„Female athlete triad“ vs. RED-S

Reden wir nun von der „female athlete triad“ (FAT) oder dem „relative energy deficiency in sports“ (RED-S)? Da scheiden sich die Geister weiterhin. Vorab ein kurzer historischer Abriss: Noch nicht allzu lange her im Jahr 1976 ging die US-Amerikanerin Katherine Switzer als erste dazumal noch als Mann verkleidete Marathonläuferin am Boston-Marathon in die Sportgeschichte ein. Sie gilt als Paradebeispiel für das Erwachen des kompetitiven Frauensports in den 70er- und 80er-Jahren. Gleichzeitig wurden erstmals Insuffizienzfrakturen bei Sportlerinnen, insbesondere bei Läuferinnen mit Essstörungen, beschrieben [1]. Die FAT wurde erstmals 1997 durch das American College of Sports Medicine (ACSM) definiert [2]. Zu dieser Triade gehören: gestörtes Essverhalten und unregelmässige Menstruationszyklen gepaart mit einer verminderten Knochendichte durch den Abfall der Östrogenlevel. Folgestudien brachten mehr Licht in die Pathophysiologie dieses Geschehens und zeigten, dass nicht nur ein gestörtes Essverhalten, sondern eine gestörte Energieverfügbarkeit als Hauptverursacher dieser Triade anzusehen ist [3]. Auch bei männlichen Athleten wurde die Assoziation zwischen verminderter Knochendichte und hypogonadalem Hypogonadismus hergestellt [4]. Im Jahr 2014 wurde der Terminus wie auch das Konzept des FAT durch ein Expertengremium des International Olympic Committee (IOC) überarbeitet und die FAT in das Konzept des „RED-S“ integriert. Das Konzept der FAT wurde bisher noch nicht von allen Fachkreisen verlassen und so bestehen zurzeit beide Konzepte fort. Der gemeinsame Nenner beider Konzepte besteht darin, dass eine verminderte Energieverfügbarkeit und nicht zwingend eine zugrunde liegende Essstörung als Hauptauslöser der FAT wie des RED‑S angesehen wird. Gemäss einer aktuellen Umfrage an einer Sportmedizinkonferenz an der Harvard Medical School fehlt das Bewusstsein für die Begrifflichkeit und für das Therapiekonzept des RED‑S bei 71 % der Konferenzteilnehmenden [5]. Dieses Resultat ist nebenbei aber auch ein Abbild des existierenden „Grabenkampfs“ zwischen Europa und den USA, wobei dort weiterhin am Konzept der FAT festgehalten wird. Der folgende Artikel widmet sich dem Management des RED‑S.

RED-S

Das RED‑S beschreibt sämtliche pathophysiologischen Auswirkungen einer verminderten Energieverfügbarkeit bei weiblichen und männlichen Sportlern [6]. Die Energieverfügbarkeit entspricht der Restenergiemenge, die dem Organismus pro kg fettfreier Masse (FFM) für die Aufrechterhaltung der restlichen Körperfunktionen zur Verfügung steht, nachdem der Energieaufwand für die Bewegung von der Energieaufnahme abgezogen wurde (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Gleichung zur Herleitung der Energieverfügbarkeit. FFM „fat free mass“

Eine tiefe Energieverfügbarkeit resultiert aus zu niedriger (un-)beabsichtigter Kalorienzufuhr, zu hohem Kalorienverbrauch oder deren Kombination. In Zahlen ausgedrückt wird eine Energieverfügbarkeit von mindestens 45 kcal/kg FFM pro Tag als adäquat und eine von < 30 kcal/kg FFM pro Tag als zu niedrig angesehen, um sämtliche Körperfunktionen aufrechtzuerhalten. Eine tiefe Energieverfügbarkeit kann, muss aber nicht mit einer Essstörung vergesellschaftet sein [7]. Insbesondere körperbetonte Sportarten sind gefährdet für Zustände mit niedriger Energieverfügbarkeit und der Entwicklung eines RED‑S respektive einer FAT [8]. Dazu gehören Sportarten mit Schwerpunkt auf Ästhetik und Erscheinung (z. B. Kunstturnen, Ballett, Eiskunstlaufen, Synchronschwimmen), Ausdauersportarten (Laufen, Radfahren, Orientierungslauf und Langlauf) und gewichtsabhängige Sportarten (Leichtathletik, Klettern, Rudern und Kampfsport). Die Prävalenz für eine verminderte Energieverfügbarkeit wird über beide Geschlechter verteilt und abhängig von der jeweiligen Sportart auf 22–58 % geschätzt [9].

