Traubensilberkerze zur Behandlung des klimakterischen Syndroms

Originalpublikation

Guida M et al (2021) Cimicifuga racemosa isopropanolic extract for menopausal symptoms: an observational prospective case-control study. Gynecol Endocrinol 37(12):1132–1137. https://doi.org/10.1080/09513590.2021.1974381.

Hintergrund.

Im Jahr 2012 kam eine Cochrane-Analyse zu dem Schluss, dass es keine ausreichenden Beweise für die Verwendung von Traubensilberkerze bei Wechseljahresbeschwerden gibt. Dies wurde v. a. auf die heterogene Studienlage zurückgeführt und es wurde angemerkt, dass es jedoch hinreichende Gründe für die Durchführung weiterer Studien in diesem Bereich gibt [1].

Zusammenfassung.

In einer prospektiven 3‑monatigen Kohortenstudie wurden 163 51- bis 54-jährige übergewichtige postmenopausale Frauen nichtrandomisiert mit entweder Traubensilberkerze (isopropanolischer Trockenextrakt 5 mg/Tag; aktiver Behandlungsarm) oder nichts (Kontrollgruppe) behandelt. Das klimakterische Syndrom wurde mittels einer modifizierten Menopause Rating Scale (mMRS; 15 Items, 5‑Punkte-Likert-Skala: 0 Punkte = nicht vorhanden bis 4 Punkte = sehr stark; maximale Intensität = 60 Punkte) bei Baseline, nach 1 und 3 Monaten erfasst. Bei Baseline betrug der mittlere mMRS-Score 26,42 ± 9,14 Punkte (aktiver Behandlungsarm) bzw. 15,7 ± 7,86 Punkte (Kontrollgruppe). Während des 3‑monatigen Beobachtungszeitraums reduzierte sich der mMRS-Score um 17,66 ± 7,89 Punkte (aktiver Behandlungsarm) bzw. 2,9 ± 2,0 Punkte (Kontrollgruppe; Intergruppenvergleich p < 0,001). Analog zum Gesamtscore zeigte sich im aktiven Behandlungsarm nach 3 Monaten für sämtliche erfasste Items eine signifikante Reduktion der Symptomintensität, für die meisten sogar bereits schon nach 1 Monat. V. a. zentralnervöse Symptome wie Hitzewallungen, Schlafstörung und Nervosität profitierten von der Behandlung mit Traubensilberkerze.

Kommentar.

Die Studie bestätigt den günstigen Einfluss einer Behandlung mit Traubensilberkerze auf das klimakterische Syndrom. Wichtig ist, dass die meisten Symptome bereits nach 1 Monat signifikant verbessert waren. Allerdings gibt es einige Limitationen, z. B. fehlende Randomisierung, fehlendes Mindestmass an menopausalen Symptomen als Einschlusskriterium, was sich im unterschiedlichen mMRS-Gesamtscore der beiden Gruppen bei Baseline widerspiegelt, sowie kein Hinweis auf die erfolgte Validierung des Fragebogens in italienischer Sprache. Hinzu kommt, dass Vergleiche von Traubensilberkerzenpräparaten sich aufgrund der unterschiedlichen nationalen Zulassungskriterien oft schwierig gestalten. Spannend sind jedoch die bisher bekannten Mechanismen, über die die Traubensilberkerze das klimakterische Syndrom beeinflusst. Diese reichen u. a. von der Beeinflussung verschiedener Neurotransmittersignalketten auf Gen-, mRNA- und Proteinebene [2] bis zum Schutz der Mitochondrien vor oxidativem Stress [3].

Zusammenhang zwischen einer HRT und der Erstdiagnose einer arteriellen Hypertonie

Originalpublikation

Madika AL et al (2021) Menopausal hormone therapy and risk of incident hypertension: role of the route of estrogen administration and progestogens in the E3N cohort. Menopause 28(11):1204–1208. https://doi.org/10.1097/GME.0000000000001839.

Hintergrund.

Die arterielle Hypertonie ist der wichtigste Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Zu den Risikofaktoren einer arteriellen Hypertonie zählen Alter, erbliche Veranlagung, metabolisches Syndrom, Schlafapnoesyndrom und Lebensstilfaktoren (Übergewicht/Adipositas, salzreiche Ernährung, hoher Alkoholkonsum, Bewegungsmangel, Rauchen, Stress). Daneben spielt das reproduktive Altern bei Frauen eine wichtige Rolle. So konnte erst kürzlich in einer prospektiven Kohortenstudie gezeigt werden, dass der Blutdruck v. a. beim Übergang von der Prä‑/Peri- in die Postmenopause ansteigt [4]. Der Einfluss einer Hormonersatztherapie (HRT) auf den Blutdruck bzw. das Risiko einer arteriellen Hypertonie wird kontrovers diskutiert. Die aktuelle Auswertung der prospektiven Kohortenstudie E3N ging der Frage nach, inwiefern verschiedene HRT-Präparate das Risiko für die Erstdiagnose einer arteriellen Hypertonie bei Frauen in den Wechseljahren beeinflussen.

Zusammenfassung.

