1 Einleitung

Es gibt zahlreiche pädagogische Mythen, die unter (angehenden) Lehrpersonen weit verbreitet sind (z. B. Dekker et al. 2012; Krammer et al. 2019). Zu diesen Mythen gehört auch der Lerntypenmythos, welcher bei (angehenden) Lehrpersonen vielfach auf Zustimmung stößt (z. B. Dekker et al. 2012; Krammer et al. 2019; Newton und Salvi 2020). Problematisch an solchen Fehlkonzepten, die im Widerspruch zu wissenschaftlichen Erkenntnissen stehen, ist, dass sie die professionelle Handlungskompetenz von Lehrpersonen beeinträchtigen und einer stärker evidenzorientierten Praxis im Wege stehen können (zsf. Baumert und Kunter 2006; Dubberke et al. 2008; Reusser und Pauli 2014; Staub und Stern 2002). Umso wichtiger ist es, Lehrpersonen im Rahmen ihrer Ausbildung über solche Mythen aufzuklären. Empirische Befunde zeigen, dass widerlegende Texte, in denen Fehlkonzepte argumentativ widerlegt und systematisch mit dem Fachkonzept kontrastiert werden, sowie Konzeptwechseltexte, in denen zusätzliche metakonzeptuelle Elemente (z. B. Reflexionsfragen, Hervorhebungen) die Gegenüberstellung von Fehl- und Fachkonzept unterstützen, Konzeptwechselprozesse anregen können (z. B. Beerenwinkel et al. 2011; Chambers und Andre 1997; Diakidoy et al. 2011; Tippett 2010; Schroeder und Kucera 2022; Zengilowski et al. 2021). Sowohl widerlegende Texte (z. B. Ferrero et al. 2020; Prinz et al. 2022) als auch Konzeptwechseltexte (z. B. Grospietsch und Mayer 2018; Yürük und Eroğlu 2016) eignen sich für die Revision von Fehlkonzepten bei Lehramtsstudierenden.

Forschungsergebnisse zur Kommunikation zwischen Expert*innen und Lai*innen weisen darüber hinaus darauf hin, dass Argumente in Texten überzeugender wirken, wenn sie in einer an die Zielgruppe angepassten Sprache – beispielsweise in Alltags- statt Fachsprache – formuliert sind (z. B. Scharrer et al. 2012, 2013; Shulman et al. 2020; Thon und Jucks 2017).

Sind auch andere Medien als Texte dazu geeignet, Fehlkonzepte nachhaltig zu korrigieren? In den letzten Jahren erfreuen sich Podcasts einer immer größeren Beliebtheit (Bitkom 2020, 2021). Als asynchrones Lehr-Lernformat können sie für die universitäre Lehrkräfteausbildung ein wertvolles Medium darstellen. Auch für die Initiierung von Konzeptwechselprozessen weisen Podcasts ein besonderes Potenzial auf: Zusätzliche paraverbale Elemente wie Tonfall, Sprechgeschwindigkeit und Klang der Stimme ermöglichen es, unterstützend auf die Diskrepanzen zwischen Fehl- und Fachkonzept hinzuweisen.

Obwohl Podcasts in den letzten Jahren immer stärker in die universitäre Lehre integriert wurden, liegen nur vereinzelt empirische Studien zu deren Lernwirksamkeit vor (z. B. Abt und Barry 2007; Back et al. 2017; Fernandez et al. 2015). Als Konzeptwechselmedium wurden sie bislang nicht erforscht, sodass es zu prüfen gilt, ob Podcasts Konzeptwechsel anregen können und wie Podcasts hierfür gestaltet sein müssen.

Der vorliegende Beitrag geht daher den Fragen nach, ob Konzeptwechselpodcasts, in denen Fehlkonzepte argumentativ widerlegt werden und die Hörer*innen zur Reflexion ihres bisherigen Konzepts angeregt werden, reinen Sachpodcasts zur Informationsvermittlung überlegen sind. Zudem wird geprüft, ob eine alltagssprachliche im Vergleich zu einer fachsprachlichen Gestaltung der Podcasts zu einem stärkeren Rückgang der Überzeugung zum Lerntypenmythos führt.

2 Theoretischer Hintergrund

2.1 Der Lerntypenmythos unter (angehenden) Lehrkräften

Der Lerntypenmythos basiert auf der Annahme, dass Individuen besser lernen, wenn sie Informationen entsprechend ihrem Lerntyp erhalten (Pashler et al. 2008; Pashler und Rohrer 2012). Der Lerntyp ergibt sich dem Mythos zufolge aus dem individuell präferierten Sinneskanal. Zwar können sich Lernende durchaus in ihrer bevorzugten Wahrnehmungsmodalität beim Lernen unterscheiden, ein Zusammenhang zwischen präferiertem Sinneskanal und Lernerfolg ist empirisch jedoch nicht bestätigt (Husmann und O’Loughlin 2019; Krätzig und Arbuthnott 2006; Pashler et al. 2008; Rogowsky et al. 2015). Es handelt sich hierbei also um einen Mythos.

Im deutschsprachigen Raum wird häufig das Lerntypenschema nach Vester (1975) herangezogen, der die Lerntypen in visuelle, auditive, haptische und intellektuelle Typen einteilt (für eine ausführliche Diskussion der Lerntypen nach Vester siehe z. B. Looß 2001). Einem Review von Coffield et al. (2004) zufolge gibt es weltweit (mindestens) 71 solcher Schemata, anhand derer Individuen in bestimmte Lerntypen eingeteilt werden können, was die Reichweite und Popularität dieses Mythos verdeutlicht. Selbst in einigen Handbüchern der Pädagogik und der Pädagogischen Psychologie wird das Eingehen auf die Lerntypen als wirkungsvoll dargestellt (zsf. Wininger et al. 2019).

