Grundlagen der PSMA-Diagnostik

In der Schweiz ist Prostatakrebs die häufigste Krebserkrankung bei Männern [1] und die zweithäufigste tumorassoziierte Todesursache [2]. Zwischen 2012 und 2016 gab es jährlich 6089 (115,7/100.000) Neuerkrankungen. Viele dieser Patienten entwickeln nach einer initial kurativen Therapie im weiteren Verlauf ein biochemisches Rezidiv. Die Tumorsuche mit konventionellen Methoden ist hierbei eine grosse Herausforderung. Über die letzten Jahre hat sich die PSMA-PET-CT (Prostataspezifisches-Membranantigen-Positronenemissionstomographie-Computertomographie) als Goldstandard in der Rezidivsituation etabliert.

Grundlage der PET ist das nichtinvasive Sichtbarmachen molekularer oder physiologischer Prozesse in vivo mittels radioaktiv markierten Tracern (Radiopharmaka). PET-Radiopharmaka sind Substanzen, die mit einem β+-Strahler als Radionuklid markiert sind, z. B. das radioaktive Isotop 18F des Fluors (Zyklotron-Produkt) und 68Ga des Galliums (Generator-Produkt). Noch bis vor wenigen Jahren kam bei der PET-CT-Diagnostik von Prostatakarzinomen 18Fluor(18F)-markiertes Cholin zur Anwendung. Allerdings zeigte dieses Verfahren vor allem bei niedrigen PSA-Werten (prostataspezifisches Antigen) und einem höheren Gleason-Score als Ausdruck einer fortgeschrittenen Entdifferenzierung, eine geringe Sensitivität und Spezifität. Als alternative Tracer wurden mit 11C markiertes Acetat sowie 18F‑markiertes Fluciclovin klinisch erprobt, zeigten allerdings keine überlegenen Ergebnisse. Weitere vielversprechende Alternativen wie radiomarkierte Liganden des Gastrin-related-Peptide-Rezeptors (mit 68Ga-markiertem Bombesin-Antagonisten) werden aktuell im Rahmen klinischer Studien untersucht [3]. Der erste PSMA-PET-Ligand wurde 2002 von Pomper et al. von der Johns Hopkins University, Baltimore, USA, publiziert [4]. Seitdem wurden mehrere sowohl 18F- als auch 68Ga-markierte PSMA-Liganden entwickelt. Im Jahr 2011 gelang es am deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg, den Liganden PSMA-11 zu entwickeln. Nach Kopplung an das radioaktive Metall 68Ga konnte PSMA-11 erstmalig in der PET-CT-Diagnostik eingesetzt werden.

Auf der Suche nach diagnostischen Alternativen ist die PSMA-basierte Bildgebung zunehmend in den Fokus der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit gerückt. Hierbei hat sich PSMA als das bislang am besten geeignete tumorspezifische Zielmolekül in der Zellmembran für die molekulare Bildgebung herausgestellt. Dabei handelt es sich um ein transmembranes Enzym, von dem vermutet wird, dass es an angiogenetischen Prozessen beteiligt ist [5]. PSMA wird auf Prostatakrebszellen signifikant höher exprimiert als auf gesunden Zellen. Zudem steigt die PSMA-Expression auf schlecht differenzierten und/oder kastrationsrefraktären Zellen weiter an – und das unabhängig vom Metabolismus der Zelle [6].

Allerdings gilt es auch zu beachten, dass bis zu zehn Prozent der primären Prostatatumoren keine PSMA-Expression aufweisen [7, 8]. In typischen Lokalisationen einer Prostatakarzinommetastasierung, wie Lymphknoten und Knochen, ist so gut wie keine physiologische PSMA-Expression zu verzeichnen, sodass Prostatakarzinomherde durch die PSMA-basierte Bildgebung mit 68Ga-PSMA-11 mit exzellentem Kontrast dargestellt werden können ([9]; Abb. 1). Eine hohe physiologische Traceranreicherung findet man hingegen im Dünndarm, den Nieren sowie den Speichel- und Tränendrüsen. Aktuell werden sowohl 18F- als auch 68Ga-markierte PSMA-Liganden verwendet. 68Ga-PSMA-11 und 18F‑PSMA-1007 sind in der Schweiz seit 2016 resp. 2019 als PET-Radiopharmaka zugelassen. Ein weiterer vielversprechender PSMA-PET-Ligand (18F‑DCFPyl) wurde in einer Phase-III-Studie (CONDOR) in Nordamerika vorgestellt, die positive Resultate bei Patienten mit biochemischem Rezidiv und negativer konventioneller Bildgebung (inkl. 18F‑Fluciclovin PET, Cholin PET, CT, MR und Knochenszintigraphie) zeigte (ASCO 2020).

