Einleitung

In Deutschland sind etwa 37 von 100.000 Personen, v. a. Frauen, an einem systemischen Lupus erythematodes (SLE) erkrankt [1]. Dank der verbesserten rheumatologischen Therapiemöglichkeiten stellt sich in der Praxis zunehmend die Frage, ob eine betroffene Frau in den Wechseljahren mit z. B. einer Hormonersatztherapie (HRT) behandelt werden darf.

Definition, Pathophysiologie und Klinik des SLE

Der SLE zählt zu den Kollagenosen. Er ist eine immunologische Systemerkrankung der Haut und des Gefässbindegewebes zahlreicher Organe. Frauen sind häufiger als Männer betroffen (w:m = 10:1; [2]). Es wird eine familiäre Häufung beschrieben, die eine genetische Disposition erkennen lässt, die, in Kombination mit endo- und/oder exogenen Faktoren, zur Entstehung des Krankheitsbilds beiträgt.

Pathophysiologisch kommt es durch (Hyper‑)Aktivierung des Immunsystems zur Bildung antinukleärer Antikörper (ANA) und damit zur Zellschädigung. Durch Zellzerfall und die Freisetzung intranukleärer Substanzen kommt es zur weiteren Aktivierung des Immunsystems und es beginnt ein Circulus vitiosus, der letztlich eine Entzündungsreaktion auslöst, die zur weiteren Schädigung des Gewebes führt. Beim SLE kommt es zur Ausbildung von Immunkomplexen aus Zellkernbestandteilen und Autoantikörpern, die sich u. a. an Gefässwänden ablagern mit der Folge einer Vaskulitis und ggf. langfristig dem Risiko für Gefässverschlüsse. Die beschriebene Aktivierung des Immunsystems kommt nach gegenwärtigem Verständnis unter Vermittlung des Interferonsystems zustande. Dabei spielt vor allem Typ-I-Interferon eine entscheidende Rolle. Diagnostisch wird, z. B. um die Krankheitsaktivität zu erfassen, nicht Interferon selbst bestimmt, sondern es werden Proteine, die als Reaktion auf Interferon sezerniert werden, nachgewiesen. Unter Studienbedingungen werden heute meist die Proteine IP-10 sowie SIGLEC1 bestimmt, dabei korreliert die Höhe der Serumspiegel dieser Marker positiv mit der Krankheitsaktivität [3]. Tab. 1 gibt einen Überblick über typische immunologische Laborbefunde beim SLE.

Tab. 1 Immunologische Laborbefunde beim SLE [2]

Der SLE verläuft typischerweise in Schüben, dabei kommt es zu Krankheitsphasen mit ausgeprägten Symptomen (Tab. 2), jedoch können zwischen einzelnen Schüben durchaus auch lange Phasen ohne signifikante Krankheitsaktivität liegen.

Tab. 2 Mögliche Symptome beim SLE [2]

