1 Einleitung und Ziel der Studie

Angebots-Nutzungs-Modelle werden vielfach genutzt, um unterrichtliche Lernprozesse und deren Determinanten in einen Zusammenhang zu bringen und mögliche (Wechsel‑)Wirkungen zu veranschaulichen. In Beobachtungsstudien werden allerdings bislang vorwiegend Aspekte des Angebots, seltener Aspekte der Nutzung dieses Unterrichtsangebots durch die Lernenden fokussiert. Generell wird die Eignung von Beobachtungen zur Erfassung von Nutzungskomponenten kritisch diskutiert (Vieluf et al. 2020) und auch konzeptionell besteht bislang nur bedingt Konsens darüber, welche Prozesse und Aktivitäten sich genau der Nutzungsseite zuordnen lassen. Diskutiert wird beispielsweise, ob äußere, beobachtbare Aktivitäten – wie der soziale Austausch (Kunter und Trautwein 2013) oder die Beteiligung an Gesprächen (Seidel 2014) – zur Nutzung gezählt werden sollten (Vieluf et al. 2020).

Die Beteiligung am Unterrichtsgespräch steht auch im Fokus des vorliegenden Beitrags. Es wird untersucht, inwiefern die Beteiligung von Lernenden im Kunstunterricht des zweiten Schuljahres mit individuellen Lernvoraussetzungen und der Qualität des Unterrichtsangebots in Beziehung steht.

Dabei wird nicht nur auf die Häufigkeit der Schüler*innenbeteiligung fokussiert, sondern auch auf die Art der verbalen Schüler*innenbeiträge. Hier liegt der Schwerpunkt auf der Frage, inwiefern die verbalen Beiträge der Kinder als kreativ gelten können, wozu sinnhafte, neue und elaborierte Beiträge gezählt werden.

2 Theorie und Forschungsstand

2.1 Einordnung der verbalen Schüler*innenbeteiligung in Angebots-Nutzungs-Modelle des Unterrichts

Grundlegend basieren Angebots-Nutzungs-Modelle auf der Vorstellung, dass „Lernende aktive (Ko‑)Konstrukteure ihres eigenen Lernfortschritts sind und deshalb die Effektivität des Unterrichts nicht nur davon abhängt, welche Lerngelegenheiten sich den Lernenden in der Schule bieten, sondern auch davon, ob und wie sie diese nutzen“ (Vieluf et al. 2020, S. 63).

Inzwischen existiert eine Vielzahl verschiedener Spezifikationen von Angebots-Nutzungs-Modellen, für die als Grundlage meist die Modelle von Fend (1982) und Helmke (z. B. 2009) herangezogen, modifiziert und weiterentwickelt werden (vgl. Vieluf et al. 2020).

In den meisten Modellen wird das Angebot als Verhalten der Lehrperson konzeptualisiert. Helmke (2009) hingegen betont, dass auch die Lernenden Angebote machen können – wenn sie sich beispielsweise (auch unaufgefordert) gegenseitig helfen. Dies wird laut Vieluf et al. (2020) jedoch lediglich aus den Erläuterungen zum Modell deutlich, nicht in der Modellabbildung selbst. Vieluf et al. (2020) gehen hier noch einen Schritt weiter und nehmen an, dass das Angebot von Lehrenden und Schüler*innen in ihrer Interaktion gemeinsam gestaltet wird und dass beispielsweise auch jeder Beitrag von Lernenden im Unterrichtsgespräch ein Angebot an andere Lernende oder an die Lehrperson darstellt.

Bezogen auf die Nutzungskomponente fassen Vieluf et al. (2020) zusammen, dass diese in den Modellen zunächst generell weniger spezifisch beschrieben wird. In vielen Modellen (z. B. Kunter und Trautwein 2013; Seidel 2014) werden sogenannte äußere Aktivitäten – wie die Beteiligung an Gruppenarbeiten oder Unterrichtsgesprächen – der Nutzungskomponente zugeordnet. Diese Konzeptualisierung von Nutzung ist insbesondere für die videobasierte Unterrichtsforschung anschlussfähig, da es hier möglich ist, das Unterrichtsangebot mit den äußerlich sichtbaren Aktivitäten der Lernenden in Beziehung zu setzen.

In diesem Beitrag wird die Schüler*innenbeteiligung im öffentlichen, gemeinsamen Unterricht untersucht. Dabei fokussieren wir auf der Angebotsseite die Unterrichtsqualität und auf der Nutzungsseite die Schüler*innenbeteiligung in Form von Meldungen und Beiträgen der Lernenden. Wenngleich Meldungen und die darauf folgenden Schüler*innenbeiträge natürlich den weiteren Unterrichtsverlauf mitbestimmen können, werden sie in diesem Beitrag in Anlehnung an die Konzeptualisierungen von Kunter und Trautwein (2013), Seidel (2014) oder Lipowsky (2020) daher als Nutzungsaspekte verstanden. Auch Decristan et al. (2020) ordnen das Meldeverhalten von Lernenden der Nutzungsseite zu: „Die schülergesteuerte Beteiligung lässt sich als ein Indikator für die Nutzung von Lernangeboten beschreiben“ (S. 172).

2.2 Unterrichtsbeteiligung

In den letzten Jahrzehnten setzten sich viele Forschungen mit verschiedenen Facetten des Unterrichtsgesprächs auseinander und untersuchten, inwiefern das Gespräch im Klassenraum Effekte auf die Lernenden hat (Alexander 2018; Resnick et al. 2018; Mercer und Dawes 2014; zsf. Böheim et al. 2021). Die daraus entstandenen Konzepte des „dialogic teaching“ (Alexander 2018), des „accountable talk“ (Resnick et al. 2018) oder des „ko-konstruktiven Unterrichtsgesprächs“ (Reusser und Pauli 2015) haben gemeinsam, dass Unterrichtsgespräche dann besonders lernwirksam für Schüler*innen sind, wenn die Interaktionen die Lernenden zum Nachdenken anregen, die Beiträge der Lernenden ausführlich sind, sich inhaltlich auf den Lernkontext beziehen und im besten Fall aufeinander aufbauen, wenn die Lehrperson Feedback gibt, das zum Weiterdenken anregt, und die organisatorischen, zeitlichen und räumlichen Gegebenheiten einen fachlichen Austausch im Klassenraum ermöglichen.

Es gibt eine Vielzahl an Studien, die sich beispielsweise mit verbaler und/oder nonverbaler Unterrichtskommunikation auseinandersetzen (Gröschner 2007) oder den Fokus auf Teilbereiche der Interaktion wie z. B. Feedback oder Fragen legen (Richert 2005; zsf. Lipowsky 2020). Forschungsergebnisse zu Meldungen und Aufrufen im Unterricht sind aber überschaubar und größtenteils eher älteren Datums oder beziehen sich auf die Sekundarstufe (zsf. Denn 2021).

Eine der wenigen deutschsprachigen Studien, die unter anderem auch im Grundschulunterricht durchgeführt wurde, stammt von Sacher (1995). Er beobachtete Interaktionssituationen in 28 Unterrichtsstunden aus der ersten bis zur zehnten Jahrgangsstufe. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass Meldungen und Aufrufe eher ungleich auf die einzelnen Kinder verteilt sind. Ein Kind wird im Mittel ein bis zwei Mal pro Stunde aufgerufen, wobei die Unterschiede innerhalb der Klassen deutlich ausfallen. Eine Besonderheit seiner Studie lag darin, dass er zwischen schüler*innen- und lehrkraftinitiierten Aufrufen unterschied. Dieser Unterschied bezieht sich darauf, ob sich ein Schüler bzw. eine Schülerin vor dem Aufruf der Lehrperson gemeldet hat (schüler*inneninitiiert) oder von der Lehrperson ohne Meldung aufgerufen wurde (lehrkraftinitiiert).

