1 Einleitung

Die unzureichende soziale Integration von Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SFB) ist einer der am häufigsten replizierten Befunde der schulischen Inklusionsforschung. Je nach Studie werden in der schulischen Praxis im Durchschnitt zwischen 45 und 55 % der Schüler*innen mit SFB von ihren Klassenkamerad*innen ohne besonderen Förderbedarf ausgegrenzt (Henke et al. 2017; Huber und Wilbert 2012; Krull et al. 2014b). Dies trifft in besonderer Weise für Schüler*innen mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf im Bereich Lernen (Avramidis et al. 2018; Estell et al. 2008), geistige Entwicklung (Santich und Kavanagh 1997; Scheepstra et al. 2006) oder Emotionale-soziale Entwicklung zu (Krull et al. 2014a).

Für die inklusive Schulpraxis sind diese Befunde einerseits von Bedeutung, da sie mit der sozialen Integration ein zentrales Ziel schulischer Inklusion in den Blick nehmen. Andererseits trägt die Replikation des immer wieder gleichen Missstandes kaum zur Problemlösung bei. Für die Akteur*innen in Forschung und Praxis stellt sich somit die Frage, was konkret getan werden kann, um Schüler*innen mit SFB eine faire Chance auf eine gute soziale Integration zu gewährleisten. Der vorliegende Beitrag berücksichtigt die Mehrdimensionalität sozialer Integration. Dem Modell von Koster et al. (2009) folgend werden in dieser Studie sowohl die objektive als auch die subjektive soziale Integration berücksichtigt. Die Bezeichnungen soziale Inklusion und soziale Partizipation werden häufig synonym zur sozialen Integration verwendet (Koster et al. 2009). Der vorliegende Beitrag nutzt den Begriff soziale Integration, wobei die Begrifflichkeiten soziale Inklusion und soziale Partizipation miteingeschlossen werden.

Die aktuell diskutierten Ansatzpunkte zur Förderung sozialer Integration basieren auf der Annahme, dass soziale Integration auf Prozesse innerhalb des Unterrichts oder die betroffenen Schüler*innen zurückgeht (Huber 2019). Der Kerngedanke der vorliegenden Studie geht einem anderen Ansatz nach und zielt auf die Frage ab, inwieweit auch strukturelle Eigenschaften einer Lerngruppe soziale Integrationsprozesse beeinflussen könnten. Konkret wird untersucht, inwieweit der Zusammenhang zwischen sozialer Ausgrenzung und dem durch die Lehrkraft wahrgenommenen Förderbedarf in den Bereichen Lernen und Verhalten durch die Leistungs- und Verhaltensheterogenität einer Lerngruppe moderiert wird.

2 Theoretische Überlegungen

Schulische Inklusion ist unmittelbar an die Erweiterung der Lerngruppenheterogenität gebunden. Somit ist die Forderung nach Inklusion immer zeitgleich auch mit einem Bekenntnis zur Heterogenität verbunden (Carle 2017; Geiling und Hinz 2005; Hinz 1995, 2013; Prengel 2006). Aus einem sozialpsychologischen Blickwinkel sind heterogene Schulklassen besondere Lerngruppen, in denen viele Mitglieder stark und in vielen Merkmalen von der jeweiligen Gruppennorm abweichen. Theoretisch lassen sich zwei gegensätzliche Hypothesen zur Wirkung der Lerngruppenheterogenität auf die soziale Integration von Schüler*innen mit SFB unterscheiden. Innerhalb eines streng sozialpsychologisch abgeleiteten Wirkmodells steigt das Risiko sozialer Ausgrenzung dieser Schüler*innengruppe mit zunehmender Lerngruppenheterogenität (Risikohypothese), in einem inklusionspädagogisch dominierten Bezugsrahmen sinkt das Risiko sozialer Ausgrenzung (Schutzhypothese).

Risikohypothese: Die Risikohypothese orientiert sich an der Theorie sozialer Vergleichsprozesse (Festinger 1954). Demnach streben soziale Gruppen (wie z. B. Schulklassen) in den für die Gruppe relevanten Merkmalen nach Konformität. In der Schule ließen sich in der Vergangenheit empirisch insbesondere Schulleistung, Anstrengungsbereitschaft und Sozialverhalten als ausgrenzungsrelevante Variablen nachweisen (Huber 2008; Krull et al. 2014a; Newcomb et al. 1993). Demnach unterliegen Schüler*innen einem Konformitätsdruck, wenn sie in diesen Variablen von der Klassennorm abweichen. Für abweichende Individuen steigt nach Frey et al. (1993) das Risiko sozialer Ausgrenzung, wenn sie den Konformitätsdruck nicht durch andere Maßnahmen (Anpassung, Veränderung der Gruppe, Wechsel der Gruppe) reduzieren können (Aronson et al. 2014).

In einer leistungsheterogenen Lerngruppe würden der Konformitätsdruck und das Ausgrenzungsrisiko steigen, je stärker eine Person von der Norm abweicht. Demzufolge müsste in stark heterogenen Schulklassen der Zusammenhang zwischen schulleistungsrelevanten Variablen (wie z. B. einem besonderen Förderbedarf) und sozialer Ausgrenzung steigen. In (leistungs-) homogenen Lerngruppen wäre ein solcher Zusammenhang kaum zu erwarten, da sich aufgrund der geringen Abweichungen von der Klassennorm kaum ein nennenswerter Konformitätsdruck durch Leistungsabweichungen aufbauen dürfte. Ein besonders hohes Ausgrenzungsrisiko würde immer dann entstehen, wenn einzelne schulleistungsschwache Schüler*innen in (vergleichsweise) leistungsstarken homogenen Lerngruppen unterrichtet werden.

Schutzhypothese: Aus einem inklusionspädagogischen Blickwinkel wird die Lerngruppenheterogenität in der Regel als Schutzfaktor gedeutet. Schulische Inklusion steht hier in einem logischen Widerspruch zum Prinzip der Homogenisierung von Lerngruppen. Somit ist die Heterogenität einer Lerngruppe aus inklusionspädagogischer Sicht immer auch ein Indikator für die Zielerreichung inklusiver Bestrebungen (Boban und Hinz 2009; Grosche 2015; Hinz 1995; Prengel 2006). Betrachtet man die Logik der Theorie sozialer Vergleichsprozesse aus einem inklusionspädagogischen Blickwinkel, erschwert sich mit steigender (Leistungs‑) Heterogenität die Bildung einer Leistungsnorm erheblich. Zahlreiche inklusionspädagogische Autor*innen erwarten, dass sich mit zunehmender Heterogenität einer Lerngruppe der Konformitätsdruck auf alle Individuen der Gruppe gleichermaßen verteilt (Boban und Hinz 2009; Hinz 1995; Prengel 2006). Wenn alle Gruppenmitglieder gleichermaßen von einer virtuellen Norm abweichen, müsste sich der Konformitätsdruck auf alle Gruppenmitglieder gleichermaßen verteilen. Demzufolge sagt die Schutzhypothese für die Inklusion von Schüler*innen mit SFB in eine „maximal“ heterogene Lerngruppe ein verringertes Ausgrenzungsrisiko voraus (Hinz 1995; Prengel 2006). Anders ausgedrückt wäre die Maximierung der Lerngruppenheterogenität nach Hinz (1995) eine Strategie, die insbesondere Schüler*innen mit SFB, durch eine Überwindung des Konformitätsdrucks, soziale Integration ermöglichen könnte.

