Das Auftreten einer Fistel nach einer Pankreasoperation kann von hoher klinischer Relevanz für den postoperativen Verlauf sein, weil dadurch weitere Komplikationen, wie Abszedierung, Sepsis und Blutung, wesentlich häufiger vorkommen. Andererseits muss nicht jede Pankreasfistel unbedingt mit einem ungünstigen Verlauf einhergehen, vorausgesetzt die Situation wird rechtzeitig erkannt und entsprechend behandelt.

Zunächst ist es wichtig, den Begriff postoperative Pankreasfistel (POPF) korrekt zu verwenden und insbesondere PatientInnen mit klinisch relevanten Fisteln zu erkennen. Eine wichtige Definition dazu wurde von der Internationalen Studiengruppe für Pankreaschirurgie (ISGPS) unter der Leitung von Prof. C. Bassi zusammengefasst und in einer aktualisierten Version publiziert ([1]; Abb. 1).

Abb. 1
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Definition und Verlauf postoperativer Pankreasfisteln (POPF). Sternchen Behandlung/Ereignis in Verbindung mit POPF. (Mit freundlicher Genehmigung aus [1]. © 2016 Elsevier Inc. Diese Abbildung fällt nicht unter die Creative Commons CC BY-Lizenz dieser Publikation)

Damit ist es möglich, das Auftreten und den Schweregrad von Fisteln nach Pankreasoperation zu beschreiben und zu vergleichen und Behandlungskonzepte darauf aufzubauen. Ebenso wichtig ist es aber, möglichst früh, idealerweise bereits vor bzw. während der Operation, das individuelle Risiko für das Auftreten einer POPF einschätzen zu können. Dafür wurden verschiedene Scoringsysteme entwickelt, von denen der geläufigste der Fistula Risk Score (FRS) ist ([2]; Tab. 1). Für die Berechnung dieses Scores werden die Gewebebeschaffenheit (Textur) des Pankreas, die Weite des Pankreasgangs, die zugrunde liegende Diagnose, die zur Operation geführt hat, sowie der intraoperative Blutverlust berücksichtigt. Je nach Ausprägung werden Punkte vergeben, maximal 10 Punkte bedeuten das höchste Risiko für das Auftreten einer POPF. Dieser Score ist nur bei der Pankreaskopfresektion gültig.

Tab. 1 Fistula Risk Score (FRS) zur Berechnung des individuellen Risikos für das Auftreten einer POPF anhand von Gewebetextur des Pankreas, die Weite des Pankreasganges, die zugrundeliegende Diagnose, welche zur Operation geführt hat und der intraoperative Blutverlust. (Mit freundlicher Genehmigung von Elsevier aus [2]. © 2013 American College of Surgeons. Diese Tabelle fällt nicht unter die Creative Commons CC BY-Lizenz dieser Publikation.)

Die Berücksichtigung von Risikofaktoren für POPF führte zur Entwicklung von Strategien zur „Abschwächung“ der Ausprägung derselben, d. h.: Es soll verhindert werden, dass eine amylasehaltige Drainageflüssigkeit („biochemische Leckage“, BL) zu einer klinisch relevanten Fistel (CR-POPF Grad B oder C) wird. In diesem Kontext spricht man von „mitigation strategies“. In zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten konnte gezeigt werden, dass nach Pankreaskopfresektion und niedrigem Fistelrisiko (FRS 0–2) das Weglassen chirurgischer Drainagen einen Vorteil bringt und dadurch dem Auftreten von BL und POPF sogar vorgebeugt wird. Andererseits ist die Verwendung von intraoperativ gelegten Drainagen bei PatientInnen mit mittlerem oder hohem Risiko richtig, um nach der Operation die auftretenden Fisteln soweit „abzuschwächen“, dass diese nicht zu einer CR-POPF fortschreiten [3]. Ebenso ist es wichtig, die Zusammensetzung der Drainageflüssigkeit im postoperativen Verlauf regelmäßig zu kontrollieren und bei niedrigem Amylasegehalt in den Drainagen diese so früh wie möglich zu entfernen, um auch dadurch der Entstehung einer POPF im weiteren Verlauf vorzubeugen [4].

Darüber hinaus haben nach Pankreaskopfresektion weder die gewählte Art der Rekonstruktion des Pankreasabflusses (mit Dünndarm oder Magen) noch die vorbeugende Gabe von Somatostatinanaloga zur Reduktion der Pankreassekretproduktion eine signifikante Reduktion der POPF-Rate zur Folge.