Die Studie von Decristan et al. (2020) fokussierte ebenfalls die Beteiligungsmöglichkeiten von Grundschulkindern im Unterrichtsgespräch und kodierte die Meldungen und Aufrufe mittels Videoanalysen in 35 Klassen des Sachunterrichts und kam zu dem Ergebnis, dass ca. die Hälfte aller Kinder (46,8 %) durch Meldungen oder Beiträge an den jeweils ca. 10-minütigen analysierten Unterrichtssequenzen beteiligt ist.

Denn (2021) untersuchte die Lehrkraft-Schüler*innen-Interaktion im Unterrichtsgespräch in 51 Grundschulklassen im Mathematikunterricht des zweiten Schuljahres und nutzte dafür Daten aus dem PERLE-Projekt, dessen Daten auch im vorliegenden Beitrag – allerdings im Fach Kunst – analysiert werden. Im Vergleich zu Decristan et al. (2020) waren die Unterrichtsgespräche mit durchschnittlich 20,33 min (SD = 12,07) hier deutlich länger. Durchschnittlich kamen 5,77 Meldungen pro Minute vor (Min = 0, Max = 13,46, SD = 3,01) und die Lehrpersonen riefen durchschnittlich 2,28 Mal pro Minute ein Kind auf.

Die berichteten Ergebnisse zeigen zunächst lediglich, wie häufig Lernende am Unterrichtsgespräch beteiligt werden. Dabei wird deutlich, dass sich Grundschulkinder insgesamt häufig am Unterricht durch Meldungen zu beteiligen versuchen. Daher dürfte es insbesondere für den Grundschulunterricht interessant sein, das Verhältnis erfolgreicher Meldungen (mit anschließendem Aufruf) und nicht erfolgreicher Meldungen (ohne Aufruf) genauer zu betrachten.

Für den Kunstunterricht der Grundschule liegen Daten zum Beteiligungsverhalten bisher noch gar nicht vor. Dabei ist neben der Häufigkeit der unterschiedlichen Arten von Schüler*innenbeteiligung (Aufruf mit vorheriger Meldung, Aufruf ohne vorherige Meldung oder Meldung ohne anschließenden Aufruf) vor allem interessant, welche Lernenden sich melden und wer von der Lehrperson durch Aufrufe beteiligt wird. Dies dürfte mit individuellen Determinanten der Lernenden zusammenhängen, auf die im Folgenden eingegangen wird.

2.2.1 Individuelle Determinanten der Schüler*innenbeteiligung

Nimmt man Angebots-Nutzungs-Modelle als Ausgangspunkt, hängt die aktive Nutzung des unterrichtlichen Angebots auch von den individuellen Determinanten der Lernenden, wie z. B. dem Vorwissen, dem Interesse oder der Anstrengungsbereitschaft, ab (vgl. Helmke 2009). Auch im Erwartungs-Mal-Wert Modell nach Eccles et al. (1983) wird die Performanz eines Lernenden in Zusammenhang mit seinen Erwartungen, Zielvorstellungen, Vorerfahrungen und Selbstkonzepten gesehen.

Viele Studien aus dem Grundschulbereich berichten davon, dass sich leistungsstärkere Kinder häufiger am Unterricht beteiligen und auch häufiger aufgerufen werden (zsf. Denn 2021). So berichtet bereits Sacher (1995) von einer höheren Melde- und Beitragshäufigkeit der leistungsstärkeren Lernenden. Eine Studie von Ing et al. (2015) im Mathematikunterricht der Grundschule konnte ebenfalls zeigen, dass die Leistungsstärke der Kinder positiv mit deren Beteiligung im Unterricht zusammenhängt. Auch weitere internationale Studien im Grundschulbereich kommen zu ähnlichen Ergebnissen, was die Beteiligungshäufigkeit von Grundschulkindern im Unterricht betrifft (Good et al. 1980; Jeter und Davis 1982).

Da in der vorliegenden Studie ein klassisches Leistungsmaß für den Kunstunterricht fehlt, wird in den Analysen die Grundintelligenz verwendet (vgl. Abschn. 4.2). Auch die Studie von Decristan et al. (2020) nutzte die kognitive Grundfähigkeit als eine Determinante für die Beteiligungshäufigkeit der Lernenden, konnte hier aber nur eine geringe Korrelation zwischen Beteiligung und kognitiver Grundfähigkeit feststellen. Engere Zusammenhänge mit der selbstgesteuerten Teilnahme am Unterrichtsgespräch ergaben sich hier für die Merkmale naturwissenschaftliche Kompetenz, Sprachverständnis und thematisches Vorwissen. Je höher diese Leistungsparameter ausgeprägt waren, desto häufiger beteiligten sich die Kinder von sich aus am Unterricht.

In Studien aus dem Grundschulbereich hat sich neben der Leistungsstärke bzw. der Intelligenz auch das fachbezogene Selbstkonzept als eine wichtige Komponente für die Schüler*innenbeteiligung herausgestellt (z. B. Green et al. 2012; Wang und Eccles 2013; zsf. Denn 2021). Im Rahmen der PERLE-Studie konnte Denn (2021) für den Mathematikunterricht im zweiten Schuljahr anhand von Unterrichtsvideos aus 41 Lerngruppen (521 Lernende) feststellen, dass sich Kinder mit einem höheren Selbstkonzept, auch unter Kontrolle der mathematischen Leistungen, häufiger melden und häufiger von der Lehrperson aufgerufen werden (Denn 2021).

Zum Einfluss des Geschlechts auf die Beteiligung am Unterricht ist die Befundlage uneinheitlich (zsf. Denn 2021): So gibt es Grundschulstudien, die belegen, dass sich Jungen häufiger melden und häufiger von der Lehrperson aufgerufen werden (Altermatt et al. 1998; Wimer et al. 2001), aber auch solche, die keine Unterschiede in der Melde- bzw. Aufrufhäufigkeit von Mädchen und Jungen feststellen (Frasch und Wagner 1982; Schirner 2013). Wird allein die Häufigkeit von Meldungen betrachtet, zeigen einzelne Studien auch, dass sich Mädchen häufiger melden als Jungen (Burns und Myhill 2004; Kelly 1988).

Inwiefern diese individuellen Merkmale auch im Kunstunterricht bedeutsam sind, wurde bisher noch nicht untersucht. Einerseits ist davon auszugehen, dass im Kunstunterricht ähnliche Mechanismen gelten dürften wie in anderen Fächern (z. B., dass eher leistungs- und selbstkonzeptstarke Kinder am Unterrichtsgespräch beteiligt sind). Allerdings ist auch denkbar, dass diese Faktoren im Kunstunterricht eine geringere Rolle spielen, da sowohl Lehrpersonen als auch Lernende den Kunstunterricht evtl. als ein mit weniger Leistungsdruck behaftetes Fach wahrnehmen. Gerade bei der Rezeption von Bildern im Unterricht sind eigene Interpretationen und Deutungen möglich und es gibt oftmals keine eindeutige richtige und falsche Lösung (z. B. Schmidt 2016). Da im Beitrag neben der Häufigkeit auch die Art der Schüler*innenbeiträge mit Blick auf deren Kreativität untersucht wird, wird als ein weiteres individuelles Merkmal auch die mit einem Test gemessene Kreativität der Kinder einbezogen, um untersuchen zu können, inwiefern kreativere Kinder tatsächlich auch im Unterrichtsgespräch besondere Ideen beitragen.