Pathophysiologie des RED-S

Mit einer verminderten Energieverfügbarkeit wird eine Kaskade pathophysiologischer Anpassungsreaktionen in Gang gesetzt. Dies mit dem Ziel, untergeordnete Organsysteme auf „Sparflamme“ und das Fortschreiten der negativen Energiebilanz in Grenzen zu halten. Aufgrund der verminderten Kohlenhydratverfügbarkeit wird reaktiv versucht, die Energiebereitstellung mittels Lipolyse zu fördern und den Energieverbrauch zu reduzieren [10]. Die Stoffwechselanpassungen und deren freigesetzte Substrate bewirken eine Inhibition der Hypothalamus-Hypophysen-Achse. Zu diesen Substraten gehören beispielsweise veränderte Konzentrationen der appetitregulierenden Hormone mit erniedrigten Leptin- und Oxytocinwerten und erhöhten Serumkonzentrationen von Ghrelin, IGF‑1, Peptid YY und Adiponektin [11]. Die Signalwirkung dieser Substrate inhibiert sowohl die Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden(HHG)- als auch die Hypothalamus-Hypophysen-Thyreoidea-Achse (Abb. 2). Der Grundumsatz wird gedrosselt und das reproduktive System protektiv rigoros „heruntergefahren“. Die Energiemobilisation wird intensiviert über eine kortisolvermittelte Glukoneogenese durch Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse [12]. Parallel zum Kortisol bewirken die bereits erwähnten veränderten appetitregulierenden Hormonkonzentrationen eine Hemmung der GnRH-Sekretion mit folglich alterierter LH-Pulsatilität [13]. Die Folge sind Zyklusstörungen, weil die ovarielle Funktion (Follikelreifung) aufgrund der erniedrigten Gonadotropinspiegel nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Sind simultan zum Energiedefizit zusätzliche niederschwellige Stressoren (psychosozial, beruflich) vorhanden, wird die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse verstärkt aktiviert und damit eine Amenorrhö zusätzlich begünstigt. Das Aufspüren und Beachten von niederschwelligen Stressoren bei Athletinnen kann massgeblich zur erfolgreichen Behandlung einer Amenorrhö beitragen [14]. Nebst der Energieverfügbarkeit und niederschwelligen Stressoren scheinen zudem genetische Faktoren ebenso zur Funktionalität der HHG-Achse bei Sportlern beizutragen [15].

Abb. 2
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Adaptive Prozesse bei tiefer Energieverfügbarkeit. (Grafik adaptiert nach [11])