Heterogenität: Nach Prengel (2006) kann sich Inklusion und damit auch Heterogenität auf viele unterschiedliche Differenzlinien beziehen, die in der Literatur sehr unterschiedlich gezogen werden (vgl. auch Sturm 2016). In der vorliegenden Arbeit untersuchen wir die beiden hier skizzierten entgegensetzten Hypothesen aus der Perspektive einer schulisch orientierten Inklusionspädagogik. Im Mittelpunkt steht dabei eine lern- und eine verhaltensbezogene Heterogenität. Aussagen über andere Differenzlinien (wie z. B. Religion, sozioökonomischer Status oder Herkunft) werden nicht getroffen. In dem hier zugrundeliegenden Untersuchungsdesign wird unterstellt, dass sich diese lern- und verhaltensbezogenen Kompetenzen bei Schüler*innen in der Grundschule mit zunehmender Klassenstufe vergrößern und somit jahrgangshomogene Lerngruppen eine geringere Heterogenität an lern- und verhaltensbezogenen Kompetenzen aufweisen als jahrgangsübergreifende Gruppen.

3 Empirischer Hintergrund

Methodisch betrachtet würde vor diesem theoretischen Hintergrund die Lerngruppenheterogenität zu einer unabhängigen Variable, die den Einfluss des SFB auf eine abhängige Variable (soziale Integration) moderieren könnte. Aus der Perspektive der Schutzhypothese ließe sich in (stark) heterogenen Lerngruppen für Schüler*innen mit SFB ein geringeres Ausgrenzungsrisiko vorhersagen als in (vergleichsweise) homogenen Lerngruppen. Empirisch wurde dieser moderierende Effekt der Lerngruppenheterogenität bislang nur selten untersucht. Eine systematische Literaturanalyse im Vorfeld der Studie in den Datenbanken PsycINFO, Pedocs sowie bei Google Scholar ergab zwar eine größere Anzahl an Studien zum jahrgangsübergreifenden Lernen (JüL), die Arbeiten untersuchten jedoch in der Mehrzahl kognitive und lernbezogene abhängige Variablen. So fassten Gutiérrez und Slavin (1992) in ihrem Review zur Wirkung des JüL die Ergebnisse von 57 Einzelstudien zusammen – keine der Studien untersuchte die sozialen Integration. Wenn emotional-soziale Variablen einbezogen wurden, wurde insbesondere die Verhaltensentwicklung der Schüler*innen, die Anzahl der Freund*innen und die subjektiv empfundene soziale Integration von Schüler*innen im JüL im Vergleich zu Schüler*innen in jahrgangsgetrennten Klassen untersucht (Kuhl et al. 2013; Veenman 1995; Gutiérrez und Slavin 1992; Liebers 2008; Saqlain 2015; Pratt 1986). Veenman (1995) folgert auf Grundlage einer Analyse von 56 Studien, dass Schüler*innen in altersheterogenen Schulklassen angaben, signifikant mehr Freundschaften zu haben als Schüler*innen in altershomogenen Schulklassen. Kuhl et al. (2013) sowie Saqlain (2015) kommen in einem Review zum JüL für die soziale Integration zu einer ähnlichen Einschätzung. In ihrer nachfolgenden Analyse der Daten von 27.081 Schüler*innen aus dem IQB-Ländervergleich konnten Kuhl et al. (2013) jedoch keine signifikanten Unterschiede in der subjektiv empfundenen sozialen Integration der Schüler*innen zwischen jahrgangsgemischten und jahrgangsgetrennten Schulklassen finden. Den hier im Mittelpunkt stehenden Moderatoreffekt untersuchte Borg (1966). Die Befunde bestätigen in ihrer Tendenz die Risikohypothese. So war der Zusammenhang zwischen Schulleistung und sozialer Integration in leistungsheterogenen Lerngruppen immer höher als in leistungshomogenen Gruppen. Ferner waren schulleistungsschwache Schüler*innen in zufällig zusammengestellten Klassen schwächer integriert als ihre statistischen Zwillinge in leistungshomogenen Klassen (Borg 1966). Einschränkend muss hier erwähnt werden, dass in dieser Studie Schüler*innen mit schwachen Schulleistungen in eine ansonsten homogenen Lerngruppe mit durchschnittlichen Schulleistungen untersucht wurden.

Schuncke (1978) untersuchte in einer Feldstudie mit N = 18 Klassen der Stufen 5 und 6, inwieweit die Neigung zu leistungsbezogenen soziometrischen Wahlen von der Klassenorganisation abhängt. Der Autor zeigte, dass Leistungshierarchien und soziometrische Hierarchien in homogenen Gruppen stärker zusammenhängen als in heterogeneren Gruppen. Die Studie bestätigt somit tendenziell die Schutzhypothese.

In einer neueren Studie untersuchte Huber (2008) die durchschnittliche soziale Integration von N = 119 Grundschulkindern mit SFB (Klasse 4) in homogenen und heterogenen Schulklassen. Die Heterogenität der Klassen wurde über die Varianz der Intelligenzquotienten operationalisiert. Die Ergebnisse konnten keinen signifikanten Effekt der Lerngruppenheterogenität auf die soziale Integration von Kindern mit SFB aufzeigen, so dass auch hier keine empirische Evidenz für die Schutzhypothese nachweisbar war. Schließlich verglichen Ruijs, Peetsma und van der Veen (2010) in einer niederländischen Studie, inwieweit Schüler*innen mit SFB im Bereich Lernen besser sozial integriert sind, wenn sie gemeinsam mit weiteren Klassenkamerad*innen mit SFB beschult werden. Die Autor*innen konnten keine signifikanten Unterschiede feststellen, so dass hier die Schutzhypothese nicht bestätigt werden konnte.

Insgesamt zeigen die wenigen vorliegenden Studien kein einheitliches Bild. Keine der Studien lässt sich als Beleg für die Schutz- oder die Risikohypothese interpretieren. Alle Studien beruhen auf sehr unterschiedlichen Vorstellungen von Homogenität und Heterogenität. Für die hier im Mittelpunkt stehende Fragstellung nach einem moderierenden Effekt besteht eine Forschungslücke.

4 Fragestellung

Im Kern dieser Studie untersuchen wir die Frage, inwieweit der oft zitierte Zusammenhang zwischen einem besonderen Förderbedarf und sozialer Integration durch die Leistungs- und Verhaltensheterogenität einer Lerngruppe (im Folgenden LuVH) moderiert werden könnte. Eine Herausforderung für diese Fragstellung besteht in der Operationalisierung der LuVH. Im deutschen Schulsystem entstehen heterogene Lerngruppen insbesondere im JüL der Grundschule. Geht man davon aus, dass mit der Anzahl der in einer Schulklasse unterrichteten Altersgruppen auch die Ausprägung aller entwicklungsbezogenen Variablen (z. B. Schulleistung, Verhalten, Einstellungen) variieren (Oerter und Montada 2008), lassen sich nach Kuhl et al. (2013) im deutschen Schulsystem unter anderem drei schulorganisatorisch bedingte Heterogenitätsstufen unterscheiden:

  • Geringe LuVH (System 1/2/3/4): getrennte Beschulung der Klassenstufen 1–4

  • Mittlere LuVH (System 1+2/3+4): gemeinsame Beschulung der Klassenstufen 1 + 2 sowie 3 + 4 in einer Klasse

  • Hohe LuVH (System 1–4): gemeinsame Beschulung der Klassenstufen 1–4 in einer Klasse

Diese drei Heterogenitätsstufen gehen als unabhängige Variable (UV) in die vorliegende Studie ein. Als abhängige Variablen (AV) wird der Zusammenhang zwischen dem Förderbedarf in den Bereichen Lernen bzw. Verhalten und sozialer Integration untersucht. Insgesamt sollen drei Fragestellungen beantwortet werden.

