1 Einleitung

Die professionelle Kompetenz frühpädagogischer Fachkräfte im Bereich Mathematik hat in den vergangenen Jahren zunehmend an Aufmerksamkeit in der Forschung gewonnen. Dabei haben generische Modelle professioneller Kompetenz (Blömeke et al. 2015a), Modelle zur professionellen Kompetenz von Lehrkräften (Blömeke et al. 2010), ein frühpädagogisches Kompetenzmodell (Fröhlich-Gildhoff et al. 2011) und Modelle spezifisch für die frühe mathematische Bildung (Gasteiger und Benz 2016; Jenßen et al. 2016) den Diskurs beeinflusst. Eine zentrale Frage ist dabei, wie es Personen gelingt, Dispositionen (z. B. ihr Wissen oder ihre Überzeugungen) in Handlungen zu überführen. Situationsspezifische Fertigkeiten wie die Handlungsplanung (Blömeke et al. 2015a; Fröhlich-Gildhoff et al. 2011) werden diesbezüglich als Vermittler postuliert.

Stahnke et al. (2016) untersuchten situationsspezifische Fertigkeiten in ihrem systematischen Literaturreview. Es zeigte sich, dass Handlungsplanung bislang im Vergleich zu anderen situationsspezifischen Fertigkeiten am wenigsten empirisch untersucht wurde. Insgesamt muss die Handlungsplanung bis dato weitgehend als black box verstanden werden, wenn es um die inhaltliche Ausdifferenzierung geht. Eine weitere Analyse der Handlungsplanung insbesondere im Bereich früher (mathematischer) Bildung wäre aus zwei Gründen von Relevanz. Erstens kann sie helfen, den Zusammenhang zwischen den Dispositionen (z. B. dem Wissen) und der tatsächlichen Lernunterstützung aufzuklären, der bislang für den Bereich Mathematik kaum nachzuweisen ist (Lindmeier et al. 2021). So ist es naheliegend, dass unterschiedliche inhaltliche Ausgestaltungen der Handlungsplanung auch von unterschiedlichen Dispositionen (z. B. Wissen oder Überzeugungen) abhängen. Sollte sich ein solcher Ansatz perspektivisch als reliabel und valide herausstellen, kann er – und das ist der zweite Grund – dazu beitragen, die Bedarfe von zukünftigen und im Beruf stehenden Fachkräften passgenauer zu identifizieren und entsprechend differenzierte Aus- und Weiterbildungsangebote zu machen (Wullschleger et al. 2022; Jamil et al. 2015).

Die Forschung zur (mathematischen) Lernunterstützung untersucht schon seit längerem die Frage, welche Formen der Interaktion zwischen Fachkräften und Kindern besonders lernförderlich sind (Siraj-Blatchford et al. 2002). Dabei können theoretisch und empirisch zwei inhaltsbezogene Formen der Lernunterstützung identifiziert werden. Eine instruktionale Lernunterstützung (vgl. Cooper 2009) liegt beispielsweise vor, wenn eine Fachkraft einem Kind etwas erklärt. Die andere Form wird als konstruktivistische Lernunterstützung benannt (vgl. Siraj-Blatchford et al. 2002) und ist beispielsweise dann gegeben, wenn ein Kind angeregt wird, eine Vermutung zu äußern und (systematisch) zu überprüfen. Sie gilt als besonders lernförderlich. In empirischen Studien hat sich zudem die dritte Kategorie, keine inhaltsbezogene Lernunterstützung, etabliert (Siraj-Blatchford et al. 2002).

Der vorliegende Beitrag hat eine Beschreibung der Handlungsplanung im Hinblick auf die mathematikbezogene Lernunterstützung für angehende Erzieher*innen zum Ziel, die speziell auf Mathematik bezogen und differenzierter sein soll als die bisher bekannten Formen der Lernunterstützung. Zudem soll die Häufigkeit der verschiedenen Lernunterstützungen in der Handlungsplanung erfasst werden.

Dieses Ziel ist relevant, da es das Konstrukt Handlungsplanung adäquater abbildet. In den meisten Studien wird Handlungsplanung dichotom verstanden (richtige vs. falsche Handlungsplanung, z. B. Dunekacke et al. 2015a). Die Studie von Cooper (2009) aus den USA geht hierüber hinaus und beschreibt die Handlungsplanung anhand von Formen der mathematikbezogenen Lernunterstützung. Ein solch differenziertes Vorgehen entspricht auch der Definition von Handlungsplanung (Jacobs et al. 2010; vgl. Abschn. 2.1). Mit Blick auf konzeptionelle Unterschiede im Elementarbereich (Gasteiger et al. 2020) ist es wichtig, die verschiedenen Formen der Handlungsplanung auch für Deutschland zu untersuchen. Darüber hinaus kann eine Beschreibung gewinnbringend für die weitere Forschung zur Erklärung und Veränderung der Handlungsplanung sein. Schlussendlich kann die Analyse auch praktische Implikationen liefern, indem sie Wissen zu Anknüpfungspunkten für die Ausbildung von Erzieher*innen generiert.

Zunächst stellen wir die beiden Konstrukte der Handlungsplanung und der Lernunterstützung dar und gehen dann auf den Forschungsstand hierzu ein. Im Anschluss daran sollen diese in einer explorativ-empirischen Re-Analyse von Daten zur Handlungsplanung von 240 angehenden Erzieher*innen erprobt und induktiv ausdifferenziert werden. In der abschließenden Diskussion werden Forschungsdesiderate und -impulse herausgearbeitet.

2 Theoretischer Hintergrund

2.1 Das Konstrukt der Handlungsplanung

Handlungsplanung wird in Modellen professioneller Kompetenz von frühpädagogischen Fachkräften als eines von drei mediierenden Konstrukten verstanden, den sogenannten situationsspezifischen Fertigkeiten (Abb. 1). Die situationsspezifischen Fertigkeiten und damit auch die Handlungsplanung vermitteln zwischen den individuellen Voraussetzungen der Fachkräfte, ihren Dispositionen (z. B. Überzeugungen) und der tatsächlich ausgeführten Handlung der Fachkraft, ihrer Performanz (Blömeke et al. 2015a; Fröhlich-Gildhoff et al. 2011). Die Handlungsplanung als Teil der situationsspezifischen Fertigkeiten ist dabei der tatsächlichen Handlung am nächsten (Blömeke et al. 2015a; Fröhlich-Gildhoff et al. 2011), was auch aus der Perspektive der frühen mathematischen Bildung hervorgehoben wird (Gasteiger und Benz 2016). Handlungsplanung wird dabei als eine spontane, direkt in einer pädagogischen Situation stattfindende Aktivität verstanden. Die Ausprägung professioneller Kompetenz und damit auch der Handlungsplanung hängt neben individuellen Merkmalen der Fachkräfte insbesondere von institutionellen Merkmalen, wie beispielswiese den bereichsbezogenen Lerngelegenheiten in der Ausbildung, ab (Blömeke et al. 2017). Mit Blick auf die Erzieher*innenausbildung in Deutschland sind Lerngelegenheiten zur Mathematikdidaktik eher gering ausgeprägt (Dunekacke et al. 2021).

