Der Begriff Androgenisierung beschreibt die sero- oder phänotypische Veränderung eines weiblichen Individuums zu typischerweise männlich orientierten Charakteristika. Beispiele hierfür sind Hirsutismus, Alopezie, Akne oder Erhöhung des Serumspiegels von Androgenen. Differenzialdiagnostisch müssen verschiedene mögliche Ursachen in Betracht gezogen werden. Die Androgenisierung wird grundsätzlich ätiologisch in 3 Bereiche unterteilt [1]:

  1. A.

    Funktionelle Androgenisierung (FA)

  2. B.

    Tumoröse Androgenisierung (androgenproduzierende Tumoren)

  3. C.

    Pharmakologische Androgenisierung (z. B. Einnahme von Anabolika; [2, 3])

Zur Diagnostik der Androgenisierung gehören Anamnese, körperliche Untersuchung, bildgebende Untersuchung (i. d. R. Vaginalsonographie) und Labordiagnostik.

Folgende Werte sollten im Rahmen der Labordiagnostik bestimmt werden: LH/FSH, TSH, Prolaktin, Östradiol, Gesamttestosteron, DHEAS, 17-OH-Progesteron [4]. Hierbei sollte auf eine frühfollikuläre Bestimmung der Werte geachtet werden. Bei Patientinnen mit Testosteronspiegeln > 1,5–2,0 ng/ml und/oder DHEAS-Spiegeln > 7 μg/ml muss an die Möglichkeit eines androgenproduzierenden Tumors gedacht werden [5]. Bei erhöhten Serumspiegeln von 17-OH-Progesteron muss zur weiteren Differenzierung und zum Ausschluss eines adrenogenitalen Syndroms (AGS) ein ACTH-Test durchgeführt werden.

Da es sich bei der funktionellen Androgenisierung um die häufigste Form handelt, soll im Folgenden näher darauf eingegangen werden.

Funktionelle Androgenisierung

Mit dem Begriff funktionelle Androgenisierung wird eine Gruppe komplexer endokriner Störungen beschrieben. Zur genaueren Klassifikation wird die funktionelle Androgenisierung in 5 Untergruppen unterteilt, wobei grundlegend zwischen der funktionellen kutanen Androgenisierung (FCA) und dem funktionell androgenisierenden Syndrom unterschieden werden muss [3]. Die Unterteilung der funktionellen Androgenisierung hilft zudem, das häufig zugrunde liegende polyzystische Ovarsyndrom (PCOS) in seinen verschiedenen Ausprägungen zu differenzieren.

Funktionelle kutane Androgenisierung (FCA)

Bei der FCA handelt es sich um eine Androgenisierungserscheinung, die sich hauptsächlich auf die Haut beschränkt. Symptome wie Hirsutismus, Akne und Alopezie werden beschrieben. Die Symptome können einzeln oder kombiniert auftreten [6].

Molekularbiologische Untersuchungen haben ergeben, dass hier intrakutane molekulargenetische Dysregulationen an den Haarfollikeln und Talgdrüsen die Ursache sind [7]. In der Regel handelt es sich um Patientinnen mit regelmässigen Menstruationszyklen und normalen Hormonwerten [1]. Therapeutisch finden topische und systemische Behandlungsverfahren Anwendung. Auch kombinierte Therapieverfahren kommen zum Einsatz [8]. Zur Behandlung des Hirsutismus gelten Photoepilation und die Anwendung von Eflornithin als Therapie der ersten Wahl [9].

Funktionell androgenisierendes Syndrom (FAS)

FAS I

Das FAS I umfasst Androgenisierungserscheinungen bei schlanken Frauen mit PCOS ohne metabolische Beeinträchtigung. Man spricht auch von einer ausschliesslich ovariellen Androgenisierung. Die Patientinnen beklagen kutane Androgenisierungserscheinungen, Zyklusunregelmässigkeiten im Sinne von Oligo- oder Amenorrhö und Sterilität. Die Patientinnen zeigen zudem in der Sonographie häufig vergrösserte polyfollikuläre Ovarien [10]. Laborchemisch zeigen diese Patientinnen einen erhöhten LH/FSH-Quotienten, eine Hypertestosteronämie bei normalen 17-OH-Progesteron-Werten [1]. Bei der Therapieempfehlung sollte zwischen Patientinnen mit und ohne Kinderwunsch unterschieden werden.