2.2.2 Unterrichtliche Determinanten der Schüler*innenbeteiligung

Verschiedene Kontextmerkmale werden auch im Angebots-Nutzungs-Modell nach Helmke (2009) als Determinanten für die Nutzung des unterrichtlichen Angebots angeführt. Im Hinblick auf Aspekte der Unterrichtsqualität wird im deutschsprachigen Raum sehr häufig von den Basisdimensionen der Unterrichtsqualität – Klassenführung, unterstützendes Unterrichtsklima und kognitive Aktivierung – gesprochen (z. B. Klieme et al. 2006). Allerdings dürften auch Rahmenbedingungen, wie die Klassengröße oder die zur Verfügung stehende Unterrichtszeit, mitbestimmen, wie häufig einzelne Kinder im Unterricht aufgerufen werden.

Im Sinne des Modells der Basisdimensionen guten Unterrichts und deren vermuteter Wirkungen (Klieme et al. 2006) können Schüler*innenbeiträge der Kinder als ein Ausdruck von deren Denkleistung gesehen werden, die durch die kognitive Aktivierung des Unterrichts mitbedingt werden dürften. Auch die Klassenführung könnte durch die Bereitstellung eines hohen Ausmaßes an aktiver Lernzeit die organisatorischen und zeitlichen Rahmenbedingungen für ein vertiefendes Unterrichtsgespräch schaffen, in dem Regeln und Routinen für die Gespräche vorhanden sind, die Lernenden genügend Zeit zum Nachdenken erhalten und es dadurch zu mehr und qualitativ hochwertigeren Beiträgen kommen kann. Das unterstützende Unterrichtsklima dürfte ebenso, insbesondere vermittelt über das Erleben von sozialer Eingebundenheit im Sinne der Selbstbestimmungstheorie (Deci und Ryan 1993) eine Grundvoraussetzung dafür schaffen, dass sich Grundschulkinder trauen, sich zu beteiligen und auch unkonventionelle, neue Ideen zu äußern.

Zum Zusammenhang zwischen Facetten der Unterrichtsqualität und der Schüler*innenbeteiligung liegen im Grundschulbereich noch vergleichsweise wenige Forschungsarbeiten vor, weshalb im Folgenden auch Studien aus dem Sekundarschulbereich angeführt werden. Es ist allerdings davon auszugehen, dass Beteiligungsmuster und deren Determinanten im Grundschulunterricht durchaus von denen in der Sekundarstufe differieren. Aufgrund des Alters der Kinder könnte insbesondere dem Unterrichtsklima sowie der Klassenführung eine höhere Bedeutung für die Beteiligungshäufigkeit zukommen als in der Sekundarstufe.

In einer Metaanalyse von Marzano (2003) konnte ein positiver Effekt (d = 0,62) der Klassenführung auf die Schüler*innenbeteiligung ermittelt werden. Die dort einbezogenen sieben Studien bezogen sich jedoch nicht auf Beobachtungen, sondern basierten auf Fragebögen und Selbsteinschätzungen. Anhand von Unterrichtsbeobachtungen konnte für den Mathematikunterricht der Grundschule bestätigt werden, dass sich in Klassen mit hoch ausgeprägter Klassenführung mehr Lernende auf die Fragen der Lehrpersonen melden (Denn et al. 2019).

Ähnliche Befunde liegen auch für das Unterrichtsklima vor. In einer Studie von Reyes et al. (2012), die Unterrichtsvideos aus 90 Klassen des fünften Schuljahres analysierten, hatte das beobachtete Klima einen positiven Effekt auf die von den Kindern selbstberichtete Beteiligung am Unterricht. Auch für den Mathematikunterricht der Grundschule konnte festgestellt werden, dass ein positiv eingeschätztes Unterrichtsklima mit einer höheren Anzahl an Meldungen der Lernenden, relativiert an der Anzahl der Fragen der Lehrperson, einherging (Denn et al. 2019).

Zur kognitiven Aktivierung führte Stipek (2002) eine Studie mit 173 Grundschulklassen durch, in der sowohl die Schüler*innenbeteiligung als auch Merkmale der Unterrichtsqualität qualitativ von externen Beobachtern im Mathematik- und Leseunterricht des zweiten und dritten Schuljahres eingeschätzt wurden. Hier ergaben sich positive Zusammenhänge zwischen der Schüler*innenbeteiligung und Merkmalen der kognitiven Aktivierung wie der Verarbeitungstiefe oder dem prozessorientierten Denken.

2.3 Kreative Schüler*innenbeiträge im Unterrichtsgespräch im Fach Kunst

Im vorliegenden Beitrag wird die Schüler*innenbeteiligung im Kunstunterricht der Grundschule genauer analysiert, wozu bisher noch keine Befunde aus Videostudien vorliegen. Der Kunstunterricht umfasst auch bereits in der Grundschule sehr viel mehr als das reine Gestalten der Kinder. Die klassische Strukturierung des Kunstunterrichts bildet der Dreischritt aus Rezeption, Produktion und Reflexion (z. B. Eid et al. 2002). Besonders in den Phasen der Rezeption kommt dem Unterrichtsgespräch und damit auch der Beteiligung der Schüler*innen eine besondere Bedeutung zu. Ein Gespräch über Bilder ist dabei gut vergleichbar mit Gesprächen über Literatur: Die Lehrperson und die Kinder beschreiben zunächst, was sie wahrnehmen und interpretieren diese Wahrnehmungen auch. Je deutungsoffener das Kunstwerk, desto mehr Möglichkeiten bestehen für eigene Interpretationen und damit auch für kreative Äußerungen (Schmidt 2016).

Neben der Häufigkeit der Schüler*innenbeteiligung wird daher in diesem Beitrag auch die Kreativität der Schüler*innenäußerungen als ein ausgewählter Aspekt der Nutzung des Unterrichtsangebots durch die Lernenden betrachtet. Die Förderung von Kreativität stellt ein Bildungsziel der Grundschule im Allgemeinen und ein Unterrichtsziel im Fach Kunst im Besonderen dar (Berner 2018). Kreativität kann als die Fähigkeit eines Menschen definiert werden, Ideen und Produkte beliebiger Art hervorzubringen, die im Wesentlichen neu sind und zumindest demjenigen, der sie hervorgebracht hat, zuvor unbekannt waren (Drevdahl 1956). Ein Produkt muss nach dieser Auffassung nicht „perfekt“ sein, um als kreativ definiert werden zu können, sondern insbesondere kindliche Kreativität kann relational beurteilt werden. Auf diesem Verständnis aufbauend hat Berner (2013) für kreative Produkte im Kunstunterricht der Grundschule u. a. die Merkmale Neuheit, Angemessenheit sowie Ausarbeitung und ästhetische Vollkommenheit als relevante Kennzeichen herausgearbeitet und anhand plastischer Schüler*innenarbeiten untersucht. In diesem Beitrag werden Merkmale kreativer Produkte auf verbale Beiträge im Unterricht übertragen, wobei neben der (relationalen) Neuheit, die Sinnhaftigkeit sowie die Elaboriertheit als Kennzeichen kreativer Schüler*innenäußerungen betrachtet werden (Lomtatidse et al. 2019). Ein kreativer Schüler*innenbeitrag müsste demnach eine neue Idee enthalten, sich auf das gestellte Problem sinnhaft beziehen und nicht zu knapp sein, sondern etwas ausführlicher erläutert werden.

