Definition

Von einer prämaturen Ovarialinsuffizienz (POI) spricht man bei einem Verlust der Ovarialfunktion vor dem 40. Lebensjahr [1,2,3]. Dies geht mit Oligo- bzw. Amenorrhö und erhöhten Gonadotropinspiegeln einher. Die Begriffe prämature Menopause, Climacterium praecox, primäre Ovarialinsuffizienz oder auch „premature ovarian failure“ (POF) werden oft synonym verwendet. Um eine einheitliche, präzise Nomenklatur zu gewährleisten, wird in der aktuellen ESHRE-Leitlinie zu diesem Thema die Verwendung des Begriffes POI empfohlen [1].

Prävalenz

Die Prävalenz wird meist mit 1 % angegeben [1,2,3]. Dies beruht vor allem auf einer Arbeit von Coulam et al. von 1986 [4] und dürfte die derzeitige Prävalenz von POI, nicht zuletzt aufgrund steigender Überlebensraten nach Karzinomen im Kindesalter, unterschätzen. In einer rezent publizierten Kohortenstudie wurde bei Überlebenden nach Krebserkrankungen in der Kindheit eine Prävalenz der POI von 10,8 % festgestellt [5]. Dementsprechend konnte auch in neueren Arbeiten eine Prävalenz für POI in der Allgemeinbevölkerung von 2 % [6] bis hin zu 3,6 % [7] ermittelt werden.

Symptome

Das typische Zeichen einer POI ist eine Amenorrhö, aber auch Oligomenorrhöen können hinweisend sein. Die Symptomatik ist meist gekennzeichnet von menopausalen Beschwerden, wie zum Beispiel Hitzewallungen, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen, Libidoverlust oder auch vulvovaginaler Atrophie mit Dyspareunie. Während diese Symptome bei Patientinnen mit einer idiopathischen POI häufig intermittierend auftreten, sind sie bei einer iatrogenen POI vorwiegend persistierend. Im Gegensatz dazu verläuft eine primäre Ovarialinsuffizienz oft symptomlos. Bei den Beschwerden im Rahmen einer POI handelt es sich typischerweise um eine Östrogenentzugssymptomatik.

Diagnostik

Um die Diagnose einer POI sicherstellen zu können, sollten eine Oligo- bzw. Amenorrhö für mindestens 4 Monate und erhöhte FSH-Werte vorliegen [1,2,3]. In der ESHRE-Leitlinie werden zwei FSH-Bestimmungen >25 IU/ml im Abstand von mindestens 4 Wochen empfohlen [1]. Andere Leitlinien hingegen nennen zweimalige FSH-Spiegel >30 IU/ml im Abstand von 4 bis 6 Wochen als diagnostisches Kriterium [2, 8]. Dies basiert auf einer Arbeit von Goldenberg et al. Die Gruppe konnte 1973 bei Frauen mit primärer Amenorrhö bei FSH-Werten >33 IU/ml in Ovarialbiopsien keine Follikel mehr nachweisen [9]. Bei Frauen mit einer autoimmunen Genese dürften die FSH-Spiegel niedriger liegen [10], dies erklärt die ESHRE-Empfehlung mit einem FSH-Grenzwert von 25 IU/ml.

Sonographische Bestimmungen des antralen Follikelcounts (AFC) sind ebenso wie laparoskopische Beurteilungen der Ovarien mit Biopsien oder auch AMH-Bestimmung keine validen Diagnosemarker [1, 2].