Abb. 1
figure 1

Modell professioneller Kompetenz. (Aus: Jenßen et al. 2016)

Jacobs et al. (2010) verstehen unter Handlungsplanung eine intendierte, aber nicht tatsächlich ausgeführte Handlung. Dabei bezieht sich die Handlungsplanung immer auf eine konkrete pädagogische Situation, d. h. es wird nicht nur die fachdidaktische Qualität im Sinne von richtigen respektive falschen Handlungsplanungen berücksichtigt, sondern auch die Passung zu der Situation. Da frühpädagogisches Handeln immer auch spontanes Handeln vor dem Hintergrund von „Situativität und Ungewissheit“ (Schelle et al. 2020, S. 206) ist, kann Handlungsplanung für die hier vorliegende Studie als direkt in der Situation durchgeführte kognitive Aktivität verstanden werden. Die Handlungsplanung grenzt sich durch den Bezug zu einer konkreten Situation von einer pädagogischen Planung im Vorfeld eines Lernangebots z. B. im Bereich Mathematik (ähnlich der Unterrichtsplanung) ab (König und Rothland 2022). Bei der Bewertung der Handlungsplanung sollten der Bezug zu einer konkreten pädagogischen Situation und die Passung der Handlungsplanung zu den situativen Bedingungen beachtet werden. Dies kann sich beispielsweise in der Berücksichtigung der sprachlichen Äußerungen oder der Tätigkeiten des Kindes zeigen. Es geht bei der Bewertung der Handlungsplanung also um die Frage, welche Handlungsplanungen für die Kinder in der Situation zu nachhaltigen Lernergebnissen in Mathematik führen können. Dies führt zu der Frage nach einer effektiven mathematikbezogenen Lernunterstützung, auf die wir im Folgenden eingehen.

2.2 Mathematische Lernunterstützung

Die Qualität frühkindlicher Bildung im Allgemeinen (Kluczniok und Roßbach 2014) und insbesondere Aspekte der Interaktions- bzw. Anregungsqualität (Schmidt et al. 2018; Kluczniok und Roßbach 2014; Hamre 2014; Siraj-Blatchford 2008) sind schon lange Gegenstand der Forschung in der Frühpädagogik (Kluczniok und Roßbach 2014) und wurden in den vergangenen Jahren zunehmend mit Blick auf bereichsspezifisches Lernen untersucht, beispielsweise im Bereich Mathematik (Wullschleger et al. 2022; Schuler und Sturm 2019; Meier-Wyder 2020; Howard et al. 2020; Wullschleger 2017; Schuler 2013). Eine bereichsspezifische Sicht ist hilfreich, um die Komplexität früher mathematischer Bildung besser zu verstehen, was insbesondere vor dem Hintergrund einer erforderlichen hohen Anregungsqualität speziell in Mathematik als wünschenswert erachtet werden kann (Howard et al., 2020; Cerezci 2020; Schuler und Sturm 2019; Ulferts und Anders 2016).

Substanzielle Lernprozesse bedürfen grundsätzlich der Unterstützung durch Erwachsene (Leuchter 2013; Hamre 2014; Hardy et al. 2021). Solche Formen der Lernunterstützung werden in verschiedenen Konzepten beschrieben, beispielsweise Ko-Konstruktion (Siraj-Blatchford et al. 2002), Scaffolding (van de Pol et al. 2010; Hardy et al. 2021) oder Sustained Shared Thinking (SST, Siraj-Blatchford et al. 2002). SST kann dabei auch wertvolle Impulse für die Handlungsplanung geben, da es die Erweiterung von Wissen und Fähigkeiten der Kinder in den Mittelpunkt stellt: „The sustained shared thinking interactions include scaffolding, extending, discussing, modelling, and playing“ (Siraj-Blatchford et al. 2002, S. 144, Herv. i. Orig.). Siraj-Blatchford et al. (2002) grenzen SST vom Unterrichten (direct teaching) ab, da dort einfache Fragen gestellt oder direkte Erklärungen gegeben werden. Darüber hinaus unterscheiden die Autor*innen noch die Anwesenheit der Fachkraft sowie das pädagogische Beobachten (zusammen monitoring pedagogical interactions) und Interaktionen, die sich nicht auf den Lerngegenstand beziehen (z. B. Loben, Zurechtweisungen, socially related pedagogical interactions). In der EPPE-Studie (The Effective Provision for Pre-school Education project) aus Großbritannien heißt es:

Our analyses of the qualitative and quantitative data have substantiated this model and our research has also shown that adult-child interactions that involve some element of ‚sustained shared thinking‘ or what Bruner has termed ‚joint involvement episodes‘ may be especially valuable in terms of children’s learning. (Siraj-Blatchford et al. 2002, S. 10)

Die Autor*innen verweisen darauf, dass diese Form der Interaktion nur sehr selten und in Einrichtungen mit insgesamt sehr guter Qualität vorkommt.

Kognitiv-anregende Dialoge zwischen Fachkräften und Kindern werden also als Merkmal einer Lernunterstützung gesehen, das darauf zielt, dass Kinder selbstständig zu Erkenntnissen gelangen und diese mit den Fachkräften reflektieren (Kluczniok und Roßbach 2014; Pianta et al. 2012; Siraj-Blatchford et al. 2015; Sylva et al. 2004). Eine solche Lernunterstützung kann mit Blick auf die frühe mathematische Bildung als Begleitung mathematischer Lernprozesse bezeichnet werden. Sie besteht beispielsweise darin, den Kindern prozessorientierte Unterstützung anzubieten. Dies arbeitet auch Schuler (2013) in ihrer qualitativen Analyse von mathematikhaltigen Regelspielsituationen heraus. Demnach zeichnet sich die Begleitung durch „Kommentierungen zu eigenen und fremden Spielzügen, Beschreibungen der Spielpläne, offenen Impulsen und echten Fragen“ (Schuler 2013, S. 227, Herv. i. Original) aus. Weitere Merkmale von Begleitung sind, dass diese notwendigerweise auf Beobachtungen der Aktivitäten der Kinder aufbaut, in der Regel mehrere Kinder adressiert (Schuler 2013) und zum verbalen Austausch über die Mathematik anregt (Schuler und Sturm 2019). Fachkräfte können durch Aus- und Fortbildung darin unterstützt werden, eine Begleitung mathematischer Lernprozesse in ihrem Alltag umzusetzen (Wullschleger et al. 2022).

