Die Ausbildung und Fortbildung von Fachärzt:innen für das Sonderfach Innere Medizin mit Schwerpunkt Gastroenterologie und Hepatologie (FA IM-GEHEP) ist in einem interessanten Spannungsfeld und 2fach herausfordernd:

  1. 1.

    Es besteht ein rasant wachsender medizinischer Wissensschatz bei immer größerer Vielfalt diagnostischer und therapeutischer Möglichkeiten und Angebote betreffend alle tubulären und parenchymatösen Organe des Verdauungstrakts sowie in weiteren Kernbereichen des Fachs wie in der endoluminal-endoskopischen Diagnostik und Therapien, den komplexen biologischen Therapien, Ultraschallmethoden, der Funktionsdiagnostik, bei Ernährung und Stoffwechsel sowie in der gastrointestinalen Onkologie und bei Infektionserkrankungen.

  2. 2.

    Die Inhalte des aktuellen Rasterzeugnisses, die zeitlichen Rahmenbedingungen einer gesetzeskonformen Ausbildung ebenso wie die Vorhaltung von Kapazitäten (z. B. Untersuchungsfrequenzen und Trainingsmöglichkeiten) begrenzen die im Rahmen der Ausbildung tatsächlich vermittelbaren Inhalte.

Übersicht über die Struktur der Ausbildung zum Sonderfach Innere Medizin mit Schwerpunkt Gastroenterologie und Hepatologie (FA IM-GEHEP) in Österreich

Gegenwärtig gibt es in 58 österreichischen Krankenanstalten etwa 141 Ausbildungsstellen (wobei aktuell verlässliche Zahlen durch den Übergang der Ärzteausbildung in die Länderkompetenz schwierig erhebbar sind). Die aktuelle Ausbildungsrichtlinie ist unter www.aerztekammer.at/ausbildung abrufbar. Der vorgesehene Ausbildungsweg ist in Abb. 1 dargestellt und setzt sich aus 9 Monaten Basisausbildung (BA) und 27 Monaten Sonderfachgrundausbildung (SFGA) in innerer Medizin, gefolgt von 36 Monaten Ausbildung im Sonderfach Schwerpunkt Gastroenterologie und Hepatologie (SFSA) zusammen. Die Ausbildungsinhalte dazu finden sich in der Anlage 12.4 S5–7 und sollten von den Auszubildenden und Ausbildungsverantwortlichen entsprechend beachtet werden. Die geforderten Kenntnisse und Erfahrungen sind breit und weitreichend und sollten wie die Richtzahlen für diagnostische/therapeutische Eingriffe fortlaufend diskutiert, verbessert und angepasst werden. Wichtig ist festzuhalten, dass es für die SFSA in Gastroenterologie und Hepatologie aktuell in Österreich noch kein einheitliches Curriculum gibt (i.e. ein auf einer Theorie des Lehrens und Lernens aufbauender Lehrplan). Wir müssen uns daher der Frage stellen, was, wie und wo in welcher Form (i.e. Lerntiefe und Kompetenzlevel) erlernbar und ausbildungsrelevant ist.

Abb. 1
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Ausbildung Sonderfach Innere Medizin Schwerpunkt GE/HE. BA Basisausbildung, SFGA Sonderfach Grundausbildung, SFSA Sonderfach Schwerpunktausbildung

Arbeitsgruppe für Ausbildung innerhalb der ÖGGH

Der Vorstand der ÖGGH hat daher im Vorjahr beschlossen, dem Thema Ausbildung und Fortbildung vertieftes Augenmerk zu schenken, und hat dafür eine eigene Arbeitsgruppe für Ausbildung installiert. Die Aufgabenbereiche dieser Arbeitsgruppe sind in Tab. 1 zusammengefasst.