Therapiemöglichkeiten bei Patientinnen ohne Kinderwunsch

Bei Wunsch nach Kontrazeption kommen häufig orale Kontrazeptiva mit antiandrogener Gestagenkomponente zum Einsatz, da diese eine Mitbehandlung der kutanen Erscheinungen möglich machen [1]. Sollte kein Wunsch nach Kontrazeption bestehen oder die Patientin Vorbehalte gegenüber oralen Kontrazeptiva haben, kann alternativ ab einer Endometriumdicke von > 5 mm alle 90 Tage eine 12-tägige Gestagentherapie zur Endometriumtransformation durchgeführt werden, z. B. mit Chlormadinonacetat 2 mg [11].

Zur Behandlung der kutanen Androgenisierungserscheinungen kommen wie bereits oben beschrieben topische und systemische Therapieoptionen infrage.

Therapiemöglichkeiten bei Patientinnen mit Kinderwunsch

Letrozol.

Letrozol ist ein Aromataseinhibitor und Mittel der ersten Wahl zur Ovulationsinduktion bei Patientinnen mit PCOS. Obwohl die Wirksamkeit von Letrozol wissenschaftlich erwiesen ist, müssen die Patientinnen über den „off label use“ aufgeklärt werden [12].

Clomifen.

Clomifen ist ein Antiöstrogen und galt vor Anwendung von Letrozol lange als Stimulationsmedikament der ersten Wahl bei PCOS-Patientinnen. Allerdings konnten im Vergleich zu Letrozol niedrigere Schwangerschaftsraten dokumentiert werden [12, 13].

Gonadotropine.

Gonadotropine (z. B. rekombinantes FSH) können bei fehlender Wirksamkeit der o. g. oralen Stimulationsmedikamente angewendet werden [1]. Um eine Überstimulation oder die Entstehung von Mehrlingsschwangerschaften zu vermeiden, sollte mit einer niedrig dosierten Stimulation begonnen werden [12].

FAS II

Das FAS II umfasst das „late onset“ adrenogenitale Syndrom (AGS), bei dem der Ursprung der Hyperandrogenämie adrenal bedingt ist. Beim AGS handelt es sich um eine autosomal-rezessiv vererbbare Erkrankung. Man unterscheidet die klassische von der nichtklassischen Form, auch „late onset“ AGS genannt. Bei der klassischen Form kommt es bereits im Säuglingsalter zur Diagnosestellung, wohingegen die nichtklassische Form aufgrund der geringeren Ausprägung häufig erst später im Leben diagnostiziert wird [14].

Typischerweise kommt es bei diesen Patientinnen zu erhöhten Testosteron- oder DHEAS-Spiegeln. Metabolische Störungen liegen nicht vor. Der LH/FSH-Quotient ist nicht erhöht [1].

Zur Diagnosestellung wird bei serologischer Hyperandrogenämie das 17-OH-Progesteron bestimmt. Sollten sich erhöhte Serumspiegel zeigen, ist ein ACTH-Test indiziert, wobei sich bei Patientinnen mit „late onset“ AGS ein Anstieg des 17-OH-Progesteron zeigt [15].

Während bei Kindern die Glukokortikoidsubstitution therapeutisch im Vordergrund steht, wird bei Patientinnen mit „late onset“ AGS der Schwerpunkt auf die Behandlung der Androgenisierungserscheinung und die Zyklusregulation gelegt. Hierbei finden beispielsweise orale Kontrazeptiva Anwendung. Bei Kinderwunschpatientinnen kann eine Stimulationsbehandlung erforderlich sein [14]. Bei nachgewiesener Erkrankung sollte eine humangenetische Beratung und Testung des Partners empfohlen werden [1].