Einfluss der endogenen Sexualhormonexposition auf den SLE

Sexualsteroidhormone haben einen direkten Einfluss auf immunologische Prozesse. So kommt es unter Östrogeneinfluss zu einer Verstärkung, unter Progesteron und Androgenen eher zu einer Abschwächung der autoimmunologischen Aktivität [4, 5]. Die Zellen des immunologischen Systems (T-Zellen, B‑Zellen, Natürliche Killer[NK]-Zellen, Granulozyten etc.) exprimieren sowohl Östrogenrezeptor (ER) alpha als auch Progesteron- (PR) und Androgenrezeptoren (AR). Östrogene verstärken das humorale Immunsystem, d. h., die Sekretion von Autoantikörpern wird verstärkt (> Frauen haben häufiger Autoimmunerkrankungen). Gleichzeitig wirken sie im Bereich des zellulären Immunsystem antiinflammatorisch, d. h., die Th2-Response nimmt zu (> Frauen haben häufiger Allergien). Progesteron und Androgene wirken ähnlich auf das humorale Immunsystem (Suppression), jedoch entgegengesetzt auf das zelluläre Immunsystem (Progesteron: antiinflammatorisch, Androgene: proinflammatorisch; [6, 7]). Der unterschiedliche Einfluss der Sexualhormone auf das Immunsystem spiegelt sich beim SLE wider: 1) In der Kindheit ist die Dominanz des weiblichen Geschlechts beim SLE weniger stark ausgeprägt als nach der Pubertät (w:m = 3:1; [8]). 2) Mädchen mit Menarche vor dem 10. Lebensjahr haben ein signifikant erhöhtes relatives Risiko (RR) für die Entwicklung eines SLE (RR 2,1, 95 %-Konfidenzintervall 1,4–3,2; [9]). 3) In der fertilen Lebensphase sind Frauen 10 × häufiger als Männer vom SLE betroffen, wohingegen postmenopausal der Quotient auf 8:1 sinkt [8]. 4) In der Schwangerschaft kommt es aufgrund der stark erhöhten plazentaren Östrogensynthese zu einer Verschlechterung des Krankheitsbilds mit Zunahme der Intensität und Häufigkeit der SLE-Schübe.

Anders als früher vermutet, ist ein SLE nicht mit einem erhöhten Risiko für eine prämature Ovarialinsuffizienz (POI) assoziiert. Dies geht aus einer transversalen Kohortenstudie mit 961 Frauen mit SLE hervor: Nach Adjustieren bzgl. der POI-Risikofaktoren „Nikotinabusus“ und „Chemotherapie“ betrug das mediane Menopausenalter wie in der Normalbevölkerung 50 Jahre [10].

Frauen mit SLE in den Wechseljahren

Die ersten Symptome eines SLE treten meistens (65 %) zwischen 16 und 55 Jahren auf, bei 20 % schon vor dem 16. Lebensjahr bei 15 % [11] nach dem 55. Lebensjahr [12]. Das mediane Alter bei Erstdiagnose liegt bei Kaukasierinnen zwischen 37 und 50 Jahren. Somit werden die meisten SLE in der fertilen Lebensphase diagnostiziert. Wird die Erstdiagnose SLE erst in der Postmenopause gestellt, so scheinen Nephropathien und das charakteristische Schmetterlingserythem zwar seltener, aber dafür eine Pleuritis und ein Sjögren-Syndrom häufiger aufzutreten [13,14,15].

Der Einfluss der Menopause auf die Häufigkeit und Intensität von SLE-Symptomen ist variabel und reicht von „ohne Einfluss“ bis zu „signifikante Verbesserung“ [16,17,18]. Allerdings kommen bei Frauen mit SLE in den Wechseljahren neue Gefahren hinzu, nämlich das durch den menopausalen Östrogenabfall erhöhte Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und Osteoporose. Dies betrifft v. a. Frauen mit SLE, die mit Glukokortikoiden behandelt werden [19, 20].

Auf zwei Studien, die den Einfluss der Wechseljahre auf den Verlauf des SLE untersucht haben, soll nun detailliert eingegangen werden. In der ersten, einer multiethnischen longitudinalen Studie, wurde der SLE-Verlauf bei 436 prämenopausalen und 82 postmenopausalen Frauen während etwa 36 Monaten beobachtet und verglichen. Bei postmenopausalen Frauen wurde eine geringere Prävalenz renaler Komplikationen, jedoch eine höhere Rate vaskulärer Ereignisse und thromboembolischer Komplikationen beobachtet. Allerdings wurde die Verschlechterung des Krankheitsbilds eher der Krankheitsdauer und weniger der Menopause zugeschrieben [18]. Die zweite, ebenfalls eine Longitudinalstudie, untersuchte den Krankheitsverlauf von Frauen mit SLE in der Prä‑, Peri- und Postmenopause. Die SLE-Krankheitsaktivität, gemessen mit einem Index, der u. a. auf den Kriterien Vaskulitis, Proteinurie, Erythem, Perikarditis und Nachweis von Anti-dsDNS-Antikörpern basierte, war bei Frauen in der Prämenopause signifikant höher als in den anderen reproduktiven Lebensphasen. Auch hier kann also festgehalten werden, dass die Krankheitsaktivität in Abhängigkeit von der Dauer der Erkrankung nachlässt. Allerdings zeigt sich auch, analog zu der ersten Studie, eine höhere Mortalität aufgrund von Begleiterkrankungen [21].