Tab. 1 Die Aufgabenbereiche der Arbeitsgruppe für Ausbildung der ÖGGH

Diese Arbeitsgruppe soll als Serviceplattform der ÖGGH für Ausbildungsverantwortliche und Ausbildungsassistent:innen dienen. Ziele sind eine gegenseitige Hilfestellung und Informationsaustausch mit Fokus auf das „wer, was, wann, wo und wie“ der Ausbildung. Dafür notwendig wird ein Informationsabgleich mit Darstellung des aktuellen Stands sowie ein realistisches Ausloten zukünftiger Notwendigkeiten und Möglichkeiten sein. Gemeinsam sollen neue Ausbildungsformate entwickelt werden sowie ein Curriculum für 36 Monate Sonderfachschwerpunktausbildung ausformuliert werden. Weitere Aktivitäten sollen Train-the-Trainer-Kurse mit Fokus auf Ausbildung in Endoskopie, Sonographie und Funktionsdiagnostik (i.e. „Clinical Skills und Kompetenzen) sowie eine Austauschbörse für Assistent:innen in Ausbildung sein. Durch Abgleich mit Fortbildungsangeboten anderer nationaler und internationaler Fachgesellschaften, z. B. für Ultraschall (ÖGUM, DGUM, EFSUMB) oder Ernährung (AKE, DGEM, ESPEN), sollen die klassischen Fortbildungsangebote, wie z. B. durch die ÖGGH (www.oeggh.at), die UEG (www.ueg.eu) oder die DGVS (www.dgvs.de), allgemein bekannt und erweitert werden. Verwiesen wird dabei auch auf verfügbare Apps, wie z. B. die ÖGGH-App und die UEG-Guideline-App. Schließlich soll auch ein Fokus auf die Möglichkeiten zur finanziellen Unterstützung von Auszubildenden gelegt werden. So übernimmt z. B. die ÖGGH nach erfolgreichem Abschluss der gastroenterologischen Facharztprüfung für die Prüflinge die Kurskosten für die Teilnahme am DGVS-Intensivkurs für die Vorbereitung auf die gastroenterologische Facharztprüfung.

Ausbildung und Forschung von den Jungen für die Jungen – die neue „young ÖGGH“

Zudem wurde durch Vorstandsbeschluss die young ÖGGH als weitere neue Arbeitsgruppe installiert, um den fachärztlichen und wissenschaftlichen Nachwuchs in unserem Fach bestmöglich zu fördern. Neue Fortbildungsaktivitäten wie ein „Pre“-Symposium bei unserer Jahrestagung (14.–17. Juni 2023 im Congress Graz; oeggh.at/veranstaltungen/liste.html) für die jungen Mitglieder unserer ÖGGH sollen die angehenden Fachärzt:innen praxisorientiert durch fallbasiertes Lernen an ihre Aufgaben heranführen und forschungsgeleitete Lehre fördern. Zudem soll dieser Kurs Orientierung und Hilfe in der Vorbereitung auf unsere mündlich strukturierte, fallbasierte Fachärzt:innenprüfung bieten.

Entwicklung des Curriculums für die Ausbildung im Sonderfach Schwerpunkt Gastroenterologie (SFSA)

Vor der Konkretisierung von Ausbildungsinhalten und der Zuordnung dieser Ausbildungsinhalte zur verfügbaren Ausbildungszeit gilt es, die allgemeinen Grundsätze der Ausbildung von Fachärzt:innen für das Sonderfach Innere Medizin mit Schwerpunkt Gastroenterologie und Hepatologie (FA IM-GEHEP) zu definieren. Was dürfen sich Patient:innen, Zuweiser:innen, Krankenhausträger und Sozialversicherungen von einem/einer FA IM-GEHEP erwarten?

  1. 1.

    Fachliche Kompetenz: FA IM-GEHEP verfügen über spezialisierte fachliche Kompetenzen, Kenntnisse und Fertigkeiten, die für die Betreuung von Patient:innen notwendig sind, die an Krankheiten oder Symptomen leiden, die aufgrund z. B. Inzidenz und Prävalenz, Komplexität oder Schweregrad über dem Ausbildungs- und Tätigkeitsspektrum von Allgemeinmediziner:innen und anderen Fachärzt:innen im Sonderfach innere Medizin liegen.

  2. 2.

    Kommunikative Kompetenz: FA IM-GEHEP können mit dem Wissens- und Informationsstand des Gegenübers (Patient:innen, Zuweiser:innen, Krankenhausträger, Sozialversicherungen) in angepassten und verständlichen Worten die Ursachen, Abklärungs- und Behandlungsmöglichkeiten von Symptomen und Krankheiten des Verdauungstrakts erklären.

  3. 3.

    Entwicklungs- und Fortbildungskompetenz: FA IM-GEHEP verfügen über die Möglichkeiten und Fähigkeiten sowie über den Willen, sich auf dem neuesten Stand des Wissens (Kenntnisse und Fertigkeiten) auf dem Gebiet der GEHEP zu halten, und dokumentieren diese ständige Fortbildung.

  4. 4.

