastery- und Unified-Learning-Ansatzes in inhaltlich vergleichbare, digitale Angebote lässt einen gewissen Gestaltungsraum offen, sodass in dieser Studie das Potenzial beider Lehrformate im digitalen Bereich ausgelotet wurde.

2 Methode

2.1 Studiendesign und Stichprobe

Es wurde ein quasi-experimentelles Prä–Post–Follow-Up–Design mit 121 Masterlehramtsstudierenden des Sachunterrichts an Grundschulen genutzt (Tab. 1). An der Universität Münster absolvierte die Kohorte eines Jahrgangs mit 39 Studierenden das Unified-Learning-Angebot im Sommer- bzw. Wintersemester 2020, während die Kohorte des darauffolgenden Jahrgangs mit 49 Studierenden das Mastery-Learning-Angebot im Sommersemester 2021 durchlief. Eine Selbstselektion bzgl. der Seminarwahl im jeweiligen Semester war nicht möglich, da die Kurse nacheinander angeboten wurden. Dadurch konnten Konfundierungseffekte durch den Austausch zwischen den Studierenden beider Kursvarianten vermieden werden. Es wurde angenommen und bestätigt, dass sich die aufeinanderfolgenden Kohorten desselben Studiengangs an derselben Universität nicht bzgl. ihrer soziodemographischen Daten unterschieden (s. unten). Als unbehandelte Kontrollgruppe wurden 33 Masterlehramtsstudierende des Sachunterrichts an Grundschulen anderer Universitäten rekrutiert, die das Seminarthema der Interventionsgruppen in dieser Zeit nicht behandelten.

Tab. 1 Deskriptive Statistiken: Anzahl der Teilnehmenden, Geschlechterverteilung, Alter und absolvierte Mastersemester

Alle Gruppen bearbeiteten eine mit Unipark (Questback GmbH 2022) erstellte Online-Umfrage zu Beginn des Semesters (Prätest), am Ende des Semesters (Posttest) und drei Monate später (Follow-Up-Test). Neben soziodemographischen Angaben wurde jeweils ein Instrument zur Erfassung der PWKF und SWKF beantwortet. In beiden Interventionsgruppen war die Teilnahme am Prä- und Posttest Teil des Seminars, während der Follow-Up-Test mit einem 80-Euro-Gutschein vergütet wurde. Die Kontrollgruppe erhielt für jeden Messzeitpunkt 40-Euro-Gutscheine. Alle Studierenden konnten angeben, ob sie an den anonymisierten Umfragen teilnehmen wollten, indem sie diesen explizit (nicht) zustimmten.

Die drei Gruppen unterschieden sich nicht in Bezug auf Alter, F (2, 118) = 1,39, p = 0,254, absolvierte Fachsemester, F (2, 118) = 0,69, p = 0,502, und Geschlechterverteilung, χ2 (6) = 7,33, p = 0,291. Von den 121 Studierenden nahmen 79 am Follow-Up-Test teil. Der Dropout betrug 35 % und war in allen Gruppen vergleichbar, χ2 (2) = 0,07, p = 0,964. Die Analyse systematischer Stichprobenausfälle zeigte, dass ältere Personen (M = 25,60, SD = 3,98) verglichen mit jüngeren (M = 24,09, SD = 3,04) seltener am Follow-Up-Test teilnahmen, t (67,10) = 2,14, p = 0,036. Kein Unterschied ergab sich für die PWKF im Prätest, t (119) = −0,78, p = 0,436, und für den Anstieg vom Prä- zum Posttest, t (119) = −0,58, p = 0,564.

2.2 Beschreibung und Durchführung der Lehrformate

Beide videobasierten Lehrformate wurden von denselben Dozierenden in separaten Kursen durchgeführt, während Studierende der Kontrollgruppe keine vergleichbaren Veranstaltungen besuchten. Beide Lehrformate folgten demselben Seminarkonzept mit identischen Lerninhalten: Zunächst erhielten beide Interventionsgruppen (1) eine Einführung in die PW, gefolgt von einem Wissensinput und Training der PW mithilfe der Analyse von Unterrichtsvideos anhand derselben Kodiermanuale zur (2) Klassenführung und zur (3) Lernunterstützung. Dann wurde (4) die PW der Wechselwirkungen beider Konstrukte trainiert und (5) Lernerfolge reflektiert (Anhang 1).

Beide Gruppen erhielten identische Materialien (Texte, Kodiermanuale, Aufgabenstellungen und Kontextinformationen für Unterrichtsanalysen sowie Literatur) in separaten Learning-Management-Kursen. Die Kodiermanuale umfassten detaillierte Erläuterungen der Klassenführungs- und Lernunterstützungskategorien, die bei der Unterrichtsanalyse genutzt wurden. Da dieser Beitrag die Schulung klassenführungsbezogener Kompetenzen behandelt, werden nun die Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Lehrformate beispielhaft anhand der klassenführungsrelevanten Lerninhalte konkretisiert.