Fragestellung 1

Wie gut sind Schüler*innen mit einem erhöhten Förderbedarf in den Bereichen Lernen und Verhalten im Vergleich zu ihren Klassenkamerad*innen ohne einen erhöhten Förderbedarf sozial integriert?

Hypothese 1

Analog zu den bislang vorliegenden Befunden wird vorhergesagt, dass Schüler*innen mit erhöhtem Förderbedarf in den Bereichen Lernen und/oder Verhalten im Vergleich zu ihren Klassenkamerad*innen ohne besonderen Förderbedarf eine schwächere soziale Integration aufweisen.

Fragestellung 2:

Moderiert die LuVH (operationalisiert durch die Klassenorganisation) den Zusammenhang zwischen einem erhöhten Förderbedarf in dem Bereich Lernen und sozialer Integration?

Hypothese 2

Es wird ein signifikanter moderierender Effekt der LuVH auf den Zusammenhang zwischen dem Förderbedarf Lernen und sozialer Integration erwartet. Dieser Effekt wird für die Interaktionswünsche (HYP 2a), die Vermeidung sozialer Interaktionen (HYP 2b) und die subjektive soziale Integration (HYP 2c) vorhergesagt. Ein schützender Effekt wird im Sinne der Schutzhypothese interpretiert, ein schwächender Effekt im Sinne der Risikohypothese.

Fragestellung 3

Moderiert die LuVH (operationalisiert durch die Klassenorganisation) den Zusammenhang zwischen einem erhöhten Förderbedarf in dem Bereich Verhalten und sozialer Integration?

Hypothese 3

Es wird ein signifikanter moderierender Effekt der LuVH auf den Zusammenhang zwischen dem Förderbedarf Verhalten und sozialer Integration erwartet. Dieser Effekt wird für die Interaktionswünsche (HYP 3a), die Vermeidung sozialer Interaktionen (HYP 3b) und die subjektive soziale Integration (HYP 3c) vorhergesagt. Ein schützender Effekt wird im Sinne der Schutzhypothese interpretiert, ein schwächender Effekt im Sinne der Risikohypothese.

5 Design und Stichprobe

Die Studie ist als Querschnittsstudie angelegt. Hierzu wurden zu gleichen Teilen Schulen der drei oben genannten LuVH-Stufen rekrutiert. Dabei wurden zwischen Januar und Juni 2018 Daten von 87 Klassen aus 26 Schulen erhoben. In die Stichprobe aufgenommen wurden Klassen, wenn soziometrische Daten von mindestens 75 % der Schüler*innen vorlagen. Dieses Kriterium erfüllten 58 Klassen aus 21 Schulen (System 1/2/3/4: 21 Klassen, System 1–2/3–4: 21 Klassen, System 1–4: 16 Klassen). Die Gesamtstichprobe besteht aus N = 1352 Schulkindern (53 % weiblich). Alle teilnehmenden Schulen liegen in Nordrhein-Westfalen. Tab. 1 gibt die Aufteilung der Stichprobe über die drei Systeme wieder. Insgesamt zeigt die Aufteilung der Schüler*innen über die drei Systeme mit 37 % einen leichten Überhang des traditionellen jahrgangsgetrennten Systems und mit 28 % eine leichte Unterrepräsentation des Systems 1–4. Analog zu den drei LuVH-Stufen ist die UV dreifach gestuft.

Tab. 1 Stichprobe der Studie

5.1 Instrumente

Soziale Integration lässt sich nach Koster et al. (2009) in vier Dimensionen (Freundschaften, Kontakte, subjektive und objektive soziale Integration) unterteilen. Für die Beantwortung der Fragstellungen sind vor allem die objektive soziale Integration durch die Klassenkamerad*innen und die subjektive soziale Integration relevant.

5.1.1 Soziale Integration (WST/AST)

Analog zu Koster et al. (2009) wurden zur Bestimmung der sozialen Integration die Interaktionswünsche und die Ablehnung sozialer Interaktionen mit der soziometrischen Methode erhoben. Diese wurde anhand des Kriteriums „Sitznachbar bzw. Sitznachbarin“ operationalisiert (Kulawiak und Wilbert 2015). Die Erhebung erfolgte durch eine Likertskala, bei der die Schüler*innen angeben konnten, neben welchen Mitschüler*innen sie gerne sitzen würden (soziale Wahlen) und neben welchen Mitschüler*innen sie ungerne sitzen würden (soziale Ablehnungen). Die Verwendung eines solchen Peer-Nominierungsverfahrens wird kontrovers diskutiert; insbesondere, wenn dieses – wie in der vorliegenden Studie – auch explizit nach der Ablehnung bestimmter Mitschüler*innen fragt. Verschiedentlich wurde dieses Vorgehen als (ethisch) problematisch beschrieben (Avramidis 2010). Existierende empirische Studien konnten hingegen keine negativen Effekte durch die Anwendung soziometrischer Verfahren belegen (Hayvren und Hymel 1984; Mayeux et al. 2007).

Als Wahlstatus wird dabei der prozentuale Anteil der sozialen Wahlen eines Kindes an den maximal möglichen Wahlen innerhalb der Klasse bezeichnet (Kulawiak und Wilbert 2015). Analog dazu wird der Ablehnungsstatus als prozentualer Anteil der Ablehnungsnennungen eines Kindes an den maximal möglichen Ablehnungen bezeichnet.

5.1.2 Subjektive soziale Integration (SI)

Die Selbstwahrnehmung sozialer Integration im Sinne von Koster et al. (2009) wird durch die verwendete Skala SI des Fragebogens zur Erfassung emotionaler und sozialer Schulerfahrungen von Grundschulkindern (FEESS 3–4) von Rauer und Schuck (2003) abgedeckt. In der SI-Skala repräsentieren höhere Werte eine höhere subjektive soziale Integration. Die interne Konsistenz betrug im vorliegenden Datensatz α = 0,82.

5.1.3 Förderbedarf (FB LE/FB VE)

Da der SFB in den Erhebungsregionen erst ab der dritten Klasse festgestellt werden darf, lagen zum Zeitpunkt der Erhebung keine offiziellen Informationen zu Förderschwerpunkten der Schüler*innen vor, die im Rahmen eines behördlichen Feststellungsverfahrens (AO-SF) ermittelt wurden. Daher wurde alternativ der von den Lehrkräften wahrgenommene Förderbedarf über eine fünfstufige Likertskala (0 = kein/sehr geringer Förderbedarf, 4 = sehr hoher Förderbedarf) getrennt für die Bereiche Lernen und Verhalten als Proxy-Variable erhoben. Die Skala spiegelt somit die subjektive Einschätzung der Lehrkräfte wider und basiert auf der Annahme, dass der „besondere Förderbedarf“ (anders als das Etikett eines „sonderpädagogischen Förderbedarfs“) in seiner Ausprägung variieren kann.