    Kompetenz für abgestufte Betreuung: FA IM-GEHEP können für die Betreuung bei GEHEP-Spezialproblemen ihre Patient:innen an die fachlich kompetenten (hoch-)spezialisierten Zentren zuweisen, weil sie den dafür notwendigen Überblick über den aktuellen Stand der diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten und die verfügbaren hochspezialisierten Betreuungsmöglichkeiten haben.

In weiterer Folge muss die Zuordnung von Ausbildungsinhalten und Kompetenzlevel erfolgen. Ausgehend von den im Ausbildungskatalog FA IM-GEHEP dargestellten Ausbildungsinhalten ist eine detaillierte Liste von Ausbildungsinhalten mit zugeordnetem Kompetenzlevel zu entwickeln. Dies kann angelehnt an die detaillierte Auflistung der Ausbildungsinhalte im vom European Board of Gastroenterology and Hepatology (EBGH) entwickelten, „training curriculum“ (Blue Book) erfolgen.

  1. 1.

    Für die Sonderfachgrundausbildung (SFGA) innere Medizin sind im Ausbildungskatalog FA IM GEHEP (www.aerztekammer.at/ausbildung), S. 1–4, die Inhalte beschrieben. Diese Inhalte müssen dahingehend konkretisiert werden, dass geklärt werden muss, welcher Kompetenzlevel von Kenntnissen und Fertigkeiten aus der GEHEP in der Ausbildung zum FA IM-GEHEP grundlegend in den ersten 27 Monaten der Ausbildung vermittelt werden soll und kann.

  2. 2.

    Für die Schwerpunktausbildung Sonderfach GEHEP (SFSA) sind die Inhalte im Ausbildungskatalog FA IM-GEHEP auf den S. 5–7 beschrieben. Der allgemeine Grundsatz in der Ausbildung zum/zur FA IM-GEHEP muss dabei sein, dass in dieser Phase der Ausbildung die Tiefe der Ausbildung in GEHEP nicht die Breite ersetzen darf. Es gilt zu klären, in welcher Zeit die Inhalte und Kompetenzlevel erlernt werden können. Der gegenwärtige Ausbildungsplan sieht vor, dass die Ausbildung zum/zur FA IM-GEHEP in mindestens 36 Monaten durchgeführt wird. Realistisch erscheint dies nur, wenn ein hoher Anteil der Arbeitszeit für Ausbildung aufgewendet werden kann. Wenn dagegen nur ein geringer Teil der Arbeitskraft/zeit für die Ausbildung aufgewendet werden kann (z. B. Erledigung allgemeininternistischer Aufgaben oder Forschung und Lehre), ist davon auszugehen, dass die notwendige Ausbildungszeit länger sein kann. Eine weitere Verkürzung oder Verdichtung scheint für uns ausgeschlossen zu sein und ein „FA IM-GEHEP light“ muss im Sinne der uns anvertrauten Patient:innen und einer weiteren qualitativ positiven Entwicklung unseres Fachs sowie unter Berücksichtigung der vom EBGH koordinierten Entwicklung des Fachs in anderen europäischen Ländern vermieden werden.

  3. 3.

    Spezialisierungen: Die Breite und Tiefe der ärztlichen Aufgaben und Tätigkeiten im Bereich der Gastroenterologie, Hepatologie, Endoskopie, Ultraschall und assoziierter Themenbereiche bringt es mit sich, dass nicht alle dieser Bereiche im Rahmen der SFSA in der Tiefe gelernt und praktiziert werden können. Es muss geklärt werden, welche GEHEP-Kenntnisse und -Fertigkeiten vor allem oder nur in dafür spezialisierten Zentren angeboten werden können oder sollen. Im Sinne einer für die Betreuungsqualität gewünschten Spezialisierung sind umgekehrt abgestufte Versorgungskonzepte notwendig. Die Zielsetzung für eine Spezialisierung wird der Erwerb von Kenntnissen und Fertigkeiten für die Betreuung bei seltenen und/oder hochkomplexen GEHEP Erkrankungen sein, die eine Betreuung in hochspezialisierten Zentren erforderlich macht (z. B. spezialisierte GI-Endoskopie, Ultraschall, Funktionsdiagnostik, Betreuung von LTX-Patient:innen, …). Weiters muss definiert werden, welche zusätzlichen Ausbildungsmodule nach der Sonderfachschwerpunktausbildung (SFSA) GE/HEP notwendig sein werden. Grundsätzlich muss in einem solchen Ausbildungsstadium bei einer hochspezialisierten ärztlichen Tätigkeit davon ausgegangen werden, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit notwendig oder unumgänglich sein wird, dass die Tiefe der beruflichen Tätigkeit die Breite der GEHEP-Kompetenz ersetzt.