Neben individuellen Voraussetzungen wie beispielsweise der Intelligenz, für die vielfach Zusammenhänge zur Kreativität aufgezeigt werden konnten (vgl. z. B. Stemmler et al. 2011), oder dem Geschlecht, für das sich selten systematische Effekte auf die Kreativität zeigen (zsf. Berner et al. 2010), nehmen nach dem Komponentenmodell der Kreativität auch Aspekte der Umwelt Einfluss auf die Kreativität (Urban 2004). Es kann angenommen werden, dass die Qualität des Unterrichtsangebots mit der Häufigkeit kreativer Schüler*innenäußerungen in Zusammenhang steht, was allerdings bislang kaum empirisch untersucht wurde. Eine der wenigen Studien dazu wurde von Theurer (2015) veröffentlicht. Sie operationalisierte Aspekte eines potenziell kreativitätsfördernden Klassenklimas (z. B. anregende Problemstellungen, Toleranz gegenüber Schüler*innenideen; Angemessenheit von Sanktionen) und wertete auf dieser Basis Unterrichtsvideos aus der PERLE-Studie aus. Signifikante Effekte des so operationalisierten Klimas auf die anhand des TSD‑Z (Urban und Jellen 1995) erhobene Kreativitätsentwicklung der Kinder ließen sich allerdings nicht nachweisen. Wird das Kreativitätsklima allerdings bei den Kindern erfragt (anstatt beobachtet), so ergeben sich signifikant positive Effekte der emotionalen Komponente des wahrgenommenen Kreativitätsklimas auf die Kreativität der Kinder. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Unterrichtsgestaltung und Kreativitätsentwicklung durchaus in Zusammenhang stehen, es dabei aber eher auf emotionale Rahmenbedingungen ankommt als auf kognitive Anregung (Theurer 2015). Außerdem kann auch die Erhebungsmethode einen Einfluss darauf haben, ob sich Effekte nachweisen lassen, da möglicherweise das subjektive Erleben des Angebots bedeutsamer ist als die externe Beobachtung des Angebots.

Zu den klassischen Basisdimensionen der Unterrichtsqualität und ihren Effekten auf die Kreativität von Schüler*innen oder die Qualität ihrer Beiträge im Unterrichtsgespräch sind uns keine weiteren Studien bekannt.

3 Fragestellungen

Grundlegend wird im Beitrag der Frage nachgegangen, ob die Häufigkeit und Art der verbalen Beteiligung von Lernenden (Nutzung) im Kunstunterricht des zweiten Schuljahres mit individuellen Lernvoraussetzungen (Lernpotenzial) und dem Unterrichtsangebot in Beziehung stehen.

Es liegen noch keine Studien vor, in welchen Redebeiträge von Schüler*innen im Unterrichtsgespräch auf ihre Kreativität untersucht und gleichzeitig sowohl individuelle Voraussetzungen der Lernenden erhoben wurden als auch die Unterrichtsqualität systematisch untersucht wurde. Daher werden offene Fragestellungen formuliert.

3.1 Häufigkeit und Art der Beteiligung

  1. 1.

    Wie häufig melden sich die Kinder im Kunstunterricht?

  2. 2.

    Wie häufig werden die Kinder im Kunstunterricht aufgerufen?

  3. 3.

    Wie häufig sind die Wortbeiträge von Kindern im Kunstunterricht neu, sinnhaft und/oder elaboriert?

3.2 Beteiligung und individuelle Merkmale der Lernenden

Hängen die ausgewählten individuellen Lernvoraussetzungen Geschlecht, Grundintelligenz, Kreativität und Selbstkonzept kreativer Fähigkeiten

  1. 4.

    mit der Beteiligungshäufigkeit der Lernenden zusammen?

  2. 5.

    mit der Neuheit der Beiträge der Lernenden zusammen?

  3. 6.

    mit der Elaboriertheit der Beiträge der Lernenden zusammen?

3.3 Beteiligung und Basisdimensionen der Unterrichtsqualität

Hängt die Ausprägung der drei Basisdimensionen Klassenführung, Unterrichtsklima und kognitive Aktivierung

  1. 7.

    mit der Beteiligungshäufigkeit der Lernenden zusammen?

  2. 8.

    mit der Neuheit der Beiträge der Lernenden zusammen?

  3. 9.

    mit der Elaboriertheit der Beiträge der Lernenden zusammen?

4 Datengrundlage, Instrumente und methodisches Vorgehen

Die Daten stammen aus dem Projekt Persönlichkeits- und Lernentwicklung von Grundschulkindern (PERLE), einer Längsschnittstudie über die gesamte Grundschulzeit (Lipowsky et al. 2013), in deren Rahmen die Schüler*innen, die Lehrpersonen und die Eltern zu mehreren Messzeitpunkten befragt und/oder getestet wurden.Footnote 1

An der Studie nahmen sowohl staatliche Schulen als auch private Grundschulen teil. Um eine Vergleichbarkeit zwischen den Schulen zu erreichen, erfolgte eine Vorauswahl der staatlichen Schulen durch die Schulämter, sodass auch die staatlichen Klassen in der Stichprobe als privilegiert gelten können (vgl. Lipowsky et al. 2013). So erreicht der sozioökonomische Status der Familien, der über den Highest International Socio-Economic Index (HISEI) ermittelt wurde, einen Mittelwert von 63 Punkten (SD = 16) und liegt damit deutlich oberhalb des damaligen deutschen Durchschnitts von 49 Punkten (Ehmke und Baumert 2007). Die Stichprobe ist damit in dieser Hinsicht nicht repräsentativ.

Zu Beginn des zweiten Schuljahres wurde eine 90-minütige Unterrichtseinheit im Fach Kunst in 33 Klassen videografiert (Berner et al. 2013; Lotz et al. 2013). Mit dem Ziel der besseren Vergleichbarkeit erhielten alle Lehrpersonen inhaltliche Vorgaben: Zunächst sollte eine Rezeption des Gemäldes „Gepflügte Erde“ und der Plastiken „Frau“ und „Vogel“ von Joan Miró stattfinden. Anschließend sollten die Kinder selbst Plastiken mit Modelliermasse und Draht gestalten und diese reflektieren. An der Videostudie nahmen 33 Klassen mit insgesamt 627 Schüler*innen teil (M = 19 Kinder pro Klasse, Mädchenanteil = 51 %). In die Analysen wurden alle öffentlichen Unterrichtsphasen einbezogen, in denen die Lehrperson im Gegensatz zu den Schüler*innenarbeitsphasen mit der gesamten Klasse interagiert (Lotz 2013). Diese haben eine mittlere Dauer von 50 min (Min = 29, Max = 86; SD = 11).