5.1.4 Schulleistung (SL)

Bei der Schulleistung stellt sich zunächst die Frage, welcher Anteil der Schulleistung auf die soziale Integration wirkt. In der Vergangenheit haben zahlreiche Studien gezeigt, dass die von den Lehrkräften eingeschätzte Schulleistung (in Form einer Schulnote) die soziale Integration von Schüler*innen in der Grundschule besser erklären kann als spezifische Leistungstests (Newcomb et al. 1993; Huber 2008). Demnach sind die tatsächlichen (objektiv gemessenen) schulischen Fertigkeiten für die Aufnahme sozialer Peerinteraktionen weniger bedeutsam als die von den Lehrkräften perzipierte und in Form von Noten zurückgemeldete Schulleistung. Dieser Befund wird auch durch Studien zur Wirkung der Lehrkraftfeedbacks auf soziale Integrationsprozesse gestützt (Chang 2003; White und Jones 2000). Aus dieser Befundlage heraus wurden in der vorliegenden Studie die Schulleistung analog zum Förderbedarf über Lehrkrafteinschätzungen durch eine fünfstufige Likertskala als Proxy-Variable erhoben. Dabei wurden die Lehrkräfte gebeten, ihre Angaben auf Grundlage eines repräsentativen Querschnitts aller Schulfächer zu machen und bei der Bewertung eine soziale Bezugsnorm anzuwenden (d. h. Skalenstufe 2 repräsentiert im Vergleich zur Klasse eine Durchschnittsleistung, niedrige Werte repräsentieren eine gute, hohe Werte eine schwache Schulleistung).

5.1.5 Klassenstufe (KL)

Die Klassenstufe repräsentiert die Jahrgangsstufe, in der ein Kind unterrichtet wird. Das Geburtsdatum der Kinder konnte aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht erhoben werden. Im System mit geringer LuVH (1/2/3/4) variiert die Klassenstufe innerhalb einer Klasse naturgemäß nicht. Im System mit mittlerer LuVH kann die Klassenstufe zwischen 3 und 4 variieren, im System mit hoher LuVH zwischen 1 und 4 (Tab. 1).

5.2 Statistik

Die Daten weisen eine genestete Datenstruktur auf. Für die drei verschiedenen Systeme wird angenommen, dass die LuVH sich mit zunehmender Jahrgangsstufenmischung erhöht. Für die zentralen Hypothesen 2–3 besteht die Idee der Datenanalyse in der Annahme, dass sich der Zusammenhang zwischen Förderbedarf und sozialer Integration mit zunehmender LuVH verändert. Nach Pötschke (2019) kann eine solche Fragestellung durch eine Mehrebenenregressionsanalyse untersucht werden, wobei ein Cross-Level-Effekt des Systems auf den Zusammenhang zwischen Förderbedarf und sozialer Integration erwartet wird. Die Voraussetzungen für eine für (Mehrebenen‑) Regressionsanalysen gelten nach Pötschke (2019) als erfüllt, wenn die AV normalverteilt und metrisch ist. Demzufolge flossen in alle Modelle keine verrechneten soziometrischen Werte (Kulawiak und Wilbert 2015), sondern der metrische prozentuale Anteil von Wahlen und Ablehnungen an möglichen Wahlen und Ablehnungen ein. Da es sich technisch um drei unterschiedliche Fragstellungen handelt, erfolgt die Datenanalyse getrennt für jede der drei AVs durch jeweils eine Mehrebenenregressionsanalyse mit Hilfe des R‑Paket lme4 (Bates et al. 2015). Ferner wurden die R‑Pakete lmerTest (Kuznetsova et al. 2017), car (Fox und Weisberg 2019) und psych (Revelle 2019) eingesetzt.

6 Ergebnisse

6.1 Deskriptive Statistik

Tab. 2 zeigt die deskriptive Statistik für alle AVs und UVs. WST und AST sind jeweils als prozentualer Anteil der jeweils in einer Klasse möglichen Wahlen bzw. Ablehnungen zu interpretieren.

Tab. 2 Deskriptive Statistik der abhängigen und unabhängigen Variablen

Tab. 3 gibt die Interkorrelationen zwischen den Untersuchungsvariablen wieder. Die Werte zeigen signifikante Zusammenhänge zwischen den AVs und den Förderbedarfsvariablen bzw. der Schulleistung an. Ferner zeigt sich, dass soziale Wahlen und soziale Ablehnungen negativ miteinander zusammenhängen (r = −0,72; p < 0,001), beide objektiven Maße sozialer Integration aber nur moderat mit der subjektiven Wahrnehmung durch die Kinder korrelieren (r = 0,33 und r = 0,34; p < 0,001).

Tab. 3 Interkorrelationen zwischen den abhängigen und unabhängigen Variablen

Zur Berechnung der Prävalenz sozialer Ausgrenzung wurde die Stichprobe anhand der Förderbedarfseinschätzungen in vier Subgruppen unterteilt.

  1. 1.

    Kinder ohne oder mit leicht erhöhtem Förderbedarf in den Bereichen Lernen und Verhalten (LE < 4, VE < 4)

  2. 2.

    Kinder mit hohen Förderbedarf im Bereich Lernen (LE = 4, VE < 4)

  3. 3.

    Kinder mit hohem Förderbedarf im Bereich Verhalten (VE = 4, LE < 4)

  4. 4.

    Kinder mit hohem Förderbedarf in den Bereichen Lernen und Verhalten (LE = 4, VE = 4)

Analog zu Coie et al. (1982) wurden alle Schüler*innen durch die Verrechnung von WST und AST einer soziometrischen Statusgruppe zugeordnet. Dabei werden die Statusgruppen beliebt (hoher WST, niedriger AST), abgelehnt (hoher AST, niedriger WST), vernachlässigt (niedriger WST, niedriger AST) und kontroversiell (hoher AST, hoher WST) unterschieden. Schüler*innen, die in keine dieser Definitionen passen, werden der Statusgruppe durchschnittlich zugeordnet. Die Ergebnisse in Abb. 1 zeigen, analog zu bislang vorliegenden Befunden, dass rund ein Drittel der Schulkinder ohne erhöhten Förderbedarf in den Bereichen Lernen und Verhalten als beliebt eingestuft werden kann. Weitere 30 % der Kinder dieser Gruppe sind durchschnittlich integriert. Insgesamt werden 23 % der Schulkinder ohne besonderen Förderbedarf ausgegrenzt. Ebenfalls analog zu bislang vorliegenden Studien kristallisierten sich hier Förderbedarfe in den Bereichen Lernen und Verhalten als Risikofaktoren für soziale Ausgrenzung heraus. So stieg der Anteil der ausgegrenzten Schulkinder mit einem erhöhten Förderbedarf im Bereich Lernen auf 49 %, der Anteil der ausgegrenzten Kinder mit einem erhöhten Förderbedarf im Bereich Verhalten stieg sogar weiter auf 56 %.