Entsprechend weit verbreitet ist der Lerntypenmythos auch unter Lehramtsstudierenden und Lehrkräften im Schuldienst (Newton und Salvi 2020). So stimmten in einer Studie von Krammer et al. (2019) über 97 % der Lehramtsstudierenden der Aussage zu, dass Individuen besser lernen, wenn sie Informationen entsprechend ihrem Lerntyp erhalten (siehe auch Dündar und Gündüz 2016; Grospietsch und Mayer 2018). Bei Lehrkräften im Schuldienst ist der Lerntypenmythos ähnlich stark vertreten (z. B. Dekker et al. 2012; Ferrero et al. 2016; Rato et al. 2013). Studien deuten zudem darauf hin, dass (angehende) Lehrkräfte die Instruktion je nach Lerntyp differenzieren (möchten) (z. B. Newton und Salvi 2020). Dies ist besonders problematisch, da eine Berücksichtigung der Lerntypen bei der Unterrichtsgestaltung ineffektiv ist. Wenn beispielsweise ein nach Lerntypen differenziertes Material genutzt wird, gehen für die notwendige Aufbereitung des Materials Ressourcen verloren, die in effektivere Differenzierungsmaßnahmen investiert werden könnten (Looß 2001). Werden Inhalte nur über einen Sinneskanal und damit nur eingeschränkt präsentiert, werden den Schüler*innen hierdurch zudem unter Umständen wertvolle Lerngelegenheiten genommen: Nicht der vermeintliche Lerntyp, sondern das Vorwissen der Schüler*innen sowie für den Lerngegenstand geeignete Darstellungsformen sollten maßgeblich für die Präsentation der Lerninhalte sein (Stern 2004). Zudem kann vermutet werden, dass das selbstregulierte Lernen der Schüler*innen nachhaltig beeinträchtigt werden kann: Wenn die Lehrperson den Schüler*innen vermittelt, dass sich aus ihrem vermeintlichen Lerntyp eine effektive Herangehensweise für das Lernen ableiten lässt, könnte dies dazu führen, dass sich die Lernenden auch in Zukunft auf ihren Lerntyp stützen, anstatt Lernstrategien anzuwenden, die für den jeweiligen Lerninhalt effektiver sind. Demzufolge scheint es relevant, dieses unter (angehenden) Lehrkräften vorherrschende Fehlkonzept bereits im Studium explizit zu adressieren, Widersprüche aufzuzeigen und das Fehlkonzept zu korrigieren.

2.2 Revision von Fehlkonzepten durch Konzeptwechsel

Überzeugungen, zu denen auch subjektive Vorstellungen über das Lehren und Lernen, wie etwa die Überzeugung zum Lerntypenmythos, zählen, bilden einen essenziellen Bestandteil der professionellen Handlungskompetenz von Lehrkräften (Baumert und Kunter 2006). Sie fungieren als eine Art Filter und prägen so die Wahrnehmung und Interpretation von schulischen Situationen und Ereignissen (Baumert und Kunter 2006; Fives und Buehl 2012; Fives et al. 2015; Pajares 1992; Reusser und Pauli 2014; Woolfolk Hoy et al. 2006).

Wenn Überzeugungen im Widerspruch zu Fakten und empirischer Evidenz stehen, liegen Fehlkonzepte vor (Vosniadou 2013). Dabei ist es relevant, solche Fehlkonzepte durch gezielte Interventionen in Richtung wissenschaftlich korrekter Konzepte zu verändern (Chi 2013; Chi und Roscoe 2002; Posner et al. 1982; Vosniadou 2013). Je nach zugrundeliegendem Konzeptwechselmodell werden Veränderungen der Wissensstrukturen unterschiedlich interpretiert. So können fehlerhafte Konzepte entweder erweitert (z. B. Vosniadou 2013) oder gänzlich ersetzt (z. B. Chi 2013) werden. Nach dem Kategorisierungsansatz von Chi (2013) werden Fehlkonzepte zunächst in inkorrekte und unzureichende Fehlkonzepte differenziert. Unzureichende Fehlkonzepte teilen sich weiter auf in Kategorienfehler und fehlende Schemata, inkorrekte Fehlkonzepte in fehlerhafte mentale Modelle sowie falsche Einzelüberzeugungen. Jedes spezifische Fehlkonzept bedarf einer anderen Art der Intervention, um einen Konzeptwechsel anzuregen.

Fehlkonzepte wie der Lerntypenmythos können als falsche Einzelüberzeugungen betrachtet werden. Um solche falschen Einzelüberzeugungen zu revidieren, sollten Individuen gezielt mit ihrem Fehlkonzept konfrontiert und ihnen zugleich das korrekte Konzept als Alternative offeriert werden (Chi 2013; Chi und Roscoe 2002). Nach Posner et al. (1982) sollten entsprechende Konzeptwechselinterventionen so gestaltet sein, dass sich bei den Adressat*innen eine Unzufriedenheit mit ihren bisherigen Überzeugungen einstellen kann. Dabei sollen die Adressat*innen bewusst die Widersprüchlichkeit zwischen ihrem Fehlkonzept und den neuen Informationen erkennen, wodurch kognitive Konflikte ausgelöst werden können. Indem sich die Betroffenen bewusstwerden, dass ihr vorhandenes Konzept nicht ausreicht, um bestimmte Sachverhalte adäquat erklären zu können, sind sie empfänglich für ein neues, korrektes Konzept. Eine Verankerung des neuen Konzepts im Überzeugungssystem setzt voraus, dass das neue Konzept verständlich, plausibel und ausbaufähig vermittelt wird (Posner et al. 1982).

Dieser theoretische Ansatz wurde in der Konzeptwechselforschung vorwiegend an Texten erprobt. Texte, die Konzeptwechselprozesse anregen sollen, zeichnen sich primär dadurch aus, dass (1) das Fehlkonzept zunächst beschrieben wird, bevor (2) dessen Fehlerhaftigkeit konstatiert und (3) die korrekte Information präsentiert wird (Tippett 2010). Zur Initiierung entsprechender Konzeptwechselprozesse haben sich sogenannte widerlegende Texte (z. B. Ferrero et al. 2020; Prinz et al. 2022; Salisbury-Glennon und Stevens 1999) sowie Konzeptwechseltexte (z. B. Grospietsch und Mayer 2018; Yürük und Eroğlu 2016) als wirksam erwiesen. Nach vorliegenden Forschungsbefunden tragen sie auch zur Revision von Fehlkonzepten bei Lehramtsstudierenden bei und sind hierbei wirksamer als reine Sachtexte (Prinz et al. 2022; Södervik et al. 2014; Yürük und Eroğlu 2016). Widerlegende Texte und Konzeptwechseltexte haben gemein, dass das Fehlkonzept gezielt adressiert, wissenschaftlichen Fakten gegenüberstellt und argumentativ widerlegt wird (Egbers und Marohn 2013; Tippett 2010). Zusätzlich enthalten Konzeptwechseltexte im Vergleich zu widerlegenden Texten metakonzeptuelle Elemente, wie Reflexionsfragen oder Hervorhebungen, um das vorhandene Konzept der Leser*innen zu aktivieren und den Unterschied zwischen Fehl- und Fachkonzept zu betonen (Egbers und Marohn 2013; Grospietsch und Mayer 2018). Auf diese Weise werden die Adressat*innen mit ihrem inkorrekten Konzept konfrontiert und gleichzeitig zu einer kritischen Auseinandersetzung mit diesem angeregt, wodurch sie in aktiver Wechselwirkung mit dem Text stehen (Egbers und Marohn 2013; Grospietsch und Mayer 2018). Es stellt sich jedoch die Frage, ob diese Erkenntnisse auch auf das Medium Podcast übertragbar sind und ob auch Podcasts Konzeptwechselprozesse anregen können.