Symptomkomplex des RED-S

Das Symptombild des RED‑S ist vielfältig. Nebst den Zyklusstörungen und der verminderten Knochendichte können immunologische, gastrointestinale, psychische, hämatologische, endokrine, metabolische und kardiovaskuläre Funktionsstörungen auftreten ([6]; Abb. 3). Das Spektrum der verursachten Zyklusstörungen reicht von der ovulatorischen Eumenorrhö über subklinische Zyklusstörungen in Form von Lutealphasendefekten und regelmässigen Zyklen ohne Ovulation bis zur funktionellen hypothalamischen Oligo- und Amenorrhö [16, 17]. Dabei können bereits subklinische Zyklusstörungen wie die Oligomenorrhö und Lutealphasendefekte die Knochendichte ungünstig beeinflussen [18]. Bemerkenswert ist, dass beispielsweise intensive Trainingseinheiten bei ausreichender Energieverfügbarkeit die pulsatile GnRH-Sekretion im Gegensatz zu längeren Phasen mit erniedrigter Energieverfügbarkeit (< 30 kcal/kg FFM pro Tag) nicht beeinflussen [3]. Eine kontrollierte leichtgradig erniedrigte Energieverfügbarkeit über eine kurze Zeitepisode (30–45 kcal/kg FFM pro Tag) – beispielsweise im Rahmen einer gezielten Gewichtsreduktion vor grossen Wettkämpfen wie den Olympischen Spielen – scheint vom Körper toleriert zu werden. Hingegen können kurz dauernde Phasen mit deutlich erniedrigter Energieverfügbarkeit (< 30 kcal/kg FFM pro Tag) – beispielsweise im Rahmen eines Trainingslagers mit zu hohem Trainingsumfang und inadäquater Kalorienzufuhr – die HHG-Achse längerfristig vom herkömmlichen Rhythmus abbringen [13]. Bei beeinträchtigter HHG-Achse ist die Schilddrüsenfunktion meist ebenso kompromittiert [19]. Betreffend Immunsystem ist das Infektionsrisiko bei Athletinnen mit RED‑S erhöht. So konnte bei Athletinnen mit tiefer Energieverfügbarkeit eine Häufung von oberen Atemwegsinfektionen beobachtet werden (Odds Ratio = 3,8; [20]). Bei amenorrhoischen Ausdauerläuferinnen konnten erniedrigte mukosale IgA-Konzentrationen im Speichel nachgewiesen werden, was durch den immunsuppressiven Effekt einer tiefen Energieverfügbarkeit erklärt wird [21]. Damit wäre vielleicht auch eine Verschlechterung eines bislang gut kontrollierten Asthma bronchiale zu erwarten. Dazu existieren jedoch bisher keine Daten. Der Wegfall des kardioprotektiven Effekts durch die weiblichen Geschlechtshormone kann bei amenorrhoischen Athletinnen ein ungünstiges Lipidprofil hervorrufen mit folglich endothelialer Dysfunktion und früher Atherosklerose [22]. Hämatologisch ist bei Athletinnen mit RED‑S häufig eine Eisenmangelanämie anzutreffen und gilt als hinweisender Marker für Energiemangelzustände [23]. Ein Ferritinmangel kann aufgrund der Appetithemmung wie auch der Akzentuierung der verminderten Energiebereitstellung ein RED‑S unterhalten [24]. Im psychiatrischen Formenkreis konnten bei Athletinnen mit Energiedefizit gehäuft milde Depressionen, psychosomatische Störungen und eine reduzierte Stresstoleranz beobachtet werden. Die Prävalenz von Essstörungen ist bei Sportlerinnen (13,5 %) im Vergleich zur Normalbevölkerung (4,6 %) deutlich erhöht [25]. Essstörungen können dem RED‑S vorausgehen oder vice versa [26]. Die kurzfristige Leistungssteigerung durch eine Gewichtsreduktion bei Athletinnen wird längerfristig neben den bereits erwähnten gesundheitlichen Folgen mit leistungsphysiologischen Einschränkungen bezahlt. Dazu gehören eine verminderte Ausdauerfähigkeit, ein erhöhtes Verletzungsrisiko, eine verminderte Trainingsantwort, ein vermindertes Koordinationsvermögen, eingeschränkte Glykogenreserven und durch die verminderte Proteinsynthese auch eine reduzierte Muskelkraft [27].

Abb. 3
figure 3

Symptomkomplex RED‑S. (Grafik adaptiert nach [6])

Screening und Biomarker für niedrige Energieverfügbarkeit

Die Herausforderung besteht darin, dass eine verminderte Energieverfügbarkeit keine unmittelbaren Symptome hervorruft. Die negative Energiebilanz induziert fliessend metabolische Adaptionen, die bei längerem Fortbestehen körperliche und psychische Erkrankungen verursachen können. Das frühzeitige Erkennen von Zuständen niedriger Energieverfügbarkeit ist essenziell in der Betreuung von Sportlerinnen [6]. Aufgrund der hohen Fehleranfälligkeit der bisherigen Messmethoden gibt es bisher keinen Goldstandard zur quantitativen Messung der Energieverfügbarkeit [8]. Standardisierte Fragebögen können helfen, Athleten mit erniedrigter Energieverfügbarkeit früh zu identifizieren. Als bisher einzige validierte Screeningmethode wurde ein Fragebogen ausgearbeitet, der Low Energy Availability Female Questionnaire (LEAF‑Q, Sensitivität 78 %, Spezifität 90 %). Dieser kurze Fragebogen beinhaltet 25 Fragen mit Schwerpunkt auf gastrointestinalen Beschwerden, Verletzungen und dem reproduktiven System. Wobei ein Totalscore ≥ 8 als Indikator für eine negative Energiebilanz gilt (Cronbachs alpha 0,71; [28]). Die Sensitivität des Fragebogens lässt vermuten, dass nicht sämtliche Facetten des RED‑S im LEAF‑Q berücksichtigt werden. Die Spezifität von 90 % weist darauf hin, dass beispielsweise bei einer oligo-/amenorrhoischen Athletin im Rahmen eines PCOS und normalen Energiestatus fälschlicherweise die voreilige Diagnose eines RED‑S gestellt werden könnte, sofern keine ausführliche gynäkologische Abklärung erfolgt. Parameter wie beispielsweise erniedrigte Leptin-, erniedrigte bis tiefnormale Triiodthyronin(fT3)- [18] wie auch erhöhte Kortisolserumkonzentrationen konnten mit einer niedrigen Energieverfügbarkeit assoziiert werden (Abb. 2; [10, 11, 27]). Ein laborchemisches Screening mittels Bestimmung solcher energieabhängiger Biomarker wird zurzeit aufgrund schmaler und vereinzelt widersprüchlicher Studienbasis wie auch fehlender „Cut-off-Werte“ für Sportler noch nicht empfohlen [9].