Abb. 1
figure 1

68Ga-PSMA11-PET-CT mit PSMA-exprimierender Läsion in der Prostataloge (A), pelvin (B), retroperitoneal und mediastinal dringend verdächtig auf Lokalrezidiv und Lymphknotenmetastasen (exemplarisch rechts iliakal, B) bei biochemischem Rezidiv eines Prostatakarzinoms (initial cT3, Gleason 9) nach kurativ intendierter Radiotherapie und antihormoneller Therapie. Auf der mitgefahrenen kontrastmittelverstärkten CT (rechte Spalte) können die Befunde bildmorphologisch nicht als pathologisch erkannt werden. Ansonsten zeigt sich eine physiologische 68Ga-PSMA11-Speicherung in den Tränen- und Speicheldrüsen, der Milz, dem Duodenum und Jejunum sowie den Nieren und der Harnblase

Hybridbildgebung

Die simultane Bildgebung mittels PSMA-PET-CT kombiniert die Vorteile der nuklearmedizinischen mit denen der radiologischen Bildgebung. Das Ganzkörper-PSMA-PET-CT erlaubt eine zuverlässige Aussage über die Ausbreitung der Erkrankung in der Prostataloge und den lokoregionären Lymphknoten sowie über das Vorliegen von Fernmetastasen. Weitere Vorteile der PSMA-PET-CT sind die steile Lernkurve sowie die geringe Interobservervariabilität bei der Beurteilung [9]. Die folgenden Abschnitte sollen einen Überblick über die Anwendung der PSMA-PET-CT in der Rezidivdiagnostik, der Primärdiagnostik und der Therapie metastasierter kastrationsresistenter Tumoren geben.

PSMA-PET-CT in der Rezidivdiagnostik

Nach initialer kurativer Therapie – durch radikale Prostatektomie oder Radiatio – entwickeln 15–40 % aller Patienten ein biochemisches Rezidiv [10]. In dieser Situation stellt sich die Frage, ab welchem PSA-Wert eine PET-Untersuchung sinnvoll ist. Erwartungsgemäss steigt mit der Höhe des PSA-Werts auch die Wahrscheinlichkeit, einen Prostatakarzinomherd in der PSMA-PET-CT nachzuweisen [11]. Diese wurde in mehrere Arbeiten sowie in einer kürzlich publizierten Metaanalyse mit 1309 PSMA-PET-CT-Untersuchungen nachgewiesen [12, 13]. Die PSMA-PET-CT zeigte bei einem PSA-Wert von 0,2 ng/ml in etwa 48 % der Fälle positive Befunde. Die Detektionswahrscheinlichkeit stieg bei PSA-Werten von 0,5 ng/ml auf 56 % und bei Werten von 1 ng/ml auf 70 % [12]. Zudem konnte, wenn auch statistisch weniger valide, eine erhöhte Detektionswahrscheinlichkeit bei einer PSA-Verdopplungszeit von <6 Monaten im Vergleich zu einer PSA-Verdopplungszeit von >6 Monaten nachgewiesen werden. Mehrere Studien konnten bestätigen, dass die Spezifität der PSMA-PET-CT bei >95 % liegt [14, 15]. Dennoch muss betont werden, dass PSMA nicht organspezifisch ist und eine Expression auch von anderen neovaskularisierten Tumoren und benignem Gewebe beschrieben ist [16]. Nichtsdestotrotz muss bis zum Beweis des Gegenteils bei positiven PSMA-PET-CT-Befunden von einer Metastasierung ausgegangen werden und bei unklaren Fällen eine bioptische Sicherung erfolgen. Aktuelle Daten belegen auch, dass eine Langzeit-ADT (antiandrogene Therapie) einen signifikant negativen Einfluss auf die Sichtbarkeit und damit die Detektion von kastrationssensitiven Tumorherden in der PSMA-PET-CT haben kann [17], bei kastrationsrefraktären Tumoren allerdings wurde ein positiver Einfluss nachgewiesen [18]. Die aktuellen EAU Guidelines für Urologie empfehlen die Durchführung einer PSMA-PET-CT in der Rezidivsituation nach Radiotherapie, wenn Patienten für eine kurative „Salvage-Therapie“ geeignet sind oder nach radikaler Prostatektomie ab einem PSA-Wert >0,2 ng/ml, wenn die Ergebnisse die Therapieentscheidung beeinflussen[19]. Unabhängig von der diagnostischen Genauigkeit und dem Wunsch des behandelnden Arztes sowie des Patienten zu wissen, wie ein erhöhter PSA-Wert zustande kommt, ist die entscheidende Frage, ob eine PSMA-PET-CT dem Patienten zu einem therapeutischen Vorteil verhilft oder nicht, noch nicht abschliessend geklärt.