2.2.1 Das digitale, videobasierte Unified-Learning-Angebot mit einheitlichem Expert*innen-Feedback

In der Unified-Learning-Gruppe wurden zu festen Zeiten neun wöchentliche Sitzungen und zwei Blocktermine mit den Teilnehmenden durchgeführt (per Zoom Video Communications 2023). Für die Vermittlung der Inhalte wurden Prinzipien der kognitiven Theorie des multimedialen Lernens berücksichtigt (z. B. Multimediaprinzip, Signalisierungsprinzip; Mayer 2003). Zur Klassenführung gab es je eine Sitzung á 90 min zum Thema Unterrichtsaktivitäten und Monitoring sowie zum Thema Strukturierung und Etablierung von Regeln/Routinen:

  1. 1.

    Die Dozierenden erläuterten die Konzepte und Analysekategorien anhand von Präsentationsfolien und des Kodiermanuals im Plenum, besprachen Fragen und rekapitulierten die Inhalte durch direktes Nachfragen.

  2. 2.

    Danach analysierten die Studierenden in Einzelarbeit je ein Unterrichtsvideo aus dem Sachunterricht pro Klassenführungsfacette (drei Videos zwischen 02:31 und 03:03 min) anhand der Kontextinformationen und des Kodiermanuals. Anschließend wurden die Ergebnisse im Plenum besprochen, wobei die Studierenden ihre Analysen vorstellten, auf Angemessenheit hin diskutierten und die Dozierenden Feedback anhand eines Expert*innenratings gaben. Die Dozierenden gewährleisteten, dass alle relevanten Ereignisse der Unterrichtsclips zur Sprache kamen und jede*r Studierende musste die zusammengetragenen Ergebnisse auf die eigenen Analysen beziehen, um korrekte von inkorrekt kodierten Unterrichtsereignissen zu unterscheiden.

  3. 3.

    Zum Zusammenspiel der Klassenführungsfacetten fertigten alle Studierenden eine schriftliche Analyse eines 04:32-minütigen Unterrichtsclips an. Danach wurde hierzu ein Peer-Feedback gegeben, sodass alle Studierenden ein individuelles Feedback erhielten. Der Umfang synchroner Sitzungen und Analyseaufgaben zum Thema Klassenführung betrug 5 h.

2.2.2 Das digitale, videobasierte Mastery-Learning-Angebot mit individuellem Expert*innen-Feedback

In der Mastery-Learning-Gruppe wurden dieselben Seminarinhalte in fünf digitalen Lernmodulen selbstständig erarbeitet. Diese wurden nach bewährten Gestaltungsprinzipien multimedialen Lernens (z. B. Mayer 2003) und im Sinne des Mastery-Learning-Ansatzes konstruiert (Guskey 2022). Das Klassenführungsmodul behandelt in Teilmodulen ebenfalls die Themen Unterrichtsaktivitäten, Monitoring, Strukturierung und Etablierung von Regeln/Routinen (Janeczko et al. 2022):

  1. 1.

    Statt von Dozierenden wurden Konzepte und Analysekategorien des Kodiermanuals schriftlich auf Modulseiten sowie mündlich durch auditive Erklärungen vermittelt und Inhalte durch Quizformate rekapituliert.

  2. 2.

    Die Studierenden analysierten ebenfalls eigenständig Unterrichtsvideos pro Klassenführungsfacette mittels Kontextinformationen und desselben Kodiermanuals im jeweiligen Teilmodul. Die Unterrichtsanalyse erfolgte durch die Beurteilung geschlossener Aussagen zu den Unterrichtsvideos und die Korrektheit wurde auf Basis eines Expert*innenratings rückgemeldet und erläutert. Dieses war standardisiert, wurde jedoch entsprechend der individuellen Leistung bereitgestellt. Die Anzahl zu bearbeitender Analysen orientierte sich an der erreichten Punktzahl und passte sich der individuellen Leistung an, sodass zu jeder Klassenführungsfacette ein Übungsvideo und ein bis drei Anwendungsvideos (zwischen 01:01 und 03:23 min) analysiert wurden (für Details vgl. Janeczko et al. 2022). Im Mittel wurden 8,61 Videos (SD = 1,61) von 12 Videos im Gesamtmodul analysiert, von denen 2,61 Videos (SD = 1,61) zusätzlich bearbeitet wurden – d. h., über die Übungsvideos und obligatorischen Anwendungsvideos pro Teilmodul hinaus. Im Sinne des Mastery-Learning-Ansatzes zeigte sich, dass die Studierenden unterschiedlich viele Zusatzvideos bearbeiteten (Min = 0, Max = 2 pro Teilmodul) und im ersten Teilmodul zunächst mehr Zusatzvideos analysierten (M = 1,31, SD = 0,83) als im zweiten (M = 0,63, SD = 0,68) und dritten Teilmodul (M = 0,67, SD = 0,76).

  3. 3.