2.3 Wie kann Kommunikation zwischen Expert*innen und Lai*innen gelingen?

Werden Podcasts zur Wissensvermittlung eingesetzt, fungiert typischerweise ein*e Podcastsprecher*in als Expert*in, während die Zuhörenden i. d. R. über keine oder nur wenige Kenntnisse über das präsentierte Thema verfügen. Kennzeichnend für das Verhältnis zwischen Expert*innen und Lai*innen ist der unterschiedliche Wissensstand zu einem bestimmten Themengebiet, wodurch die Lai*innen eine abhängige Position einnehmen (Bromme und Jucks 2014). Doch wie kann diese Art der Kommunikation gelingen? Diese Frage stellt sich im Kontext von Konzeptwechselprozessen unter (angehenden) Lehrkräften einmal mehr, da Studien zeigen, dass (angehende) Lehrkräfte wissenschaftlichen Quellen und ihren Urheber*innen gegenüber eher skeptisch eingestellt sind (Hendriks et al. 2021; Kiemer und Kollar 2021; Merk und Rosman 2019).

Scharrer et al. (2012) konnten nachweisen, dass dargebotene Argumente überzeugender und glaubwürdiger wirken, wenn sie sprachlich verständlich formuliert sind. Dadurch stellt sich bei den Lai*innen ein Kompetenzgefühl ein, wodurch sie eher von den Informationen überzeugt werden (Scharrer et al. 2012, 2013). Die Verständlichkeit der Darbietung von Informationen kann beispielweise durch eine an die Lai*innen angepasste Sprache gefördert werden, in der u. a. auf komplexe Fachbegriffe verzichtet wird (Scharrer et al. 2012, 2013).

Darüber hinaus liegen einige Studien vor, die sich gezielt mit der Wirkung von Alltagssprache und Fachsprache in der textbasierten Kommunikation auseinandersetzen. Die Studie von Thon und Jucks (2017) zeigt, dass Informationstexte im Bereich der Medizin als integrer und Expert*innen als glaubwürdiger betrachtet werden, wenn das Wissen in Alltagssprache statt in Fachsprache, vermittelt wird. Zudem konnten Shulman et al. (2020) zeigen, dass die Verwendung von Fachsprache in Informationstexten – trotz zusätzlicher Erklärungen – sowohl die kognitive Informationsverarbeitung als auch die Identifikationsmöglichkeit der Lai*innen mit den Expert*innen beeinträchtigt. Ob diese Befunde zur sprachlichen Gestaltung bei Texten auch auf Podcasts als Medium, das auf gesprochener Sprache basiert, übertragbar sind und inwiefern die sprachlichen Variationen von Podcasts deren Konzeptwechselpotenzial beeinflussen, ist bisher allerdings unklar.

3 Forschungsfragen und Hypothesen

Ziel der vorliegenden Studie ist es zu untersuchen, ob und unter welchen Bedingungen sich Podcasts eignen, Fehlkonzepte zum Lerntypenmythos unter Lehramtsstudierenden zu entkräften. Zunächst wird folgender Frage nachgegangen:

Forschungsfrage 1: Entwickelt sich die Überzeugung zum Lerntypenmythos bei Lehramtsstudierenden mit Konzeptwechselpodcasts und Studierenden mit Sachpodcasts unterschiedlich?


Die Konzeptwechselpodcasts orientieren sich – analog zu Konzeptwechseltexten – an den Prinzipien des Konzeptwechselmodells von Posner et al. (1982). Demgemäß wird das Fehlkonzept in den hier untersuchten Podcasts gezielt aktiviert und der Lerntypenmythos anschließend bewusst aufgegriffen und argumentativ widerlegt. Zusätzlich enthalten die Podcasts metakonzeptuelle Elemente, die die Hörer*innen zur Reflexion ihres vorhandenen Konzepts anregen sollen. Demgegenüber wird in Sachpodcasts – analog zu klassischen Sachtexten – faktenbasiert über den Lerntypenmythos informiert. Forschungsbefunde zeigen, dass Texte, in denen Fehlkonzept und Fakt systematisch gegenübergestellt werden, Konzeptwechselprozesse bei Lehramtsstudierenden anregen können (z. B. Grospietsch und Mayer 2018) und dass Konzeptwechseltexte reinen Sachtexten überlegen sind (Yürük und Eroğlu 2016). Davon ausgehend wird angenommen, dass Konzeptwechselpodcasts im Vergleich zu Sachpodcasts in höherem Maße einen Konzeptwechsel anregen und im Ergebnis zu einer günstigeren Entwicklung der Überzeugung zum Lerntypenmythos führen (Hypothese 1).

Weiterführend wird folgender Frage nachgegangen:

Forschungsfrage 2: Entwickelt sich die Überzeugung zum Lerntypenmythos bei Lehramtsstudierenden mit Podcasts in Alltagssprache und Studierenden mit Podcasts in Fachsprache unterschiedlich?


Forschungsbefunde weisen darauf hin, dass eine an die Zielgruppe angepasste sprachliche Gestaltung von Texten eine erfolgreiche Kommunikation zwischen Expert*innen und Lai*innen unterstützt (z. B. Scharrer et al. 2012, 2013; Shulman et al. 2020; Thon und Jucks 2017). Dies wird damit begründet, dass eine alltagssprachliche Gestaltung ein höheres Maß an Identifikation mit den Expert*innen ermöglicht und ein stärkeres Kompetenzgefühl auslöst. Dies kann wiederum dazu beitragen, dass den Expert*innen eine größere Glaubwürdigkeit zugeschrieben wird. Demzufolge wird angenommen, dass Podcasts in Alltagssprache im Vergleich zu Podcasts in Fachsprache bei Lehramtsstudierenden zu einer günstigeren Entwicklung der Überzeugung zum Lerntypenmythos führen (Hypothese 2).

Abschließend wird explorativ geprüft, ob die sprachliche Gestaltung unterschiedlich auf die Entwicklung der Überzeugung zum Lerntypenmythos bei Konzeptwechsel- und Sachpodcasts wirkt – ob also eine Dreifachinteraktion zwischen Zeit, Art der Informationspräsentation und der sprachlichen Gestaltung vorliegt:

Forschungsfrage 3: Beeinflusst die sprachliche Gestaltung die Entwicklung der Überzeugung zum Lerntypenmythos bei Konzeptwechsel- und Sachpodcasts unterschiedlich?