4.1 Abhängige Variablen: Schüler*innenbeteiligung und Art der Schüler*innenbeiträge

Für alle öffentlichen Unterrichtsphasen wurden die Meldungen, Aufrufe und Beiträge der Lernenden niedrig inferent im Event-Sampling-Verfahren kodiert. Dabei wurde auch die Identifikationsnummer des Kindes mitkodiert, um die Daten mit weiteren Variablen auf Individualebene in Beziehung setzen zu können (Hess und Denn 2019).

Für alle Kategoriensysteme wurden Beobachterinnen in der Anwendung geschult und die Übereinstimmungen fortlaufend zu mehreren Zeitpunkten während des gesamten Kodierprozesses überprüft. Die Beobachtungsinstrumente erfüllen die Voraussetzungen an die Reliabilität und Objektivität von Kodierungen und Ratings (prozentuale Übereinstimmung ≥ 85 %; Cohens Kappa ≥ 0,70; Lotz et al. 2013; für detaillierte Infos vgl. Hess und Denn 2019; Lomtatidse et al. 2019).

4.1.1 Meldungen und Aufrufe

Das Kategoriensystem zur Kodierung der Meldungen und Aufrufe besteht aus den vier Kategorien „Meldung mit Aufruf“, „Meldung ohne Aufruf“, „Aufruf ohne Meldung“ und „Aufruf, bei dem nicht erkennbar ist, ob sich das Kind vorab gemeldet hatte“ (Hess und Denn 2019). Da der Beitrag auf die Nutzung des Unterrichtsangebot durch die Schüler*innen in Form von Meldungen und Wortbeiträgen fokussiert, werden für die Analysen v. a. die Meldungen der Kinder betrachtet, die sich aus den beiden Kategorien „Meldung mit Aufruf“ und „Meldung ohne Aufruf“ ergeben.

4.1.2 Sinnhaftigkeit, Neuheit und Elaboriertheit der Redebeiträge

Insgesamt wurden über alle Klassen und Kinder hinweg 2810 inhaltsbezogene Redebeiträge identifiziert und hinsichtlich ihrer Sinnhaftigkeit, Neuheit und Elaboriertheit näher beschrieben.

Als sinnhaft wurden alle Redebeiträge bewertet, die zur Lösung der gestellten Frage bzw. des Problems beitrugen (z. B. „Ich sehe einen Baum auf dem Bild.“). Ein Beitrag wurde als neu bewertet, wenn er die erstmalige Idee des Kindes darstellte oder einzigartig, originell, nicht alltäglich und/oder fantasievoll war (z. B. „Das ist ein Maulwurfsnashorn.“). Als elaboriert wurden Beiträge beurteilt, wenn sie verständlich waren und das Kind über eine Ein-Wort-Antwort hinaus versuchte, etwas zu erklären oder zu erläutern (z. B. „Da bei dem Pferd, da kommt grad auch ein kleines Babypferd, das siehst du aber nur auf dem Bild“). Da es sich um drei separate Kategoriensysteme handelt, kann ein Beitrag potenziell sowohl sinnhaft als auch elaboriert und neu sein (Lomtatidse et al. 2019).

4.2 Unabhängige Variablen auf Individualebene

Die Voraussetzungen der Lernenden wurden mit standardisierten Tests oder Fragebögen erhoben (vgl. auch Greb et al. 2011).

Geschlecht

Das Geschlecht wurde als unabhängige dichotome Variable in die Analysen einbezogen (Jungen = 0; Mädchen = 1).

Grundintelligenz

Diese wurde mit dem CFT 20‑R (Cattell et al. 1997) zu Beginn des ersten Schuljahres erfasst und ist in der Stichprobe etwas überdurchschnittlich ausgeprägt (M = 115,08; Min = 74,50; Max = 146,50; SD = 11,25).

Kreativität

Die allgemeine Kreativität wurde zu Beginn des ersten Schuljahres mit dem TSD‑Z (Test zum Schöpferischen Denken – Zeichnerisch; Urban und Jellen 1995) erfasst. Bei diesem Test setzen die Kinder eine Zeichnung fort. Diese wird wiederum anhand von Kategorien mit bis zu 72 möglichen Punkten bewertet (M = 16,80; Min = 1; Max = 51; SD = 8,54), wobei die Interraterreliabilitäten fortlaufend geprüft wurden (relativer Generalisierbarkeitskoeffizient g ≥ 0,86).

Selbstkonzept kreativer Fähigkeiten

Im November des ersten Schuljahres wurde das Selbstkonzept kreativer Fähigkeiten mit einem im Projekt selbst entwickelten Fragebogen erfasst. Die Skala (α = 0,77; M = 2,48; Min = 1; Max = 3; SD = 0,43) besteht aus 8 Items, die jeweils von 1 bis 3 bewertet wurden (z. B. „Wie gut kannst du malen?“).

Die Zusammenhänge zwischen den unabhängigen Variablen und der Häufigkeit und Art der Beteiligung auf Individualebene werden regressionsanalytisch untersucht, indem zunächst jede unabhängige Variable einzeln in das Modell aufgenommen wird, bevor ein Gesamtmodell betrachtet wird.Footnote 2

4.3 Unabhängige Variablen auf Klassenebene

Drei Basisdimensionen der Unterrichtsqualität

Die drei Basisdimensionen der Unterrichtsqualität Klassenführung, Unterrichtsklima und kognitive Aktivierung (vgl. Tab. 1) wurden mit hoch inferenten Ratings (1 = geringste Ausprägung; 4 = höchste Ausprägung) erfasst und zu Skalen zusammengefasst (Gabriel 2014; Schmidt 2016). Jede Unterrichtsstunde wurde von mindestens zwei Beobachter*innen unabhängig voneinander beurteilt und die Interraterreliabilitäten wurden umfassend geprüft (relativer Generalisierbarkeitskoeffizient g ≥ 0,70; Lotz et al. 2013). Während Klassenführung und Unterrichtsklima über die gesamte Unterrichtseinheit (90 min) mit einem fachunspezifischen Ratingsystem beurteilt wurden (Gabriel 2014), wurde die kognitive Aktivierung nur für die Phase der Bildrezeption beurteilt und fachspezifisch operationalisiert (Schmidt 2016).

Tab. 1 Skalen zu den Basisdimensionen der Unterrichtsqualität (N = 33 Klassen)

Klassengröße

Als Kontrollvariable auf Klassenebene wurde die Anzahl der Kinder pro Klasse in den Modellen berücksichtigt (M = 19; Min = 13; Max = 26; SD = 4,08).

Unterrichtszeit des öffentlichen Unterrichts

Als weitere Kontrollvariable auf Klassenebene wurde die Zeit des öffentlichen Unterrichts in Minuten in die Modelle aufgenommen (M = 50 min; Min = 29 min, Max = 86 min).

Auch die Zusammenhänge zwischen den unabhängigen Variablen und der Häufigkeit und Art der Beteiligung auf Klassenebene werden regressionsanalytisch untersucht.

5 Ergebnisse

5.1 Häufigkeit und Art der Beteiligung

5.1.1 Häufigkeit von Meldungen und Aufrufen

Tab. 2 verdeutlicht, dass es einerseits Kinder gibt, die sich im Unterricht nie gemeldet haben, während für andere Lernende bis zu 42 Mal eine Meldung kodiert wurde (M = 8,89 Meldungen; SD = 7,07). Der Anteil der Kinder, die sich kein einziges Mal melden, liegt bei 4,50 % (nicht tabellarisch dargestellt). Auch bei den Aufrufen durch die Lehrperson lassen sich deutliche Unterschiede auf Individualebene erkennen, da manche Lernende kein einziges Mal aufgerufen wurden und andere bis zu 20 Mal am Unterrichtsgespräch beteiligt wurden (M = 4,48; SD = 3,25).