In den wenigen vorliegenden empirischen Studien lassen sich aber auch Interaktionen zwischen Fachkräften und Kindern beobachten, bei denen beispielsweise das Vor- und Nachmachen von Handlungen oder Erklärungen der Fachkräfte im Mittelpunkt stehen (Hüttel und Rathgeb-Schnierer 2014; Schuler 2013; Wullschleger und Stebler 2017; Meier-Wyder 2020). Diese Verhaltensweisen haben eine hohe Ähnlichkeit mit dem von Siraj-Blatchford et al. (2002) beschriebenen direct teaching und wurden besonders in Situationen mit allgemein niedriger Qualität beobachtet (Wullschleger und Stebler 2017). Schuler (2013) konnte zeigen, dass in Regelspielsituationen Fachkräfte häufig mit direkten Instruktionen, eine sogenannte Anleitung, arbeiten, um Regeln einzuführen bzw. zu wiederholen oder beim Umgang mit Fehlern. Weiterhin zeigt sich, dass sich die Anleitung im Grad ihrer Engführung unterscheiden kann. Sie kann beispielsweise auf konkrete Regeln oder mathematische Aktivitäten fokussieren oder auch zur eigenständigen Auseinandersetzung mit dem Material anregen (Schuler 2013). Zusammenfassend können diese Interaktionen als Anleitung mathematischer Lernprozesse bezeichnet werden.

Darüber hinaus lassen sich in den empirischen Befunden auch Verhaltensweisen beobachten, bei denen die Fachkraft nicht inhaltsbezogen handelt, beispielsweise indem sie das Kind ausschließlich lobt oder allgemein in seinem Handeln motiviert (Wittmann & Levin 2016; Leuchter et al. 2020). Diese Formen der nicht-inhaltsbezogenen Handlung konnten auch schon bei Lehrkräften beobachtet werden (Kleickmann 2008; Kleickmann et al. 2010). Dies wird im Folgenden als Keine mathematikbezogene Unterstützung benannt, da in unserer Studie der Bildungsbereich Mathematik betrachtet wird.

Die tatsächlichen mathematikbezogenen Handlungen von Fachkräften zeigen sich in drei Formen, nämlich der Begleitung mathematischer Lernprozesse, der Anleitung mathematischer Lernprozesse sowie keiner mathematikbezogenen Lernunterstützung. Insbesondere mit Blick auf die beiden mathematikbezogenen Formen werden verschiedene Möglichkeiten der Ausgestaltung deutlich. Diese Ausgestaltungen liegen jedoch eher als lose Beschreibungen der drei Formen vor und nicht als empirisch überprüfte eigenständige Ausprägungen. Schuler (2013) vermutet, dass die Situation einen Einfluss auf die Handlungsplanung haben könnte, und arbeitet zudem heraus, dass Anleitung und Begleitung in mathematikhaltigen Regelspielsituationen komplementär sein können. In der Einführungsphase wird eher die Anleitung genutzt, beispielsweise beim Klären von Regeln, während die Begleitung im Spielverlauf eingesetzt werden kann, um Lernsituationen aufzugreifen und Interesse zu fördern.

2.3 Empirische Befunde zur Beschreibung von Handlungsplanung anhand der mathematikbezogenen Lernunterstützung

In dem einleitend erwähnten systematischen Review von Stahnke et al. (2016) bezogen sich lediglich drei Studien auf die Handlungsplanung von Fachkräften im Elementarbereich (Cooper 2009; Dunekacke et al. 12,13,a, b). Auch ein Literaturreview von Santagata et al. (2021), das Studien einbezog, die den Effekt von videobasierten Angeboten in der Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften in Schulen untersuchten, stellte fest, dass nur in 37 % der Studien auch Handlungsplanung berücksichtigt wurde. Demzufolge machen Santagata et al. (2021) ein Forschungsdesiderat bezüglich der Handlungsplanung aus.

Jacobs et al. (2010) nutzten eine Video- und eine Textvignette, um situationsspezifische Fertigkeiten von Fachkräften zu erheben, die in den USA mit Kindern im Vor- und Grundschulalter arbeiten. Die Handlungsplanung wurde über die Frage erfasst, welche Aufgabe die Fachkräfte den Kindern als nächstes geben würden. An der querschnittlichen Studie nahmen angehende Fachkräfte, Berufsanfänger*innen, erfahrene Fachkräfte und Leitungskräfte teil. Zur Ermittlung der Ausprägung von Handlungsplanung wurde ein Summenwert über die beiden Vignetten berechnet, der als die höchstmögliche Ausprägung, die eine Fachkraft zeigen kann, interpretiert wird (Jacobs et al. 2010). Erfahrene Fachkräfte zeigten eine signifikant höhere Handlungsplanung als Berufsanfänger*innen, aber eine signifikant niedrigere als Leitungskräfte. Jacobs et al. (2010) leiten daraus die Hypothese ab, dass Berufserfahrung und Fortbildung erforderlich sind, um eine hohe Ausprägung der Handlungsplanung zu erreichen. In der Studie von Dunekacke et al. (12,13,a, b) wird ein videovignettenbasiertes Instrument eingesetzt, um Handlungsplanung von angehenden Erzieher*innen in Deutschland zu erfassen (vgl. Abschn. 4.1). Die Studie gab Hinweise, dass sich Handlungsplanung mit einem videovignettenbasierten Instrument valide und reliabel erfassen lässt. Die in der Studie berichteten Summenwerte, bei denen ein höherer Wert auf eine höhere Fertigkeit zur Handlungsplanung verweist, deuteten auf große Variabilität der angehenden Erzieher*innen in ihrer Handlungsplanung hin (Dunekacke et al. 2015a).

Eine differenzierte Beschreibung der Handlungsplanung unter Bezug auf die mathematikbezogene Lernunterstützung wurde bislang nur in der Studie von Cooper (2009) untersucht. An der Studie nahmen angehende Fachkräfte teil, die das Berufsziel haben, mit Kindern im Vor- und Grundschulalter in den USA zu arbeiten. Es zeigte sich, dass die Teilnehmenden überwiegend Strategien wählen, die sich beispielsweise durch das Vormachen der Fachkraft oder das Erklären von Regeln durch die Fachkraft kennzeichnen lassen. Cooper (2009, S. 361) fasst dies zusammen als „traditional, procedurally-focused teaching practices“, was mit dem direct teaching nach Siraj-Blatchford et al. (2002) verglichen werden kann. In der Studie wird vermutet, dass eine Reduzierung dieser Strategien durch mehr Lerngelegenheiten erreicht werden könnte. Die Lerngelegenheiten sollten sich besonders auf die Analyse kindlicher Lernprozesse und die darauf aufbauende Planung von interaktionalen und kindorientierten Strategien beziehen. Zu beachten ist, dass die Arbeiten von Cooper (2009) und Jacobs et al. (2010) in den USA entstanden sind und sich auf Fachkräfte, die mit Kindern im Vor- und Grundschulalter arbeiten, beziehen. Demnach konnte bei der empirischen Erfassung auf mathematische Inhalte aus dem Grundschulcurriculum zurückgegriffen werden. Hierfür liegen deutlich mehr empirische Evidenzen zu Entwicklungsverläufen und typischen Fehlvorstellungen von Kindern vor, und empirische begründete Rückschlüsse auf die Angemessenheit einer Handlungsplanung sind eher möglich.