4 Methode

4.1 Stichprobe und Design

Insgesamt nahmen 214 Lehramtsstudierende der Universität Kassel an der Untersuchung teil, wobei von 181 Lehramtsstudierenden zu allen Erhebungsterminen Daten vorliegen. Der Dropout ist darauf zurückzuführen, dass an der zweiten Erhebung (T3) im Vergleich zur ersten Erhebungswelle (T1 und T2) weniger Lehramtsstudierende teilgenommen haben. Die folgenden Analysen beziehen sich auf die reduzierte Stichprobe von 181 Lehramtsstudierenden (M = 21,11 Jahre, SD = 3,32; 56 % weiblich). Die Studierenden sind zum Zeitpunkt der Befragung im Mittel im zweiten Semester ihres Lehramtsstudiums (M = 1,80, SD = 2,03). 33 % studieren das Lehramt an Haupt- und Realschulen, 60 % das Lehramt an Gymnasien und 8 % das Lehramt an beruflichen Schulen.

Die Untersuchung wurde im Rahmen einer Lehrveranstaltung im bildungswissenschaftlichen Teil des Lehramtsstudiums durchgeführt. Die Lernumgebung und die Befragungen wurden von den Studierenden asynchron, also außerhalb der Vorlesungszeit, online bearbeitet. Der Zugang erfolgte über einen Weblink, der den Studierenden zur Verfügung gestellt wurde.

Zur Untersuchung der Fragestellungen wurde eine experimentelle Studie mit einem 2 × 2-Design durchgeführt (siehe Abb. 1). Dabei wurden die Art der Informationspräsentation (Konzeptwechselpodcast vs. Sachpodcast) sowie die sprachliche Gestaltung der Podcasts (Alltagssprache vs. Fachsprache) variiert. Die Studierenden wurden randomisiert einer der vier Podcastbedingungen zugeteilt, in denen jeweils der Lerntypenmythos behandelt wurde. Die Studierenden konnten den Podcast pausieren und Passagen wiederholt anhören. Das Treatment wurde durch drei Messzeitpunkte gerahmt (T1: unmittelbar vor dem Treatment, T2: unmittelbar danach, T3: etwa vier Wochen später).

Abb. 1
figure 1

Design der Studie

4.2 Podcasts

Es wurden vier Podcasts konzipiert und mit jeweils denselben beiden Sprechenden – einer Expertin und einem Laien – aufgenommen (Skriptausschnitte siehe Onlinematerial A). Die vier Podcasts sind inhaltlich gleich aufgebaut, sodass alle Studierenden dieselben Informationen über die Lerntypen und deren Fehlerhaftigkeit erhielten. Zum Auftakt führt der Laie jeweils in das Thema der Lerntypen ein: Er berichtet, während seiner Schulzeit selbst einen Lerntypentest absolviert zu haben. Anschließend werden die Lerntypentheorie nach Vester (1975) sowie die häufig nachweisbaren, individuellen Präferenzen bezüglich der Wahrnehmungsmodalität beim Lernen durch die Expertin thematisiert. Daraufhin legt die Expertin dar, dass die Lerntypen inhaltlich nicht plausibel sind, dass Lerntypentests nicht reliabel sind und dass der vermeintliche Zusammenhang zwischen Lernpräferenz und Lernerfolg empirisch nicht bestätigt ist, was durch eine kurze Erläuterung des Mehrspeichermodells nach Atkinson und Shiffrin (1968) gestützt wird. Trotz des gleichen Inhalts unterscheiden sich die vier Podcasts in zentralen Gestaltungsmerkmalen – der Art der Informationspräsentation (Konzeptwechsel- vs. Sachpodcasts) und der sprachlichen Gestaltung (Alltags- vs. Fachsprache).

4.2.1 Art der Informationspräsentation: Konzeptwechsel- vs. Sachpodcasts

In den Sachpodcasts werden die Informationen faktenbasiert dargelegt. Der Laie stellt hierbei einen neugierigen Zuhörer dar, welcher der Theorie neutral gegenübersteht und mehr über das Thema erfahren möchte. Durch interessierte Nachfragen, kurze Zusammenfassungen der Informationen und Zwischenkommentare führt er durch das Gespräch mit der Expertin (z. B. „Von richtigem Lernen kann ich also erst sprechen, wenn ich wirklich verstanden habe, um was es bei den Lerninhalten geht. Dafür muss ich natürlich aktiv dabei sein. Aber was sagt denn die Forschung zu den Lerntypen selbst?“). Die Expertin stellt die Faktenlage sachlich dar. Ihr Ziel ist es, den interessierten Laien darüber zu informieren, weshalb die Lerntypen fehlerhaft sind.

Bei den Konzeptwechselpodcasts erfolgt nicht mehr nur eine reine Faktendarstellung. Darüber hinaus werden Fehlkonzept und Fachkonzept gegenübergestellt und der Mythos explizit als ein solcher benannt, sodass die Studierenden zur kritischen Reflexion angeregt werden. So werden die Zuhörenden zu Beginn dazu aufgefordert, über ihre Positionierung zu den Lerntypen nachzudenken, um ihr vorhandenes Konzept zu aktivieren (Egbers und Marohn 2013; z. B. „Bevor wir jetzt ans Eingemachte gehen, fragen wir doch einfach mal unsere Zuhörerinnen und Zuhörer: Denkt ihr, dass was an der Lerntypentheorie dran ist?“). Im Podcast fungiert der Laie als Befürworter der Lerntypentheorie. Die Expertin verfolgt nun die Intention, den Laien von der Fehlerhaftigkeit der Lerntypentheorie zu überzeugen. Hierzu wird der Mythos durch die Expertin kritisch hinterfragt, mit Fakten kontrastiert und durch eine stringente Argumentationskette widerlegt. Durch lautes Nachdenken über die von der Expertin angeführten Argumente stellt auch der Laie Mythos und Fakten gegenüber und reflektiert die dargebotenen Informationen (z. B. „Ok, nachdem, was du mir jetzt erzählt hast, sind die Tests Mist. Mit richtigem Lernen haben die anscheinend nichts zu tun. Aber sind die Lerntypen wirklich kompletter Nonsens?! Ich weiß ja nicht.“). Hierdurch wird ein Konzeptwechselprozess simuliert, welcher schließlich dazu führt, dass das Fehlkonzept des Laien im Laufe des Podcasts einem Fachkonzept weicht.