Diagnostik bei postoperativer Pankreasfistel (POPF)

Zur Diagnose einer CR-POPF (Grad B und C) dienen der klinische Zustand, das Blutlabor und Menge sowie Qualität der Drainageflüssigkeit (trüb, blutig, gallig, eitrig). Fieber, Schmerzen, Tachykardie und eine auffällige Verschlechterung des Allgemeinzustands sind Warnsignale für eine sich anbahnende Komplikation, ebenso wie eine deutliche Erhöhung des C‑reaktiven Proteins (CRP) und/oder der Leukozyten im Blut, die einer unverzüglichen Abklärung mittels kontrastmittelverstärkter, triphasischer Computertomographie (KM-CT) bedürfen. Eine KM-CT in arterieller und venöser Phase ist deshalb wichtig, weil damit auch von Blutgefäßen ausgehende, drohende Komplikationen (arterielles Pseudoaneurysma, Blutung) erkannt werden können. Eine sehr hohe Amylasekonzentration in der Drainage ist ein Vorbote für eine sich entwickelnde CR-POPF, ebenso die Verfärbung der zunächst klaren (Pankreasenzym-haltigen) Drainageflüssigkeit. Trüb-eitrige Flüssigkeit weist auf eine Superinfektion hin, gallige Flüssigkeit zeigt an, dass die Pankreasanastomose eine wesentliche Undichtheit aufweist, die meist operativ behandelt werden muss. Frisches Blut in der Drainage ist ein alarmierendes Zeichen, insbesondere wenn es in Verbindung mit einer POPF ca. 6–12 Tage nach der Operation auftritt („Sentinel-Blutung“).

Therapie bei postoperativer Pankreasfistel (POPF)

Fördern die Drainagen im postoperativen Verlauf weiterhin Amylase-reiches Sekret (3-fach über die Serumkonzentration erhöhter Amylasewert in der Drainageflüssigkeit) ohne Auftreten von Allgemeinsymptomen oder Zeichen für eine Komplikation, hat sich zunächst das Belassen der intraoperativ platzierten Drainagen bewährt, die dann nach mehr als einer Woche und in Abhängigkeit der täglichen Fördermenge und der Qualität der Flüssigkeit schrittweise zurückgezogen werden. Wurde eine CR-POPF diagnostiziert, d. h. entzündliche Retention bzw. Abszedierung oder Blutung, sollte ein stufenweises Behandlungskonzept („Step-up-Approach“; von minimal-invasiv/interventionell bis offen chirurgisch steigernd) in Abhängigkeit der vorliegenden Situation und des Zustands des Patienten gewählt werden.

Dabei konnte gezeigt werden, dass die perkutane CT-gezielte Drainage von Abszessen als erste Intervention in Zusammenhang mit einer Grad-C-POPF unter bestimmten Voraussetzungen einer Relaparotomie überlegen ist [5]. Sofern diese Intervention keinen Behandlungserfolg zeigt bzw. anhand der CT-Bilder offensichtlich keine perkutane Drainage möglich ist, besteht jedenfalls die Notwendigkeit zur Reoperation. Die gleichzeitige antibiotische Therapie bei nachgewiesener Infektion (Abszess), idealweiser nach Antibiogramm aus Abstrichen der Drainage bzw. intraoperativ, unterstützt die Behandlung. Für den Einsatz von Somatostatinanaloga zur pharmakologischen Hemmung der exokrinen Bauchspeicheldrüsenfunktion bei bereits vorhandenen CR-POPF gibt es keinen zustimmenden Konsens.

Ähnliches gilt für eine Blutung in Zusammenhang mit einer POPF. Besonders beachtenswert ist die „Sentinel-Blutung“ im postoperativen Verlauf nach Pankreasresektion, die ein frühes Warnsignal für eine sich anbahnende lebensbedrohliche Situation in Form einer arteriellen Arrosionsblutung darstellt. Postoperative Pankreasfistel und Galle-Leak sind Risikofaktoren für das Auftreten von Blutungen nach Pankreasresektion, ein arterielles Pseudoaneurysma (frühzeitige Diagnose in der KM-CT möglich) ist häufig eine Vorläuferveränderung an den arteriellen Blutgefäßen. Typischerweise tritt eine verzögerte Blutung nach 6–12 Tagen postoperativ auf. Ist plötzlich frisch-blutiger Inhalt im Drainagesäckchen zu erkennen, ist auch bei einem hämodynamisch stabilen und von sonstigen Symptomen unauffälligen Patienten unverzüglich eine fokussierte Diagnostik (KM-CT) einzuleiten und bei Bestätigung einer Blutung eine Angiographie durchzuführen [6]. Sofern eine arterielle Blutungsquelle während dieser Untersuchung gefunden wird, häufig handelt es sich dabei um den Gefäßstumpf der A. gastroduodenalis oder Äste der Leber- oder Mesenterialarterie, kann diese durch einen Gefäßstent abgedichtet oder mittels transarteriell platzierten Coils verschlossen werden. Damit ist die Akutsituation behandelt und eine eventuell notwendige chirurgische Ausräumung des Hämatoms kann geplant werden. Dieser Step-up-Approach mit KM-CT-Diagnostik, Angiographie und Intervention, gegebenenfalls Reoperation, hat sich bei der Blutung bewährt, weil damit Übersicht über die vorliegende Situation erhalten wird und daraufhin eine individuelle Behandlung der Blutungsquelle erfolgen kann.