Diagnostik bei oligo- und amenorrhoischen Sportlerinnen

Von einer primären Amenorrhö spricht man beim fehlenden Einsetzen der Menstruation bis zum 16. Lebensjahr. Beim Ausbleiben der Menstruation über 3 Monate bei vorher regelmässigem Zyklus spricht man von einer sekundären Amenorrhö. Liegt ein regelmässiger Zyklus von 25 bis 35 Tagen vor, kann von einer guten Ovarfunktion ausgegangen werden. Die Art der Zyklusstörung erlaubt eine Aussage über das Ausmass der Follikelreifungsstörung. Damit entspricht die Corpus-luteum-Insuffizienz einer leichten, die Oligomenorrhö einer mittleren und die Amenorrhö einer kompletten Follikelreifungsstörung mit Anovulation. Die Prävalenz der Amenorrhö beträgt bei Athletinnen bis zu 12–79 % [29] und ist im Vergleich zur Normalbevölkerung deutlich erhöht (3–4 %; [30]). Die bei Sportlerinnen sehr häufige funktionelle hypothalamische Oligomenorrhö/Amenorrhö entspricht einer Ausschlussdiagnose. Aufgrund der multiplen in Betracht zu ziehenden Differenzialdiagnosen ist bei Sportlerinnen mit unerklärter Amenorrhö eine ausführliche gynäkologisch-endokrinologische Abklärung unabdingbar. In einem ersten Schritt wird eine ausführliche Anamnese unter Berücksichtigung potenzieller niedrigschwelliger Stressoren (bspw. Schlafdauer und -qualität, Gewichtsfluktuationen, Affekt, beruflicher und psychosozialer Stress) erhoben. Die klinische Untersuchung umfasst die Bestimmung der Körpermasse (Gewicht, Grösse, BMI, ggf. Körperfettanteil) und eine gynäkologische Untersuchung mit Augenmerk auf die sekundären Geschlechtsmerkmale (Pubertätsstadien nach Tanner) wie auch einer sonographischen Beurteilung des inneren Genitales zum Ausschluss von Fehlbildungen. Die Diagnostik wird ergänzt durch eine laborchemische Basisuntersuchung mitsamt Blutbild, humanem Choriongonadotropin (HCG), thyreoideastimulierendem Hormon (HCG), freiem Tri‑/Tetrajodthyronin (fT3/4), luteinisierendem Hormon (LH), follikelstimulierendem Hormon (FSH), Prolaktin, Estradiol, Dehydroepiandrosteronsulfat (DHEA-S), Ferritin mitsamt Zinkprotoporphyrin (ZnPP), „soluble transferrin receptor“ (sTfR) und C‑reaktivem Protein (CRP). Die Laboruntersuchung soll bei nüchterner Patientin frühmorgendlich, falls möglich frühzyklisch (1.–5. Zyklustag) und stets durch das gleiche Labor durchgeführt werden. Hormonkonzentrationen werden mittels der ELISA-Analysemethode ermittelt. Zu beachten ist, dass diese methodenbedingt typischerweise bei sehr niedrigen und sehr hohen Hormonkonzentrationen die höchste Ungenauigkeit aufweisen. Die Labordiagnostik soll mit endokrinologischen Funktionstests (Gestagentest, Östrogen-Gestagen-Test, ggf. GnRH-Test) komplettiert werden. Bei Vorliegen einer Hyperprolaktinämie und fokal neurologischen Symptomen wie Kopfschmerzen oder wiederholtem Erbrechen ist eine Bildgebung mittels Schädel-MRT der Hypophysenregion indiziert. Ab einer Amenorrhödauer von > 6 Monaten wird bei Athletinnen eine Knochendichtenmessung mittels „dual energy x‑ray absorptiometry“ (DXA) empfohlen. Diese kann bei klinischem Verdacht mit ausgeprägtem Energiedefizit, Untergewicht oder Vorliegen von Insuffizienzfrakturen in der Anamnese bereits früher erwogen werden [17].