Durch die explizite Gegenüberstellung von Fehl- und Fachkonzept, die in den Sachpodcasts entfällt, weisen die Konzeptwechselpodcasts mehr Wörter auf als die Sachpodcasts und sind entsprechend länger (siehe Tab. 1).

Tab. 1 Vergleich der Charakteristika der vier Podcasts

4.2.2 Sprachliche Gestaltung: Alltags- vs. Fachsprache

Neben der Art der Informationspräsentation wurde auch die sprachliche Gestaltung der Podcasts variiert. Die fachsprachlichen Podcasts gleichen einer strukturierten und kontrollierten Interaktion, woraus sich ein formelles Gesprächssetting ergibt (z. B. „Die bisherigen Informationen eröffnen ganz neue Perspektiven auf diese Thematik, welche sowohl für mich als auch für unsere Zuhörerinnen und Zuhörer einen großen Mehrwert bieten. Vielleicht können Sie hierzu noch weitere Erkenntnisse liefern.“). Ein für die Fachsprache typischer, „unpersönlicher Stil“ (Rincke 2010, S. 238) wurde z. B. durch die Anrede mit Sie erzielt. Zudem wurden ein komplexerer Satzbau, vermehrt Passivkonstruktionen sowie Fachtermini verwendet (Rincke 2010). Um die Verständlichkeit der Inhalte zu gewährleisten, wurden die Fachbegriffe zusätzlich erklärt (z. B. „Die Lerntypentests erfüllen also nicht die Gütekriterien psychometrischer Tests – hier allen voran die Reliabilität, also die Zuverlässigkeit –, da sie zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen können.“).

Die alltagssprachlichen Podcasts zeichnen sich hingegen durch eine informellere Interaktion aus. Zur Auflockerung des Gesprächs wurden Alltagsfloskeln integriert und es herrscht ein zwangloser und humorvoller Umgang zwischen Expertin und Laie, die sich mit Du ansprechen (z. B.: „Ja, als fleißiger Lehramtsstudent hab’ ich natürlich schon davon gehört [lachend].“). Darüber hinaus wurden einfachere Satzstrukturen verwendet. Auf komplexes Fachvokabular wurde weitestgehend verzichtet und vornehmlich auf Begriffe des alltäglichen Wortschatzes zurückgegriffen (z. B. bevorzugter Sinneskanal statt bevorzugte Wahrnehmungsmodalität). Nichtsdestotrotz wurden zentrale Fachtermini aus den im Podcast angeführten Theorien verwendet und erläutert (z. B. „Der sensorische Speicher ist dafür zuständig, sensorische Inputs, also visuelle, akustische und haptische Reize, zu registrieren und voneinander zu unterscheiden.“).

Im Hinblick auf die sprachliche Gestaltung differieren die Podcasts in der Anzahl der Sätze, in der durchschnittlichen Satzlänge und dem Anteil langer Wörter (> 6 Buchstaben; siehe Tab. 1). Wie intendiert unterscheidet sich damit auch das sprachliche Niveau der Podcasts, das anhand des Lesbarkeitsindex (LIX; Bamberger und Vanecek 1984) bestimmt wurde. Die Lesbarkeitsindizes für die alltagssprachlichen Podcasts entsprechen der Schwierigkeit eines Sachtextes (mittlerer Schwierigkeitsgrad), während die fachsprachlichen Podcasts einem Fachtext (hoher Schwierigkeitsgrad) gleichkommen. Einerseits sprechen die Werte dafür, dass die Sprachversionen mit dem jeweilig angestrebten fachsprachlichen und alltagssprachlichen Niveau kongruieren. Andererseits werden beide Varietäten dem sprachlichen Niveau der Hochschullehre gerecht. Die fachsprachlichen und alltagssprachlichen Podcasts unterscheiden sich in der sprachlichen Gestaltung, wobei Konzeptwechsel- und Sachpodcasts innerhalb einer Sprachvarietät in den sprachlichen Charakteristika miteinander vergleichbar sind (siehe Tab. 1).

4.3 Instrument: Überzeugung zum Lerntypenmythos

Als abhängige Variable wurde die Überzeugung der Studierenden zum Lerntypenmythos anhand einer selbstentwickelten Skala erfasst. Die Skala besteht aus sieben Items (siehe Onlinematerial B; Beispielitem: „Ich bin überzeugt, dass man Sachverhalte eher versteht, wenn man sie über den bevorzugten Lernkanal aufnimmt.“). Als Antwortformat wurde eine vierstufige Likert-Skala (1: „stimme gar nicht zu“ bis 4: „stimme voll und ganz zu“) verwendet. Die Skala weist zu allen Messzeitpunkten eine zufriedenstellende Reliabilität auf (siehe Tab. 2).

Tab. 2 Skalenwerte der Überzeugung zum Lerntypenmythos zu den drei Messzeitpunkten

Strenge Messinvarianz gilt als Voraussetzung für Mittelwertvergleiche (van de Schoot et al. 2012). Tab. 3 zeigt die Fit-Indizes der unterschiedlich restriktiven Modelle. In den Modellen wurden auch Residualkorrelationen der gleichen Items zu verschiedenen Messzeitpunkten zugelassen (correlated uniqueness, Marsh und Hau 1996). Alle Modelle zeigen einen guten bis sehr guten Modellfit. Während der Modellfit auch bei Gleichsetzen der Faktorladungen im Modell metrischer Messinvarianz stabil bleibt, verschlechtert sich das Modell beim Gleichsetzen der Intercepts (strenge Messinvarianz). Die Differenzen in CFI und RMSEA übersteigen die Cut-off-Empfehlungen (Cut-offs: ∆CFI < 0,01, ∆RMSEA < 0,015; Cheung und Rensvold 2002), sodass das Modell verworfen wird. Daher wird ein Modell mit partieller strenger Messinvarianz modelliert, in dem die Intercepts eines Items nicht gleichgesetzt werden. Die Verschlechterung der Fit-Indizes im Modell partieller strenger Messinvarianz im Vergleich zum Modell metrischer Invarianz ist geringfügig und bewegt sich im Rahmen der Cut-offs, weshalb das Modell partieller strenger Messinvarianz angenommen wird (Millsap und Kwok 2004). Dies erscheint auch akzeptabel, da es sich um ein neues Instrument handelt.

Tab. 3 Modellfit zur Überprüfung der Messinvarianz der Überzeugung zum Lerntypenmythos

4.4 Datenauswertung

Um zu untersuchen, wie sich die Art der Informationspräsentation (Konzeptwechsel- vs. Sachpodcast) sowie die sprachliche Gestaltung (Alltags- vs. Fachsprache) auf die Entwicklung der Überzeugung zum Lerntypenmythos der Lehramtsstudierenden auswirken, wird eine dreifaktorielle Varianzanalyse mit Messwiederholung über die drei Messzeitpunkte berechnet. Bei einer Verletzung der Sphärizität wird die Greenhouse-Geisser-Korrektur herangezogen.