Neben den Studien mit dem Fokus auf das Konstrukt Handlungsplanung liegt eine Studie zum Zusammenhang von Handlungsplanung und Lernunterstützung aus dem Bereich der frühen sprachlichen Bildung vor. Wirts et al. (2017) untersuchten Zusammenhänge zwischen dem sprachbezogenen Können von Fachkräften (vergleichbar der Handlungsplanung) und der sprachbezogenen Interaktionsqualität (vergleichbar der Lernunterstützung). Dabei zeigten die Autor*innen, dass derartige Zusammenhänge insbesondere auf eine konkrete lernbezogene Situation zurückgehen, nämlich eine Vorlesesituation, in der „der Transfer von Beobachtungswissen (…) in gezielte Handlungsplanung, die die beobachteten sprachlichen Schwierigkeiten einbezieht, zentral ist (…). Bei allen anderen Vignetten ist es ausreichend, allgemein zur Situation passende sprach- und kommunikationsanregende Unterstützungsmöglichkeiten zu beschreiben“ (Wirts et al. 2017, S. 164 f.). Die Befunde deuten an, dass es Zusammenhänge zwischen der Handlungsplanung und dem tatsächlichen Handeln einer Fachkraft (u. a. Lernunterstützung) geben könnte. Formen der Lernunterstützung könnten damit auch zur differenzierten Beschreibung der Handlungsplanung genutzt werden.

Mit Blick auf eine empirische Überprüfung dieses Vorgehens sollten zwei (limitierende) Aspekte beachtet werden. Erstens scheint die Auswahl von Vignetten für die Erfassung von situationsspezifischen Fertigkeiten eine zentrale Schnittstelle zu sein, da sich Fertigkeiten nur in bestimmten Situationen zeigen könnten (Wirts et al. 2017; Schuler 2013). Zweitens sollte bedacht werden, dass Handlungsplanung nicht die tatsächliche Handlung, also die Performanz einer Person wiedergibt, sondern ein eigenständiger Aspekt professioneller Kompetenz ist (Blömeke et al. 2015a). Während die Performanz direkt beobachtbar ist, handelt es sich bei der Handlungsplanung um eine intendierte Handlung (Jacobs et al. 2010). Planung und Realisierung (Performanz) sind dabei nicht zwingend deckungsgleich. Evidenzen hierfür liegen vor allem vor dem Hintergrund der Forschung zur Intentions-Verhaltens-Lücke vor (Sheeran und Webb 2016). Diese zeigt, dass das, was ein Individuum beabsichtigt zu tun bzw. von dem es überzeugt ist, es zu tun, nicht dem entsprechen muss, was es tatsächlich tut. Gründe hierfür können motivationaler oder emotionaler Art sein (z. B. geringe Selbstwirksamkeitserwartung oder unangenehme Emotionen vor der Ausführung).

Vor diesem Hintergrund erscheint eine explorative Studie, wie sie im Folgenden vorgestellt wird, hilfreich, um zu überprüfen, inwieweit sich die Formen der mathematikbezogenen Lernunterstützung (verstanden als Performanz einer Fachkraft) eignen um als Oberkategorien die Handlungsplanung zur mathematikbezogenen Lernunterstützung differenzierter beschreiben zu können.

3 Forschungsanliegen

Zusammenfassend besteht ein Forschungsdesiderat zur differenzierten Beschreibung der Handlungsplanung zur mathematikbezogenen Lernunterstützung, die (angehende) Erzieher*innen in Deutschland zeigen. Studien nutzen bislang überwiegend eine dichotome Codierung. Lediglich die Studie von Cooper (2009) liefert eine differenzierte Beschreibung der Handlungsplanung anhand von Formen der Lernunterstützung, wie es der Definition von Handlungsplanung entspricht (Jacobs et al. 2010). Die differenzierte Beschreibung ist für Forschung und Praxis von hoher Bedeutung. Befunde zur mathematikbezogenen Lernunterstützung zeigten, dass Erzieher*innen unterschiedliche Formen (mathematikbezogener) Handlungen ausführen, die im Folgenden zu Oberkategorien gefasst werden: Begleitung mathematischer Lernprozesse, Anleitung mathematischer Lernprozesse und Keine mathematikbezogene Lernunterstützung. In der vorliegenden Studie sollen diese Oberkategorien noch weiter ausdifferenziert werden, um damit die Handlungsplanung der mathematikbezogenen Lernunterstützung differenzierter zu beschreiben.

Konkret wird daher der Forschungsfrage nachgegangen, in welcher Weise sich die drei Formen der mathematischen Lernunterstützung in der Handlungsplanung angehender Erzieher*innen beschreiben lassen.

4 Methodisches Vorgehen

4.1 Stichprobe, Erhebungsmethode und Untersuchungsdesign

Grundlage der explorativen Studie ist eine Re-Analyse von Daten aus dem Projekt KomMaFootnote 1, in dessen Rahmen an fünf Fachschulen in Niedersachen und Berlin angehende Erzieher*innen (n = 240) befragt wurden. Die Teilnehmenden waren durchschnittlich M = 22 Jahre alt (SD = 4 Jahre) und befanden sich in unterschiedlichen Ausbildungsjahren: 41 % am Anfang, 29 % in der Mitte und 30 % am Ende ihrer Ausbildung. Die Geschlechterverteilung (82 % weiblich, 18 % männlich) in der Stichprobe entspricht der Verteilung der Population (Autorengruppe Fachkräftebarometer 2019).

Ein videobasierter Test zur mathematikbezogenen Handlungsplanung (Dunekacke et al. 2015b) umfasste drei Videovignetten, die jeweils eine Situation aus dem Alltag einer Kindertageseinrichtung zeigten (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Ausschnitte aus den Videovignetten zur Erfassung der mathematikbezogenen Handlungsplanung. (Dunekacke et al. 2015b)

In Situation 1 arbeitet ein Junge an einem Lernmaterial, bei dem zu jeder Zahl ein Bild mit der entsprechenden Anzahl von Tieren, die Zifferndarstellung, die Würfeldarstellung und die Fingerdarstellung zugeordnet werden müssen. Die Elemente sind als Puzzle ausgestaltet und ermöglichen eine Selbstkontrolle. Das Kind arbeitet allein, eine Fachkraft sitzt mit am Tisch, kümmert sich aber gleichzeitig noch um andere Kinder. Das Kind legt zuerst das Puzzle zur Zahl neun. Es erkennt die Fingerdarstellung und die Zifferndarstellung der Zahl neun auf Anhieb und zählt sowohl die Tiere als auch die Würfeldarstellung ab. Anschließend legt das Kind zur Zahl eins, wo es alle Elemente auf Anhieb erkennt. Die Fachkraft lobt das Kind mehrfach, gibt aber keine inhaltlichen Impulse.

Situation 2 zeigt zwei Mädchen, die versuchen mittels einer an der Wand hängenden Messleiste herauszufinden, wie groß sie sind und wohl auch, wer von ihnen größer ist. Dabei treten verschiedene Schwierigkeiten auf; zum Beispiel beim Markieren der korrekten Größe an der Messleiste, und weil sich ein Kind auf die Zehenspitzen stellt. Nach kurzer Zeit wenden sich beide Kinder ab und spielen mit einem Ball, den eines der beiden hervorholt. In welcher Weise die ursprüngliche Frage für sie geklärt ist und warum sich das Interesse verlagert, bleibt offen.