Tab. 2 Schüler*innenbeteiligung auf Individualebene (N = 627 Kinder)

Der Anteil erfolgreicher Meldungen (nicht tabellarisch dargestellt) variiert auf Schüler*innenebene von 0 bis 100 % mit einem Mittelwert von 39 % (SD = 25 %). Das heißt durchschnittlich etwa jede dritte Meldung eines Kindes führt zu einem Aufruf durch die Lehrperson.

Auch zwischen den einzelnen Klassen unterscheiden sich die Beteiligungshäufigkeiten deutlich (vgl. Tab. 3). Aufgrund der unterschiedlichen Dauer der öffentlichen Unterrichtsphasen sind hier die Häufigkeiten pro Minute aussagekräftiger. Pro Minute melden sich in einer Klasse durchschnittlich etwa drei Kinder (SD = 1,38). Durchschnittlich knapp zweimal pro Minute wird in den Klassen ein Kind aufgerufen (SD = 0,47).Footnote 3

Tab. 3 Schüler*innenbeteiligung auf Klassenebene (N = 33 Klassen)

Auf Klassenebene liegt der Anteil erfolgreicher Meldungen (nicht tabellarisch dargestellt) bei durchschnittlich 40 % mit einer deutlichen Varianz zwischen den Klassen: Während es Klassen gibt, in denen nur 20 % der Meldungen zu einem Aufruf führen, liegt dieser Anteil in anderen Klassen bei bis zu 60 % (SD = 12 %).

5.1.2 Art der Beiträge: Sinnhaftigkeit, Neuheit und Elaboriertheit

Tab. 4 stellt die Ergebnisse zur Art der Beiträge auf Individualebene dar, Tab. 5 auf Klassenebene. Mit durchschnittlich 91 % sind fast alle Wortbeiträge der einzelnen Kinder sinnhaft, aber nur knapp 10 % lassen sich als neu klassifizieren. Etwa ein Viertel der Beiträge wurde als eher elaboriert kodiert. Die Minimal- und Maximalwerte zeigen, dass es immer auch Kinder gibt, bei denen kein Beitrag neu, sinnhaft oder elaboriert ist als auch Kinder, bei denen alle Beiträge neu, sinnhaft oder elaboriert sind.

Tab. 4 Art der Redebeiträge auf Individualebene (N = 597 Kinder)
Tab. 5 Art der Redebeiträge auf Klassenebene (N = 33 Klassen)

Auf Klassenebene liegen die Mittelwerte erwartungsgemäß ähnlich wie auf Individualebene. Interessanter sind hier die Minimal- und Maximalwerte, die zwischen einzelnen Klassen deutlich differieren. Während die Varianz bei der Sinnhaftigkeit der Beiträge vergleichsweise gering ist, gibt es Klassen, in denen nur 1 % der Beiträge das Kriterium der Neuheit erfüllt, wohingegen dies in anderen Klassen bei bis zu 25 % der Beiträge der Fall ist. Auch der Anteil elaborierter Beiträge variiert stark zwischen den Klassen (Min = 5,15; Max = 86,14).

Aufgrund der geringen Varianz bei der Sinnhaftigkeit der Beiträge werden in die weiteren Analysen zur Art der Beiträge nur noch die Neuheit und Elaboriertheit einbezogen.

5.2 Beteiligung und individuelle Merkmale der Lernenden

Bevor die Ergebnisse der Regressionsanalysen durchgeführt wurden, wurden die Interkorrelationen aller Variablen auf Schüler*innenebene betrachtet (vgl. Tab. 13 im Anhang). Hier fällt auf, dass insbesondere die abhängigen Variablen miteinander korrelieren: Beiträge von Kindern, die sich häufig melden, sind also auch eher neu und elaboriert.

5.2.1 Individuelle Merkmale und die Häufigkeit von Meldungen

Wie Tab. 6 verdeutlicht, hängen die ausgewählten individuellen Variablen nicht mit der Anzahl der Meldungen pro Minute zusammen. Es zeigt sich lediglich ein tendenziell signifikanter, aber geringer positiver Zusammenhang in Modell 3: Kreativere Kinder melden sich etwas häufiger (β = 0,07; p = 0,087). Wie auch die Varianzaufklärung des Gesamtmodells zeigt, kommt dem aber kaum Bedeutung zu.

Tab. 6 Regressionsanalyse zur Anzahl der Meldungen pro Minute auf Individualebene

5.2.2 Individuelle Merkmale und die Häufigkeit von Aufrufen

Die Variablen auf Individualebene zeigen ebenso kaum signifikante Zusammenhänge zur Häufigkeit von Aufrufen (vgl. Tab. 7). Es ergibt sich lediglich in Modell 3 wiederum ein geringer, signifikant positiver Zusammenhang mit der Kreativität. Wenn in Modell 6 aber die Anzahl der Meldungen pro Minute kontrollierend berücksichtigt wird, zeigt sich, dass vor allem Lernende, die sich viel melden, auch häufiger aufgerufen werden (β = 0,69; p ≤ 0,001).

Tab. 7 Regressionsanalyse zur Anzahl der Meldungen mit Aufruf pro Minute auf Individualebene

5.2.3 Individuelle Merkmale und der prozentuale Anteil neuer Beiträge

In Tab. 8 ergibt sich neben dem tendenziell negativen Zusammenhang des prozentualen Anteils neuer Beiträge mit dem Selbstkonzept der Kinder (β = −0,08; p = 0,060), ein signifikant negativer Zusammenhang mit dem Geschlecht: Die Redebeiträge von Jungen erfüllen etwas häufiger das Kriterium der Neuheit (β = −0,12; p ≤ 0,010). Dieser Zusammenhang bleibt auch im Gesamtmodell bestehen.

Tab. 8 Regressionsanalyse zum prozentualen Anteil neuer Beiträge auf Individualebene

5.2.4 Individuelle Merkmale und der prozentuale Anteil elaborierter Beiträge

Zwischen dem Anteil elaborierter Redebeiträge (vgl. Tab. 9) und der Kreativität besteht ein positiver Zusammenhang (β = 0,11; p ≤ 0,010), der auch unter Einbezug aller Variablen in Modell 5 bestehen bleibt. Kreativere Schüler*innen treffen demnach im Kunstunterricht etwas häufiger elaborierte Aussagen.

Tab. 9 Regressionsanalyse zum prozentualen Anteil elaborierter Beiträge auf Individualebene

5.3 Beteiligung und Basisdimensionen der Unterrichtsqualität

Zunächst wurden wieder die Interkorrelationen aller in die Modelle einbezogenen Variablen auf Klassenebene betrachtet (vgl. Tab. 14 im Anhang). Hier zeigen sich einzelne signifikante Korrelationen der abhängigen Variablen untereinander für die Häufigkeit von Meldungen und Aufrufen: In Klassen, in denen sich insgesamt viele Kinder melden, werden erwartungsgemäß auch viele Kinder aufgerufen.