Abb. 1
figure 1

Relative Anteile der Statusgruppen nach Förderbedarf. FB Förderbedarf, LE Lernen, VE Verhalten

Demnach hatten Schulkinder, deren Lehrkräfte einen erhöhten Förderbedarf in den Bereichen Lernen oder Verhalten wahrnahmen, ein in etwa doppelt so hohes Ausgrenzungsrisiko wie ihre Klassenkamerad*innen ohne erhöhten Förderbedarf. Gaben die Lehrkräfte sowohl einen erhöhten Förderbedarf in dem Bereich Lernen als auch in dem Bereich Verhalten an, stieg der Anteil der ausgegrenzten Kinder in dieser Gruppe auf rund 75 %. Dies entspricht in etwa einem dreifach erhöhten Ausgrenzungsrisiko.

Abb. 2 stellt die Korrelationen zwischen sozialer Integration und Förderbedarf für alle hier untersuchten Maße sozialer Integration dar. Stichprobenübergreifend liegen die Korrelationen bei r = −0,22 (p < 0,01) für den WST und r = 0,23 (p < 0,01) für den AST. Für den Förderbedarf im Bereich Verhalten lagen die Zusammenhänge mit r = −0,23 (p < 0,01) für den WST und r = 0,28 (p < 0,01) in einem vergleichbar moderaten Bereich. Abb. 2 zeigt jedoch, dass die Zusammenhänge über die Schulklassen hinweg nicht einheitlich sind, sondern zum Teil erheblich zwischen stark negativen und positiven Korrelationen streuen. Demnach gibt es, wie hypothetisch angenommen, Schulklassen, in denen Förderbedarfe und soziale Ausgrenzung sehr stark aneinandergekoppelt sind, und andere Schulklassen, in denen dieser Zusammenhang nahezu entkoppelt scheint.

Abb. 2
figure 2

Varianz der Zusammenhänge zwischen sozialer Integration und Förderbedarf bzw. Schulleistung über die untersuchten Schulklassen. WST Wahlstatus, AST Ablehnungsstatus, LE Lernen, VE Verhalten

Betrachtet man eine Korrelation des Förderbedarfs mit dem AST zwischen r = −0,10 und +0,10 als Indikator für eine solche Entkopplung, traf dies auf 11 % (LE) bzw. 7 % (VE) der Klassen zu.

Nimmt man statt des Förderbedarfs Lernen das salientere Maß der Schulleistung, verringert sich der Anteil der eindeutig entkoppelten Klassen auf 5,3 %.

6.2 Hypothesenprüfende Auswertung

Die Prüfung der Hypothesen 1 bis 3 erfolgt durch Mehrebenenregressionsanalysen. Im Rahmen von Hypothese 1 wird geprüft, inwieweit der Förderbedarf einen signifikanten Haupteffekt auf die Maße sozialer Integration hat. Hypothese 2 und 3 prüfen, inwieweit die LuVH den Zusammenhang zwischen Förderbedarf Lernen (HYP2) bzw. Verhalten (HYP3) und sozialer Integration moderiert. Ein signifikant moderierender Effekt der LuVH, der mit einer Verbesserung der sozialen Integration einhergeht, würde die Schutzhypothese bestätigen. Umgekehrt würde ein signifikant moderierender Effekt der LuVH, der mit einer Verschlechterung der sozialen Integration einhergeht, die Risikohypothese untermauern. In den drei folgenden Mehrebenenregressionsanalysen wird der Moderatoreffekt durch eine Cross-Level-Interaktion des Klassensystems mit dem Förderbedarf operationalisiert. Für jede AV werden jeweils sechs verschiedene Modelle dargestellt, wobei immer nur die Modelle 4, 5 und 6 die vorhergesagten Cross-Level-Effekte prüfen. In allen Modellen wurde auf eine Zentrierung der AVs und UVs verzichtet, weil sich die Intercepts so für den WST und den AST als Prozent der Wahlen und Prozent der Ablehnungen gut interpretieren lassen. Modell 1 (Nullmodell) prüft, inwieweit sich die mittlere Ausprägung der AV über die Level-2-Einheiten (Schulklassen) signifikant unterscheidet. Modell 2 entspricht einem Random-Intercept-Modell mit den Prädiktoren Förderbedarf LE, Förderbedarf Verhalten und Klassenstufe. In Modell 3 (Random-Slope Modell) wurden Random Slope-Effekte für die Förderbedarfe Lernen und Verhalten ergänzt. Random Slopes repräsentieren hier einen klassenspezifischen Zusammenhang zwischen Förderbedarf und sozialer Integration. Zusätzlich wurde ab Modell 3 die LuVH als dummy-codierte Variable in die Regressionsgleichung aufgenommen, wobei die Effekte jeweils den Unterschied zum klassischen System (Klassen 1/2/3/4) repräsentieren. Die Hauptfragestellung wird durch Modell 4 geprüft. Hier wurden (gegenüber Modell 2) neben der Klassenstufe auch die Cross-Level-Interaktionen zwischen der LuVH und den Förderbedarfen Lernen und Verhalten spezifiziert. In Modell 5 wird (gegenüber Modell 4) der von den Lehrkräften eingeschätzte Förderbedarf Lernen durch die von den Lehrkräften eingeschätzte Schulleistung ersetzt. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Schulleistung die wichtigste saliente Auswirkung eines Förderbedarfs Lernen in der Schule ist. Zur besseren Vergleichbarkeit der Effektstärken wird abschließend noch ein sechstes vollständiges Modell mit allen UVs gerechnet. Für alle drei AVs wird ein signifikanter Cross-Level-Effekt zwischen den Systemen mit mittlerer und hoher LuVH (1–2/3–4 sowie 1–4) auf den Zusammenhang zwischen Förderbedarf und sozialer Integration vorhergesagt.

6.2.1 Wahlstatus

Tab. 4 zeigt den Zusammenhang zwischen den jeweiligen UVs und dem Wahlstatus. Insgesamt kann Modell 3 mit 37,2 % etwas mehr Varianz aufklären als Modell 4 bis 6. Die relative Bewertung aller Modelle über den AIC weist darauf hin, dass der Fit des Modells 6 mit einem AIC = 9739,21 besser zu sein scheint als die höheren AIC-Werte der Modelle 1–5. Dieser Eindruck bestätigt sich auch bei der Interpretation der Log-Liklihood-Werte, die in Modell 6 etwas näher an 0 liegen als in den übrigen Modellen. Insgesamt erweist sich die Modellgüte der Modelle mit Cross-Level-Interaktion (Modell 5 und 6) als zufriedenstellend.