    Zum Zusammenspiel der Klassenführungsfacetten gab es ein offenes Analysewerkzeug, in dem klassenführungsrelevante Ereignisse des Unterrichtsvideos in offenen Feldern analysiert wurden. Auch hierzu erhielten Studierende standardisiertes Expert*innen-Feedback, das entsprechend der individuellen Leistung bereitgestellt wurde. Die offene Videoanalyse entsprach ebenfalls dem Mastery-Learning-Ansatz, da Lernende ihre Analyse so lange überarbeiteten, bis sie min. 80 % Übereinstimmung mit dem Expert*innenrating erreichten und fortfahren konnten (vgl. Janeczko et al. 2022).

Zur Klärung technischer Probleme wurde nach dem Klassenführungsmodul eine einstündige Sitzung angeboten. Für die Modulbearbeitung wurden im Mittel 8 h und 31 min (SD = 3:34) benötigt. Die hohe Bearbeitungsspanne spiegelt die verschiedenen Lernaufwände wider, die Studierende zum Durchlaufen ihrer individuellen Bearbeitungsschleifen benötigten, um das vorgegebene Leistungskriterium zu meistern. Diese individuellen Feedback- und Bearbeitungsschleifen, die zusätzlichen Zeitbedarf bedeuten können, unterscheiden das Mastery-Learning-Angebot vom Unified-Learning-Angebot (Bloom 1968; Winget und Persky 2022).

2.3 Instrumente

2.3.1 Videobasierter Test zur professionellen Wahrnehmung von Klassenführung

Zur Erfassung der PWKF wurde der standardisierte, videobasierte Klassenführungstest von Gold und Holodynski (2017) in einer gekürzten Version mit drei der vier Unterrichtsclips genutzt (Junker et al. 2021). Der Bewertung der Proband*inneneinschätzungen lag ein Masterrating von 16 Expert*innen mit einer Übereinstimmung von 85 % hinsichtlich korrekter Itemantworten zugrunde. Die Studierenden betrachteten die Unterrichtsszenen und beantworteten 41 Items zur Beschreibung und Interpretation der Klassenführungsfacetten auf einer Skala von 1 (trifft nicht zu) bis 4 (trifft zu). Einige Items lauteten: „Die Lehrerin reagiert auf alle Störungen rechtzeitig“ (Monitoring); „Die Schülerinnen und Schüler langweilen sich“ (Strukturierung); „Die Still- und Partnerarbeitsphasen sind noch nicht gut eingeübt“ (Etablierung von Regeln/Routinen). Zur Auswertung wurden die Antworten in 1 (Übereinstimmung mit Masterrating) oder 0 (keine Übereinstimmung) kodiert, Itemwerte pro Facette gemittelt sowie ein Gesamtmittelwert gebildet (Gold und Holodynski 2017). Dessen interne Konsistenz war für den Prä- (α = 0,88), Post- (α = 0,91) und Follow-Up-Test (α = 0,93) gut bis sehr gut. Auch Gold und Holodynski (2017) berichten in ihrer Validierungsstudie gute interne Konsistenzen sowie eine eindimensionale Faktorenstruktur als besten Daten-Fit und die Sensitivität des Tests für Expertiseunterschiede.

2.3.2 Skala zu klassenführungsbezogenen Selbstwirksamkeitsüberzeugungen

Zur Erfassung der SWKF wurde die Scale for Teacher Self-Efficacy genutzt (Pfitzner-Eden 2016). Sie umfasst drei Skalen mit je vier Items zur empfundenen SW bzgl. Klassenführung, Instruktionsstrategien und Motivierung der Schülerinnen und Schüler. Die Studierenden schätzten die Items auf einer Skala von 1 (ganz und gar nicht) bis 9 (voll und ganz) ein. Teil dieser Studie waren die vier Items der SWKF: „Wie überzeugt sind Sie davon, dass Sie (1) … störendes Verhalten im Unterricht kontrollieren können? (2) … Schülerinnen und Schüler dazu bringen können, Regeln im Unterricht zu folgen? (3) … [eine/n laute/n, störende/n Schüler/in] dazu bringen können, ruhig zu sein? (4) … es schaffen können, eine gesamte Stunde nicht durch ein paar störende Schülerinnen und Schüler ruinieren zu lassen?“. Die internen Konsistenzen dieser Items für die Prä‑, Post- und Follow-Up-Tests waren sehr gut (α = 0,90, α = 0,92, α = 0,93).

2.4 Auswertung

Für die längsschnittliche Auswertung der Prä‑, Post- und Follow-Up-Daten wurden latente Wachstumskurvenmodelle erster Ordnung (Geiser 2010) mithilfe der growth-Funktion von lavaan in der Version 0.6-11 für R (Rosseel 2012) gerechnet. Unter Berücksichtigung des Stichprobenumfangs wurden die Modelle jeweils mit dem Gesamtwert der PWKF und SWKF berechnet, sodass die latenten Variablen durch die Mittelwerte dieser Skalen zu den drei Messzeitpunkten definiert wurden. Zusätzliche Modelle wurden mit den Mittelwerten der drei Klassenführungsfacetten gerechnet. Dabei repräsentiert der latente Intercept-Faktor jeweils die interindividuellen Unterschiede hinsichtlich der latenten PWKF und SWKF zum ersten Messzeitpunkt, während der latente Slope-Faktor die interindividuellen Unterschiede im Hinblick auf eine Veränderung über die Zeit repräsentiert (Geiser 2010).