Ursachen

Genetische Ursachen

Circa 10 % aller POI-Patientinnen weisen genetische Auffälligkeiten auf, hierunter sind die X‑chromosomalen Störungen bei Weitem am häufigsten [1]. Eine Monosomie des X‑Chromosoms (sogenanntes Turner-Syndrom) kann in kompletter Ausprägung oder als Mosaik vorliegen. In Abhängigkeit von der Restaktivität können noch eine gewisse Zeit regelmäßige Zyklen auftreten. Patientinnen mit dem Vollbild des Turner-Syndroms haben häufig eine primäre Amenorrhö mit verzögerter bzw. fehlender Pubertätsentwicklung. Bei Vorliegen eines Mosaiks kommt es häufig zu einer spontanen Thelarche und immerhin circa 6 % der Patientinnen haben einen regelmäßigen Zyklus [11]. Bei Mosaiken mit Y‑chromosomalen Anteilen besteht ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Gonadoblastomen, daher wird in diesen Fällen eine Gonadektomie empfohlen [12]. Eine Chromosomenanalyse sollte daher Teil der Routineabklärung bei POI sein [1].

Eine weitere X‑chromosomale Erkrankung ist das fragile X‑Syndrom. Hierbei handelt es sich um eine FMR1-Genmutation, die durch eine Verlängerung des CGG-Tripletts verursacht wird. Die Vollmutation mit >200 Repeats ist eine der häufigsten Ursachen für eine geistige Behinderung [13]. Die Prämutation mit circa 60–200 Repeats führt zu keiner intellektuellen Einschränkung, aber bei 21 % der Betroffenen tritt eine POI auf [14]. Eine genetische Abklärung bei POI sollte auch eine Testung auf eine Prämutation im FMR1-Gen beinhalten [1].

Zahlreiche weitere genetische Erkrankungen können ebenfalls zu einem POI führen. Eine routinemäßige Testung auf autosomale Erbkrankheiten kann jedoch nicht empfohlen werden und sollte auf spezielle Verdachtsfälle beschränkt werden [1].

Autoimmunopathien

Autoimmunerkrankungen, vor allem Morbus Addison und Immunthyreopathien, sind gehäuft mit POI assoziiert. Im Speziellen trifft dies auf die beiden häufigsten autoimmunen polyglandulären Syndrome (APS), den APS-Typ 1 (Morbus Addison, Hypoparathyreoidismus, Candidiasis) und den APS-Typ 2 (Morbus Addison, Immunthyreopathie, Diabetes mellitus), zu [15]. Während bei dem seltenen APS-Typ 1 bei bis zu 60 % der betroffenen Patientinnen eine POI auftritt, ist dies bei dem häufigeren APS-Typ 2 nur bei ungefähr 5 % der Fall [15,16,17]. Zuletzt konnte auch eine Assoziation mit dem APS-Typ 3 (Immunthyreopathie, Diabetes mellitus, kein Morbus Addison, aber andere Autoimmunopathien möglich) gezeigt werden [18].

Aufgrund des gehäuften Auftretens einer POI bei Morbus Addison wird eine Testung auf Nebennierenrindenautoantikörper (zum Beispiel 21-Hydroxylase-Antikörper) zum Ausschluss eines latenten Morbus Addison empfohlen. Bei positiven Befunden ist in weiterer Folge eine Abklärung bezüglich Morbus Addison durch einen Endokrinologen angezeigt [1]. Eine Bestimmung von Schilddrüsenantikörpern (TPO) und nachfolgende TSH-Kontrollen bei positiven Befunden werden bei POI ebenso empfohlen [1].

Infektionen

Es gibt Fallberichte zum Auftreten einer POI nach Infektionen mit Mumps, HIV, Herpes Zoster, Zytomegalievirus, Tuberkulose, Malaria, Varizellen und Shigellen. Da es sich hierbei bislang aber vor allem um Einzelberichte handelt, wird ein routinemäßiges Infektionsscreening derzeit nicht empfohlen [1].