Die prospektive E3N-Kohortenstudie startete 1990 mit 98.995 40- bis 65-jährigen Frauen, die alle 2–3 Jahre einen Fragebogen mit u. a. Fragen zur HRT-Anwendung und Komorbiditäten bzw. Medikamenteneinnahme zugeschickt bekamen. Hierbei wurde auf die Anwendungsform von Östrogenen (oral, transdermal) und den Gestagentyp (mikronisiertes Progesteron [MP], Dydrogesteron [DYD], Pregnane [Medrogeston, MPA, CPA, CMA], Norpregnane [NOMAC, Promegeston], Testosteronderivate [z. B. NETA]) eingegangen, nicht aber auf die Dosierung und das Anwendungsregime (sequenziell- oder kontinuierlich-kombinierte HRT). In die vorliegende Auswertung wurden nur Frauen eingeschlossen, die bei Baseline bereits postmenopausal waren und keine arterielle Hypertonie hatten (n = 49.905). Das Risiko für eine HRT-assoziierte inzidente arterielle Hypertonie wurde per Cox-Proportional-Hazard-Modell bestimmt. Wenn eine Frau verschiedene HRT-Präparate hintereinander anwandte, wurde sie jeweils den entsprechenden HRT-Kategorien zugeordnet. Das mittlere Alter bei Studienbeginn betrug 54,2 ± 4,3 Jahre, das mittlere Follow-up 10,6 Jahre. 64,5 % der Teilnehmerinnen hatten zu irgendeinem Zeitpunkt eine HRT verwendet. Bei diesen betrug die Latenz zwischen Menopause und HRT-Start 1,9 ± 3,5 Jahre. Die mittlere HRT-Anwendungsdauer war 7,5 ± 5,2 Jahre. Östrogene wurden vorwiegend transdermal (53 %) eingesetzt, und 64 % der HRT-Anwenderinnen nutzen eine kombinierte HRT. Während des Follow-ups wurden 10.173 Fälle von inzidentem Bluthochdruck dokumentiert.

Im Allgemeinen hatten im Vergleich zu Frauen, die nie eine HRT verwendet hatten, diejenigen, die jemals eine HRT verwendet hatten, ein leicht erhöhtes Risiko für eine arterielle Hypertonie (adjustierte HR 1,07, 95 %-KI 1,02–1,12). Die Subgruppenanalyse zeichnete ein für den klinischen Alltag nützlicheres Bild: Eine Östrogenmonotherapie hatte keinen Einfluss auf das arterielle Hypertonie-Risiko (adjustierte HR 1,03, 95 %-KI 0,97–1,09), wohingegen eine kombinierte HRT es erhöhte (adjustierte HR 1,05, 95 %-KI 1,01–1,20). Beim Vergleich der Anwendungsformen zeigte sich nur für die orale, nicht aber für die transdermale Östrogengabe ein erhöhtes arterielles Hypertonie-Risiko (oral: adjustierte HR = 1,09; 95 %-KI 1,04–1,14 vs. transdermal: adjustierte HR = 1,03; 95 %-KI 0,99–1,07). Für die Beurteilung des Einflusses des Gestagentyps wurde die Anwendungsform der Östrogene nicht berücksichtigt, d. h., alle kombinierten HRT wurden miteinander verglichen. Hier zeigte sich, dass nur die kombinierten HRT-Präparate mit einem Pregnan- bzw. Norpregnanderivat signifikant mit einem Hypertonierisiko verbunden waren (HR = 1,12; 95 %-KI 1,06–1,19 bzw. HR = 1,06; 95 %-KI 1,01–1,13), nicht aber kombinierte HRT-Präparate mit MP oder DYD. Die HRT-Anwendungsdauer spielte für das arterielle Hypertonie-Risiko keine Rolle. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass eine HRT mit einem kleinen, aber signifikant erhöhten Risiko für das Auftreten von Bluthochdruck verbunden sei, insbesondere bei der Verwendung von oralem Östrogen in Kombination mit einem Gestagen aus der Gruppe der Pregnan- und Norpregnanderivate.

Kommentar.

Auf den ersten Blick mögen die Ergebnisse besorgniserregend erscheinen. Bei genauerer Betrachtung wird aber deutlich, dass v. a. Kombinationspräparate mit (Nor‑)Pregnanen als risikobehaftet eingeschätzt werden. Diese sind auf dem Schweizer und deutschen Markt auf dem Rückzug bzw. bereits ausser Handel. Transdermale Östrogene in Kombination mit einem stoffwechselneutralen Gestagen (MP, DYD) erhöhen das Risiko für eine inzidente arterielle Hypertonie jedoch nicht. Zudem hat die Studie einige relevante Schwächen: 1) Es fehlen Angaben und Ergebnisse zu HRT-Präparate-Wechslerinnen, 2) HRT-Dosis und -Regime sind unbekannt, 3) viele der gewählten Adjustierungsfaktoren basieren auf Selbstangaben, 4) es wurde nicht für alle Risikofaktoren einer arteriellen Hypertonie adjustiert, 5) ein sog. „detection bias“ kann nicht ausgeschlossen werden, d. h., Frauen mit HRT suchen evtl. häufiger Ärzte auf, sodass eine arterielle Hypertonie eher erkannt wird. Wie ist die aktuelle Studie im Kontext bisheriger wissenschaftlicher Literatur zu sehen? Eine Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2015 zeigte für eine orale HRT einen neutralen Effekt auf den Blutdruck von hyper- und normotensiven postmenopausalen Frauen. Eine transdermale Östrogentherapie in Kombination mit MP zeigte sogar einen günstigen Einfluss auf den Blutdruck von normotensiven und einen neutralen Effekt auf den Blutdruck von hypertensiven postmenopausalen Frauen [5]. Jüngere Studien zeigen ebenfalls einen günstigen Einfluss einer HRT auf den Blutdruck [4, 6]. Somit bleibt als praktisches Fazit, analog zur S3-Leitlinie Peri‑/Postmenopause [7], Frauen mit kardiovaskulären Risikofaktoren wie arterieller Hypertonie im Zweifelsfall transdermales Östrogen mit einem stoffwechselneutralen Gestagen zu verschreiben.