Ausgehend von den Skalenmittelwerten im Prätest (Intercepts) wurden zeitabhängige Wachstumskurven geschätzt, sodass über die Messzeitpunkte hinweg verschiedene Verläufe angenommen werden konnten (Slopes): Ausgangsbasis war ein Random Intercept-Modell (RI), bei dem die Ladungen der beobachteten Variablen auf dem Intercept-Faktor mit 1 fixiert wurden. In weiteren Modellen wurde ein Random Slope (RIRS) ergänzt, dem unterschiedliche Ladungsmuster zugeteilt wurden. Aufgrund des Studiendesigns wurde innerhalb der beiden Seminargruppen ein Anstieg der PWKF und SWKF zwischen Prä- und Posttest angenommen, während zwischen Post- und Follow-Up-Test ein stabiles Leistungsniveau erwartet wurde, sodass über die drei Messzeitpunkte ein Ladungsmuster von 0‑1‑1 vermutet wurde. Dennoch wurden zusätzliche Modelle mit anderen Ladungsmustern gerechnet, um den besten Modellfit anhand bewährter Fitindizes (RMSEA, SRMR, CFI, AIC, BIC) und Chi2-Differenztests (z. B. Hu und Bentler 1999) zu ermitteln.

Zudem wurden die Untersuchungsgruppen im Sinne konditionaler latenter Wachstumskurvenmodelle als Dummy-kodierte Prädiktoren implementiert (Preacher et al. 2008). Die Unified-Learning-Gruppe wurde als Referenzgruppe gewählt, um diese zur Prüfung der ersten Hypothese mit der unbehandelten Kontrollgruppe und zur Prüfung der zweiten Hypothese mit der Mastery-Learning-Gruppe zu vergleichen. Diese auf den Hypothesen basierende Referenzgruppenwahl impliziert, dass sich auch die Mastery-Learning-Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe verbessert. Für die Berechnung der Effektstärke der gruppenspezifisch unterschiedlichen Slopes wurde GMA d nach Feingold (2019) berechnet. Eine separate Prüfung der Messinvarianz entfiel aufgrund der Beschaffenheit dieser Modelle, da die Gruppenzugehörigkeit und Veränderungen über die Zeit inkludiert wurden. Fehlende Werte wurden mit missing=fiml geschätzt. Mit lavPredict() wurden Korrelationen zum Zusammenhang der PWKF und SWKF mit den geschätzten latenten Veränderungen berechnet. Signifikanzniveau: p = 0,050.

3 Ergebnisse

In Tab. 2 werden deskriptive Kennwerte für den Gesamtwert der PWKF und die drei Klassenführungsfacetten sowie für den Gesamtwert der SWKF berichtet. Diese zeigen, dass die Interventionsgruppen im Mittel einen höheren Anstieg der PWKF und der drei Facetten aufwiesen als die unbehandelte Kontrollgruppe. Dabei erzielte die Mastery-Learning-Gruppe im Mittel höhere Zuwächse als die Unified-Learning-Gruppe. Im Hinblick auf die SWKF wies auch die Kontrollgruppe einen Anstieg auf, sodass sich die Gruppen über die Zeit annäherten.

Tab. 2 Deskriptive Statistiken für den Gesamtwert der professionellen Wahrnehmung von Klassenführung (PWKF) und die drei Klassenführungsfacetten sowie den Gesamtwert der klassenführungsbezogenen Selbstwirksamkeitsüberzeugungen (SWKF)

Tab. 3 beinhaltet die Modellvergleiche. Im Vergleich zum Modell [0] ohne angenommene Veränderung (RI) wird deutlich, dass die Modelle mit Veränderungsfaktor (RIRS) die Daten signifikant besser repräsentieren. Dies gilt für den Gesamtwert der PWKF und SWKF. Für beide Konstrukte zeigte sich, dass das RIRS (0,1,1)-Modell [2], welches zwischen Prä- und Posttest einen Zuwachs, aber zwischen Post- und Follow-Up-Test keine Veränderung annimmt, bessere Modellfitwerte aufwies als Modelle mit anderen Veränderungsannahmen. Dies gilt besonders im Vergleich zum RIRS (0,1,2)-Modell [1], bei dem eine stetige Verbesserung angenommen wird. Aber auch im Vergleich zum Modell [3], bei dem die Faktorladung zum zweiten Messzeitpunkt freigesetzt wurde, sind minimal bessere Modellfitwerte festzustellen. Dasselbe gilt für die drei Klassenführungsfacetten (Anhang 2). Daher wird zur Beantwortung der Forschungsfrage, inwiefern das digitale, videobasierte Mastery-Learning-Angebot im Vergleich zu einem digitalen, videobasierten Unified-Learning-Angebot und einer unbehandelten Kontrollgruppe zu einer Verbesserung der PWKF und SWKF führt, jeweils das Modell [2] bevorzugt und berichtet.