5 Ergebnisse

Tab. 4 gibt zunächst einen Überblick über Mittelwerte und Standardabweichungen der Überzeugung zum Lerntypenmythos zu den drei Messzeitpunkten für die einzelnen Interventionsgruppen. Die deskriptiven Kennwerte zeigen, dass die Überzeugung zum Lerntypenmythos zurückgeht. Die durchgeführte ANOVA ergibt einen signifikanten Haupteffekt der Zeit mit einer hohen Effektstärke, F (1,53, 271,43) = 324,54, p < 0,001, ηp2 = 0,65. Über alle Studierenden hinweg nahm die Überzeugung der Studierenden zum Lerntypenmythos stark ab. Diese Abnahme zeigt sich sowohl kurzfristig zwischen T1 und T2 (p < 0,001, d = 1,95) als auch langfristig zwischen T1 und T3 (p < 0,001, d = 1,77), wobei die Überzeugung mit einer kleinen Effektstärke zwischen T2 und T3 (p < 0,05, d = 0,32) wieder signifikant ansteigt.Footnote 1

Tab. 4 Deskriptive Statistiken

In einem nächsten Schritt wird geprüft, ob sich die Überzeugung zum Lerntypenmythos bei Lehramtsstudierenden mit Konzeptwechselpodcasts und denjenigen mit Sachpodcasts unterschiedlich entwickelt (Forschungsfrage 1). Die ANOVA ergibt einen signifikanten Interaktionseffekt zwischen der Art der Informationspräsentation und der Zeit mit einer mittleren Effektstärke, F (1,53, 271,43) = 13,01, p < 0,001, ηp2 = 0,07. Bei den Studierenden, die Konzeptwechselpodcasts hörten, entwickelt sich die Überzeugung im Vergleich zu Studierenden mit Sachpodcast günstiger, d. h. der Lerntypenmythos wird in höherem Maße abgelehnt. Somit kann Hypothese 1 bestätigt werden. Zudem zeigt sich ein signifikanter Haupteffekt der Art der Informationspräsentation mit einer kleinen Effektstärke, F (1, 177) = 7,88, p < 0,01, ηp2 = 0,04. Davon ausgehend zeigen paarweise Vergleiche mit Bonferroni-Korrektur, dass zu T1 kein signifikanter Unterschied in der Ausprägung der Überzeugung zwischen den Podcastversionen besteht (p = 0,44, d = 0,12). Im weiteren zeitlichen Verlauf unterscheidet sich die Überzeugung der Lehramtsstudierenden zwischen Konzeptwechsel- und Sachpodcasts zugunsten der Konzeptwechselpodcasts signifikant mit einer mittleren Effektstärke (T2: p < 0,01, d = 0,50; T3: p < 0,001, d = 0,54). Dies verdeutlicht, dass die Konzeptwechselpodcasts nicht nur kurzfristig, sondern auch über einen Zeitraum von vier Wochen zu einer günstigeren Entwicklung der Überzeugung zum Lerntypenmythos führen.

Zudem wird untersucht, welche Rolle eine alltagssprachliche im Vergleich zu einer fachsprachlichen Gestaltung der Podcasts bei der Entwicklung der Überzeugung der Lehramtsstudierenden zum Lerntypenmythos spielt (Forschungsfrage 2). Diesbezüglich zeigt die durchgeführte ANOVA einen signifikanten Interaktionseffekt zwischen der sprachlichen Gestaltung und der Zeit mit einer kleinen Effektstärke, F (1,53, 271,43) = 6,39, p < 0,01, ηp2 = 0,04. Die sprachliche Gestaltung der Podcasts wirkt sich folglich signifikant auf die Entwicklung der Überzeugung zum Lerntypenmythos aus. Wie angenommen nimmt die Zustimmung bei den Studierenden, welche die alltagssprachlichen Podcasts hörten, etwas stärker ab als bei den Studierenden, welche die fachsprachlichen Podcasts hörten. Hypothese 2 kann somit ebenfalls bestätigt werden. Weiterhin zeigt sich ein signifikanter Haupteffekt der sprachlichen Gestaltung zugunsten der Alltagssprache mit einer geringen Effektstärke, F (1, 177) = 6,31, p < 0,05, ηp2 = 0,03. Während zu T1 (p = 0,98, d = 0,00) kein signifikanter Unterschied hinsichtlich der Überzeugung zum Lerntypenmythos zwischen der alltagssprachlichen und der fachsprachlichen Podcastversion besteht, unterscheidet sich die Überzeugung zwischen den alltagssprachlichen und den fachsprachlichen Podcasts sowohl zu T2 (p < 0,01, d = 0,42) als auch zu T3 (p < 0,01, d = 0,44) signifikant zugunsten der alltagssprachlichen Podcasts mit jeweils einer mittleren Effektstärke.

Abschließend wird explorativ untersucht, ob die sprachliche Gestaltung je nach Art der Informationspräsentation (Konzeptwechsel- vs. Sachpodcast) unterschiedlich auf die Entwicklung der Überzeugung zum Lerntypenmythos wirkt (Forschungsfrage 3). Die ANOVA ergibt jedoch keine signifikante Dreifachinteraktion zwischen Zeit, Art der Informationspräsentation und sprachlicher Gestaltung, F (1,53, 271,43) = 0,42, p = 0,61, ηp2 = 0,00.

6 Diskussion

Der Lerntypenmythos ist ein unter (angehenden) Lehrkräften weit verbreitetes Fehlkonzept zum Lehren und Lernen (z. B. Dekker et al. 2012; Krammer et al. 2019; Newton und Salvi 2020), das sowohl die professionelle Kompetenz der Lehrkräfte als auch die Lernprozesse von Schüler*innen beeinträchtigen kann (Looß 2001; Newton 2015; Stern 2004). Konzeptwechseltexte gelten in der Forschung als vielversprechendes Tool, um Fehlkonzepte zugunsten wissenschaftlich korrekter Konzepte zu verändern (z. B. Beerenwinkel et al. 2011; Chambers und Andre 1997; Grospietsch und Mayer 2018). Ob und unter welchen Bedingungen Fehlkonzepte durch Podcasts nachhaltig in Richtung faktenbasierter Konzepte verändert werden können, wurde bislang allerdings nicht untersucht. Insofern ging der vorliegende Beitrag der Frage nach, ob auch Podcasts dazu geeignet sind, den Lerntypenmythos als prominentes Fehlkonzept bei Lehramtsstudierenden zu revidieren.