In Situation 3 versuchen zwei Jungen im Bewegungsraum an der Wand auf einer Weichbodenmatte große geometrische Körper zu stapeln. Die Grundlage bildet ein Quader, aufrechtgestellt als Säule, auf den mehrere verschiedene Dreiecksprismen gelegt werden sollen. Der Turm fällt mehrfach um. Zwischenzeitlich suchen die Kinder gezielt nach weiteren Elementen, um den Turm zu ergänzen. Flache Zylinder, die ebenfalls verfügbar sind, nutzen sie nicht. Es handelt sich zunächst um ein statisches Problem (Bauelemente rutschen weg, der Turm kippt um), das aber auf die geometrischen Eigenschaften der betreffenden Körper verweist.

Die angehenden Erzieher*innen sollten nach dem Betrachten der jeweiligen Situation in zwei Freitextantworten schriftlich darstellen, wie sie in dieser Situation handeln würden. Für die hier vorliegende Re-Analyse wurde jeweils nur die erste der beiden Antworten herangezogen, aufgrund der Annahme, dass diese der Handlungsplanung, die in der Praxis oftmals unter Zeitdruck erfolgt (Lindmeier et al. 2021), am nächsten kommt. Der Umfang der Antworten reichte von schlagwortartigen Äußerungen und Satzteilen bis hin zu Kurztexten, die mehrere Sätze umfassten. Insgesamt wurden 645 Freitextantworten in die Untersuchung einbezogen.

Eine solche Re-Analyse von Daten ist zwar im Rahmen der qualitativen Forschung bislang nur wenig verbreitet, bietet sich im Sinne der Forschungsökonomie jedoch an, um vorhandene Datensätze auch unter anderen Aspekten zu analysieren, sofern sie dafür geeignet sind (Lamnek und Krell 2016). Der Datensatz eignet sich für diese Re-Analyse, da er mit Blick auf die teilnehmenden Personen eine große Bandbreite aufweist. Die Stichprobe umfasst verschiedene Bundesländer, Fachschulen und Klassen. Durch die Rekrutierung im Klassenverband wird eine positive Selektion (es nehmen z. B. sonst nur sehr motivierte Personen teil) vermieden. Durch diese Breite scheint der Datensatz, gerade für eine explorative Fragestellung besonders geeignet zu sein. Einschränkend kann auf die möglicherweise schlechteren sprachlichen Leistungen von Fachschüler*innen, beispielsweise im Vergleich zu Studierenden der Kindheitspädagogik, verwiesen werden. Deshalb wurden einige wenige Antworten ausgeschlossen.

4.2 Entwicklung des Kategoriensystems

In bisher publizierten Studien zur Handlungsplanung (angehender) Erzieher*innen wird diese auf ihre fachdidaktische Qualität entweder dichotomisiert (z. B. adäquat vs. nicht adäquat; Dunekacke et al. 2016) oder in Stufen (z. B. in vier Stufen von „Kein sinnvolles oder kein mathematikbezogenes Handeln“ bis hin zu „Sinnvolles Handeln, Beschreibung auf substanziellem Niveau“; Levin et al. 2016, S. 197) erfasst. Hierbei wird ausgeblendet, mit welcher Form der mathematikbezogenen Lernunterstützung eine bestimmte fachdidaktische Qualität erreicht wird. An dieser Stelle setzt deshalb die vorliegende explorative Studie an. Ursprünglich wurden die hier re-analysierten Antworten aus dem Projekt KomMa im Hinblick auf die fachdidaktische Qualität im Sinne einer richtigen oder falschen Zuordnung kodiert und quantitativ ausgewertet (Dunekacke et al. 2015b).

Ziel der Re-Analyse war es, verschiedene Formen der Lernunterstützung in den schriftlichen Handlungsplanungen der angehenden Erzieher*innen zu kategorisieren (der Terminus Kategorie steht im Folgenden für verschiedene Formen der Lernunterstützung, wohlwissend, dass er im Rahmen der qualitativen Inhaltsanalyse auch anders verwendet wird; siehe hierzu z. B. Kuckartz 2018). Da die Freitextantworten gezielt auf eine Frage hin erfolgten, lag das Datenmaterial bereits in strukturierter Form vor und eine weitere Aufbereitung war nicht nötig. Insbesondere war hierdurch bereits die Analyseeinheit (stets eine Antwort) gegeben. Die Auswertung erfolgte dann gemäß der qualitativen Inhaltsanalyse in Anlehnung an Kuckartz (2018).

Die Kategorien (Tab. 1) wurden deduktiv, entlang der aus der Literatur bekannten Formen mathematischer Lernunterstützung gewonnen: Anleitung mathematischer Lernprozesse, Begleitung mathematischer Lernprozesse und Keine mathematikbezogene Lernunterstützung.

Tab. 1 Kategorien, Beschreibung und Beispielantworten

Im zweiten Schritt galt es, anhand von 20 % der Daten diese Formen der Lernunterstützung diskursiv auszudifferenzieren und wesentliche Merkmale zu beschreiben sowie typische Beispielantworten zu erfassen. Dies geschah in einem Wechselspiel von Deduktion und Induktion: Unterkategorien wurden gebildet, indem aus der Theorie bekannte Aspekte in den Beschreibungen wiedergefunden wurden, aber auch aus dem Datenmaterial heraus, indem neue Aspekte in den Daten gefunden wurden. Das deduktive Vorgehen geschah primär bei den beiden theoretisch fundierten Kategorien Begleitung und Anleitung, das induktive bei der nur wenig beschriebenen Kategorie Keine mathematikbezogene Lernunterstützung. Ein wiederholtes Vergleichen und Gruppieren der Antworten und das Beschreiben und Benennen der Unterkategorien führte letztlich zum endgültigen System der Unterkategorien (Tab. 1).

Anschließend wurde das gesamte Datenmaterial in einem dritten Schritt vollständig kodiert. Die Kodierung erfolgte auf der Ebene der Unterkategorien. Die Oberkategorien wurden den Antworten dann auf Basis dieser Kategorisierung automatisch zugewiesen. Ausgeblendet wurden bei der Kodierung einzelne fachliche Fehler in den Antworten (z. B. eine falsche Benennung der Körper als Dreieck oder Kreis). Die fachdidaktische Korrektheit der Antworten ist im Hinblick auf die Codierung nicht von primärer Bedeutung. Nicht kodiert werden konnten 8,1 % der Antworten, da sie zu oberflächlich oder zu schlagwortartig waren oder lediglich eine Situationsbeschreibung enthielten, jedoch keine Handlungsplanung. Um die Qualität der Kodierung sicher zu stellen, wurden 28 % der Daten von zwei Personen unabhängig voneinander doppelt kodiert.

Alle Schritte erfolgten in diskursivem Austausch zwischen den Autor*innen des Manuskripts und den an der Kodierung beteiligten Personen. Im Ergebnisteil stellen wir zunächst das Kategoriensystem sowie die Beurteilungsübereinstimmung dar und gehen anschließend auf die Ausprägung der Unter- und Oberkategorien ein.

5 Ergebnisse

5.1 Kategoriensystem und Beurteilungsübereinstimmung

Das ausführliche Kategoriensystem ist in Tab. 1 dargestellt.