Tab. 3 Modellvergleiche für den Gesamtwert der professionellen Wahrnehmung von Klassenführung und der klassenführungsbezogenen Selbstwirksamkeitsüberzeugungen

3.1 Veränderungen der professionellen Wahrnehmung von Klassenführung

Die latenten Wachstumskurvenmodelle für den Gesamtwert der PWKF (Tab. 3) und die Klassenführungsfacetten (Monitoring, Strukturierung, Etablierung von Regeln/Routinen) mit Gruppenzugehörigkeit als Prädiktor wiesen einen guten bis sehr guten Modellfit auf. Wie Tab. 4 zeigt, unterschied sich das Ausgangsniveau der PWKF zum Prätest nicht signifikant zwischen den Gruppen – weder beim Gesamtwert noch bei den Facetten. Es zeigten sich signifikante Zuwächse beim Gesamtwert und allen Facetten der PWKF: Diese waren in der Unified-Learning-Gruppe signifikant höher als in der Kontrollgruppe, was Hypothese 1 bestätigt (GMA d für PWKF = 0,75; Monitoring = 0,73; Strukturierung = 0,64; Etablierung von Regeln/Routinen = 0,75). Der Vergleich beider Interventionsgruppen verdeutlicht, dass die Zuwächse in der Mastery-Learning-Gruppe höher waren als in der Unified-Learning-Gruppe, was Hypothese 2 bestätigt (GMA d für PWKF = 0,55; Monitoring = 0,50; Strukturierung = 0,50; Etablierung von Regeln/Routinen = 0,50). Tab. 4 zeigt außerdem, dass beim Monitoring ein signifikant schwacher, negativer Zusammenhang von Ausgangsniveau und Lernzuwachs existierte.

Tab. 4 Modellparameter (Standardfehler) für RIRS (0,1,1)-Modelle der Unified-Learning-Gruppe und latente Regression des Prädiktors Gruppe auf: Professionelle Wahrnehmung von Klassenführung (PWKF; Modell 1), Monitoring (Modell 2), Strukturierung (Modell 3), Etablierung von Regeln/Routinen (Modell 4) und klassenführungsbezogene Selbstwirksamkeitsüberzeugungen (SWKF) sowie Kovarianzen (Intercepts & Slopes)

3.2 Veränderungen klassenführungsbezogener Selbstwirksamkeitsüberzeugungen

Das latente Wachstumskurvenmodell zur Untersuchung von Veränderungen bzgl. der SWKF mit der Unified-Learning-Gruppe als Referenzgruppe wies einen sehr guten Modellfit auf (Tab. 3). Wie Tab. 4 verdeutlicht, unterschieden sich die Gruppen nicht signifikant in ihrem Ausgangsniveau zum Prätest. Es gab zwar Zuwächse bei den SWKF, diese unterschieden sich jedoch nicht signifikant zwischen den Gruppen, denn auch in der Kontrollgruppe gab es einen Anstieg. Daher werden die Hypothesen 1 und 2 in Bezug auf die SWKF abgelehnt, da sich die Zuwächse der Unified-Learning-Gruppe und der Kontrollgruppe nicht signifikant unterschieden (GMA d = 0,35) und die Mastery-Learning-Gruppe die Unified-Learning-Gruppe nicht übertraf (GMA d = 0,05).

3.3 Zusammenhang beider Konstrukte

Aufgrund der Modellbeschaffenheit wurde die Gesamtstichprobe genutzt, um Korrelationen zwischen den geschätzten latenten Veränderungen des Gesamtwerts der PWKF sowie der drei Klassenführungsfacetten mit den geschätzten latenten Veränderungen der SWKF zu berechnen. Für alle Veränderungsvariablen der PWKF wurde bei einseitiger Testung ein schwacher bis mittlerer, positiver Zusammenhang mit Veränderungen der SWKF entdeckt (PWKF: rs = 0,32, p < 0,001; Monitoring: rs = 0,26, p = 0,002; Strukturierung: rs = 0,30, p = 0,001; Etablierung von Regeln/Routinen: rs = 0,38, p < 0,001). Latente Korrelationen zwischen PWKF und SWKF zum Prätest waren nicht signifikant (PWKF: rs = 0,09, p = 0,173; Monitoring: rs = 0,11, p = 0,121; Strukturierung: rs = 0,15, p = 0,056; Etablierung von Regeln/Routinen: rs = 0,00, p = 0,491).