Tab. 4 Ergebnisse der Modellvergleiche zum Wahlstatus (WST)

Im Nullmodell (1) zeigt sich, dass sich die durchschnittliche soziale Integration der Schulkinder auf Klassenebene zwischen den Klassen signifikant unterscheidet. Der β‑Koeffizient von β = 25,36 bedeutet, dass die Schüler*innen einer Klasse über die Gesamtstichprobe hinweg durchschnittlich rund 25 % der möglichen Wahlen erhielten. In Modell 2 finden sich drei signifikante Haupteffekte der Förderbedarfe Lernen (β = −2,03) und Verhalten (β = −2,68) und der Klassenstufe (β = 2,58) auf den Wahlstatus. Demzufolge reduziert sich die Anzahl der erhaltenen Wahlen um 1,85 %, wenn sich der Förderbedarf Lernen um eine Stufe erhöht. Beim Förderbedarf Verhalten sinkt die Anzahl der Wahlen sogar um 2,68 %, wenn sich der Förderbedarf im Verhalten um einen Skalenpunkt erhöht. Der signifikante β‑Wert für die Klassenstufe von β = 2,58 zeigt, dass sich mit zunehmender Klassenstufe eine signifikante Zunahme der Wahlen um 2,58 % einstellte. Für den Förderbedarf Verhalten wurde in Modell 3 kein signifikanter Unterschied der Slopes zwischen den Klassen gefunden. Modell 4 repräsentiert schließlich die in Hypothese 2 vorhergesagten Cross-Level-Effekte für den Zusammenhang des Förderbedarfs mit dem Wahlstatus. Im Gegensatz zu den Modellen 1 bis 2 repräsentieren die Haupteffekte für den Förderbedarf Lernen (β = −2,88) und Verhalten (β = −3,33) den Effekt des jeweiligen Förderbedarfs auf den WST im System mit geringer LuVH. Hier steigt der ungünstige Effekt der Förderbedarfe Lernen und Verhalten verglichen mit der Gesamtstichprobe an. Der signifikante Cross-Level-Effekt für den Förderbedarf Lernen und dem System 1–4 (β = 2,56) zeigt, dass dieser integrationsschwächende Effekt des Förderbedarfs Lernen im System mit hoher LuVH (1–4) kaum noch nachweisbar war. Der signifikante β‑Wert (β = 2,56) bedeutet hier, dass sich der ungünstige Effekt des Förderbedarfs Lernen im System mit hoher LuVH auf nur noch β = 0,32 (−2,88 + 2,56) reduziert. Dementsprechend sinkt die Anzahl der Wahlen im System mit hoher LuVH nur noch um 0,32 %, wenn sich der Förderbedarf Lernen um den Wert 1 erhöht. Für den Förderbedarf Verhalten war dieser Effekt nicht nachweisbar. Jedoch stellte sich ein signifikanter Cross-Level-Effekt von β = 1,53 zwischen dem Förderbedarf Verhalten und dem System mit mittlerer LuVH (1–2/3–4) heraus, der jedoch für das System mit hoher LuVH ausblieb. In Modell 5 wurde gegenüber Modell 4 der Förderbedarf Lernen durch die Schulleistung ersetzt. Der (gegenüber dem Förderbedarf LE) höhere und signifikante β‑Wert von β = −3,91 weist darauf hin, dass die Schulleistung den WST besser erklären kann als der von den Lehrkräften eingeschätzte Förderbedarf. Das gilt auch für die beiden Cross-Level-Interaktionen für das System mit mittlerer LuVH (β = −2,37) und das System mit hoher LuVH (β = −2,98). Dieses Ergebnis wird von Modell 6 gestützt, in dem bei gleichzeitiger Aufnahme der Förderbedarfs Lernen und der Schulleistung, der β‑Koeffizient des Förderbedarfs Lernen (β = −0,03) nicht mehr signifikant wird. Im Gegensatz zu Modell 5 wurden in Modell 6 nicht die Cross-Level-Interaktionen für das System mit hoher LuVH, sondern für das System mit mittlerer LuVH signifikant, was für die Schulleistung im System 1–2/3–4 zu einer Situation führt, in der schwache Schulleistungen sogar mit höherer sozialer Integration einhergehen.

6.2.2 Ablehnungsstatus

Für den AST (Tab. 5) stellt sich die Modellgüte ebenfalls als zufriedenstellend dar, wobei insbesondere die Modelle 3–6 bessere Fit-Werte erkennen lassen als die Modelle 1 und 2. Die jeweils durch die komplexeren Modelle (3–6) aufgeklärte Varianz liegt zwischen R2 = 0,455 (Modell 5/6) und R2 = 0,499 (Modell 3).

Tab. 5 Ergebnisse der Modellvergleiche zum Ablehnungsstatus (AST)

Modell 1 (Tab. 5) zeigt auch für den Ablehnungsstatus, dass sich die Level-2-Einheiten (Schulklassen) signifikant im Nullmodell unterscheiden. Im Vergleich zum WST verstärkt sich beim AST der ungünstige Effekt des Förderbedarfs auf die soziale Ablehnung nochmal. So steigt die Anzahl der Ablehnungen in Modell 2 um 2,91 % (β = 2,91), wenn sich in der Regressionsgleichung der Förderbedarf Lernen um den Wert 1 erhöht; für den Förderbedarf Verhalten (β = 5,24) steigt der Anteil der Ablehnungen in der Gesamtstichprobe pro Stufe sogar um 5,24 %. Für Modell 3 erwies sich der Slope des Förderbedarf Verhalten auf den AST als signifikant. Vergleicht man das homogene System in Modell 4 mit den Modellen 1–3, steigt der ungünstige Effekt des Förderbedarfs mit β‑Koeffizienten von β = 2,91 (LE) und β = 5,24 (VE) weiter auf 3,93 % (LE) und 5,87 % (VE) der möglichen Ablehnungen, wenn sich der jeweilige Förderbedarf um den Wert 1 erhöht.

Analog zu den Ergebnissen für den WST zeigt sich auch für den AST ein signifikanter Cross-Level-Effekt des Systems mit hoher LuVH auf den ungünstigen Effekt des Förderbedarfs LE. Obwohl die Schutzwirkung für den AST mit β = −2,98 sogar noch etwas höher ausfällt als für den WST, kann sie den Effekt des Förderbedarfs Lernen auf den AST etwas weniger kompensieren. Insgesamt steigt der AST im System mit hoher LuVH nur um 0,95 % (3,93 − 2,98), wenn sich der Förderbedarf Lernen um den Wert 1 erhöht. Tauscht man in Modell 5 schließlich den Förderbedarf Lernen durch die salientere Schulleistung aus, zeigt sich durch den höheren β‑Wert von β = −5,01 auch für den AST, dass die Schulleistung soziale Integration besser erklären kann als der Förderbedarf LE. Ferner zeigen sich in Modell 5 für das System mit mittlerer LuVH (β = 2,15) und das mit starker LuVH (β = 3,04) stärkere Cross-Level-Effekte als für den Förderbedarf LE. In Modell 6 wirkt sich der Förderbedarf Lernen analog zum WST nicht mehr signifikant auf die Varianz des AST aus, wenn gleichzeitig die salientere Schulleistung in das Modell eingeht. Der Cross-Level-Effekt für Schulleistung und dem System mit mittlerer LuVH bleibt signifikant, während er für das System mit hoher LuVH nicht mehr signifikant wird.

6.2.3 Subjektive soziale Integration (SI)

Tab. 6 stellt die Ergebnisse für die subjektive soziale Integration dar. Verglichen mit den Modell-Fit-Werten für den WST und den AST müssen die Modelle für die subjektive soziale Integration als schwächer bewertet werden. In der relativen Betrachtung scheinen die Modelle 3–6 vergleichbar gut und besser als die Modelle 1 und 2 zu passen, die Passung von Modell 6 kann nochmals als geringfügig besser eingestuft werden. Allerdings können die Modelle 3–6 mit Werten zwischen R2 = 0,096 und R2 = 0,11 nur rund 10 % der Varianz der subjektiven sozialen Integration erklären.