Iatrogen

Therapeutische Maßnahmen aufgrund einer malignen Erkrankung wie Chemotherapie oder Bestrahlungen im Bereich des kleinen Beckens können ebenso wie operative Maßnahmen an den Ovarien auch bei benignen Erkrankungen (z. B. Endometriose, Ovarzystenausschälung) zu einer POI führen. Bei Chemotherapeutika sind sowohl das Alter bei Applikation als auch der Wirkstoff und dessen Dosierung von entscheidender Bedeutung für die Gonadotoxizität (Tab. 1 modifiziert nach [19]). Je älter die Patientin, desto höher das Risiko, in weiterer Folge eine POI zu entwickeln. Eine Strahlenexposition führt ebenfalls dosis- und altersabhängig zu einem Verlust der Eizellreserve. Bereits 2 Gy reduzieren die Follikeldichte um die Hälfte [20]. Bei Neugeborenen wurde eine effektive sterilisierende Strahlendosis von 20,3 Gy, bei Kindern von 18,4 Gy, bei 20-Jährigen von 16,5 Gy und bei 30-Jährigen von 14,3 Gy errechnet [21].

Tab. 1 Gonadotoxizität verschiedener Chemotherapieregime. (Modifiziert nach [19])

Operationen an den Ovarien, im speziellen bilaterale Exzisionen von Endometriomen, können zu einer POI führen [22].

Eine explizite Aufklärung der Patientinnen vor den jeweiligen gonadotoxischen Therapien bezüglich POI ist daher dringend zu empfehlen [1].

Idiopathisch

Bei einem Großteil der POI-Patientinnen kann keine (bisher bekannte) Ursache identifiziert werden, sodass diese Erkrankung als idiopathisch bezeichnet wird. Der genaue Anteil der idiopathischen POI ist unklar, man geht von einem Anteil von 50 bis 90 % aus [1, 23].

Kinderwunsch und Fertilität

Da die Diagnose POI die Patientinnen meist unerwartet in einem normalerweise fertilen Alter trifft, ist ihre Familienplanung häufig noch nicht abgeschlossen. Die Chancen auf eine spontane Schwangerschaft liegen bei 1,5 bis 5 % [24]. Aktuell gibt es keine Therapieansätze, die die Ovulationsrate und damit die Konzeptionschancen zuverlässig steigern. Die Behandlung mit Östradiol, GnRH-Analoga oder Cortison hat keinen signifikanten Anstieg der Ovulationsrate gezeigt [24].

Da POI mit dem Verlust des ovariellen Follikelpools einhergeht, ist eine Fertilitätsprotektion bei manifester POI nicht mehr möglich. Daher ist es von grundlegender Bedeutung, Patientinnen vor einer gonadotoxischen Therapie über die Möglichkeiten der Fertilitätsprotektion aufzuklären. Je nachdem, wie viel Zeit bis zum Therapiebeginn zur Verfügung steht, aber auch je nach vorhandener ovarieller Reserve, Alter und Präferenz der Patientin, stehen verschiedene Methoden zur Verfügung [19].

Am besten etabliert ist die ovarielle Stimulation mit Kryokonservierung von Oozyten oder Embryonen, für die ein Zeitfenster von etwa 2 Wochen benötigt wird.

Alternativ kommt die Kryokonservierung von Ovargewebe infrage. Dabei wird laparoskopisch ein Teil eines Ovars entfernt, aufbereitet und kryokonserviert ([25]; Abb. 1). Nach der Retransplantation des Gewebes kann eine spontane Konzeption oder eine IVF/ICSI angestrebt werden. Bei dringendem Beginn der Chemotherapie ist ein Vorteil dieser Methode, dass nur sehr wenig Zeit benötigt wird. Bei präpubertären Mädchen ist die Kryokonservierung von Ovargewebe aktuell die einzige Möglichkeit der Fertilitätsprotektion [26].

Abb. 1
figure 1

a Laparoskopische Teilresektion des Ovars vor geplanter Chemotherapie; b Ovargewebe vor der Verarbeitung; c aufgearbeitetes Ovargewebe vor der Kryokonservierung

Bei Erwachsenen besteht eine weitere Möglichkeit der Fertilitätsprotektion in der Verabreichung von GnRH-Analoga. Mehrere Metaanalysen haben in den letzten Jahren eine signifikante Reduktion des POI-Risikos durch GnRHa gezeigt, es ist aber noch unklar, wie lange der Effekt anhält. Zudem gibt es bisher nur unzureichende Daten über die Auswirkung auf die Fertilität. Laut AWMF-Leitlinie ist daher die alleinige Gabe von GnRH-Analoga nicht ausreichend [19].