Der menopausale Östrogen- und Progesteronabfall ist mit diversen akuten (klimakterisches Syndrom) und chronischen Hormonmangelfolgen (z. B. kardiovaskuläre Erkrankung, Osteoporose) assoziiert. Frauen ohne (hormonabhängige) Erkrankung profitieren meist von einer HRT [22]. Bei Frauen mit SLE, die in die Wechseljahre kommen, stellen sich mindestens zwei Fragen:

  1. 1.

    Ist eine HRT bei klimakterischem Syndrom wirksam?

  2. 2.

    Verschlechtert eine HRT den SLE-Krankheitsverlauf?

Die erste Frage kann mit „Ja“ beantwortet werden ([23,24,25]; cave: Komorbiditäten und Komedikation können als Begleiterscheinung bzw. Nebenwirkung einzelne menopausale Symptome verstärken!).

Der Einfluss einer HRT auf den SLE-Krankheitsverlauf wurde nur in wenigen und kleinen Studien untersucht (Tab. 3).

Tab. 3 Einfluss einer HRT auf das Risiko von „flares“ bei Frauen mit SLE. (Modifiziert nach [6])

Als Endpunkt wurden meistens die sog. „flares“ gewählt. Hierunter versteht man zum Teil unspezifische Symptome wie anhaltendes Fieber nicht aufgrund einer Infektion, schmerzhafte, geschwollene Gelenke, Zunahme der Müdigkeit, Hautausschläge, Wunden oder Geschwüre im Mund oder in der Nase und/oder eine allgemeine Schwellung der Beine. Die vorliegenden Kohortenstudien zeigen kein erhöhtes Risiko für das Auftreten von „flares“ unter einer HRT. Die Ergebnisse der randomisiert-kontrollierten Studien (RTC) sind heterogen und sollen im Folgenden detailliert beschrieben werden. Die erste RCT schloss 351 postmenopausale, im Mittel 50-jährige Frauen mit entweder inaktivem SLE (81,5 %) oder stabil-aktivem SLE (18,5 %), die parallel mit ≤ 0,5 mg Prednison/Tag behandelt wurden, ein [23]. Ausschlusskriterien waren ein hoher Antiphospholipidantikörpertiter und Zustand nach Thromboembolie. Die Frauen erhielten entweder eine orale sequenzielle HRT (CEE 0,625 mg/Tag + MPA 5 mg/Tag an 10 Tagen pro Monat) oder Placebo. Die geplante Therapiedauer betrug 12 Monate. Etwa 36 % der Teilnehmerinnen brachen vor Studienende die Studie ab. Schwere „flares“ traten bei 7,5 % der HRT-Anwenderinnen und bei 4,5 % in der Placebogruppe auf (nichtsignifikanter Unterschied, Intention-to-treat-Analyse). Vor allem bei Frauen mit stabil-aktivem SLE war das Risiko schwerer „flares“ signifikant erhöht. Dagegen traten leichte bis moderate „flares“ im aktiven Behandlungsarm signifikant häufiger als in der Placebogruppe auf. Das Fazit der Autoren war, dass die Vorteile einer HRT die Risiken für „flares“ kompensieren, da diese meist leicht gewesen seien. In die zweite RCT wurden 106 Frauen in der Peri- oder Postmenopause eingeschlossen und ebenfalls entweder mit einer oralen sequenziellen HRT (CEE 0,625 mg/Tag + MPA 5 mg/Tag an 10 Tagen pro Monat) oder mit Placebo behandelt [24]. 84 % der Teilnehmerinnen wurden während 12 Monaten und nur 71 % während der ursprünglich geplanten zwei Jahre Therapiedauer beobachtet. Ausschlusskriterien waren eine hohe Krankheitsaktivität, Alter 65+ und Zustand nach Thromboembolie. In dieser Studie wurde kein Unterschied bzgl. Krankheitsaktivität und Anzahl der „flares“ beobachtet.