Die Interkoderreliabilitäten (Cohens Kappa κ) für die Zuordnung zu den zehn Unterkategorien erreichten Werte von \(\boldsymbol{\kappa }=\) 0,58 (Situation 1), \(\boldsymbol{\kappa }=\) 0,68 (Situation 2) und \(\boldsymbol{\kappa }=\) 0,74 (Situation 3). Auf der Ebene der Oberkategorien fallen die Werte besser aus, da nur zwischen drei Kategorien unterschieden wird. Die Interkoderreliabilitäten betragen hier \(\boldsymbol{\kappa }=\) 0,75 (Situation 1), \(\boldsymbol{\kappa }=\) 0,79 (Situation 2) und \(\boldsymbol{\kappa }=\) 0,85 (Situation 3).

5.2 Häufigkeit des Auftretens der Kategorien

Tab. 2 gibt einen Überblick über die Häufigkeit des Auftretens der zehn Unterkategorien nach Situationen. Bei allen drei Situationen beschreiben die angehenden Erzieher*innen deutlich häufiger eine mathematikbezogene Unterstützung (Begleitung oder Anleitung) als keine mathematikbezogene Lernunterstützung. Dabei dominiert die Anleitung mathematischer Lernprozesse. Situation 3 ist darüber hinaus durch den höchsten Anteil an Keine mathematikbezogene Lernunterstützung gekennzeichnet.

Tab. 2 Häufigkeit der Oberkategorien und der zehn Unterkategoiren mathematischer Lernunterstützung für die drei Situationen

Betrachtet man die Ergebnisse auf der Ebene der Unterkategorien, so werden Unterschiede zwischen den Situationen deutlich. Diese Unterschiede zeigen sich bei jeder der Oberkategorien. Bei der Anleitung wurde in Situation 1 am häufigsten Impulse ohne expliziten Bedarf kodiert, während es in Situation 2 Ergebnisorientierte Hilfen und in Situation 3 Auf Faktenwissen zielend war. Letztere ist in Situation 1 am seltensten kodiert worden, wohingegen in Situation 2 Impulse ohne expliziten Bedarf nicht als Unterkategorie vorkam. In Situation 3 wurde seltener die Kategorie Ergebnisorientierte Hilfen kodiert. Begleitungen mathematischer Lernprozesse konnte insgesamt deutlich seltener kodiert werden. Wenn dies jedoch der Fall war, konnten auch hier in den drei Videos verschiedene Kategorien vergeben werden. Mit Blick auf Keine mathematikbezogene Lernunterstützung scheinen sich die drei Situationen deskriptiv deutlich mehr zu ähneln. Eine Ausnahme stellt hier lediglich Video 3 dar, bei dem häufiger keine Lernunterstützung kodiert wurde.

6 Diskussion und Limitationen

6.1 Diskussion

Situationsspezifische Fertigkeiten stellen im Sinne etablierter Kompetenzmodelle (Blömeke et al. 2015a; Fröhlich-Gildhoff et al. 2011) Konstrukte dar, die angeben, ob und wie es Personen gelingt, erworbene Dispositionen in tatsächliches professionelles Handeln zu überführen. Ziel dieses Beitrages war es, die Handlungsplanung der mathematikbezogenen Lernunterstützung von angehenden Erzieher*innen genauer zu untersuchen, um jenseits bislang genutzter Klassifizierungen von Handlungsplanung in richtig oder falsch eine differenzierte Beschreibung der Handlungsplanung zu erhalten. Dieses Vorgehen erscheint mit Blick auf die Definition von Handlungsplanung (Jacobs et al. 2010) adäquater und bietet forschungsmethodische und praktische Vorteile gegenüber einer dichotomen Betrachtung von Handlungsplanung. Aufgrund theoretischer Annahmen und in der Literatur vorliegender empirischer Befunde zu Formen mathematikbezogener Lernunterstützung wurden vorab drei Oberkategorien identifiziert: Anleitung und Begleitung mathematischer Lernprozesse sowie Keine mathematikbezogene Lernunterstützung. Diese drei Kategorien konnten zur differenzierten Beschreibung der Handlungsplanung genutzt und in der vorliegenden Studie durch Unterkategorien verfeinert werden.

Die Beurteilungsübereinstimmung deutet darauf hin, dass sich die drei Oberkategorien gut bis sehr gut in den Antworten identifizieren lassen. Das bedeutet, dass Antworten zur Handlungsplanung der mathematikbezogenen Lernunterstützung von angehenden Erzieher*innen das Potenzial haben, auch differenziertere Beschreibungen entlang von Formen der mathematikbezogenen Lernunterstützung zu erlauben. Dies wird insbesondere auch durch die Vielfalt an Antworten, also der Unterkategorien, die zu jeder einzelnen Vignette gegeben wurden, deutlich. Hier sollte allerdings bedacht werden, dass die Beurteilungsübereinstimmung teilweise niedrig ist. Auch eine inhaltliche Betrachtung stützt die Annahme, dass eine differenzielle Beschreibung der Handlungsplanung möglich ist. Alle Vignetten sprechen Situationen an, die unterschiedliche Formen der Lernunterstützung zulassen, aber nicht zwingend ein Eingreifen erfordern.

Während die drei Oberkategorien aus der Literatur bekannt waren und auch schon in verschiedenen Studien empirisch bestätigt wurden (Jacobs et al. 2010), liegt mit den Unterkategorien erstmals ein Vorschlag vor, um eine weitere Ausdifferenzierung der Handlungsplanung vorzunehmen. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen dabei zwei Aspekte auf: Erstens die grundsätzliche Differenziertheit möglicher mathematischer Aktivitäten und zweitens, dass diese möglicherweise von der jeweiligen Situation abhängen.

Mit Blick auf jede der drei Oberkategorien haben sich drei bis vier verschiedene (mathematische) Aktivitäten gezeigt, die dieser zugeordnet werden konnten und die Vielfalt der jeweiligen Oberkategorie beschreiben. Das Wissen um diese Differenzierung der Handlungsplanung scheint insbesondere mit Blick auf die Ausbildungspraxis von Bedeutung. Unter dem Vorbehalt, dass sich die hier gezeigten Ergebnisse auch in weiteren Studien bestätigen, könnten sie in einem ersten Schritt dazu beitragen, den angehenden Fachkräften konkrete empirisch abgesicherte Anregungen aus den unterschiedlichen theoretischen Positionen (Anleitung bzw. Begleitung) aufzuzeigen. Hierbei wäre aber wichtig, die Bedeutung aller Aktivitäten in der jeweils passenden Situation mit den Fachkräften zu besprechen. So ist die Diagnostik von Lernständen ein wichtiges Ausgangselement, jedoch geht professionelles Handeln darüber hinaus, in dem eine gezielte Lernunterstützung angeboten wird. Hier kommt die zweite Erkenntnis der vorliegenden Studie zum Tragen: die Situationsabhängigkeit der Handlungsplanung.