4 Diskussion

Ziel des Beitrags war es, die Wirksamkeit digitaler, videobasierter Lehrformate zur Förderung der PWKF und SWKF für Unified-Learning-Formate zu replizieren (z. B. Gold et al. 2017, 2020) und für ein Mastery-Learning-Angebot zu prüfen, das (1) eine individuelle Aufgabenbearbeitung mit spezifischem, sofortigem Feedback, (2) ein bedarfsgerechtes Wiederholen/Überspringen der Inhalte sowie (3) eine zeit- und ortsunabhängige Nutzung ermöglicht (Janeczko et al. 2022). Dafür wurde ein quasi-experimentelles Prä–Post–Follow-Up–Design genutzt.

4.1 Veränderungen der professionellen Wahrnehmung von Klassenführung

Gemäß Hypothese 1 zeigte der Vergleich mit der Kontrollgruppe, dass das digitale Unified-Learning-Angebot zu einem signifikant höheren latenten Zuwachs der PWKF beitrug. Dies galt für den Gesamtwert der PWKF und alle drei Facetten. Demnach waren Studierende nach dieser Intervention besser in der Lage, Unterrichtsereignisse einzuschätzen, die für die Klassenführungsfacetten relevant sind, als Studierende der Kontrollgruppe. Die Effekte blieben auch drei Monate nach der Intervention stabil.

Die Förderung der PWKF durch das digitale, videobasierte Unified-Learning-Angebot entspricht bisherigen Erkenntnissen (z. B. Gold et al. 2020; Hellermann et al. 2015). Zudem wies die Kontrollgruppe, anders als bei Gold et al. (2020) und Hellermann et al. (2015), keinen Zuwachs über die Zeit auf, sodass die Lerneffekte auf die Intervention zurückzuführen sind und ein reiner Messwiederholungseffekt ausgeschlossen werden kann. Eine videobasierte Förderung der PW von Regeln/Routinen wurde in Übereinstimmung mit den Befunden von Hellermann et al. (2015) für beide Lehrformate bestätigt. Während sich die nachgewiesene Verbesserung der PW von Strukturierung nicht bei Hellermann et al. (2015) zeigte, fand sich diese in Befunden von Gold et al. (2013) wieder. Anders als bei Gold et al. (2013) und Hellermann et al. (2015), die keine Verbesserung der PW von Monitoring durch Fremdvideos nachwiesen, erzielten beide Interventionsgruppen signifikante Lernzuwächse. Zudem existierte ein schwacher, negativer Zusammenhang von Ausgangsniveau und Lernzuwachs, sodass Studierende mit einem geringeren Ausgangsniveau der PW von Monitoring einen höheren Anstieg aufwiesen. Anders als bei Gold et al. (2017) wurde ein solcher Zusammenhang nicht für den PWKF-Gesamtwert repliziert.

In dieser Studie konnte gezeigt werden, dass der Einsatz von Unterrichtsvideos unter den gegebenen instruktionalen Bedingungen auch in digitalen Lernformaten zu einer Förderung der PWKF beitragen kann. Unterrichtsvideos fungieren dabei als Werkzeug, bei dessen Nutzung angehende Lehrkräfte unterstützt werden müssen, damit sie Details der Unterrichtsereignisse analysieren sowie fundierte Interpretationen des Lehrens und Lernens durchführen können (van Es et al. 2014).

Hypothese 2 zufolge wurde zwischen den videobasierten Formaten ein Unterschied in Bezug auf die Verbesserung der PWKF und aller Facetten nachgewiesen, der zugunsten der Mastery-Learning-Gruppe ausfiel. Somit verzeichneten Studierende mit diesem Lernmodul einen signifikant höheren latenten Zuwachs ihrer PWKF als Studierende der Unified-Learning-Gruppe. Ausschlaggebend dürften die individuelle Bearbeitung aller klassenführungsbezogenen Aufgaben inkl. des sofortigen Feedbacks, das bedarfsgerechte Wiederholen/Überspringen von Inhalten und die zeit- und ortsunabhängige Nutzung sein, die das Mastery-Learning- vom Unified-Learning-Angebot unterschieden (Bloom 1968; Winget und Persky 2022). Somit erwies sich ein Mastery-Learning-Format nicht nur in anderen Lernbereichen in Form von Präsenzkursen (z. B. Mehdipour-Rabori et al. 2021) oder digital gestützt (z. B. Takashiki et al. 2022) als effektiv, sondern auch in der Lehrkräftebildung. So können mit dem digitalen Mastery-Learning-Modul u. a. heterogene Lernvoraussetzungen berücksichtigt (Landenfeld et al. 2019) sowie hohe Betreuungsintensitäten und nachteilige soziale Vergleiche aufgrund verschiedener Lerntempi vermieden werden (Decker und Mucha 2018; Labuhn et al. 2010).