FAS III

In der Gruppe des FAS III werden PCOS-Patientinnen mit metabolischer Komponente zusammengefasst. Bei den Patientinnen findet sich neben den klassischen Androgenisierungserscheinungen häufig ein erhöhter BMI. Zudem liegt ein gestörter Insulin‑/Glukosemetabolismus vor [10]. Sonographisch zeigen sich polyfollikuläre Ovarien. Serologisch zeigen sich ein erhöhter LH/FSH-Quotient, eine Hyperandrogenämie, wobei vor allem das Testosteron erhöht ist, und ein erniedrigtes SHBG [1, 16].

Therapieoptionen

Neben den unter FAS I bereits aufgezeigten Therapieoptionen bei Patientinnen mit und ohne Kinderwunsch finden beim FAS III nachfolgende Therapieoptionen Anwendung.

Lebensstilmodifikation.

Die Lebensstilmodifikation ist Grundlage der Therapie. Dazu gehören eine moderate Kalorienreduktion, ausgewogene Ernährung und körperliche Bewegung [17]. Hierbei sollte die Patientin messbare Ziele formulieren, die in einem realistischen Zeitrahmen erreicht werden können.

Medikamentöse Therapie.

Metformin. Sollte eine Lebensstilmodifikation allein nicht ausreichen, kann eine medikamentöse Therapie indiziert sein. Metformin findet häufig Anwendung, um die Gewichtsreduktion weiter zu unterstützen, eine mögliche Insulinresistenz zu behandeln und den Androgenspiegel zu senken [9]. Metformin senkt die Androgenproduktion der Thekazellen durch Hemmung des PI3K/Akt-Signalwegs [18]. Metformin wird für diese Indikation im „off label use“ verwendet, eine einschleichende Dosierung wird empfohlen.

Liraglutid. Liraglutid ist ein GLP-1-Analogon mit Zulassung zur Gewichtsreduktion. Studien konnten zeigen, dass eine Behandlung mit Liraglutid in Kombination mit Metformin und Lebensstilveränderung zu einem signifikanten Gewichtsverlust bei übergewichtigen Patientinnen mit PCOS geführt hat [19].

FAS IV

Bei einigen Patientinnen ist eine eindeutige Zuordnung der Ursache der Androgenisierung nicht möglich. Diese Patientinnen werden unter dem FAS IV zusammengefasst. Bei diesen Patientinnen liegen häufig Kombinationen aus FCA (funktionelle kutane Androgenisierung), Adipositas und Hyperinsulinämie vor, die eine klare Einteilung nicht möglich machen [1]. Erkrankungen mit einem ähnlichen Symptomkomplex müssen differenzialdiagnostisch ausgeschlossen werden. Die Wahl der Therapie richtet sich nach der führenden Symptomatik.

Fazit für die Praxis

Für die gynäkologische Praxis gewinnt die Diagnostik und Therapie des PCOS zunehmend an Bedeutung. Die Unterteilung der funktionellen Androgenisierung in ihre Untergruppen kann helfen, das heterogene Bild des PCOS und anderer mit einer Androgenisierung einhergehender Erkrankungen besser zu verstehen, um die individuell notwendige Diagnostik und Therapie einzuleiten. Die Einteilung kann zudem helfen, eine zu häufige Diagnosestellung des PCOS zu vermeiden. Insbesondere bei jungen Patientinnen mit FCA könnte aufgrund der altersentsprechend polyfollikulären Ovarien eine Fehldiagnose gestellt werden. Daher ist neben der Anamnese und der klinischen Beurteilung der Patientin eine Labordiagnostik unverzichtbar. Eine interdisziplinäre Behandlung der Patientinnen zusammengesetzt aus Gynäkologie, Endokrinologie und Dermatologie kann in einigen Fällen erforderlich und nützlich sein. Generell sollte man es vermeiden, den Patientinnen ein unnötiges Krankheitsgefühl zu vermitteln, und gerade im Hinblick auf einen möglichen Kinderwunsch motivierend auf die Patientinnen einwirken.