Die Bedeutung der Situation für die jeweils angegebene Lernunterstützung wurde bereits im Bereich der frühen sprachlichen Bildung identifiziert (Wirts et al. 2017). In der vorliegenden Studie zeigen sich auch bei der Anwendung auf die Handlungsplanung der mathematikbezogenen Lernunterstützung bezüglich der Unterkategorien deutliche Unterschiede zwischen den drei Situationen. Bei Situation 1 dominiert in der Anleitung beispielsweise die Kategorie Impulse ohne expliziten Bedarf. Hierfür könnte eine Erklärung sein, dass eine adaptive Lernunterstützung eine hohe fachdidaktische Kompetenz in Bezug auf die Zahlbegriffsentwicklung und ihre Förderung (insbesondere die Bedeutung und Nutzung von Zahlzerlegungen) voraussetzt (Krajewski und Schneider 2009). Im Gegensatz dazu wurde bei Situation 3 besonders häufig Auf Faktenwissen zielend kodiert. Dies könnte Ausdruck eines in dieser Situation aktivierten schematischen Mathematikbildes sein. Der Rückgriff auf Bezeichnungen könnte für die angehenden Fachkräfte die einzige zur Verfügung stehende Vorgehensweise gewesen sein. Eine prozessorientierte Hilfe, die beispielsweise auf relevante Eigenschaften der Körper fokussiert, würde im Gegensatz dazu auf ein prozessbezogenes Mathematikbild verweisen. Bei Situation 2 ist die häufige Kodierung von Pragmatische Hilfen als Form der Begleitung auffällig, während die anderen beiden Formen der Begleitung hier fast gar nicht vorkommen. Eine mögliche Erklärung wäre auch hier die Situationsabhängigkeit. So könnte der hohe Anteil von Pragmatische Hilfen darauf zurückzuführen sein, dass diese auch mit einem relativ geringen fachdidaktischen Wissen möglich sind. Beispielsweise kann die pädagogische Fachkraft den Kindern einen Stift, Klebemarkierungen oder einen Hocker zum Daraufsteigen anbieten, allgemeiner formuliert, indem sie den Kindern beim Messen behilflich ist. Auffällig ist außerdem, dass bei Situation 3 besonders häufig die Kategorie Keine mathematikbezogene Lernunterstützung vergeben wurde. Dies ist nicht einfach zu erklären, zumal den Kindern das Stapeln der Körper misslingt, was eigentlich eine Unterstützung erfordern würde, ähnlich wie in Situation 2, wo die Kinder es nicht schaffen, ihre Größe zu markieren. Es bleibt offen, ob die angehenden Erzieher*innen hier nicht handeln wollen oder können – möglicherweise halten sie sich zurück, weil sie nicht wissen, auf welche Weise sie eine Lernunterstützung leisten könnten bzw. wie diese geplant werden kann. Dies verweist neben den Merkmalen der Situation auch auf die Seite der angehenden Erzieher*innen (professionelles Wissen) bzw. der (fehlenden) Lerngelegenheiten, die ihnen im Rahmen der Ausbildung zur Verfügung stehen (Blömeke et al. 2017). Als ein weiteres Merkmal, das alle Situationen voneinander unterscheidet, sollte auch der mathematische Inhalt berücksichtig werden, der die Beantwortung der Testaufgaben beeinflusst haben könnte (Pohle et al. 2019). Bevor wir auf die Frage der Lerngelegenheiten differenzierter eingehen, sollen im Folgenden noch die Oberkategorien diskutiert werden.

Die Oberkategorien deuten darauf hin, dass angehende Fachkräfte überwiegend auf die Anleitung mathematischer Lernprozesse zielen. Dies ist insofern ein erfreulicher Befund, als es sich hierbei in der Tat um mathematikbezogene Unterstützungen handelt und die Kategorie Keine mathematische Lernunterstützung mit Ausnahme von Situation 3 nur eine untergeordnete Rolle einnimmt. Die von der Forschung präferierte Begleitung mathematischer Lernprozesse (Siraj-Blatchford et al. 2015, 2002) wurde jedoch seltener kodiert. Mit Blick auf beide Punkte sind weitere Untersuchungen nötig, um mögliche Gründe hierfür zu identifizieren. Hier könnte ebenfalls die oben diskutierte Abhängigkeit von der jeweiligen Situation von Bedeutung sein. Darüber hinaus sollte an dieser Stelle aber auch auf die Bedeutung von mathematikbezogenen Lerngelegenheiten und der damit verbundenen Ausprägung professionellen Wissens eingegangen werden.

Studien aus den USA haben gezeigt, dass es den Fachkräften mit zunehmenden fachspezifischen Lerngelegenheiten besser gelingt, eine fachbezogene und auf die vorliegende Situation bezogene Handlungsplanung zu beschreiben (Cooper 2009; Jacobs et al. 2010). Auch einschlägige Fortbildungsangebote können entsprechende Lerngelegenheiten darstellen (Wullschleger et al. 2022). Gerade vor dem Hintergrund der eher geringen mathematikbezogenen Lerngelegenheiten in der Erzieher*innenausbildung in Deutschland (Blömeke et al. 2017) wäre dies weiter zu untersuchen, insbesondere auch mit Blick auf die oben beschriebene Vermutung, dass dort eher idealtypische Situationen betrachtet werden.

Fehlende Lerngelegenheiten könnten sich insbesondere auf die Dispositionen der angehenden Fachkräfte und damit mittelbar auch auf ihre Handlungsplanung der mathematikbezogenen Lernunterstützung auswirken. Aus der Forschung ist bekannt, dass das fachliche und fachdidaktische Wissen von (angehenden) Erzieher*innen im Vergleich zu (angehenden) Kindheitspädagog*innen oder Grundschullehrkräften eher niedrig ist (Blömeke et al. 2015b; Wittmann und Levin 2016). Den angehenden Erzieher*innen fehlen damit möglicherweise die nötigen Voraussetzungen zur fachlichen Analyse der Situationen als Basis für eine Begleitung mathematischer Lernprozesse. Darüber hinaus könnten sich die fehlenden Lerngelegenheiten auch auf die Ausprägung und Entwicklung von fachbezogenen Überzeugungen auswirken. Hier legen Forschungsbefunde nahe, dass transmissive und konstruktivistische Überzeugungen gleichzeitig existieren und in Abhängigkeit von situativen Merkmalen auftreten können (Benz 2012; Tournier 2016). Dieser Befund könnte sich auch in den hier vorgesellten Ergebnissen widerspiegeln, was in weiteren Studien zu prüfen wäre.

Neben den fachbezogenen Überzeugungen, die insbesondere in der Kompetenzforschung diskutiert werden (Blömeke et al. 2015a), werden auch in psychologischen Theorien die Diskrepanzen zwischen Intentionen und tatsächlichem Verhalten in einer Situation beschrieben (z. B. Ajzen 1991) und unter anderem niedrige Selbstwirksamkeitserwartungen als ursächlich für die sogenannte Intentions-Verhaltens-Lücke angenommen (Sheeran und Webb 2016). Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass angehende Erzieher*innen möglicherweise eher eine mathematikbezogene Lernunterstützung im Sinne der Begleitung anbieten würden, dies jedoch schon in der Handlungsplanung nicht umsetzen können. Es wäre möglich, dass sie aufgrund einer geringen Selbstwirksamkeitserwartung jedoch die scheinbar leichtere Form der Anleitung wählen. Über die Selbstwirksamkeitserwartung als motivationale Facette professioneller Kompetenz hinaus können auch fachbezogene Emotionen als weitere Dispositionen professioneller Kompetenz Variabilität in situationsspezifischen Fertigkeiten (Jenßen et al. 2020) erklären, beispielsweise auch in der Ausgestaltung der Handlungsplanung.