Ist eine Radiatio des Beckens geplant, kann außerdem eine Transposition der Ovarien durchgeführt werden. Die Fertilitätseinschränkung durch die Strahlenschädigung des Uterus kann dadurch aber nicht vermieden werden.

Bei Patientinnen mit Turner-Syndrom und vorhandener ovarieller Funktion kommt eine Fertilitätsprotektion mittels Kryokonservierung von Oozyten, Embryonen oder Ovargewebe ebenfalls infrage [12, 27].

Hat eine Frau mit bereits manifester POI Kinderwunsch, so ist die Eizellspende die Methode der Wahl. In Österreich ist diese Behandlung seit der Novelle des Fortpflanzungsmedizingesetzes von 2015 erlaubt, allerdings darf die Spenderin maximal 30 Jahre alt sein. Die Kommerzialisierung der Eizellspende ist verboten. Aufgrund dieser Einschränkungen ist die Suche nach einer Spenderin erschwert und für die Patientinnen bleibt häufig nur die Option einer Behandlung im Ausland.

POI und Schwangerschaft

Spontane Schwangerschaften bei Frauen mit idiopathischer POI oder mit POI nach Chemotherapie sind nicht mit höheren geburtshilflichen oder neonatalen Komplikationsraten assoziiert [24, 28]. Eine Ausnahme stellen Behandlungen mit Anthrazyklinen und eine mediastinale Radiotherapie dar [29]. Aufgrund der Kardiotoxizität dieser Therapien sollte in der Schwangerschaft eine kardiologische Mitbetreuung stattfinden. Ist die POI auf eine pelvine Radiotherapie zurückzuführen, kann neben den Ovarien auch der Uterus durch die Strahlung geschädigt sein. Hierbei muss mit Komplikationen wie Spätaborten, Frühgeburten, niedrigem Geburtsgewicht, IUFT, postpartaler Hämorrhagie, Plazentationsstörungen und Uterusruptur gerechnet werden [28]. Schwangere im Z. n. Radiatio des Uterus sollten daher in einem geburtshilflichen Zentrum betreut werden [1].

Ist die Schwangerschaft hingegen durch Eizellspende entstanden, treten geburtshilfliche Komplikationen, vor allem hypertensive Schwangerschaftserkrankungen, Wachstumsretardierung und Frühgeburten, häufiger auf [30]. Daher empfiehlt die ESHRE hier ebenfalls die Betreuung in einem Zentrum.

Schwangerschaften bei Frauen mit Turner-Syndrom sind mit einem hohen Risiko nicht nur für geburtshilfliche, sondern auch für maternale Komplikationen assoziiert. Im Vordergrund stehen kardiovaskuläre Komplikationen [12], sodass neben der Anbindung an ein geburtshilfliches Zentrum auch eine kardiologische Mitbetreuung nötig ist.

Abhängig von der Ursache der POI ist folglich eine gründliche präkonzeptionelle Beratung und ggf. Abklärung auf maternale Risikofaktoren indiziert. In einzelnen Fällen muss von einer Schwangerschaft sogar abgeraten werden.