Bei einer galligen Sekretion aus den Drainagen oder abdominellen Retention nach Pankreasresektion liegt entweder eine Undichtheit an der Gallengangsanastomose (Hepatikojejunostomie nach Pankreaskopfresektion) oder eine relevante Auflösung der Verbindung zwischen Pankreasrest und Dünndarm vor. In beiden Fällen ist eine Reoperation notwendig mit Neuanlage und innerer Schienung der Gallengangsanastomose bzw. Auflösung der Pankreasanastomose mit Ausleitung des Pankreasgangs über einen dünnen Katheter und Zieldrainage der Umgebung.

Tritt postoperativ eine schwere Entzündung der verbliebenen Restbauchspeicheldrüse auf, führt dies meist zu einer POPF. Sofern in dieser Situation das Sekret gut drainiert ist, ist keine weitere Maßnahme zu ergreifen. Treten aber in diesem Zusammenhang weitere Komplikationen wie Abszess, Blutung oder komplette Auflösung der Pankreasanastomose auf, ist eine Reoperation mit kompletter Entfernung des verbliebenen Pankreasgewebes (Restpankreatektomie) erforderlich. Diese Operationen sind technisch sehr anspruchsvoll und erfordern viel Erfahrung seitens des chirurgischen Teams und der perioperativen Behandlung.

Resümee

Die Berücksichtigung von Risikofaktoren für eine POPF führte zur Entwicklung von Strategien zur „Abschwächung“ ihrer klinischen Ausprägung, d. h.: Es soll verhindert werden, dass eine Amylase-haltige Drainageflüssigkeit (BL) zu einer klinisch relevanten, durch Abszess, Sepsis oder Blutung komplizierten Fistel (CR-POPF Grad B oder C) wird („mitigation strategies“; Abb. 2).

Abb. 2
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„Mitigation strategies“ zur Abschwächung der Ausprägung einer postoperativen Pankreasfistel (POPF) in PatientInnen mit hohem Fistelrisiko. Diagnose und Behandlung von klinisch relevanten Fisteln (CR-POPF) im „Step-up-Approach“. CRP C‑reaktives Protein, CT Kontrastmittel-Computertomographie (Modifiziert nach [1])

Durch die regelmäßige und genaue Kontrolle von klinischen Befunden, Blutlabor und Drainageflüssigkeit (sofern vorhanden) in der postoperativen Phase nach Pankreasoperation ist es möglich, klinisch relevanten postoperative Pankreasfisteln (CR-POPF) rechtzeitig zu erkennen und erfolgreich zu behandeln.

Ein „Step-up-Approach“ hat sich zur Behandlung der CR-POPF der Grade B und C bewährt (Abb. 2).

Entscheidend für eine erfolgreiche Behandlung einer postoperativen Pankreasfistel (POPF) ist die frühe und exakte Diagnose einer sich anbahnenden Komplikation wie Abszess, Galle-Leak, Blutung, Entzündung der Restbauchspeicheldrüse oder Auflösung der Pankreasanastomose. Eine erhöhte Amylase in der Drainageflüssigkeit ohne weitere Symptome (Biochemische Leakage, BL) bedarf keiner weiteren Intervention, die Drainagen werden mehrere Tage länger belassen und in Abhängigkeit der weiteren täglichen Fördermengen und des Drainageinhalts schrittweise entfernt. Entzündliche Retentionen bzw. Abszesse können häufig erfolgreich interventionell durch perkutane CT-gezielte Drainage behandelt werden, sofern keine Situation vorliegt, die jedenfalls eine Reoperation erfordert. Auch bei der Sentinel-Blutung ist nach rascher und fokussierter Abklärung meist die Angiographie erfolgreich, um in der Akutsituation Kontrolle über den Blutverlust zu erlangen und in weiterer Folge eine Reoperation zur Hämatomentfernung zu planen.