6.1 Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse

Mit Forschungsfrage 1 wurde untersucht, ob Konzeptwechselpodcasts im Vergleich zu Sachpodcasts eher dazu geeignet sind, die Überzeugung der Lehramtsstudierenden zum Lerntypenmythos zu verändern. Im Ergebnis zeigte sich, dass Konzeptwechselpodcasts Sachpodcasts deutlich überlegen sind: Die Studierenden mit Konzeptwechselpodcasts weisen mit einer mittleren Effektstärke einen stärkeren Rückgang ihrer Überzeugung zum Lerntypenmythos auf als Studierende mit Sachpodcasts. Hypothese 1 kann folglich bestätigt werden. Die Überlegenheit von Konzeptwechselpodcasts lässt sich in erster Linie durch deren widerlegend aufgebaute Argumentation erklären, im Rahmen derer der Mythos direkt adressiert und entkräftet wird. Mit diesen Ergebnissen lassen sich bisherige empirische Befunde sowohl stützen als auch erweitern. So stehen die gewonnenen Erkenntnisse im Einklang mit empirischen Interventionsstudien aus der Konzeptwechselforschung: Sowohl widerlegende Texte als auch Konzeptwechseltexte sind wirksame Mittel, um Fehlkonzepte bei Lehramtsstudierenden zu revidieren (z. B. Ferrero et al. 2020; Grospietsch und Mayer 2018; Prinz et al. 2022; Salisbury-Glennon und Stevens 1999). In Untersuchungen, in denen widerlegende Texte und Sachtexte verglichen wurden, wurden ähnlich hohe Effektstärken im mittleren Bereich gefunden (z. B. Diakidoy et al. 2011; Prinz et al. 2022). Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass sich die Konzeptwechselprinzipien auf das Medium Podcast übertragen lassen.

Mit Forschungsfrage 2 wurde geprüft, welche Rolle die sprachliche Gestaltung der Podcasts bei der Entwicklung der Überzeugung der Lehramtsstudierenden zum Lerntypenmythos spielt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Zustimmung zum Lerntypenmythos bei Studierenden nach dem Hören des alltagssprachlichen Podcasts stärker abnahm als bei Studierenden mit fachsprachlichem Podcast, womit Hypothese 2 bestätigt werden kann. Die Ergebnisse zur sprachlichen Gestaltung der Podcasts decken sich mit den Gelingensbedingungen einer erfolgreichen Kommunikation zwischen Expert*innen und Lai*innen. Entsprechende Studien zeigen, dass Lai*innen überzeugter vom Wissen der Expert*innen sind, wenn dieses in Alltagssprache anstatt fachsprachlich dargeboten wird (Shulman et al. 2020; Thon und Jucks 2017). Dies wird damit begründet, dass sich Lai*innen bei einer alltagssprachlichen Gestaltung stärker mit den Expert*innen identifizieren können und die fachkundigere Person als glaubwürdiger bewerten. Die alltagssprachlichen Podcasts zeichnen sich im Vergleich zu den fachsprachlichen Podcasts u. a. durch eine vereinfachte Satzstruktur und Wortwahl aus. Das könnte bewirken, dass die Lehramtsstudierenden die alltagssprachlich formulierten Inhalte verständlicher als die fachsprachlichen Podcasts wahrnehmen. Scharrer et al. (2012, 2013) konnten diesbezüglich einen positiven Zusammenhang zwischen der Verständlichkeit von argumentativen Texten und deren Überzeugungskraft nachweisen. Es bleibt allerdings zu prüfen, ob tatsächlich eine stärkere Identifikation mit den Sprechenden und/oder eine höhere Verständlichkeit der Inhalte zum Vorteil der alltagssprachlich gestalteten Podcasts geführt hat.

Mit Forschungsfrage 3 wurde explorativ untersucht, ob sich die Überzeugung zum Lerntypenmythos bei Lehramtsstudierenden mit Konzeptwechsel- und Sachpodcasts in Abhängigkeit von der sprachlichen Gestaltung unterschiedlich entwickelt. Im Ergebnis zeigte sich, dass die sprachliche Gestaltung dieselbe Wirkung für die Konzeptwechsel- und Sachpodcasts aufweist.

6.2 Grenzen und Forschungsausblick

Auch wenn die Ergebnisse der Studie erste wertvolle Erkenntnisse liefern, dass Podcasts geeignet sein können, um Fehlkonzepte bei Lehramtsstudierenden zu verändern, unterliegt die Studie forschungsmethodischen und inhaltlichen Einschränkungen, die bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden müssen. Gleichsam ergeben sich aus den Grenzen der Studie Möglichkeiten für weitere Forschung zur Förderung von Konzeptwechselprozessen mit Podcasts.

Die Studie fokussierte inhaltlich ausschließlich den Lerntypenmythos. Es kann demnach keine Aussage darüber getroffen werden, ob und inwiefern sich derartige Podcasts für die Revision von anderen pädagogischen Mythen eignen. Es bietet sich daher an, das vorliegende Forschungsdesign an weiteren Fehlkonzepten, wie der Lernpyramide (z. B. Lalley und Miller 2007), zu erproben, um die Übertragbarkeit der bisherigen Befunde auf andere Themen zu überprüfen.

Ferner unterliegt die Studie der Limitation, dass sich die Konzeptwechsel- und Sachpodcasts in ihrer Länge unterscheiden. Dass Konzeptwechsel- und Sachpodcasts unterschiedliche Längen haben, ist jedoch unmittelbar plausibel, denn Konzeptwechselpodcasts zeichnen sich zusätzlich durch eine explizite Gegenüberstellung von Mythos und Fakten sowie metakonzeptuelle Elemente aus. Dieser Einschränkung unterliegen auch zahlreiche andere Studien, in denen widerlegend aufgebaute Texte und Sachtexte vergleichend untersucht wurden (z. B. Diakidoy et al. 2011; Mikkilä-Erdmann 2001; Prinz et al. 2022; Södervik et al. 2013). Die Metaanalyse von Schroeder und Kucera (2022) zeigt allerdings, dass die Wirksamkeit von widerlegendenden Texten gegenüber Sachtexten nicht durch die unterschiedliche Länge der Textarten moderiert wird. Es kann daher vermutet werden, dass die unterschiedliche Länge der Podcasts in der vorliegenden Studie ebenfalls keinen Einfluss auf die Wirksamkeit hat, was jedoch in künftigen Studien untersucht werden sollte.