5.3.1 Basisdimensionen der Unterrichtsqualität und die Häufigkeit von Meldungen

Erwartungsgemäß spielt auf Klassenebene für die Anzahl der beobachteten Meldungen die Unterrichtszeit eine Rolle, die Klassengröße allerdings nicht. Für die Basisdimensionen der Unterrichtsqualität ergibt sich lediglich in Modell 1 ein tendenziell signifikanter, negativer Zusammenhang zwischen der Klassenführung und der Anzahl der Meldungen (vgl. Tab. 10). Je besser die Klassenführung eingeschätzt wurde, desto weniger Meldungen kommen also insgesamt vor.

Tab. 10 Regressionsanalyse zur Anzahl der Meldungen auf Klassenebene

5.3.2 Basisdimensionen der Unterrichtsqualität und der prozentuale Anteil neuer Beiträge

Der prozentuale Anteil neuer Beiträge hängt sowohl in Modell 1 als auch 4 positiv mit der Klassenführung zusammen (β = 0,45; p ≤ 0,050). Die weiteren Variablen weisen keine signifikanten Zusammenhänge mit der Neuheit der Beiträge auf (vgl. Tab. 11).

Tab. 11 Regressionsanalyse zum prozentualen Anteil neuer Beiträge auf Klassenebene

5.3.3 Basisdimensionen der Unterrichtsqualität und der prozentuale Anteil elaborierter Beiträge

Der prozentuale Anteil elaborierter Beiträge auf Klassenebene hängt mit den einbezogenen weiteren Variablen nicht zusammen (vgl. Tab. 12).

Tab. 12 Regressionsanalyse zum prozentualen Anteil elaborierter Beiträge auf Klassenebene

6 Zusammenfassung und Diskussion

6.1 Individuelle Merkmale und Unterrichtsbeteiligung

Bei den individuellen Merkmalen ergibt sich lediglich für die Kreativität ein geringer und nur tendenziell signifikanter, positiver Zusammenhang mit der Häufigkeit von Meldungen und Aufrufen. Während in bisherigen Studien gezeigt werden konnte, dass sich leistungsstärkere Lernende häufiger melden (vgl. Abschn. 2.2), lässt sich der hier gefundene Zusammenhang vorsichtig so interpretieren, dass im Kunstunterricht Kinder, die außergewöhnliche Ideen haben, sich stärker am Unterrichtsgespräch beteiligen. Da in bisherigen Studien zur Unterrichtsbeteiligung die Kreativiät von Beiträgen noch nicht betrachtet wurde, wäre es interessant zu untersuchen, ob ähnliche Zusammenhänge auch in anderen Fächern auftreten oder aber fachspezifisch sind.

Auch für die Qualität der Schüler*innenbeiträge mit Fokus auf deren Kreativität ergeben sich nur geringe Zusammenhänge mit individuellen Merkmalen der Lernenden, obwohl diese auf Basis von Theorie und Forschungsstand z. B. für die Grundintelligenz durchaus plausibel gewesen wären (vgl. Abschn. 2.2). Interessant ist aber, dass Jungen etwas häufiger neue Beiträge einbringen als Mädchen. Eventuell äußern Jungen häufiger auch impulsive Ideen. Darauf deuten Ergebnisse aus dem Mathematikunterricht der PERLE-Studie hin (Denn et al. 2015). Auch hier würde sich ein genauerer Blick auf die konkreten Beiträge lohnen, um näher zu analysieren, inwiefern diese zum Fortgang des Unterrichtsgesprächs beitragen.

Erwartungskonform sind auch die Zusammenhänge zwischen der mit dem TSD‑Z gemessenen Kreativität der Schüler*innen und der Elaboriertheit ihrer Beiträge im Unterrichtsgespräch. Diese Zusammenhänge zeigen – auch wenn sie gering sind – dass zwei auf unterschiedliche Weise und in verschiedenen Kontexten erhobene Indikatoren für Kreativität dennoch miteinander korrelieren und dass sich Aspekte von Kreativität auch im Unterrichtsgespräch beobachten und erfassen lassen. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund interessant, dass Zusammenhänge zwischen verschiedenen Facetten von Kreativität in anderen Studien nicht immer nachgewiesen werden können (z. B. Mohamed et al. 2012) und Kreativität teilweise auch über die Zeit hinweg nur bedingt stabil erfasst werden kann (zsf. Theurer et al. 2012).

Dass sich für die individuellen Voraussetzungen der Lernenden keine oder lediglich geringe Zusammenhänge mit der Beteiligung zeigen, könnte zum Teil darauf zurückzuführen sein, dass es sich bei den hier untersuchten Klassen um eine eher selektive Stichprobe mit überdurchschnittlich günstigen Voraussetzungen handelt (vgl. Abschn. 4). Es ist denkbar, dass in heterogeneren Kontexten den individuellen Schüler*innenvoraussetzungen eine höhere Bedeutsamkeit zukommt. Außerdem ist es im Fach Kunst deutlich schwieriger, generalisierbare, aber dennoch proximale Leistungsmessungen durchzuführen als beispielsweise in den Fächern Deutsch oder Mathematik. Zudem ist der zeitliche Abstand der Erhebung der individuellen Voraussetzungen und der Videografie mit zehn bis zwölf Monaten groß.

6.2 Basisdimensionen der Unterrichtsqualität und Unterrichtsbeteiligung

Sowohl für das Unterrichtsklima als auch die kognitive Aktivierung können keine Zusammenhänge mit der Häufigkeit und Art der Beteiligung nachgewiesen werden. Hier wären auf Basis der Theorie (Klieme et al. 2006; Deci und Ryan 1993) durchaus Zusammenhänge erwartbar gewesen (vgl. Abschn. 2.2). Dass sich diese nicht zeigen, muss aber nicht bedeuten, dass diese beiden Basisdimensionen keine Rolle für die Partizipation am Unterricht spielen, sondern könnte auch darauf zurückzuführen sein, dass in den hier untersuchten Stunden wenig Varianz zwischen den Klassen zu finden ist. Auch in der Studie von Theurer (2015) konnten keine Effekte des Klimas auf die anhand des TSD‑Z erhobene Kreativitätsentwicklung der Kinder nachgewiesen werden.

Auffallend ist auch, dass die Zusammenhänge zwischen Klassenführung und Schüler*innenbeteiligung je nach untersuchter abhängiger Variablen differieren. Der auf den ersten Blick vielleicht überraschende negative Zusammenhang zwischen Klassenführung und Meldehäufigkeit könnte unterschiedlich zu erklären sein: Vorstellbar wäre, dass sich die Kinder in einem eher streng geführten Unterricht weniger trauen, sich zu melden. Möglich ist aber auch, dass es Klassen gibt, in denen das Unterrichtsgespräch stark von der Lehrperson geleitet wird und die Kinder nur wenig Möglichkeiten zur Beteiligung – beispielsweise in Form von Fragen – erhalten. Dies könnte dazu führen, dass der Unterricht ruhiger abläuft und somit sowohl höhere Werte für die Kassenführung resultieren als auch weniger Meldungen gezählt werden können. Um die Zusammenhänge zwischen Klassenführung und Schüler*innenbeteiligung noch näher bestimmen und erklären zu können, wäre es daher nötig, das Unterrichtsgespräch, insbesondere die Fragen der Lehrperson, noch genauer auszuwerten und dies in die Analysen einzubeziehen, wie dies auch bei Denn et al. (2019) erfolgte. Hier wurden die Fragen und Meldungen der Lernenden zur Berechnung eines Meldeindexes genutzt, indem für jede Lehrperson ermittelt wurde, wieviele Kinder sich pro Frage der Lehrperson im Schnitt meldeten. Dieser so gebildete Meldeindex korrelierte unter Kontrolle der Unterrichtszeit tendenziell positiv mit der Klassenführung (vgl. Abschn. 2.2).