Zwar kann diskutiert werden, ob neben dem Klassenführungsmodul weitere Inhalte des Lernkonzeptes Einfluss auf die PWKF hatten, allerdings zielt der Klassenführungstest (Gold und Holodynski 2017) nur auf die im Klassenführungsmodul vermittelten Facetten ab. Zudem wurden dieselben Inhalte in der Unified-Learning-Gruppe vermittelt, die geringere Zuwächse aufwies. In jedem Fall wurde die Effektivität eines digitalen Mastery-Learning-Angebots zur Förderung der PWKF bestätigt, sodass angehenden Lehrkräften ein validiertes Professionalisierungsangebot bereitgestellt werden kann. Da Lernende hiermit bei Bedarf mehr üben können, um eine Lerneinheit zu meistern, sollte aber auch der ggf. hohe zusätzliche Zeitbedarf berücksichtigt werden.

4.2 Veränderungen klassenführungsbezogener Selbstwirksamkeitsüberzeugungen

Bezogen auf die SWKF zeigte der Vergleich mit der Kontrollgruppe, dass die videobasierten Lehrformate zu keinem signifikant höheren Zuwachs beitrugen. Somit werden die Hypothesen 1 und 2 in Bezug auf die Förderung der SWKF abgelehnt, da sich auch die Kontrollgruppe steigerte. Obwohl diese keine vergleichbaren Formate absolvierte, wurden universitäre Veranstaltungen besucht. Laut Hellermann et al. (2015) sind Überschneidungen mit klassenführungsbezogenen Inhalten anderer Seminare nicht auszuschließen, sodass sich Studierende im Laufe ihres Studiums als selbstwirksamer einstufen. Denn anders als der validierte Klassenführungstest (Gold und Holodynski 2017), entspricht die SWKF-Skala (Pfitzner-Eden 2016) einer Selbsteinschätzung, die nicht das tatsächliche Wirksamkeitsniveau abbildet, sodass eine anderweitig beeinflusste Selbstwahrnehmung denkbar ist.

Mögliche Erklärungen für das deskriptiv höhere SWKF-Niveau im Unified-Learning-Seminar können anhand der Informationsquellen zur Entwicklung von SW abgeleitet werden (Bandura 1997; Gold et al. 2017; Schwarzer und Jerusalem 2002): (1) Im Mastery-Learning-Modul wurden eigene Erfahrungen gemacht und Erfolge erzielt, aber individuelle Misserfolge könnten nachteiliger auf die SWKF gewirkt haben als im Unified-Learning-Angebot. (2) Obwohl stellvertretende Erfahrungen durch Unterrichtsvideos in beiden Lehrformaten ermöglicht wurden, wurden diese beim Unified-Learning um die Beobachtung von Verhaltensmodellen der Dozierenden erweitert. (3) Im Lernmodul fehlte eine direkte soziale Persuasion durch Feedback relevanter Personen, was bei Noviz*innen in Bezug auf Unterricht große Auswirkungen hat.

Wie bei Gold et al. (2017) wurde ein signifikant positiver Zusammenhang zwischen dem Anstieg der PWKF und SWKF festgestellt: Personen, die ihre Fähigkeit verbesserten, klassenführungsrelevante Ereignisse wahrzunehmen, steigerten ihre Überzeugung, eine Klasse führen zu können, wobei die Wirkrichtung unklar ist. Anders als bei Gold et al. (2017) war die latente Korrelation von PWKF und SWKF zum Prätest nicht signifikant, sodass Studierende, die höhere SWKF aufwiesen, nicht zwangsläufig höhere PWKF-Werte im Prätest erzielten. Da aber auch die Kontrollgruppe ihre SWKF steigerte, war nicht nur die videobasierte Förderung der PWKF entscheidend.

Somit hat sich das digitale Mastery-Learning-Modul zur Förderung der PWKF als effektiv erwiesen, während z. B. das Erleben eigener Erfahrungen (als stärkste Quelle zur Entwicklung der SWKF) durch fremde Unterrichtsvideos ohne persönliches Dozierenden-Feedback zu kurz gekommen sein könnte (Bandura 1997). Dafür sprechen Befunde von Hußner et al. (2022), die im Gegensatz zur COVID-19-bedingten Online-Lehre höhere Zuwächse der SWKF im Präsenzformat feststellten. Zudem wird vermutet, dass einige Studierende ihre SWKF durch die Analyse gelungener Klassenführung überschätzen (Gold et al. 2017), während negative Erfahrungen bei den Videoanalysen im Lernmodul ggf. zu einer Unterschätzung der SWKF führten.

4.3 Limitationen und Ausblick

Eine Limitation ist, dass Studierende der Interventionsgruppen die Lehrformate im Studium absolvierten und nur der Follow-Up-Test vergütet wurde, während die Kontrollgruppe Gutscheine für drei Messzeitpunkte erhielt. Dennoch wurden alle Gruppen extrinsisch motiviert. Die Stichprobengröße der Gruppen fiel unterschiedlich aus und umfasste bei Vorhandensein aller Messzeitpunkte zwischen 21 und 32 Personen, wobei Schätzungen der Modellparameter im Allgemeinen weder von kleineren Stichproben noch teils fehlender Normalverteilung der Daten beeinflusst werden (Finch et al. 1997; Geiser 2010). Zusatzberechnungen mittels Yuan-Bentler-Korrektur (Yuan und Bentler 2000) bestätigten vergleichbare Modellparameter. Künftig wäre auch eine randomisierte Gruppenzuordnung denkbar, wobei mögliche Konfundierungseffekte kontrolliert werden müssen, die aus dem inhaltlichen Austausch zwischen den Studierendengruppen resultieren könnten.