Tab. 6 Ergebnisse der Modellvergleiche zur subjektiven soziale Integration (SI)

Der Intercept der SI-Werte variiert signifikant über alle Schulklassen (Modell 1). Analog zu den Befunden für den WST und den AST sinkt die subjektive soziale Integration signifikant mit zunehmendem Förderbedarf Lernen (β = −0,45) und Verhalten (β = −0,93) in Modell 3. Nimmt man statt des Förderbedarfs Lernen die Schulleistung in das Modell auf, verringert sich der β‑Wert in Modell 5 auf β = −0,69. Für die subjektive soziale Integration lassen sich in Modell 5 im keinerlei signifikante Cross-Level-Interaktionseffekte mit dem Klassensystem aufzeigen, in Modell 6 wird der Cross-Level-Effekt für das Modell zwischen Schulleistung und dem System mit mittlerer LuVH signifikant was wiederum darauf hindeutet, dass in diesem System in der Tendenz schulwache Schüler*innen beliebter waren als schulleistungstarke Kinder.

6.3 Zusammenfassende Bewertung der Hypothesen

Die im Rahmen von Fragstellung 1 erwartete schwache soziale Integration von Schüler*innen mit einem erhöhten Förderbedarf in den Bereichen Lernen und/oder Verhalten ließ sich auch in dieser Studie replizieren. So waren für alle Modelle signifikante Haupteffekte des Förderbedarfs (VE und LE) sowie der Schulleistung auf die Maße sozialer Integration (WST, AST, SI) feststellbar. Demnach hätte ein Kind mit starkem Förderbedarf Lernen gegenüber einem Kind ohne Förderbedarf 12 % mehr Ablehnungen und rund 9,5 % weniger Wahlen. Ersetzt man das eher abstrakte Maß des Förderbedarfs gegen das salientere Maß der Schulleistung, hat ein Kind mit sehr schwachen Schulleistungen gegenüber einem Kind mit sehr guten Schulleistungen sogar 15 % weniger Wahlen und 20 % mehr Ablehnungen. Dass diese soziale Ausgrenzung auch von den betroffenen Schüler*innen subjektiv wahrgenommen wird, zeigen die signifikanten Haupteffekte der Förderbedarfe für die subjektive soziale Integration (Tab. 6). Hypothese 1 kann somit bestätigt werden.

Im Rahmen von Fragstellung 2 wurde geprüft, inwieweit der Zusammenhang zwischen der sozialen Integration der Schulkinder und des Förderbedarfs Lernen durch die LuVH moderiert wird. Kriterium ist ein signifikanter Cross-Level-Effekt der LuVH auf den Zusammenhang zwischen Förderbedarf und den Maßen sozialer Integration. Ein schützender Effekt wird im Sinne der Schutzhypothese interpretiert, ein schwächender Effekt im Sinne der Risikohypothese. Für den Förderbedarf Lernen und das System mit mittlerer LuVH war kein Cross-Level-Effekt signifikant – für den Förderbedarf Lernen und das System mit hoher LuVH waren jedoch zwei von drei Cross-Level-Effekte signifikant (jeweils Modell 4 in Tab. 4 und 5) im Sinne der Schutzhypothese interpretierbar, der Cross-Level-Effekt für die SI-Werte wurde nicht signifikant und war daher weder im Sinne der Schutz- noch im Sinne der Risikohypothese interpretierbar. Der Schutzeffekt verstärkt sich, wenn in Modell 5 der Förderbedarf Lernen durch die Schulleistung (als die saliente Wirkung eines Förderbedarfs) ersetzt wird. Hier waren vier alle Cross-Level-Effekte für den WST und den AST signifikant – für die subjektive soziale Integration war dieser Effekt wieder nicht replizierbar. Die Effekte zeigen sich, wie vorhergesagt, in den Klassen mit mittlerer LuVH etwas schwächer als in Klassen mit hoher LuVH. Insgesamt können somit die Hypothesen 2a und 2b im Sinne der Schutzhypothese interpretiert und somit bestätigt werden. Für die subjektive soziale Integration zeigte sich der vorhergesagte Cross-Level-Effekt nicht, weshalb Hypothese 2c zurückgewiesen werden muss.

Im Rahmen von Fragstellung 3 wurde ein moderierender Effekt der LuVH auf den Zusammenhang zwischen sozialer Integration und dem Förderbedarf auch für den Bereich Verhalten angenommen. Von den insgesamt sechs Cros-Level-Interaktionen in Modell 4 war lediglich ein Cross-Level-Effekt signifikant, so dass Hypothese 3 vollständig zurückgewiesen werden muss.

Abb. 3 fasst die Befunde nochmals für alle drei AVs und alle drei UVs in Abhängigkeit der drei untersuchten LuVH-Stufen zusammen. Obwohl sich die soziale Integration mit zunehmenden Förderbedarf in den Bereichen Lernen und Verhalten in allen drei untersuchten Klassensystemen abschwächt, verläuft diese Steigerung im System mit hoher LuVH (durchgezogene Linie) durchgehend mit der geringsten Steigung und somit am schwächsten.

Abb. 3
figure 3

Soziale Integration in Abhängigkeit des Förderbedarf und der Schulleistung. WST Wahlstatus, AST Ablehnungsstatus, SI Subjektive soziale Integration, LE Lernen, VE Verhalten

7 Diskussion

Die vorliegende Studie untersuchte, inwieweit die höhere LuVH einer Schulklasse die Vulnerabilität für soziale Ausgrenzung bei Schulkindern mit erhöhtem Förderbedarf in den Bereichen Lernen und Verhalten verringert (Schutzhypothese) oder erhöht (Risikohypothese). In einer Gesamtbetrachtung ergibt sich ein mehrschichtiges Bild.

Zunächst zeigte die Studie erneut, dass Förderbedarf im schulischen Alltag auch zehn Jahre nach der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention weiterhin ein erheblicher Risikofaktor für soziale Ausgrenzung ist. Dass dieses erhöhte Risiko kein „Naturgesetz“ sein muss, zeigt die hohe Varianz der Korrelationen zwischen Förderbedarf und sozialer Integration (Abb. 2). So konnten in der Stichprobe sechs Schulklassen (rund 10 %) identifiziert werden, in denen der Zusammenhang zwischen schulleistungsbezogenen Variablen und sozialer Ausgrenzung vollständig entkoppelt ist.

Als zentraler Befund dieser Studie zeigten sich für den Förderbedarf Lernen, dass die Cross-Interaktionen im Modell 4, die als Indikator für die Gültigkeit der Schutz- oder der Risikohypothese definiert wurden, im Sinne der Schutzhypothese gedeutet werden konnten. Dieser Schutzeffekt ließ sich unter gleichzeitiger Kontrolle des Förderbedarfs Lernen und der Schulleistung in Modell 6 nicht vollständig replizieren. So zeigte sich hier der Schutzeffekt nur für das System mit mittlerer LuVH und insgesamt stärker für die Schulleistung als für den Förderbedarf. In der Summe zeigte sich, dass sich die Schutzhypothese für die Schulleistung (als das salientere Maß des Förderbedarfs) besser bestätigen lässt als für den Förderbedarf Lernen selbst. Möglicherweise kann die mehr oder weniger explizite Etikettierung durch den Förderbedarf soziale Hierarchien etwas schlechter erklären als die Manifestierung dieses Etiketts durch Schulleistung.