6.2 Limitationen der Studie

Einschränkend muss erwähnt werden, dass es sich bei der vorliegenden Studie um ein exploratives Vorgehen handelt, mit dem Hinweise gewonnen werden sollten, ob die Handlungsplanung inhaltlich differenziert entlang von Formen der mathematikbezogenen Lernunterstützung beschrieben werden kann. Einschränkend sollten dabei fünf Punkte beachtet werden.

Die Daten wurden bereits 2013 erhoben und die Ausbildungsinhalte der angehenden Erzieher*innen könnten sich mit Blick auf die frühe mathematische Bildung weiterentwickelt haben. Dagegen spricht jedoch, dass die von den Fachschullehrer*innen 2013 berichtete Häufigkeit von mathematikdidaktischen Lerngelegenheiten (Blömeke et al. 2017) sich deskriptiv kaum von der aktuell berichteten unterscheidet (Dunekacke et al. 2021). Zudem scheint eine Re-Analyse vorhandener Daten vor dem Hintergrund der Zumutbarkeit zeitintensiver Erhebungen im Ausbildungskontext eher wünschenswert zu sein.

Des Weiteren handelt es sich in der vorliegenden Studie um eine Gelegenheitsstichprobe von Auszubildenden, die sich in verschiedenen Ausbildungsjahren befinden und sich beispielsweise hinsichtlich ihres Schulabschlusses unterscheiden. Hier wäre eine Replikation mit einer Zufallsstichprobe erforderlich, die auch angehende Kindheitspädagog*innen einschließen könnte.

Darüber hinaus konnten in dieser ersten explorativen Studie lediglich Antworten von angehenden Erzieher*innen berücksichtigt werden. Mit Blick darauf, unterschiedliche Ausgestaltungen der Handlungsplanung auch im Längsschnitt von der Ausbildung in den Beruf zu untersuchen, sind daher weitere Studien erforderlich, die prüfen, inwieweit sich diese Ausgestaltungen auch bei berufstätigen Erzieher*innen finden.

Letztlich stammen die Daten aus Freitextantworten eines Testverfahrens. Möglicherweise könnten qualitative Interviews tiefergehende Aussagen generieren. Interviews sind Freitextantworten hinsichtlich der ökologischen Validität der Aussagen eher überlegen, weil sie in der Regel die Möglichkeit zur Nachfrage geben. Studien zeigen, dass Proband*innen bei Freitextantworten, beispielsweise in größeren Surveys, weniger motiviert sind, diese vollständig zu beantworten (Desimone und Carlson Le Floch 2004). Allerdings muss berücksichtigt werden, dass die angenommenen Verzerrungen eher auf Ebene der einzelnen Items zu finden sind und sich vermutlich nicht über das gesamte Assessment finden lassen (Feveile et al. 2007). Dies trifft vor allem auf Äußerungen zum individuellen Verhalten zu (ebd.). Insgesamt muss aus diagnostischer Sicht davon ausgegangen werden, dass eine eingeschränkte Validität von verbalen Äußerungen bei Freitextantworten dann problematisch ist, wenn es um individualdiagnostische Entscheidungen von größerer persönlicher Tragweite geht (z. B. klinische Interviews, Jobplatzierungen).

Fünftens sollte die teilweise niedrige Beurteilungsübereinstimmung bei der Kodierung der Unterkategorien in Situation 1 berücksichtigt werden. Die Breite eines Konstrukts sollte bei der Interpretation der Beurteilungsübereinstimmung immer Berücksichtigung finden (Wirtz und Caspar 2002). Bei der Handlungsplanung mathematikbezogener Lernunterstützung handelt es sich, wie das umfangreiche Kategoriensystem zeigt, sicher um solch ein breites Konstrukt. Gleichwohl sollten die Ergebnisse vor dem Hintergrund des niedrigen Wertes vorsichtig interpretiert werden und perspektivisch das Kategoriensystem mit Blick auf Beispielaussagen an weiteren Daten nochmals ausgeschärft werden.

6.3 Ausblick

Der vorliegende Beitrag beschreibt die Handlungsplanung der mathematikbezogenen Lernunterstützung somit in inhaltlich differenzierter Art und Weise. Zukünftige Forschung sollte versuchen, Variation in der Form der Handlungsplanung zu erklären und prospektiv aufgrund individueller Faktoren vorherzusagen, um so die Theoriebildung zur Handlungsplanung als Teil professioneller Kompetenz voranzutreiben. Unsere Ergebnisse und Diskussionspunkte könnten dabei Grundlage für Replikationsstudien und explanative Studien sein. Der Fokus auf die inhaltliche Form der Handlungsplanung könnte darüber hinaus generell hilfreich sein, um perspektivisch Fragen der Kompetenzstruktur und insbesondere auch der Kompetenzentwicklung in quantitativen Querschnitt- und Längsschnittstudien zu untersuchen. Hierfür müssten Verfahren entwickelt werden, die gängigen Gütekriterien entsprechen. Für die Entwicklung reliabler Skalen wird eine Vielzahl von Situationen benötigt, was jedoch für die Konstruktion der hier verwendeten videobasierten Verfahren eine große Herausforderung darstellt. Die Itemanzahl müsste zudem deutlich höher sein, um die Heterogenität des Konstrukts adäquat abzubilden (Konstruktrepräsentanz: Embertson 1983; Rost 2008). Eine wesentliche ebenfalls empirisch zu klärende Frage ist, ob die Erfassung der Handlungsplanung zwingend Videovignetten erfordert oder ob teilstandardisierte Items mit offenem Antwortformat, die sich auf umschriebene Situationen beziehen, ausreichen.

Eine differenzierte Beschreibung der Handlungsplanung kann auch einen Beitrag für die Ausbildung von Erzieher*innen an den Fachschulen bzw. Fachakademien leisten. So könnten die Ergebnisse hilfreich sein, um Lernvoraussetzungen von Fachschüler*innen im Hinblick auf die Handlungsplanung der mathematikbezogenen Lernunterstützung beschreiben zu können. Die Kenntnis dieser Lernvoraussetzungen könnte den Lehrkräften an den Fachschulen für Sozialpädagogik helfen, adaptive Unterrichtsangebote zu konzipieren. Weiterhin könnte die differenzierte Beschreibung für die Fachschüler*innen selbst hilfreich sein, um ihre eigene Handlungsplanung in die Formen der Lernunterstützung einordnen und in der Folge auch reflektieren zu können. Insgesamt bieten die Ergebnisse eine Option, um für die Bedeutung der Handlungsplanung als „Brücke“ zwischen Dispositionen und Performanz in der Ausbildung noch stärker zu sensibilisieren.