POI und gesundheitliche Folgen

Der Östrogenmangel führt unabhängig von der Ursache der POI zu einer Abnahme der Knochendichte und steigert somit das Risiko von Frakturen [31]. Die Prävalenz von Osteoporose liegt bei Frauen mit POI bei 8–14 % [23, 31], wobei das Risiko durch ein frühes Auftreten der POI, Verzögerung der Diagnose und Therapie, Bewegungsmangel, niedriges Körpergewicht, Rauchen sowie Vitamin-D- und Kalziummangel gesteigert wird [31]. Die Patientinnen sollten daher zur Vermeidung dieser zusätzlichen Risikofaktoren angehalten werden. Der Dachverband für Osteologie empfiehlt für alle Risikogruppen die Sicherstellung einer Gesamtzufuhr von täglich 1000 mg Kalzium und 800–1000 IE Vitamin D3 durch die Ernährung und/oder Supplemente [32]. Eine Hormonersatztherapie (HRT) auch zur Osteoprotektion bis zum Erreichen des natürlichen Menopausenalters wird sowohl von den ESHRE- als auch von den NICE-Leitlinien empfohlen [1, 2]. Zum Zeitpunkt der Diagnose der POI sollte eine Osteodensitometrie durchgeführt werden. Ein Nutzen routinemäßiger Knochendichtekontrollen unter laufender Therapie ist laut Dachverband für Osteologie nicht belegt [32]. Die ESHRE-Leitlinie empfiehlt dennoch, die Osteodensitometrie mindestens alle 5 Jahre zu wiederholen, wenn bei der initialen Messung eine Osteoporose vorliegt [1].

Rocca et al., haben eine reduzierte Lebenserwartung bei Frauen mit POI gezeigt [33]. Dies ist vor allem auf das gesteigerte Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen zurückzuführen, das in zahlreichen Studien nachgewiesen wurde. Daher sollten die Betroffenen zusätzliche kardiovaskuläre Risikofaktoren vermeiden. Eine HRT wirkt sich positiv auf Blutdruck, Plasmalipide, Insulinresistenz und Endothelfunktion aus [34,35,36,37] und sollte daher empfohlen werden [1]. Eine jährliche Reevaluation des kardiovaskulären Risikos anhand von Blutdruck, BMI und Nikotinabusus sollte ebenfalls erfolgen. Bei Frauen mit Turner-Syndrom sollten zusätzlich Lipide, Nüchternglukose und HbA1c jährlich beurteilt werden, und die Betreuung sollte zusammen mit einem erfahrenen Kardiologen erfolgen.

Die Diagnose POI kann sich zudem negativ auf das psychosexuelle Wohlbefinden auswirken [38]. Deshalb ist es wichtig, die Patientinnen nach Problemen im Bereich der Sexualität zu fragen. Urogenitale Beschwerden wie vaginale Trockenheit, Dyspareunie, Dysurie, Inkontinenz und gesteigerte Miktionsfrequenz können trotz einer adäquaten systemischen Östrogensubstitution auftreten. In diesem Fall kann zusätzlich lokal Östrogen appliziert werden. Wenn eine HRT kontraindiziert ist, kann die Verwendung von Gleitgel hilfreich sein. Die transdermale Applikation von Testosteron bei Libidoverlust im „off label use“ ist hingegen umstritten [39].

Die Auswirkung des Hormonmangels auf neurologische Funktionen ist unklar, aber vor allem eine iatrogene POI infolge von Adnexektomie scheint mit einer Verschlechterung der verbalen Gedächtnisfunktion, beschleunigtem kognitivem Abbau und erhöhtem Risiko für Demenz und Parkinson assoziiert zu sein [40, 41].