Somit ist die zweite Frage nicht eindeutig zu beantworten. Die Mehrheit der Studien zeigt keinen (signifikant) ungünstigen Einfluss einer HRT auf den SLE-Krankheitsverlauf. Es muss jedoch angenommen werden, dass der Krankheitsverlauf bei Frauen mit schwerem oder langjährigem SLE aufgrund der präexistenten endothelialen Dysfunktion unter einer HRT ungünstig(er) sein könnte.

Die EULAR-Empfehlungen (Expertengruppe der European League Against Rheumatism) zum Einsatz einer HRT beim klimakterischen Syndrom sind wie folgt [30]:

  1. 1.

    Eine HRT kann zur Reduktion von schweren vasomotorischen Beschwerden bei Frauen mit inaktivem/stabilem SLE und negativem Antiphospholipidantikörpertiter eingesetzt werden.

  2. 2.

    Die Anwendung einer HRT sollte bei Frauen mit SLE und positivem Antiphospholipidantikörpertiter sorgfältig gegenüber dem erhöhten Risiko für Thromboembolien und kardiovaskuläre Erkrankungen abgewogen werden.

Einschränkend muss hinzugefügt werden, dass die meisten Studien eine orale HRT (CEE + MPA) einsetzten, welche per se mit einem erhöhten Risiko für Thromboembolien und kardiovaskuläre Erkrankungen assoziiert ist [22]. Eine transdermale Östrogentherapie wäre hier grundsätzlich von Vorteil. Wenn also eine HRT eingesetzt wird, dann sollte ein niedrig dosiertes transdermales Östrogen in Kombination mit mikronisiertem Progesteron oder Dydrogesteron gewählt werden [6]. Wenn eine Östrogentherapie kontraindiziert ist, kann eine orale Progesteronmonotherapie erwogen werden [31]. Eine vaginale Östrogentherapie bei dem sog. „genitourinary syndrome of menopause“ ist auch bei positivem Antiphospholipidantikörpertiter möglich [6]. Wenn eine HRT eingesetzt wird, sollten engmaschige Verlaufskontrollen beim Gynäkologen und Rheumatologen erfolgen.

Fazit für die Praxis

  • Der SLE betrifft v. a. Frauen im fertilen Alter.

  • Die SLE-Krankheitsaktivität nimmt meist mit der Krankheitsdauer ab.

  • Die Menopause hat einen variablen Effekt auf den SLE-Krankheitsverlauf.

  • Eine HRT kann zur Behandlung des klimakterischen Syndroms bei Frauen mit stabilem/inaktivem SLE und negativem Antiphospholipidantikörpertiter eingesetzt werden (transdermales Östrogen kombiniert mit stoffwechselneutralem Gestagen). Engmaschige Kontrollen durch Gynäkologie und Rheumatologie!

  • Eine HRT sollte bei Frauen mit SLE und positivem Antiphospholipidantikörpertiter zurückhaltend nach Abwägen der Vor- und Nachteile eingesetzt werden.

  • Eine vaginale Östrogentherapie ist immer möglich.

  • Mögliche Alternativen zur Reduktion von vasomotorischen Symptomen sind u. a. eine orale Progesteronmonotherapie, ausgewählte Antidepressiva und Antikonvulsiva sowie Phytotherapeutika ohne Einfluss auf den Östrogensignalweg (z. B. Traubensilberkerze).