Im Gegensatz zur Kontrollgruppe wurden die Seminargruppen in der videobasierten Unterrichtsanalyse trainiert, was dem Testformat nahekam. Außerdem gab es auch in der Mastery-Learning-Gruppe Sitzungen zu technischen Problemen, damit die Studierenden beim Bearbeiten neuer Lernangebote nicht auf sich allein gestellt waren und aufgrund motivationaler Probleme abbrachen (Ott et al. 2021).

Die Wirksamkeit von Mastery-Learning-Formaten wird zudem von Faktoren wie dem Unterrichtsfach, dem Lerntempo des Kurses und Feedback beeinflusst (vgl. Winget und Persky 2022). In dieser Studie konnten die Wirkmechanismen einzelner Facetten der Adaptivität nicht differenziert betrachtet werden. Beispielsweise erhielten beide Interventionsgruppen das als effektiv geltende Expert*innen-Feedback (z. B. Weber et al. 2018). Allerdings wurde dieses in der Mastery-Learning-Gruppe jeder Person zu allen Aufgaben bereitgestellt, während es in der Unified-Learning-Gruppe von den Dozierenden einheitlich an alle Studierenden kommuniziert wurde, sodass diese prüfen mussten, welche Teile des allgemeinen Feedbacks für sie zutreffend waren. Es konnte nicht ermittelt werden, inwiefern sich solche Unterschiede auswirkten. Verantwortlich dafür ist der Einbezug verschiedener Facetten der Adaptivität (bzgl. Feedback, Synchronizität, Lernzeit und Verfügbarkeit), der erst durch das digitale Mastery-Learning-Angebot ermöglicht wurde, sowie die Evaluation der Seminare auf Kursebene, auf der die verschiedenen Aspekte zusammenwirken.

Künftig könnte untersucht werden, inwiefern einzelne Facetten der Adaptivität (z. B. individuelle Lernpfade) zu höheren Lernerfolgen beitragen und welche Rolle die Motivation, der Testeffekt und das Feedback spielen. Schwieriger ist es, Einzelfacetten der Adaptivität auszuklammern und beispielsweise weniger Zeit zur Modulbearbeitung einzuräumen, um Gruppen vergleichbar zu halten. So würde ein Hauptvorteil von Mastery-Learning-Modulen entfallen: Sollen Studierende mehr üben können, um eine Lerneinheit zu meistern, müssen u. a. Zeit und Sozialform angepasst werden, da unerwünschte soziale Vergleichseffekte entstehen könnten, die die Motivation beeinträchtigen würden (Bloom 1968; Decker und Mucha 2018). Je nach individueller Leistung muss dabei aber der ggf. hohe zusätzliche Zeitbedarf betont werden. Hierbei könnte in Zukunft auch präziser erfasst werden, wie lange und intensiv sich Studierende mit den Inhalten beschäftigen und inwiefern alle dasselbe Leistungsniveau erreichen. Alle Lernmodule sind über das Videoportal ViU: Early Science (www.uni-muenster.de/koviu) nutzbar und können in künftigen Trainingsformaten eingesetzt werden.

Abschließend wird betont, dass nicht die digitale Umsetzung an sich einen Unterschied ausmacht, sondern die Art und Weise, wie diese eingesetzt wird, sodass digitale Technologien den Bildungsbereich bei richtiger Anwendung tiefgreifend verändern können (Salomon 2002). Gewinnbringend konzipierte digitale, videobasierte Mastery-Learning-Module könnten folglich auch in anderen Phasen der Lehrkräftebildung und in anderen Lernbereichen eingesetzt werden. Allerdings lässt die Umsetzung der Prinzipien eines Mastery- und Unified-Learning-Ansatzes in inhaltlich vergleichbare, digitale Angebote einen gewissen Gestaltungsraum offen, der beim Vergleich solcher Lernformate berücksichtigt werden sollte (Salomon 2002). Zudem sind auch differenzielle Effekte denkbar (z. B. je nach Ausprägung des selbstregulierten Lernens und der Motivation; Ye et al. 2022), sodass weiterführend erforscht werden sollte, inwiefern die Mastery- und Unified-Learning-Angebote für unterschiedliche Gruppen von Lernenden geeignet sind. Der vorliegende Beitrag liefert somit wichtige Ansatzpunkte für weitere Studien, um lernwirksame Lehrangebote zu untersuchen, die einerseits die heterogene Studierendenschaft und andererseits die Notwendigkeit der Digitalisierung als Herausforderungen der Lehrkräftebildung adressieren.