Darüber hinaus sollte bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden, dass (1) die Erhebungen in eine Vorlesung im bildungswissenschaftlichen Lehramtsstudium eingebettet waren, (2) die Podcasts das klar zu erkennende Ziel verfolgten, die Studierenden darüber aufzuklären, dass die Lerntypen empirisch nicht haltbar sind, und (3) die Items der Skala zur Erhebung der Überzeugung zum Lerntypenmythos gezielt die Erfassung eines Konzeptwechsels fokussierten. Insofern muss in Betracht gezogen werden, dass der starke Haupteffekt der Zeit mit ηp2 = 0,65 – zumindest in Teilen – auf Effekten sozialer Erwünschtheit beruht. Davon sind jedoch alle vier Gruppen betroffen, sodass fraglich ist, ob die Unterschiede zwischen den Gruppen hierdurch beeinflusst sind. Um dieser Einschränkung zu begegnen, könnte die Überzeugung in folgenden Studien zusätzlich auf subtilere Weise erhoben werden. Hierfür könnte sich beispielsweise ein auf Lerntypen basierendes Lehr-Lernszenario mit einem offenen Antwortformat anbieten, zu dem die Studierenden Stellung beziehen sollen.

Weiterführend muss bei der Interpretation der Ergebnisse beachtet werden, dass in der Forschung bislang kein Konsens darüber besteht, unter welchen Bedingungen Überzeugungen von (angehenden) Lehrpersonen handlungsleitend sind (z. B. Dubberke et al. 2008; Fives und Buehl 2012; Pajares 1992; Reusser und Pauli 2014; Staub und Stern 2002; Wen et al. 2011; Woolfolk Hoy et al. 2006). Anknüpfend hieran wäre es interessant zu untersuchen, ob eine Veränderung der Überzeugung zum Lerntypenmythos auch zu einer Verhaltensänderung der Studierenden hinsichtlich des eigenen Lernens führt und inwiefern die Überzeugungsveränderung das (geplante) unterrichtliche Handeln beeinflusst.

Darüber hinaus zeigt sich, dass die Überzeugung zum Lerntypenmythos zwischen T2 und T3 über alle Interventionsgruppen hinweg wieder leicht zunimmt. Wie ist dieser Befund zu erklären? In der Theorie werden Fehlkonzepte mehrheitlich als robust und veränderungsresistent charakterisiert, sodass intendierte Änderungen von Überzeugungen graduell und eher langsam verlaufen (Chi 2013; Posner et al. 1982; Vosniadou 2013). Vor dem Hintergrund, dass die Follow-Up-Befragung relativ zeitnah – vier Wochen nach der Intervention – stattfand, ist denkbar, dass das Fehlkonzept von einigen Studierenden noch nicht gänzlich revidiert wurde, sondern mit dem Fachkonzept koexistiert (Vosniadou 2013). Daher kann nicht bei allen Studierenden von einem nachhaltigen Konzeptwechsel ausgegangen werden. Es wäre somit interessant zu untersuchen, wie sich die Überzeugung der Studierenden über einen längeren Zeitraum hinweg entwickelt.

Die Konzeptwechselwirkung von systematisch konzipierten Texten konnte bei Lehramtsstudierenden bereits vielfach empirisch bestätigt werden (z. B. Ferrero et al. 2020; Grospietsch und Mayer 2018; Prinz et al. 2022; Salisbury-Glennon und Stevens 1999). Zusätzlich konnte im vorliegenden Beitrag festgestellt werden, dass auch durch Podcasts Konzeptwechselprozesse ausgelöst werden können. Jedoch liegen bislang keine Studien vor, in denen Text und Podcast im direkten Vergleich auf ihr Konzeptwechselpotenzial hin untersucht wurden. Es wäre daher gewinnbringend, in einer Fortsetzungsstudie diese vergleichende Untersuchung von Podcast und Text vorzunehmen. Einerseits kann vermutet werden, dass Podcasts im Vergleich zu Texten durch die zusätzlichen paraverbalen Elemente zu einer höheren Verständlichkeit der dargebotenen Informationen führen können und dass sich die Hörer*innen mit den Sprecher*innen stärker emotional verbunden fühlen (zsf. Niegemann et al. 2008). Andererseits erfordert die Flüchtigkeit von gesprochener Sprache ein hohes Maß an Konzentration und Aufmerksamkeit, was die Informationsverarbeitung erschweren kann (Imhof 2003). Allerdings bieten Podcasts i. d. R. die Möglichkeit, Sequenzen wiederholt anzuhören, wodurch der kurzzeitigen Verfügbarkeit von auditiv präsentierten Informationen entgegengewirkt werden kann (Francom et al. 2011; Niegemann et al. 2008).

6.3 Praktische Implikationen

Als Teil von berufsbezogenen Überzeugungen können Fehlkonzepte wie der Lerntypenmythos die pädagogischen Handlungsentscheidungen beeinflussen (z. B. Baumert und Kunter 2006; Dubberke et al. 2008; Staub und Stern 2002), sodass eine Korrektur von pädagogischen Fehlkonzepten bei angehenden Lehrkräften schon während der Ausbildungsphase erforderlich erscheint. Konzeptwechselpodcasts als Educational Technology können hierbei als niedrigschwelliges Angebot in die universitäre Lehre eingebunden werden, um prävalente Bildungsmythen bereits im Studium aufzuklären. Aber auch bereits im Dienst stehende Lehrkräfte sowie Dozierende an Universitäten, unter denen der Lerntypenmythos sowie weitere Mythen zum Lehren und Lernen ebenfalls weit verbreitet sind (z. B. Dekker et al. 2012; Newton und Miah 2017), könnten von einem solchen Podcastformat profitieren. Konkret könnten Fehlkonzepte bei Dozierenden und Lehrkräften abgebaut und so eine Weitergabe von Mythen an Studierende bzw. Schüler*innen verhindert werden. Zudem könnten Dozierende für den Umgang mit pädagogischen Mythen und die bewusste Adressierung von derartigen Fehlkonzepten in der Lehre sensibilisiert werden.

Zusammenfassend gibt die vorliegende Studie wertvolle Hinweise zur Gestaltung solcher auf Podcasts basierender Lehrangebote. Um prävalente Fehlkonzepte zu verändern und im Gegenzug wissenschaftlich belastbare Fachkonzepte im Überzeugungssystem von Lehramtsstudierenden verankern zu können, sollte sich die Art der Informationsvermittlung in den Podcasts an den erprobten Konzeptwechselprinzipien (Posner et al. 1982) orientieren. Zudem kann eine alltagssprachliche Gestaltung zusätzlich gewinnbringend sein.