Management des RED-S

Die Behandlung des RED‑S liegt mit der Wiederherstellung einer ausgeglichenen Energiebilanz auf der Hand, sofern keine Essstörung dem Energiedefizit vorausgeht. Dies ist einfacher gesagt als getan. Die Herausforderung gilt sowohl für das betreuende Team als auch für die Athletin. Einerseits fehlen allgemeingültige Therapieempfehlungen für Athletinnen mit RED‑S und auf der anderen Seite wird die Athletin auf eine zeitintensive Geduldsprobe gestellt. Es lohnt sich gemeinsam mit der Athletin einen multimodalen Behandlungsplan mitsamt Zielvereinbarungen und Zeithorizont zu formulieren [31]. Die Athletin soll darüber informiert werden, dass trotz wiederhergestellter Energieverfügbarkeit eine Latenz von 12 Monaten bis zum Wiedereinsetzen der Menstruation zu erwarten ist [32]. Nährstoffmängel wie Kalzium‑, Vitamin-D- und Ferritinmangel sollen überprüft und ausgeglichen werden. Bei anamnestisch inadäquater Kalziumzufuhr (< 1300 mg täglich) soll zur Unterstützung der Knochenmineralisation eine Kalziumsubstitution kombiniert mit Vitamin D erfolgen [33, 34]. Ein Ferritinmangel soll initial peroral und bei fehlendem Ansprechen über 6 Monate parenteral substituiert werden. Zu beachten ist, dass der Cut-off für einen Ferritinmangel mit 50 mcg/l bei Athleten höher liegt als derjenige in der Normalpopulation (30 mcg/l; [35]). Bei amenorrhoischer Athletin mit unauffälliger Knochendichtenmessung soll primär ein nichtpharmakologisches Vorgehen erfolgen mit dem Ziel der Wiederherstellung einer positiven Energiebilanz [17]. Bei der Trainingsempfehlung gilt das Hauptaugenmerk der Reduktion des Trainingsvolumens. Da aber eine Kalorienrestriktion im Vergleich zum Trainingsvolumen den hauptsächlichen Effekt auf die Störung der Hormonachse hat, soll hier der Schwerpunkt gelegt werden [3]. Mittels einer auf Sport spezialisierten Ernährungsberatung soll die Energieverfügbarkeit quantitativ ermittelt und die Kalorieneinnahme adäquat optimiert werden. Dies gelingt am besten bei Sportlerinnen mit unbeabsichtigt tiefer Energiebilanz [25]. Beim grossen Teil der Athleten fehlt das Wissen, wie mittels Ernährungsgewohnheiten Zustände tiefer Energieverfügbarkeiten verhindert werden können [9]. Entgegen der sonstigen Empfehlung führen beispielsweise Nahrungsmittel mit hohem Fasergehalt und tiefem glykämischem Index zur ungewünschten Nebenwirkung der verlangsamten und damit eingeschränkten Kalorienresorption [36]. Neben der Ernährungssituation soll auch potenziellen niederschwelligen Stressoren Beachtung geschenkt werden (Schlafmangel, berufliche und psychosoziale Belastungssituationen). Athletinnen mit zusätzlichen Stressoren können von einer kognitiven Verhaltenstherapie profitieren [37]. Kombinierte Kontrazeptiva sollten bei Athletinnen nicht grundsätzlich zur Wiederherstellung eines Blutungsmusters verwendet werden, da diese ein persistierendes Energiedefizit maskieren, ohne dabei die Knochendichte zu verbessern [17, 38]. Kann trotz sämtlicher Bemühungen im Verlauf kein spontanes Wiedereinsetzen der Menstruation erzielt werden, empfiehlt sich bei Sportlerinnen eine Reevaluation der Knochendichtemessung mittels DXA 12 Monate nach der ersten Messung [16]. Zeigt sich dort zwischenzeitlich eine Abnahme der Knochendichte entsprechend einer Osteopenie (Z-Wert < −1 SD), ist die Indikation zur zusätzlichen pharmakologischen Therapie zur Prävention eines weiteren Knochenmatrixverlusts gegeben und soll mit der Patientin besprochen werden. Diese beinhaltet analog zur Hormonsubstitution bei Patientinnen mit Anorexia nervosa die transdermale Gabe von standarddosiertem 17β-Estradiol (z. B. als Patch) in Kombination mit einem sequenziell oder kontinuierlich-kombinierten Gestagen [17, 39]. Das Abwarten von einem Jahr sollte jedoch nicht als Fixum betrachtet werden. Wenn z. B. eine Amenorrhö schon länger vorliegt, sind auch bei normaler Knochendichtemessung potenzielle Folgeerscheinungen auf z. B. das Herz-Kreislauf-System nicht auszuschliessen. Die Indikation zur Hormontherapie sollte daher grosszügig und in Rücksprache mit dem betreuenden gynäkologischen Endokrinologen gestellt werden.