Hormonersatztherapie

Eine Hormonersatztherapie bei POI ist nicht nur zur Behandlung der Östrogenentzugssymptomatik, sondern auch zur Primärprävention von kardiovaskulären Erkrankungen und in der Osteoprotektion dringend indiziert. Eine Substitution mit 17β-Östradiol ist gegenüber Ethinylöstradiol tendenziell zu bevorzugen, da der osteoprotektive Effekt von Ethinylöstradiol geringer zu sein scheint. Ob ein kombiniertes orales Kontrazeptivum (KOK) ebenfalls eine ausreichende Osteoprotektion garantiert, ist derzeit noch unklar. Laut einer 2012 publizierten Metaanalyse hemmen KOK bei perimenopausalen Frauen den Knochenabbau [42]. Für das Kollektiv der Frauen mit POI gibt es allerdings kaum Daten. Eine unverblindete randomisierte Studie mit 59 POI-Patientinnen verzeichnete unter HRT einen leichten Anstieg der BMD im Zeitraum von 2 Jahren, aber auch unter KOK blieb die Knochendichte zumindest stabil [43]. Zwei randomisierte Trials zeigten bei POI-Patientinnen unter Östradiol außerdem niedrigere Blutdruckwerte im Vergleich zu Ethinylöstradiol [34, 44]. Es könnte folglich ein positiver Effekt auf das kardiovaskuläre Risiko der HRT im Vergleich zu KOK bestehen. Wenn gleichzeitig Kontrazeptionsbedarf besteht, kann aber angesichts der geringen Unterschiede dennoch ein kombiniertes orales Kontrazeptivum eingesetzt werden [1]. Es gibt keine Studien zum Einsatz von konjugiertem equinem Östrogen oder den neuen KOK mit Östradiol bei POI-Patientinnen.

Die transdermale Applikation von Östradiol umgeht im Gegensatz zur oralen Applikation den First-Pass-Effekt in der Leber, sodass bei einer geringeren Dosierung ausreichende Plasmalevel erreicht werden können [45]. Außerdem sind die metabolischen und thrombogenen Effekte geringer [46]. Der Zielplasmawert von 50 bis 100 pg/ml kann transdermal mit einer Dosis von 100 μg Östradiol täglich erreicht werden [47]. Bei einer oralen Anwendung sind 2–4 mg täglich nötig [48].

Bei intaktem Uterus muss die HRT zwingend durch ein Gestagen ergänzt werden. In Bezug auf die Endometriumprotektion sind die verschiedenen Gestagene wahrscheinlich gleich effizient [49], wobei die Evidenz bei synthetischen Gestagenen höher ist. Natürliches mikronisiertes Progesteron scheint ein günstigeres kardiovaskuläres Risikoprofil zu haben [48, 50] und sich weniger auf das Brustkrebsrisiko auszuwirken [51]. Die Gestagenapplikation kann kontinuierlich oder zyklisch erfolgen. Die kontinuierliche Gabe scheint eine geringfügig bessere Endometriumprotektion zu gewährleisten [52]. Die zyklische Gabe sollte mindestens alle 12 Wochen für 14 Tage erfolgen. In einem kontinuierlichen Regime ist eine Dosis von 1 mg Norethisteron oder 2 mg MPA täglich ausreichend; sequenziell sollten 10 mg MPA täglich für jeweils 10–14 Tage verabreicht werden. Alternativ können 200 mg mikronisiertes Progesteron oral oder vaginal gegeben werden [52]. Bei Kontrazeptionsbedarf kommt auch ein levonorgestrelhaltiges IUD infrage [53].

Die Präferenz der Patientin sollte bei der Verschreibung einer HRT unbedingt berücksichtigt werden, um die Compliance zu gewährleisten.

Die Hormonersatztherapie sollte bis zum Erreichen des natürlichen Menopausenalters von circa 50 Jahren fortgesetzt werden.

Fazit für die Praxis

  • Bei einer Amenorrhö länger als 4 Monate vor dem 40. Lebensjahr sollte eine hormonelle Abklärung erfolgen.

  • Bei zweimaligen FSH-Werten über 25 IU/ml liegt eine POI vor.

  • Bei POI soll eine genetische Abklärung erfolgen.

  • Eine autoimmune Ursache sollte ausgeschlossen werden.

  • Es sollte eine initiale Osteodensitometrie durchgeführt werden.

  • Vor einer gonadotoxischen Therapie müssen Patientinnen über die Möglichkeiten einer Fertilitätsprotektion aufgeklärt werden.

  • Eine Schwangerschaft sollte je nach Anamnese in einem Zentrum betreut werden.

  • Eine HRT sollte zur Primärprävention von kardiovaskulären Erkrankungen und zur Osteoprotektion bis zum Alter von 50 erfolgen.