PSMA-PET-CT in der Primärdiagnostik

Für die Primärdiagnostik bei Prostatatumoren mit intermediärem oder hohem Risiko empfehlen die aktuellen EAU Guidelines für Urologie die Durchführung einer Computertomographie (CT) oder einer MRT des Abdomens in Kombination mit einer Knochenszintigraphie. Der Einsatz der PSMA-PET-CT für diese Indikation ist Gegenstand aktueller Untersuchungen. In einer multizentrisch randomisierten Studie mit 302 Prostatakrebspatienten mit hohem Risiko konnte die PSMA-PET-CT die diagnostische Genauigkeit für die Detektion von pelvinen Lymphknotenmetastasen im Vergleich zur konventionellen Bildgebung (CT und Knochenszintigraphie) von 59 % auf 91 % deutlich verbessern. Die Sensitivität und Spezifität für die PSMA-PET-CT lagen bei 85 % [74–96] und 91 % [85–97] und bei der konventionellen Bildgebung bei 38 % [24–52] und 98 % [95–100] [20]. Gemäss den Ergebnissen einer kürzlich publizierten Studie scheint der Nachweis von kleinen Lymphknotenmetastasen um 4 mm mittels PSMA-PET-CT allerdings nicht möglich zu sein [21]. Diese Ergebnisse zeigen, dass trotz negativer PSMA-PET-CT eine Lymphknotenmetastasierung vorliegen kann. Hinsichtlich der Detektion von Fernmetastasen sind die Ergebnisse der PSMA-PET-CT vielversprechend. Die diagnostische Genauigkeit der PSMA-PET-CT für die Detektion von Fernmetastasen lagen in der Studie von Hofman et al. bei 95 % [20] im Vergleich zu 74 % bei Durchführung einer Knochenszintigraphie in Kombination mit einer CT [22].

Zudem zeichnet sich die PSMA-PET-CT durch eine geringere Strahlenbelastung als die Kombination aus Knochenszintigraphie und CT aus. Diese Ergebnisse verdeutlichen das Potenzial der PSMA-PET-CT, die Primärdiagnostik zu verbessern und die konventionelle Bildgebung langfristig zu ersetzen und damit das Patientenmanagement nachhaltig zu verbessern. Es bedarf aber weiterer prospektiver Studien, die den Einfluss der PSMA-PET-CT auf das onkologische Outcome untersuchen.

PSMA-gerichtete Radionuklidtherapie

Analog zu den molekularen Mechanismen der PSMA-basierten Bildgebung kann auch eine PSMA-basierte Therapie erfolgen. Hierbei werden therapeutische Betastrahler wie 177Lutetium an den Liganden gekoppelt und können so ihre therapeutische Wirkung direkt an den Tumorzellen entfalten. Bei nur kurzer Reichweite der Beta-Strahlung wird gleichzeitig das umgebende Gewebe geschont. Die Erfahrungen der PSMA-gerichteten Radionuklidtherapie sind aussichtsreich. Bei mehr als der Hälfte der Patienten kann eine 50 %ige Reduktion des PSA-Werts erreicht werden. Rund ein Drittel der Patienten spricht sehr gut auf die Therapie an, ein Drittel bleibt stabil. Ein weiteres Drittel spricht allerdings nicht auf die Therapie an [23, 24]. Die Nebenwirkungen beschränkten sich auf eine milde Knochenmarkstoxizität sowie gelegentliche Mundtrockenheit. Risikoorgane sind vor allem die Speichel- und Tränendrüsen sowie das blutbildende Knochenmark. Die Wirksamkeit sowie das Toxizitätsprofil der PSMA-gerichteten Radionuklidtherapie sind vielversprechend und werden gegenwärtig in der Schweiz im Rahmen einer Register-Studie (wie z. B. am Universitätsspital Basel) und auch weltweit in einer randomisierten Phase-III-Studie (Vision) weiter untersucht.

Fazit für die Praxis

Die Prostatakarzinomdiagnostik konnte durch die Entwicklung des PSMA-Liganden deutlich verbessert werden. Da die meisten Prostatatumoren PSMA exprimieren, ist eine gute Darstellung von PSMA-exprimierendem Prostatakrebsgewebe und Metastasen mittels PSMA-PET-CT möglich. Bei unklaren Befunden sollte eine Biopsie erfolgen, zumal PSMA-exprimierende Zweittumoren selten sind. Die Ergebnisse der Radionuklidtherapie in der Drittlinientherapie des metastasierten und therapierefraktären Prostatakarzinoms sind vielversprechend.