FormalPara Originalpublikation

Stute P, Eversheim H, Ortius-Lechner D et al (2022) Care reality of menopausal women in Germany: healthcare research using quantitative (SHI claims data) and qualitative (survey) data collection. Arch Gynecol Obstet. https://doi.org/10.1007/s00404-022-06457-9 (2022 Mar 7)

FormalPara Hintergrund.

Die Hormonersatztherapie (HRT) ist gemäss der aktuellen S3-Leitlinie die First-line-Therapie des klimakterischen Syndroms [1]. Dies entspricht jedoch nicht der Versorgungsrealität, wie schon diverse Umfragen von gesetzlichen Krankenkassen gezeigt haben. Das Ziel der vorliegenden Studie war, die Versorgungsrealität von Frauen in den Wechseljahren in Deutschland abzubilden.

FormalPara Zusammenfassung.

Auf Basis einer Befragung von 1000 Frauen im Alter von 45 bis 60 Jahren zu den Themen Lebensqualität, Menopause und HRT sowie einer quantitativen, longitudinalen Versorgungsstudie, basierend auf einem anonymisierten sowie alters- und geschlechtsadjustierten GKV-Routinedatensatzes mit circa vier Millionen anonymisierten Versichertendaten pro Jahr, wurde die medizinische Versorgungssituation und Krankheitslast der Frauen in den Wechseljahren untersucht.

Von mehr als einer halben Million gesetzlich versicherten Frauen im Alter von 35 bis 70 Jahren (n = 613.104) wurden bei 14 % (n = 82.785) klimakterische Störungen als Erstdiagnose im Jahr 2014 dokumentiert. Der Anteil der Frauen mit klimakterischer Störung und ambulant verordneter HRT lag bei 21 % und laut forsa-Umfrage fühlten sich von den befragten Frauen 50 % mittelmässig bis schlecht/sehr schlecht zu Therapiemöglichkeiten informiert. Das Intervall von Erstdiagnose des klimakterischen Syndroms bis zur Erstverordnung einer HRT betrug ca. 1,5 Jahre. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass eine verstärkte Sensibilisierung sowie eine frühzeitige und fundierte Aufklärung zur HRT und deren Risiken und Nutzen dringend nötig ist.

Kommentar

Nur wenige symptomatische menopausale Frauen erhalten in Deutschland die First-line-Therapie, eine HRT. Dies ist international ähnlich. Viele Gründe sind diskutiert worden, wobei die Sorge vor Brustkrebs der grösste ist. Auch 20 Jahre nach der WHI-Publikation ist es international trotz vielfacher Bemühungen nicht gelungen, die Bedenken gegenüber einer HRT zu relativieren. Erschwerend kommt hinzu, dass das Fachwissen in der gynäkologischen Endokrinologie und Menopausenmedizin in diesen 20 Jahren durch u. a. Berentung erfahrener KollegInnen fast verloren gegangen ist und dadurch der Zugang von Frauen zur Beratung erschwert ist. Dies ist an der Unterdiagnosestellung des klimakterischen Syndroms abzulesen. Neue Wege müssen beschritten werden, wobei eHealth (z. B. digitale Gesundheitsapplikationen [DiGA]) eine Rolle spielen könnte.