Ein positiver Zusammenhang besteht hingegen zwischen Klassenführung und der Neuheit von Beiträgen: Je besser die Klassenführung, desto häufiger tragen die einzelnen Schüler*innen neue Ideen zum Unterrichtsgespräch bei. Dies könnte so interpretiert werden, dass auch für das Gelingen eines inhaltlich produktiven Unterrichtsgesprächs besonders bedeutsam ist, dass Regeln etabliert sind und der Unterricht möglichst reibungslos abläuft. Auch in vielen anderen Studien können für die Klassenführung deutliche Effekte – z. B. auf Leistungen – nachgewiesen werden (zsf. Gabriel 2014).

6.3 Methodische Grenzen

Die Ergebnisse lassen erste Rückschlüsse darauf zu, welche Faktoren für die Häufigkeit und Art der Schüler*innenbeiträge im Kunstunterricht bedeutsam sein könnten und verweisen dabei vor allem auf die Bedeutung der Klassenführung.

Es kann allerdings nicht abschließend geklärt werden, inwiefern unterrichtliche Merkmale tatsächlich ursächlich die Beteiligung der Schüler*innen erklären können. Zwar wurden die Unterrichtsbeobachtungen vollständig unabhängig voneinander und von verschiedenen geschulten Beobachter*innen durchgeführt, dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich auch die Unterrichtsbeteiligung implizit auf das Rating der Unterrichtsqualität ausgewirkt hat. Vorstellbar ist hier beispielsweise, dass ein Unterricht, in dem sich sehr häufig sehr viele Kinder auf einmal melden, als vergleichsweise unruhig wahrgenommen wird und auch dadurch die Klassenführung negativer beurteilt wird. Hier wäre es daher wichtig, die Unterrichtsgespräche genauer zu analysieren und insbesondere die von der Lehrperson gestellten Fragen in die Modelle mit einzubeziehen.

Insgesamt muss berücksichtigt werden, dass die Varianz in den Ratings zur Unterrichtsqualität eher gering ist. Während das Unterrichtsklima und die Klassenführung insgesamt eher positiv ausgeprägt sind, wird die kognitive Aktivierung in den analysierten Stunden insgesamt als gering eingeschätzt. So müssen nicht vorhandene Zusammenhänge nicht unbedingt bedeuten, dass diese Merkmale keine Relevanz für die Unterrichtsbeteiligung besitzen, sondern zunächst nur, dass in der hier untersuchten Stichprobe keine Zusammenhänge nachweisbar waren. Zudem ist auch bei der Art der Schüler*innenbeiträge die Varianz teilweise gering – insbesondere neue Beiträge der Lernenden sind insgesamt eher selten. Um genauer analysieren zu können, welche Merkmale der Unterrichtsqualität die Häufigkeit und Art der Schüler*innenbeteiligung bedingen, wären daher auch quasi-experimentelle Studien aufschlussreich, in denen bestimmte Aspekte der Unterrichtsgestaltung systematisch variiert werden könnten, um tatsächliche Effekte des Lehrpersonenhandelns auf die Beteiligung der Lernenden noch genauer untersuchen zu können.

Außerdem gelten die Ergebnisse natürlich auch nur für die hier verwendete Konzeptualisierung der drei Basisdimensionen und es bleibt offen, welche weiteren unterrichtlichen Aspekte oder Verhaltensweisen der Lehrpersonen das Beteiligungsverhalten der Kinder mitbedingen. Hier könnten auch vertiefende Analysen von Unterrichtsgesprächen in Klassen, in denen beispielsweise vergleichsweise häufig elaborierte und neue Beiträge vorkommen, aufschlussreich sein.

Insgesamt muss einschränkend außerdem angemerkt werden, dass sich die Analysen auf nur eine videografierte Unterrichtseinheit beziehen, wobei die Analyseeinheit aber zumindest mit einer mittleren Dauer der öffentlichen Unterrichtsphasen von 50 min vergleichsweise lang war.

Trotz der genannten Einschränkungen zeigen die Analysen interessante und plausible Zusammenhänge zwischen individuellen Merkmalen sowie Merkmalen des Klassenkontextes auf die Häufigkeit und Art der Beteiligung am Unterrichtsgespräch, die auch bezogen auf das Thema des Themenhefts zum Zusammenspiel von Angebot und Nutzung im Unterricht einen Beitrag zur Diskussion liefern können.

6.4 Bedeutung der Ergebnisse für das Thema des Themenhefts

Insgesamt verdeutlichen die vorliegenden Ergebnisse zur Schüler*innenbeteiligung im Unterrichtsgespräch, dass Angebot und Nutzung im Unterricht durchaus miteinander verknüpft sind.

Dass die Lehrperson für die Nutzung des Unterrichtsangebots durch die Schüler*innen bedeutsam ist, verdeutlichen v. a. die die Ergebnisse zur Basisdimension Klassenführung. Hier zeigen sich Zusammenhänge zwischen der Klassenführung und der Schüler*innenbeteiligung, wohingegen die Bedeutsamkeit der hier ausgewählten individuellen Schüler*innenvoraussetzungen vergleichsweise gering ist.

In den vorliegenden Analysen zeigt sich zudem, dass die Häufigkeit eigener Meldungen – als Indikator für die Bereitschaft, am Unterrichtsgeschehen partizipieren zu wollen – sehr eng mit der Beitragshäufigkeit der einzelnen Schüler*innen zusammenhängt. Lehrpersonen rufen also vor allem diejenigen Kinder auf, die sich auch vorab gemeldet haben. Auch kann ein inhaltlicher Schüler*innenbeitrag zu neuen Ideen und Diskussionen führen und damit potenziell den Unterrichtsverlauf beeinflussen.

Ausgehend von dieser Annahme könnte man – der Konzeptualisierung von Vieluf et al. (2020) folgend – die Meldungen und Beiträge der Kinder als Unterrichtsangebot einordnen. Da es sich bei Unterricht aber um eine hierarchische Kommunikation mit sehr spezifischen Kommunikationsregeln handelt (z. B. Richert 2005), erscheint es durchaus hilfreich, Lehrkraft- und Schüler*innenverhalten trotz ihrer wechselseitigen Interaktion nicht gemeinsam unter dem Unterrichtsangebot zu subsumieren. Die Beiträge von Lehrpersonen und Schüler*innen sind im Unterricht meist weder gleichberechtigt noch gleichartig richtungsweisend. So entscheidet das Kind zwar, ob es sich meldet, die Lehrperson hat aber vorab meist eine Frage gestellt, um überhaupt Meldungen zu ermöglichen.

Zu der Frage, wie sich Lehrpersonen- und Schüler*innenverhalten in der Unterrichtskommunikation wechselseitig beeinflussen und inwiefern Beiträge von Lernenden den Verlauf von Unterrichtsgesprächen tatsächlich auch richtungsweisend verändern können, wären weitere Studien interessant.