  4. 4.

    Außerhalb des Aufgabenbereichs der ÖGGH-Arbeitsgruppe aber wird der Kompetenzlevel in der Ausbildung für das Sonderfach innere Medizin („allgemeine innere Medizin“) und andere Sonderfächer der inneren Medizin (36 Monate, nach SFGA) zu berücksichtigen sein. Es braucht hier einen sorgfältigen Diskussionsprozess, welche Ausbildungsinhalte mit welchem Kompetenzlevel angestrebt werden sollen.

Kontinuierliche Weiterbildung in der Gastroenterologie: Gegenwart und Zukunft

Die ärztliche Fortbildung und Weiterbildung ist eine Verpflichtung, die Ärzt:innen im Besonderen ihren Patient:innen und den Kostenträgern schulden sowie dem Gesundheitswesen und der Gesellschaft im Allgemeinen zum Zweck des größten Gemeinwohls. Ein allgemeines Ziel der Fortbildung ist das Schließen von Bildungs- und Kompetenzlücken (i.e. Wissen und Fertigkeiten). Kontinuierliche Weiterbildung muss Ärzt:innen mit den notwendigen Werkzeugen ausstatten, um den Patient:innen die bestmöglichen Gesundheitsversorgungsoptionen unter Berücksichtigung der variablen Einschränkungen der Gesundheitsversorgung in verschiedenen Regionen anzubieten, die Herausforderungen der Zukunft zu verstehen und die Forschung voranzutreiben. Fortbildung muss Werkzeuge, Wissen und Verhaltensweisen zur Verfügung stellen, die Ärzt:innen fit machen, um die öffentliche Diskussion über zukünftige Ausrichtungen und Entwicklungen der Gesundheitsversorgung in unserem Fach im Sinne unserer Patient:innen zu steuern.

In der Zukunft wird angesichts der Veränderungen in den Fortbildungsansprüchen der nachkommenden Ärzt:innengenerationen ein vermehrtes Augenmerk auf virtuelle Fortbildungsangebote gelegt werden müssen. Gleichzeitig wird auch ein verstärktes Augenmerk auf die Effizienz der Ausbildung gelegt werden müssen. Die Einbindung moderner digitaler Informationsplattformen und Trainingsmöglichkeiten (z. B. virtuelle Endoskopie oder Sonographie) in die Ausbildung, klinische Arbeit und Fortbildung wird Standard werden. Fortbildungsangebote müssen sich einer neuen Bewertung stellen. Kursbewertungen müssen dahingehend reformiert werden, dass mehr Gewicht auf die mittelfristigen Auswirkungen von Kursen und Ausbildungen auf Wissen, Kompetenz, Leistung, Fähigkeiten und berufliches Verhalten gelegt wird. Praktische Ausbildung und Vermittlung von Fähigkeiten müssen neu bewertet werden, einschließlich der Bewertung der geeignetsten Möglichkeiten zur Bereitstellung der besten klinischen Ausbildung und Forschungsausbildung wie z. B. zentralisierte praktische Kurse im Vergleich zu dezentralisierten Lehrzentren. Schließlich erfordert das Verhältnis zwischen Kosten und Bildungsgewinn eine kontinuierliche Überwachung und kritische Bewertung zum Erreichen eines maximalen Wirkungsgrads.

Ein weiterer Schwerpunkt muss auf alternative Unterrichtsstrategien gelegt werden, darunter „train the hand“, d. h. Schulungen vor Ort in Zentren, oder „train the brain“, d. h. Problemlösungskurse, die auf die Verbesserung der analytischen Fähigkeiten abzielen. Training und Lehre sollen den Fokus auf die „Lerntreppe“ legen, also vom „Hören“ über das „Sehen“ bis hin zum „Tun“. Wir müssen auch selbstständig und nicht erst nach Aufforderung einen Diskurs über Rezertifizierung in unserem Fach beginnen. Es wird Mut, Tatkraft und Zuversicht brauchen, die modernen Herausforderungen in unserem Fach zu meistern. Gemeinsam können wir es schaffen, also packen wir es gemeinsam an! Wir laden alle ein, die dabei mithelfen wollen.