Die Cross-Level-Interaktionen für die subjektive soziale Integration bestätigten hingegen weder Schutz- noch Risikohypothese. In der Summe überwogen somit signifikante Hinweise auf die Gültigkeit der Schutzhypothese. So sank mit zunehmender LuVH auch der Zusammenhang zwischen dem Förderbedarf Lernen und der sozialen Integration signifikant.

Eine übergreifende Bewertung der Ergebnisse zeigt andererseits, dass bei der LuVH selbst eine (schützende) Hauptwirkung von einer unerwünschten Nebenwirkung unterschieden werden muss. So stellte sich in den vollständig jahrgangsübergreifenden Klassensystemen nicht nur die vorhergesagte Schutzwirkung ein, sondern auch eine klassenübergreifende Erhöhung der Gesamtablehnungsraten. In jahrgangsübergreifenden Klassen reduzierte sich damit zwar das Risiko, aufgrund von lernbezogenem Förderbedarf oder Schulleistungen abgelehnt zu werden, es erhöhte sich jedoch auch das generelle Risiko abgelehnt zu werden. Schwierig zu interpretieren sind dabei signifikanten Haupteffekte der Klassenstufe. Zwar scheint sich mit zunehmender Klassenstufe das Risiko sozialer Ausgrenzung einerseits zu reduzieren. Andererseits konnte die Klassenstufe und damit das Alter der Schüler*innen in dieser Studie designbedingt nicht in allen Untersuchungsgruppen gleichermaßen variieren, so dass dieser Effekt nur sehr zurückhaltend interpretiert werden kann. Kombiniert man jedoch die gefundenen Cross-Level-Interaktionen mit dem Effekt der Klassenstufe, ergäbe sich daraus für Erstklässlerinnen und Erstklässler mit dem Förderbedarf Lernen in vollständig jahrgangsübergreifenden Klassen ein besonders hohes Ausgrenzungsrisiko, weil neben dem Förderbedarf mit dem Alter noch ein weiterer Risikofaktor für soziale Ausgrenzung hinzutritt. Dieser Effekt dürfte sich jedoch in den folgenden Klassenstufen abmildern. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, inwieweit Ablehnungen zwischen Gleichaltrigen die gleiche Bedeutung zugrunde liegt wie Ablehnungen von deutlich jüngeren oder älteren Schüler*innen. So könnten größere Altersunterschiede auch zu arbeitsbezogenen oder reifebezogenen Ablehnungen (z. B. unterschiedliche Curricula oder unterschiedliche Interessen) führen, die von einer persönlichen Ablehnung dieser Person zu unterscheiden wären.

Die hier für den Förderbedarf Lernen beschriebene Schutzfunktion ließ sich nicht auf den Förderbedarf Verhalten übertragen. Somit profitierte diese Schüler*innengruppe auch nicht von einer zunehmenden LuVH – zumindest nicht, wenn es sich (wie in der vorliegenden Studie) lediglich um eine Jahrgangsmischung der Schulkinder handelt. Möglicherweise reichte hier die altersbedingte Varianzzunahme der emotional-sozialen Entwicklung nicht aus, verhaltensbezogene Vergleichsprozesse innerhalb einer Schulklasse zu erschweren. Vermutlich bekommen Schüler*innen die Auswirkungen von unangemessenem Sozialverhalten in der direkten sozialen Interaktion unmittelbar zu spüren, was bei den Auswirkungen von einem erhöhten Förderbedarf in dem Bereich Lernen nur sehr eingeschränkt der Fall sein dürfte.

Obwohl Förderbedarf und Schulleistung in einem signifikanten Zusammenhang mit der subjektiv empfundenen sozialen Integration stehen, waren keine Hinweise darauf zu finden, dass die LuVH auch das subjektive Wohlbefinden der Schüler*innen moderiert. Eine Übertragung der Schutzhypothese auf die subjektive soziale Integration ist somit nicht möglich.

Die Operationalisierung der LuVH gehört zu den wichtigsten limitierenden Faktoren dieser Studie. So wurde mit der Jahrgangsstufe lediglich ein kleiner Teil der möglichen Unterschiede zwischen den Schulkindern variiert, der insbesondere auf eine Heterogenitätssteigerung von lern- und wissensbezogenen Eigenschaften hinauslaufen dürfte. Somit sind die Studienergebnisse zunächst auch nur auf Schüler*innen mit einem erhöhten Förderbedarf im Bereich Lernen anwendbar. Die Übertragbarkeit auf andere mögliche Differenzlinien zwischen Schulkindern muss durch andere Studiendesigns überprüft werden, in denen die Heterogenität der Untersuchungsgruppen durch andere Hintergrundvariablen variiert wird. Eine weitere Limitation der vorliegenden Studie liegt darin, dass die LuVH lediglich durch die unterschiedliche Klassenstufe der Kinder unterstellt, nicht aber kontrolliert wurde. Eine dritte Limitation zielt auf die Ursachen für die hier beschriebenen Befunde ab. So kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich mit zunehmender LuVH auch Unterrichtsvariablen ändern, die wiederum Einfluss auf die soziale Akzeptanz von Schüler*innen mit besonderem Förderbedarf nehmen könnten.

Insgesamt zeigen die Ergebnisse der vorliegenden Studie, dass es durchaus erste empirische Hinweise für die inklusionspädagogisch postulierte Schutzwirkung der Lerngruppenheterogenität (Hinz 1995; Prengel 2006) auf die soziale Integration gibt. Jedoch scheint diese Schutzfunktion zumindest für jahrgangsbezogene Durchmischung auf die Gruppe der Kinder mit Lernbeeinträchtigungen begrenzt zu sein. Eine Ausweitung der Schutzhypothese auf andere lernbezogene Förderbedarfe (z. B. Sprache, Geistige Entwicklung), körperlich-motorischen oder sinnesbezogene Förderbedarfe (z. B. Hören und Kommunikation oder Sehen) oder kulturell bedingten Unterschieden (z. B. Migrationshintergrund) ist auf Grundlage dieser Studie nicht möglich. Hier müssen weitere Studien zeigen, ob die Lerngruppenheterogenität auch für diese Schüler*innengruppen ein evidenzbasierter Baustein zur Sicherung einer fairen inklusiven Schullandschaft sein könnte. Die vorliegende Studie zeigte letztlich, dass die starke Kopplung von Förderbedarf und sozialer Integration keine unüberwindbare Gesetzmäßigkeit ist. Knapp 10 % der hier untersuchten Klassen hatten diesen Zusammenhang weitgehend entkoppelt. Zahlreiche Arbeitsgruppen haben in der Vergangenheit zum Teil sehr unterschiedliche Wirkzusammenhänge diskutiert und untersucht, die dieser Entkopplung möglicherweise zugrunde liegen könnten (für einen Überblick siehe Huber 2019). Mit Blick auf diese Hintergrundvariablen müssen Folgestudien zeigen, durch welche Faktoren sich diese Entkopplung erklären kann.