Prävention des RED-S

Eine solide Primär- und Sekundärprävention für das RED‑S schafft die Grundlage für gesunde Athletinnen mit längerfristigem Leistungshorizont. Zur Primärprävention gehören eine breite und fundierte Aufklärung der Athletinnen und des Betreuungsstabs (Trainer, Sportmediziner und Eltern). Eine gute Sekundärprävention hilft, Athletinnen mit niedrigem Energiestatus frühzeitig zu detektieren. Dies kann gelingen, indem bei Verdachtsmomenten (z. B. entwicklungsuntypische oder suspekte Gewichtsabnahme, rezidivierende Verletzungen, Leistungsstagnation) der offene feinfühlige Dialog mit der Athletin gesucht wird. Das bereits erwähnte Screening mittels LEAF‑Q nimmt wenig Zeit in Anspruch und kann im Rahmen von sportärztlichen Untersuchungen regelmässig bei Verdacht durchgeführt werden. In der Schweiz werden Kaderathleten jährlich zur sportärztlichen Untersuchung (SPU) durch den Verbandsarzt aufgeboten. Zur SPU gehören eine laborchemische Kontrolle, eine internistische und orthopädische Untersuchung wie auch eine ausführliche Anamnese, in der Athletinnen auch zum Menstruationszyklus befragt werden. Bei fehlendem Menstruationszyklus leitet der Verbandsarzt eine gynäkologisch-endokrinologische Abklärung in die Wege.

Fazit für die Praxis

  • Das „relative energy deficiency in sports“ (RED-S) beschreibt ein Energiemangelsyndrom bei Sportlern und kann diese sowohl in ihrer sportlichen Leistungsfähigkeit als auch gesundheitlich schwer und teilweise irreversibel beeinträchtigen.

  • Mit der Amenorrhöabklärung sind Gynäkologen/-innen oft die erste Anlaufstelle für Athletinnen mit manifestem RED‑S. Sie übernehmen eine wichtige Funktion im Management des RED‑S bei Athletinnen. Dieses soll multidisziplinär erfolgen mit Einbezug einer Sporternährungsberatung, Sportmedizin und ggf. Psychiatrie.

  • Eine Oligomenorrhö und primäre/sekundäre Amenorrhö bei Sportlerinnen muss gynäkologisch-endokrinologisch weiter abgeklärt werden, ggf. muss zusätzlich die Knochendichte mittels „dual energy x‑ray absorptiometry“ (DXA) ermittelt werden.

  • Die Therapie des RED‑S und das Beheben eines Energiedefizits sind zeitintensiv und einschneidend für eine Athletin. Das gemeinsame Erstellen eines Behandlungsplans mitsamt Zielvereinbarungen kann wesentlich zum Behandlungserfolg beitragen („shared decision-making“).

  • Neben dem Management eines manifesten RED‑S kommt der Prävention eine grosse Rolle zu. Ein frühes Beheben eines Energiedefizits reduziert gesundheitliche Konsequenzen, verhindert frühzeitige Karriereabbrüche und erlaubt Sportlern, früher ins Training und Wettkampfgeschehen wiedereinzusteigen.